TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/2 W211 2170831-1

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Veröffentlicht am 02.09.2019
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Entscheidungsdatum

02.09.2019

Norm

Auskunftspflichtgesetz §1
Auskunftspflichtgesetz §2
Auskunftspflichtgesetz §4
B-VG Art. 130 Abs1 Z3
B-VG Art. 132 Abs3
B-VG Art. 133 Abs4
B-VG Art. 87 Abs2
B-VG Art. 90a
StAG §35
StAG §35c
StGB §302 Abs1
VwGVG §28 Abs7

Spruch

W211 2170831-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a SIMMA LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , vertreten durch XXXX , wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch die Staatsanwaltschaft XXXX betreffend das am XXXX .2016 gestellte Auskunftsbegehren, zu Recht:

A)

Gemäß § 4 iVm. § 1 und § 2 Auskunftspflichtgesetz wird festgestellt, dass der Beschwerdeführerin ein Recht auf Auskunft nicht zukommt und von der Staatsanwaltschaft XXXX eine Auskunft nicht erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Beschwerdeführerin richtete am XXXX .2016 ein Ersuchen um Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz an die Staatsanwaltschaft

XXXX und begehrte zusammengefasst Auskünfte über eine von der Beschwerdeführerin bei der Staatsanwaltschaft XXXX eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch gemäß § 302 Abs. 1 StGB im Zusammenhang mit einer BürgerInnenversammlung gemäß § 104 lit. c der XXXX Stadtverfassung.

2. Mit Schreiben vom XXXX .2016 teilte die Beschwerdeführerin der Staatsanwaltschaft XXXX mit, dass ihre Anfrage vom XXXX .2016 am

XXXX .2016 nur teilweise, nämlich hinsichtlich der 1. Frage, beantwortet worden sei. Auf die restlichen Fragen sei überhaupt nicht eingegangen worden, was einer Auskunftsverweigerung gleichkomme. Da die im Auskunftspflichtgesetz normierte Beantwortungsfrist abgelaufen sei, werde um die Ausfertigung eines schriftlich begründeten Bescheides über die Verweigerung der Auskunft betreffend die 2. bis 4. Frage ersucht.

3. Mit Schreiben vom XXXX .2016 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihrer Anfrage vom XXXX .2016 mit, dass im Falle des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachts die Übermittlung einer schriftlichen Begründung nicht vorgesehen sei.

4. Mit undatiertem Schreiben erwiderte die Beschwerdeführerin, dass es sich bei der von ihr erbetenen Begründung nicht um eine solche des Absehens von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachtes handle, sondern diese auf eine im Auskunftspflichtgesetz normierte Ausfertigung eines schriftlich begründeten Bescheides über die Verweigerung der Antwort auf die von ihr erbetene Auskunft gerichtet gewesen sei. Da das Schreiben der Staatsanwaltschaft XXXX vom XXXX .2016 erkennen lasse, dass es sich hierbei um eine Verwechslung handle, werde abermals um einen schriftlich begründeten Bescheid im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes gebeten, wobei der XXXX .2017 als Verjährungstermin vorgemerkt werde. Nach Verstreichen dieser Frist werde eine Säumnisbeschwerde erhoben.

5. Mit Schriftsatz vom XXXX 2017 wurde die gegenständliche Säumnisbeschwerde eingebracht und zusammengefasst ausgeführt, dass gegen die Entscheidung, keine Ermittlungen aufzunehmen, zwar kein Rechtsmittel zur Verfügung stehe, die Staatsanwaltschaft XXXX dennoch gesetzlich dazu verpflichtet gewesen sei, die Beschwerdeführerin hiervon zu verständigen. Auch wenn diese Verpflichtung nicht mit einer ausdrücklichen Sanktion belegt sei, falle sie dennoch unter die Amtspflichten der Staatsanwaltschaft

XXXX , denen durch die weit verspätete Mitteilung nicht Genüge getan worden sei. Die Staatsanwaltschaft XXXX habe am XXXX .2016 zwar die erste Frage mit der Begründung, dass mangels Anfangsverdachtes von einer Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abgesehen werde, beantwortet, sei jedoch auf die weiteren Fragen nicht eingegangen. Da dies einer Verweigerung der erbetenen Auskünfte gleichkomme, sei um die Ausfertigung eines schriftlichen Bescheides ersucht worden, den die Beschwerdeführerin jedoch bisher nicht erhalten habe. Es werde beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge der Staatsanwaltschaft XXXX die unverzügliche Beantwortung der Fragen oder, im Fall einer Ablehnung der Beantwortung dieser Fragen, auftragen, hierüber einen schriftlichen Bescheid zu erlassen.

