TE Bvwg Erkenntnis 2020/1/21 W186 2140572-1

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Veröffentlicht am 21.01.2020
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Entscheidungsdatum

21.01.2020

Norm

BFA-VG §22a
BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76
FPG §76 Abs2 Z1
VwGVG §35

Spruch

W186 2140572-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Judith PUTZER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Algerien, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 19.11.2016, Zl.611741803-161564204, sowie die Anhaltung in Schubhaft von 19.11.2016 - 01.12.2016, zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde gegen den Bescheid vom 19.11.2016 wird gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG iVm § 76 Abs. 2 Z 1 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 stattgegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft von 19.11.2016 bis 01.12.2016 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm Aufwandersatzverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer zu Handen seines ausgewiesenen Vertreters Aufwendungen in Höhe von € 737,6 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag der belangten Behörde auf Kostenersatz wird gemäß § 35 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) ist laut eigenen Angaben zufolge im August 2012, illegal ohne Reisepass, aus der Türkei über ihm unbekannte Länder, nach Österreich eingereist und hat in weiterer Folge am 23.11.2012 im Zuge einer fremdenpolizeilichen Einvernahme einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Mit Bescheid vom 30.11.2012 wurde der Asylantrag abgewiesen und zugleich eine Ausweisung nach Algerien ausgesprochen. Dieser Bescheid wurde am selben Tag durch persönliche Ausfolgung zugestellt und ist diese Entscheidung seit 15.12.2012 in Rechtskraft erwachsen.

Nach Zustellung der abweisenden Entscheidung des Antrages auf internationalen Schutz, hat der BF die zugewiesene Betreuungseinrichtung in Traiskirchen verlassen und war danach unbekannten Aufenthaltes.

Am 07.03.2013 wurde durch das Landeskriminalamt Wien eine Amtshandlung wegen Verdacht der schweren Körperverletzung gegen den BF geführt. In Folge des unrechtmäßigen Aufenthaltes und Betretens bei einer Verwaltungsübertretung nach dem FPG wurde der BF festgenommen und der Fremdenpolizeibehörde in Wien vorgeführt. Bei einer weiteren niederschriftlichen Einvernahme am 08.03.2013 stellten der Bf. einen neuerlichen Asylfolgeantrag. Im Hinblick auf den unsteten Aufenthalt und das Fehlen jeglicher sozialer und familiärer Bindungen im österr. Bundesgebiet wurde gegen den Bf. zur Sicherung des asylrechtlichen Ausweisungsverfahrens sowie zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2013, zu AIS Zahl: 13 02.991, wurde der Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zugleich die Ausweisung nach Algerien ausgesprochen. Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 3.4.2013 wurde die dagegen eingebrachte Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Wegen Haftunfähigkeit in Folge selbst verschuldeten Hungerstreiks musste der BF am 21.03.2013 aus der Schubhaft entlassen werden und waren nach der Haftentlassung neuerlich unbekannten Aufenthaltes.

Seit dem 23.05.2013 bestand für den BF eine Obdachlosenregistrierung in Wien 10. Bei einer Amtshandlung am 25.05.2013 wegen Verdacht der Vergehen nach dem Suchtmittelgesetz, versuchten der BF sich durch Flucht einer polizeilichen Kontrolle zu entziehen. Der BF wurde wegen Vergehen nach dem SMG angezeigt und das bei ihm vorgefundene Suchtmittel sichergestellt. Einem mit 28.05.2013 versendeten Ladungsbescheid für einen Termin bei der Fremdenpolizeibehörde am 19.06.2013 hat der BF unentschuldigt keine Folge geleistet.

Am 07.07.2013 wurde der Bf. wiederum als unrechtmäßig aufhältiger, undokumentierter Fremder in Wien aufgegriffen und der Fremdenpolizeibehörde vorgeführt. In der niederschriftlichen Einvernahme vom 07.07.2013 führte er aus, dass er ledig und für niemanden sorgepflichtig sei und in Österreich keine Angehörigen habe. Der BF sei ohne feste Unterkunft und nächtige bei nicht näher bekannten Freunden. Seinen Lebensunterhalt würde er durch durch Zuwendungen von dritter Seite, aus nicht näher genannten Quellen bestreiten. Mit Bescheid der LPD Wien Fremdenpolizei vom 07.07.2013 wurde daher gegen ihn erneut zur Sicherung der Abschiebung die Schubhaft angeordnet.

Am 15.07.2013 suchte das Bundesamt bei der algerischen Botschaft um die Ausstellung eines Heimreisezertifikates an.

Am 17.07.2013 wurde der BF aufgrund von Haftunfähigkeit infolge des Hungerstreiks aus der Schubhaft entlassen. Die vom BF eingebrachte Schubhaftbeschwerde wurde mit Bescheid des UVS Wien zu GZ: UVS-01/37/8011/2013-18 vom 06.12.2013 als unbegründet abgewiesen.

Am 14.08.2013 wurde der BF in Wien festgenommen und in die Justizanstalt Wien-Josefstadt eingeliefert, wo er sich bis zum 15.10.2013 in Haft befunden hat.

Aus der mit dem BF von der LPD Wien am 29.08.2013 aufgenommenen Niederschrift im Stande der gerichtlichen Untersuchungshaft in der Justizanstalt Wien-Josefstadt Halbsperre wegen § 27 Abs. 1 u 2 SMG, wurden ihm zu Kenntnis gebracht, dass gegen ihn die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm mit einem befristeten Einreiseverbot beabsichtigt sei.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu GZ: 161 Hv 122/2013m vom 15.10.2013 wurden der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall, Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 10 Monaten rechtskräftig seit 07.03.2014 verurteilt. Gleichzeitig erfolgte der Beschluss des Widerrufs der bedingten Nachsicht der Strafe, die dem Bf mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15.10.2013 zu 161 HV 122/13m wegen der Vergehen nach § 27 Abs. 1 SMG und § 27 Abs. 3 SMG gewährt wurde, gem. § 53 Abs. 1 StGB iVm § 494 Abs. 1 Z. 4 StPO.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zu GZ: 45 Hv 30/14f vom 03.03.2014 wurden der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs. 1 Z. 1 achter Fall, Abs. 3 SMG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten rechtskräftig seit 07.03.2013, verurteilt.

Mit Bescheid vom 08.05.2014 verhängte das BFA, RD Stmk eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einer Abschiebung nach Ungarn und erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 bzw. § 55 AsylG 2005. Darüber hinaus wurde ein auf fünf Jahre befristetes Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Das Bundesverwaltungsgericht gab einer dagegen erhobenen Beschwerde mit Erkenntnis vom 27.05.2014, Zl. I407 2008105-1/2E, statt, behob den angefochtenen Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück.

2. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.05.2014 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der BF wurde am 12.12.2014 erneut beim unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten und festgenommen. Mangels der Möglichkeit ein Heimreisezertifikat für den BF zu erlassen wurde er am 13.12.2014 aus der Verwaltungsverwahrungshaft entlassen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Leopoldstadt vom 11.11.2015 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften nach §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Und 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG zu einer viermonatigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Er heiratete am 03.12.2015 eine zum Aufenthalt im Bundegebiet berechtigte slowakische Staatsangehörige und begründete mit ihr vom 02.06.2015 bis zum 03.03.2017 einen gemeinsamen Wohnsitz.

Der BF beantragte am 21.01.2016 bei der Magistratsabteilung 35 der Stadt Wien eine Aufenthaltskarte (Angehörige eines EWR -Staates).

Am 27.04.2016 wurde eine Identitätsbestätigung beim BF, ausgestellt von der algerischen Botschaft in Wien vom 14.04.2016, im Rahmen einer Kontrolle im Reisezug EN 234 vorgefunden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 10.07.2017 wurde der BF wegen des Vergehens des unerlaubten Umganges mit Suchtgiften gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 7. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 2. Fall, 27 Abs. 2 SMG, sowie wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels gemäß §§ 28a Abs. 1 5. Fall, 28a Abs. 1 6. Fall SMG zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt.