6. Am XXXX .2017 legte die Staatsanwaltschaft XXXX die Säumnisbeschwerde dem Bundesverwaltungsgericht vor.

7. Mit Schreiben vom XXXX .2017 forderte das Bundesverwaltungsgericht die Staatsanwaltschaft XXXX auf, zur Säumnisbeschwerde sämtliche diesbezügliche Verwaltungsakten vorzulegen.

8. Nach einem Telefonat mit der Vertreterin der Beschwerdeführerin übermittelte diese mit Schreiben vom XXXX .2018 die ihr zur Verfügung stehenden fehlenden Schriftstücke.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Mit Schreiben vom XXXX .2014 übermittelte die Beschwerdeführerin eine Sachverhaltsdarstellung an die Staatsanwaltschaft, nach der - zusammengefasst - eine BürgerInnenversammlung in einem zu kleinen Raum (für nur 300 Personen) geplant worden sei, deswegen Zählkarten ausgegeben worden seien, sodann eine zweite - und damit eine "BürgerInnenversammlung auf Raten" - abgehalten worden sei, und daher eine näher bezeichnete Bezirksvorsteherin ihrer in der XXXX Stadtverfassung verankerten Verpflichtung nicht nachgekommen sei.

Mit Schreiben vom XXXX .2016 brachte die Beschwerdeführerin die folgende Anfrage bei der Staatsanwaltschaft XXXX ein:

"1. Entspricht die Mitteilung, es "wurde in der gegenständlichen Angelegenheit von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachtes abgesehen" der Wahrheit?

2. Wenn dies der Fall sein sollte,

a) welche Gründe dafür sind im Tagebuch der Staatsanwaltschaft angeführt und

b) warum wurden wir als Verfasser dieser Darstellung und als Geschädigte der dargestellten Vorgangsweise von der Vorgangsweise nicht verständigt?

3. was, außer der missbräuchlichen Vornahme eines konkreten Amtsgeschäftes (verpflichtende Ansetzung einer Bezirksversammlung gemäß § 104 c) durch ein konkret benanntes, dafür zuständiges Organ der Gemeinde in nachweislich wissentlicher (und vorsätzlicher) Schädigung zahlreicher Bürgerinnen und Bürger durch rechtswidrige Verweigerung ihres verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechts auf Teilnahme an einer verpflichtenden Institution der Demokratie (qualifiziertes Versammlungsrecht zwecks direkten Informationsaustauschs mit der interessierten Öffentlichkeit zur gleichen Zeit und am gleichen Ort) ist darüber hinaus noch erforderlich, um einen Anfangsverdacht zu begründen?

4. Wenn ein solches und nicht bekanntes Erfordernis bestehen sollte, warum wurden wir nicht um entsprechende Ergänzung unserer Sachverhaltsdarstellung ersucht?"

Mit Schreiben vom XXXX .2016 teilte die Staatsanwaltschaft XXXX der Beschwerdeführerin Folgendes mit:

"Zu Ihrer Anfrage wird mitgeteilt, dass im Falle des Absehens von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachtes die Übermittlung einer schriftlichen Begründung nicht vorgesehen ist."

Mit Schreiben vom XXXX .2016 beantragte die Beschwerdeführerin die Ausfertigung eines schriftlichen Bescheids über die Verweigerung der Auskunft über die Fragen 2. - 4.

Ein solcher Bescheid wurde durch die Staatsanwaltschaft XXXX nicht erlassen.

Daraufhin erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom XXXX .2017 eine Säumnisbeschwerde.

Es wird festgestellt, dass ein Recht auf Auskunft zu den gestellten Fragen 2. - 4. nicht besteht.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellung zum maßgeblichen Sachverhalt ergibt sich aus dem Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und gilt deshalb als erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde:

3.1. Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde. Gemäß Art. 132 Abs. 3 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Gemäß § 8 Abs. 1 VwGVG kann eine Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 3 B-VG (Säumnisbeschwerde) erst erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser entschieden hat. Die Frist beginnt mit dem Zeitpunkt, in dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war. Die Beschwerde ist abzuweisen, wenn die Verzögerung nicht auf ein überwiegendes Verschulden der Behörde zurückzuführen ist.

Die Beschwerdeführerin stellte am XXXX .2016 einen Antrag auf Ausfertigung eines Bescheids über die Verweigerung der Auskunft betreffend ihr Auskunftsersuchen vom XXXX .2016; ein solcher Bescheid wurde durch die Staatsanwaltschaft XXXX nicht erlassen. Am XXXX .2017 erhob die Beschwerdeführerin eine Säumnisbeschwerde.