Am 04.08.2016 urgierte das Bundesamt erneut bei der algerischen Botschaft um Ausstellung eines Heimreisezertifikates. Mit Schreiben vom 23.08.2016 stimmte die algerische Botschaft der Ausstellung eines HRZ für den BF zu.

Das Bundesamt organisierte am 05.11.2016 die Abschiebung des BF auf dem Luftweg nach Algerien für den 19.11.2016.

Mit Schreiben der Magistratsabteilung 35 vom 11.11.2016 wurde mitgeteilt, dass dem Ansuchen des BF auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte mangels Vorlage eines Reisepasses nicht nachgekommen werden kann.

Das Bundesamt erließ am 15.11.2016 einen Festnahmeauftrag für die Festnahme des BF am 16.11.2016 um 16:00 gemäß § 34 Abs. 3 Z 3 BFA-VG. Begründend wurde ausgeführt, dass gegen den BF mit Bescheid vom 28.05.2014 eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem fünfjährigen Einreiseverbot erlassen worden sei.

Der BF wurde am 16.11.2016 an seiner Meldeadresse in Vollziehung des Festnahmeauftrages vom 15.11.2016 festgenommen und in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Das Bundesamt erließ am 18.11.2016 einen Abschiebeauftrag für die Abschiebung des BF auf dem Luftweg nach Algerien am 19.11.2016.

Der Abschiebeversuch am 19.11.2016 scheiterte, da der BF lautstark schreiend und durch Festhalten am Tretgitter der Abschiebung widersetzte. Aufgrund diese Verhaltens verweigerte der Kapitän die Beförderung des BF, sodass die Abschiebung abgebrochen werden musste.

Er wurde in das PAZ Hernalser Gürtel gebracht, wo er noch am selben Tag vor dem Bundesamt niederschriftlich zur Überprüfung seiner Identität und der Prüfung eines Sicherungsbedarfs einvernommen wurde. Im Zuge der Einvernahme gab der BF an, er habe im Bundesgebiet eine Frau und sein Lebensmittelpunkt sei hier.

3. Mit dem gegenständlich angefochtenen Bescheid vom 19.11.2016, dem BF zugestellt durch persönliche Übernahme am selben Tag um 21:15 Uhr, verhängte das Bundesamt über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG.

Begründend wurde ausgeführt, dass gegen den BF am 18.06.2014 eine Rückkehrentscheidung iVm einem auf fünf Jahre befristeten Einreiseverbot erlassen wurde, das in erster Instanz rechtskräftig geworden sei. Der BF habe darüber hinaus alles unternommen, um seine Abschiebung entgegen zu wirken. Der BF sei illegal eingereist, gehe keiner legalen Erwerbstätigkeit nach und habe sich äußerst unkooperativ gezeigt, am gegenständlichen Verfahren zur Sicherung der Abschiebung bzw. der Abschiebung mitzuwirken. Er sei von einem inländischen Gericht mehrfach rechtskräftig verurteilt worden, sei massiv straffällig im Bundesgebiet geworden und habe mehrfach Haftstrafen in diversen Justizanstalten abgesessen. Es hätten weder verfahrensrelevante familiäre noch soziale Bindungen im Bundesgebiet festgestellt werden können. Der BF habe an der Feststellung seiner Identität nicht mitgewirkt und versuche fortwährend seinen illegalen Aufenthalt im Bundesgebiet zu prolongieren. Es liege Fluchtgefahr vor, da der BF illegal nach Österreich eingereist sei, sich illegal im Bundesgebiet aufhalte habe und keine Personaldokumente besitze. Seine Identität sei durch die algerischen Behörden bestätigt worden und wirke der BF objektiv nicht an Feststellung seiner Identität mit. Er sei in Österreich mehrfach massiv straffällig geworden und habe keinen verfahrensrelevanten sozialen Bezug zu Österreich. Ein schützenswertes Privatleben habe nicht festgestellt werden können. Er habe sich der Abschiebung nach Algerien widersetzt. Es bestehe daher die objektiv betrachtete Gefahr, dass er bei einer Entlassung untertauchen, um sich somit dem Zugriff der Behörden zu entziehen. Das persönliche Verhalten des BF zeige eindeutig, dass der BF die bestehenden Rechtsvorschriften nicht beachte und jede Gelegenheit dazu benütze, um seinen illegalen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen. Er habe sich bereits früher als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Eine Fluchtgefahr liege somit unumwunden begründet vor.

Mit Verfahrensanordnung vom selben Tag wurde dem BF die ARGE Rechtsberatung Diakonie und Volkshilfe als Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Das Bundesamt erließ am 23.11.2016 einen Abschiebeauftrag für die geplante Abschiebung des BF am 30.11.2016 auf dem Luftweg nach Algerien.

Ein erneuter Abschiebeversuch des BF am 30.11.2016 scheiterte abermals aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF.

4. Mit Schriftsatz vom 24.11.2016, hg. eingelangt am 25.11.2016, erhob der BF durch seinen Rechtsberater fristgerecht Beschwerde gegen den Schubhaftbescheid und gegen die Anhaltung in Schubhaft.

Neben der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt, den bekämpften Bescheid zu beheben und auszusprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, im Rahmen einer "Habeas Corpus Prüfung" aussprechen, dass die Anordnung von Schubhaft und die bisherige Anhaltung in Schubhaft in rechtswidriger Weise erfolgt seien, sowie dem BF von den Aufwendungen gemäß VwG-Aufwandersatzverordnung zu befreien.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass sich der BF seit Dezember 2014 in einer Beziehung mit einer in Österreich lebenden und arbeitenden slowakischen Staatsangehörigen befinde, die er am 03.12.2015 geheiratet habe. Der BF lebe seit 02.06.2015 mi seiner Frau im gemeinsamen Haushalt. Die Ehefrau des BF sei im Besitz einer Anmeldebescheinigung für EWR Bürger und im Bundesgebiet berufstätig. Der Schubhaftbescheid erweise sich aufgrund der Nicht-Erreichbarkeit des Sicherungszweckes "Abschiebung" als rechtswidrig. Die belangte Behörde ging im angefochtenen Bescheid unrichtigerweise davon aus, dass dem BF in Österreich kein Aufenthaltsrecht zukomme. Dabei verkenne die Behörde in rechtswidriger Weise, dass dem BF ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht zukomme, da er als Angehöriger einer EWR Bürgerin gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 NAG zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt sei. Dass der BF bis dato keine Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers gemäß § 54 NAG vorgelegen habe können sei aufgrund deren deklarativer Wirkung unerheblich. Im gegenständlichen Fall sei daher der Tatbestand des § 52 Abs. 1 Z 1 NAG erfüllt und komme dem BF ebenfalls ex lege ein Aufenthaltsrecht zu. Es liege aufgrund der Eheschließung mit einer slowakischen Staatsangehörigen ein Anwendungsfall der RL 2004/38/EG vor, und erweise sich eine Abschiebung schon unter diesem Aspekt als rechtswidrig. Des Weiteren liege im gegenständlichen Fall keine Fluchtgefahr vor. Die belangte Behörde habe verkannt, dass aufgrund der Eheschließung des BF ein schützenswertes Privatleben vorliege (§ 76 Abs. 3 Z 9). Ferner wäre die Verhängung gelindere Mittel anzuwenden gewesen, da der BF über ausreichend finanzielle Mittel und über einen Wohnsitz verfüge.

5. Mit Eingabe vom 25.11.2016, hg. eingelangt am selben Tag, legte das Bundesamt den Verwaltungsakt vor und gab bekannt, auf die Durchführung und Teilnahme an einer mündlichen Beschwerdeverhandlung zu verzichten.

Am 26.11.2016 übermittelte das Bundesamt eine Stellungnahme. Hierbei führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass sich der BF bereits seit August 2012 in Österreich befinde und gegen ihn neben einer durchsetzbaren asylrechtlichen Ausweisung auch eine rechtskräftige durchsetzbare Rückkehrentscheidung nach Algerien, verbunden mit einem fünfjährigen Einreiseverbot bestehe. Dem in der Schubhaftbeschwerde vorgebrachten Aufenthaltsrecht, dass dem BF durch seine Heirat mit einer slowakischen Staatsangehörigen ex lege zukomme, stehen jedoch die gesetzten durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Titel Ausweisung, Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot entgegen. Der BF sei bislang im Bundesgebiet dreimal strafgerichtlich verurteilt worden. Das aufgezeigte Gesamtfehlverhalten des BF rechtfertige nicht nur die Aufrechterhaltung des Einreiseverbotes, sondern auch die schnellstmögliche Abschiebung des BF, weshalb die Schubhaft zu Recht erlassen worden sei.

Beantragt wurde, das Bundesverwaltungsgericht möge die Beschwerde als unbegründet abweisen bzw. als unzulässig zurückweisen, gemäß § 22a BFA-VG feststellen, dass zum Zeitpunkt der Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlagen, sowie den BF zum Ersatz der angeführten Kosten verpflichten.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die Identität des BF steht fest. Er ist Staatsangehöriger von Algerien.

Der BF reiste im August 2012 unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 23.11.2012 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Der Asylantrag wurde mit Bescheid vom 30.11.2012 rechtskräftig abgewiesen und gegen den BF eine Ausweisung nach Algerien ausgesprochen.

Der BF stellte am 08.03.2013 seinen zweiten Asylantrag im Bundesgebiet, nachdem er von der Fremdenpolizei bei seinem unrechtmäßigen Aufenthalt im Bundesgebiet betreten worden war.

Der Asylfolgeantrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 18.03.2013 wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und zugleich die Ausweisung nach Algerien ausgesprochen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 03.04.2013 als unbegründet ab.

Mit Bescheid vom 08.05.2014 verhängte das Bundesamt gegen den BF eine Rückkehrentscheidung verbunden mit einer Abschiebung nach Ungarn und erlies unter einem gegen den BF ein fünfjähriges Einreiseverbot. Einer dagegen erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 27.05.2014 statt, behob den angefochtenen Bescheid und wies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt zurück.

Mit Bescheid des Bundesamtes vom 28.05.2014 wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot erlassen. Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Der BF heiratete am 03.12.2015 im Bundesgebiet eine slowakische Staatsangehörige, und lebte mit ihr im Zeitraum 02.06.2015 - 03.03.2017 an einem gemeinsamen Wohnsitz.

Die Ehefrau des BF lebt und arbeitet im Bundesgebiet und wurde ihr von der MA 35 eine Anmeldebescheinigung für EWR-Bürger ausgestellt.

Der BF wurde im Bundesgebiet 2013, 2014, 2015 und 2017 wegen Delikten nach dem SMG strafgerichtlich verurteilt.

Der BF wurde am 16.11.2016 an seiner Meldeadresse in Vollziehung eines Festnahmeauftrages festgenommen und in das PAZ Hernalser Gürtel überstellt.

Der Abschiebeversuch am 19.11.2016 scheiterte, da sich der BF lautstark schreiend und durch Festhalten am Tretgitter der Abschiebung widersetzte. Aufgrund diese Verhaltens verweigerte der Kapitän die Beförderung des BF, sodass die Abschiebung abgebrochen werden musste.

Mit Bescheid vom 19.11.2016 wurde über den BF die Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

Ein erneuter Abschiebeversuch des BF am 30.11.2016 scheiterte wiederum aufgrund der mangelnden Kooperationsbereitschaft des BF.

Er befand sich von 19.11.2016 - 01.12.2016 in Schubhaft, die im PAZ Hernalser Gürtel vollzogen wurde.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes zur Zahl I407 2008105-1.

Auskünfte aus dem Zentralen Fremdenregister (IZR) und der Grundversorgung (GVS) sowie dem Zentralen Melderegister (ZMR) wurden ergänzend zum vorliegenden Akt eingeholt.

Die Angaben zu den strafgerichtlichen Verurteilungen des BF resultieren aus einem aktuellen Strafregisterauszug.

Die Angaben zu den persönlichen Umständen des BF im Bundesgebiet resultieren aus seinen Aussagen in der Einvernahme vor dem Bundesamt, den im Zuge der Beschwerde vorgelegten Dokumenten, sowie einem ZMR Auszug, wonach ersichtlich ist, dass der BF am 03.12.2015 eine Eintragung ins Ehebruch vornehmen hat lassen. Das Zusammenleben des BF mit seiner Ehefrau zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung resultiert aus einem Auszug aus dem ZMR des BF und seiner Ehefrau. Die Eheschließung mit einer slowakischen Staatsangehörigen resultiert darüber hinaus aus der im Zuge der Beschwerde vorgelegten Kopie der Heiratsurkunde des Standesamtes Mödling vom 03.12.2015.

Die Angaben zur Verhängung der Schubhaft und der Anhaltedauer beruhen aus einem Auszug aus der Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung des BMI.

Dass der BF am 01.12.2016 aus der Schubhaft entlassen wurde ergibt sich aus der diesbezüglichen Mitteilung des Bundesamtes vom 01.12.2016.

3. Rechtliche Beurteilung:

1. Gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG hat der Fremde das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist (Z 1), er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde (Z 2), oder gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde (Z 3). Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten gemäß Abs. 1a die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat gemäß Abs. 2 binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt. Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht gemäß Abs. 3 jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

Das Bundesverwaltungsgericht ist somit gemäß § 22a Abs. 1 BFA-VG für die Entscheidung der gegenständlichen Beschwerde zuständig.

2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

3. Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

4. Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung, des Agrarverfahrensgesetzes und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A.I. und II.) Bescheid vom 19.11.2016 und Anhaltung in Schubhaft von 19.11.2016 - 01.12.2016

1. Gemäß § 76 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 70/2015 (Geltung zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung) können Fremde festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden. Die Schubhaft darf gemäß Abs. 2 nur dann angeordnet werden, wenn dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der Abschiebung notwendig ist und sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist (Z 1), oder die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen (Z 2).

Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 liegt gemäß Abs. 3. leg. cit. vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen oder Meldeverpflichtungen gemäß §§ 56 oder 71 FPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder 15a AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

2. Der BF ist algerischer Staatsangehöriger und nicht österreichischer Staatsbürger. Sohin ist er ein Fremder iSd § 76 Abs. 1 FPG. Er ist volljährig und verfügt aufgrund seiner Heirat mit einer Unionsbürgerin über ein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 54 Abs. 1 NAG. Er ist begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG.

§ 31 FPG idgF lautet:

"(1) Fremde halten sich rechtmäßig im Bundesgebiet auf,

1. wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthalts im Bundesgebiet die Befristungen oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben;

2. wenn sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder einer Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder auf Grund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind;

3. wenn sie Inhaber eines von einem Vertragsstaat ausgestellten Aufenthaltstitels sind bis zu drei Monaten (Artikel 21 SDÜ gilt), sofern sie während ihres Aufenthalts im Bundesgebiet keiner unerlaubten Erwerbstätigkeit nachgehen;"

Der BF hielt sich zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung rechtmäßig im Bundesgebiet auf, da ihm das unionsrechtliche Aufenthaltsrecht eines begünstigten Drittstaatsangehörigen zukam.

Betreffend der ihm zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung noch nicht ausgestellten Aufenthaltskarte ist auszuführen, dass, wie die Beschwerde bereits richtigerweise dokumentiert hat, der Ausstellung der Aufenthaltserlaubnis keine konstitutive Wirkung zukommt, sondern lediglich deklaratorische Wirkung und Beweisfunktion hat:

In seinem Erkenntnis vom 26.01.2017 führte der VwGH bezüglich begünstigter Drittstaatsangehöriger aus, dass dieses Aufenthaltsrecht innerstaatlich nicht verliehen wird, sondern nur dokumentiert (Hinweis E 9. August 2016, Ro 2015/10/0050) wird, und es daher auf die Ausstellung einer Anmeldebescheinigung für den Rechtserwerb nicht ankommt (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0264).

Der VwGH stellte darüber hinaus in dem soeben zitierten Erkenntnis klar, dass gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen keine Rückkehrentscheidung (samt Einreiseverbot) - insbesondere in Verbindung mit einem seinen Antrag auf internationalen Schutz abweisenden Bescheid (siehe § 52 Abs. 2 letzter Satz FrPolG 2005) - erlassen werden darf (vgl. hierzu auch VwGH vom 15.03.2018, Ra 2018/21/0014).

Dass der BF seine unabhängig vom Unionsbürger in den Aufnahmemitgliedstaat gelangt ist und erst dort die Angehörigeneigenschaft erworben oder das Familienleben mit dem Unionsbürger begründet hat, ist unerheblich (VwGH 18.10.2012, 2011/22/0163).

In den Rechtssachen C-127/08, Metok und C-551/07, Sahin entschied der EuGH ua, dass auch eine Ehe, die erst im Aufnahmemitgliedstaat geschlossen wurde, in den Anwendungsbereich des Unionsrechts falle und dem drittstaatsangehörigen Ehepartner daher ein unionsrechtlich garantiertes Aufenthaltsrecht zukomme.

Eine Rückkehrentscheidung darf gemäß § 52 FPG nicht gegenüber einem begünstigten Drittstaatsangehörigen erlassen werden. Für aufenthaltsbeendende Maßnahmen gegen begünstigte Drittstaatsangehörige - ebenso wie für EWR-Bürger im Sinn des § 2 Abs. 4 Z 8 FrPolG 2005 und Schweizer Bürger - wurden eigene Regelungen geschaffen, wonach gegen diese die Erlassung einer Ausweisung (§ 66 FPG) oder eines Aufenthaltsverbots (§ 67 FPG 2005) vorgesehen ist, nicht aber die Erlassung einer Rückkehrentscheidung (vgl. VwGH 31.8.2017, Ra 2017/21/0133).

Daraus ergibt sich für den vorliegenden Fall:

Der BF war zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kam ihm auch ohne Anmeldebescheinigung - die lediglich eine deklarative Wirkung zu Dokumentationszwecken bezweckt - ein Aufenthaltsrecht aufgrund seiner Eigenschaft als begünstigter Drittstaatsangehöriger iSd § 52 Abs. 1 Z 1 iVm § 54 NAG zu.

Er war daher zum Zeitpunkt der Schubhaftverhängung nicht unrechtmäßig aufhältig, sondern hatte als begünstigter Drittstaatsangehöriger das Recht sich im Hoheitsgebiet aufzuhalten.

Die Behörde hat die Verhängung der Schubhaft auf die die in Verbindung mit der Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz erlassene Ausweisung und die Rückkehrentscheidung (iVm einem Einreiseverbot) gegen den BF gestützt. Diese aufenthaltsbeendende Maßnahme konnte jedoch nicht effektuiert werden; aufgrund des rechtmäßigen Aufenthaltes hatte der Sicherungszweck, nämlich die Abschiebung, nicht erreicht werden können. Der gegenständliche Schubhaftbescheid erweist sich daher als rechtswidrig.

Darüber hinaus wurde im angefochtenen Schubhaftbescheid der Umstand, dass der BF mit einer Unionsbürgerin verheiratet ist und mit dieser im Bundesgebiet einen gemeinsamen aufrecht gemeldeten Wohnsitz hat, nicht festgestellt und daher weder bei der Prüfung betreffend das Vorliegen von Fluchtgefahr, noch bei der Prüfung der Anwendung gelinderer Mittel berücksichtigt.

Der Beschwerde gegen den Mandatsbescheid vom 19.11.2016 und gegen die darauf gestützte Anhaltung in Schubhaft von 19.11.2016 - 01.12.2016 ist daher stattzugeben, der angefochtene Bescheid aufzuheben und die Anhaltung für rechtswidrig zu erklären.

Zu A. III. und IV.) - Kostenersatz

1. Gemäß § 22a Abs. 1a BFA-VG gelten für Beschwerden nach dieser Bestimmung die für Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist (für die Zeit vor Inkrafttreten des § 22a Abs. 1a BFA-VG s. VwGH 23.04.2015, Ro 2014/21/0077).

Gemäß § 35 Abs. 1 VwGVG hat die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei. Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist gemäß Abs. 2 der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei. Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist gemäß Abs. 3 die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei. Die §§ 52 bis 54 VwGG sind gemäß Abs. 6 auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

2. Sowohl der BF, als auch die belangte Behörde beantragten in ihrer Beschwerde respektive Stellungnahme den Ersatz der Kosten gemäß § 35 VwGVG.

§ 35 VwGVG ordnet nur die analoge Anwendung der §§ 52 bis 54 VwGG, nicht aber auch des § 50 VwGG an, der vorsieht, dass in Fällen, in denen ein Erkenntnis oder ein Beschluss teilweise aufgehoben wurde, die Frage des Anspruches auf Aufwandersatz so zu beurteilen ist, wie wenn das Erkenntnis bzw. der Beschluss zur Gänze aufgehoben worden wäre. Die Kostenentscheidung nach § 35 VwGVG geht daher wie die Kostenentscheidung gemäß § 79a AVG - ausweislich der Erläuterungen zur RV 2009 BlgNR 24. GP 8 entspricht die Bestimmung über die Kosten bei Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt § 79a AVG (VwGH 04.05.2015, Ra 2015/02/0070) - von einem bloß teilweisen Obsiegen des Beschwerdeführers hinsichtlich der als Einheit zu wertenden Amtshandlungen aus, wenn die Beschwerde gegen eine Maßnahme zum Teil abgewiesen und nur zum Teil für rechtswidrig erklärt wird, weshalb ein Kostenersatz in diesem Fall mangels analoger Anwendung des § 50 VwGG nicht stattfindet (VwGH 31.01.2013, 2008/04/0216; vgl. auch VwGH 28.02.1997, 96/02/0481; 05.09.2002, 2001/02/0209).

§ 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV) lautet:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

In diesem Sinne war dem BF Kostenersatz im Umfang des § 1 Z 1 VwG-Aufwandersatzverordnung, also in der Höhe von € 737,60 zuzusprechen.

In logischer Konsequenz zu Spruchpunkt A.III war daher der Antrag auf Kostenersatz der belangten Behörde als unterlegene Partei gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG zu verwerfen.

Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Der Verfassungsgerichtshof hat in Bezug auf § 41 Abs. 7 AsylG 2005 in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung unter Berücksichtigung des Art. 47 iVm. Art. 52 GRC ausgesprochen, dass das Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung in Fällen, in denen der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde erklärt erscheint oder sich aus den Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen tatsachenwidrig ist, im Einklang mit Art. 47 Abs. 2 GRC steht, wenn zuvor bereits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden hat, in dessen Rahmen Parteiengehör gewährt wurde. Hat die beschwerdeführende Partei hingegen bestimmte Umstände oder Fragen bereits vor der belangten Behörde releviert oder sind solche erst nachträglich bekannt geworden, ist die Durchführung einer mündlichen Verhandlung erforderlich, wenn die von der beschwerdeführenden Partei bereits im Verwaltungsverfahren oder in der Beschwerde aufgeworfenen Fragen - allenfalls mit ergänzenden Erhebungen - nicht aus den Verwaltungsakten beantwortet werden können, und insbesondere, wenn der Sachverhalt zu ergänzen oder die Beweiswürdigung mangelhaft ist (VfGH 14.03.2012, U 466/11 ua.).

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Ra 2014/20/0017 und 0018, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 12.03.2012, U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss. Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Da im gegenständlichen Fall der maßgebliche und der hg. Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt aus der Aktenlage geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung sohin unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B. - Unzulässigkeit der Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Vielmehr spricht die gegenständliche Tatsachenlastigkeit des vorliegenden Falles gegen das Vorliegen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Aufenthaltsrecht, begünstigte Drittstaatsangehörige, Ehe,
Kostenersatz, Rechtswidrigkeit, Schubhaft, Unionsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W186.2140572.1.00

Zuletzt aktualisiert am

10.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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