Aus den Verwaltungsakten ergeben sich keine Hinweise darauf, dass zwischenzeitlich, also nach der Antragstellung, durch die Behörde verfahrensrelevante Schritte gesetzt wurden.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist der Begriff des Verschuldens der Behörde nach § 73 Abs. 2 AVG nicht im Sinne eines Verschuldens von Organwaltern der Behörde, sondern insofern "objektiv" zu verstehen, als ein solches "Verschulden" dann anzunehmen ist, wenn die zur Entscheidung berufene Behörde nicht durch schuldhaftes Verhalten der Partei oder durch unüberwindliche Hindernisse an der Entscheidung gehindert war (vgl. VwGH 21.09.2007, 2006/05/0145). Weiters hat der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ein überwiegendes Verschulden der Behörde darin angenommen, dass diese die für eine zügige Verfahrensführung notwendigen Schritte unterlässt oder mit diesen grundlos zuwartet (vgl. VwGH 06.07.2010, 2009/05/0306). Die Behörden haben dafür Sorge zu tragen, dass durch organisatorische Vorkehrungen eine rasche Entscheidung möglich ist (VwGH 26.01.2012, 2008/07/0036).

In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass es sich aus dem Akteninhalt nicht ergibt, dass die Verfahrensverzögerung durch ein schuldhaftes Verhalten der Beschwerdeführerin oder durch unüberwindliche Hindernisse verursacht war. Das Bundesverwaltungsgericht geht daher von einer durch die Behörde zu verantwortenden Untätigkeit aus, die die Kriterien des "überwiegenden Verschuldens" erfüllt.

Darüber hinaus kann aus dem Titel der Verletzung der Entscheidungspflicht das Verwaltungsgericht nur dann angerufen werden, wenn eine Behörde mit einer gegenüber der Partei zu erlassenden Sachentscheidung in Verzug geblieben ist. Die Beschwerdeführerin begehrt im nunmehrigen Säumnisbeschwerdeverfahren vom Verwaltungsgericht keine Auskunft, sondern gemäß § 4 erster Satz Auskunftspflichtgesetz die Feststellung, dass die Erteilung der beantragten Auskunft gemäß Auskunftspflichtgesetz zu Unrecht verweigert wurde (Rechtsakt). Eine auskunftswerbende Person hat einen Rechtsanspruch auf bescheidmäßige Erledigung eines solchen Antrags. Erlässt die Behörde diesen Bescheid innerhalb der Entscheidungsfrist nicht, ist sie mit einer Sachentscheidung und nicht mit der Setzung eines Realaktes in Verzug. Dieser Umstand führt zur Zulässigkeit der Säumnisbeschwerde in solchen Fällen. Das mit § 4 Auskunftspflichtgesetz verfolgte Ziel, Auskunftswerbern eine Möglichkeit zur Durchsetzung ihres subjektiven Rechts auf Auskunftserteilung einzuräumen, würde durch eine andere Sichtweise konterkariert werden. Das in dem Umstand, dass Verwaltungsgerichte begehrte Auskünfte nicht selbst erteilen können, liegende Rechtsschutzdefizit erfordert die Möglichkeit zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht durch auskunftswerbende Personen im Hinblick auf Verfahren nach § 4 erster Satz Auskunftspflichtgesetz. Der Entscheidungspflicht und dem wirksamen Rechtsschutz gegen ihre Verletzung kommt im Verwaltungsverfahren (nach dem AVG) wesentliche Bedeutung zu. Im Hinblick auf den Grundsatz des effektiven Rechtsschutzes muss sich die auskunftswerbende Person gegen die Verweigerung der Entscheidung durch Untätigkeit der Behörde genauso wie gegen einen rechtswidrigen Bescheid wehren können (vgl. VwGH, 24.05.2018, Ro 2017/07/0026).

Daraus folgt, dass die Säumnisbeschwerde zulässig ist und die Zuständigkeit hinsichtlich des Antrages auf das Bundesverwaltungsgericht übergegangen ist.

Hat das Verwaltungsgericht im Zuge eines Säumnisbeschwerdeverfahrens in der Sache zu entscheiden, hat es somit entweder auszusprechen, dass die Auskunft verweigert wird, oder festzustellen, dass die Auskunft zu erteilen ist. Die Erteilung einer Auskunft selbst kann hingegen nicht Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichts sein.

3.2. Zu A)

3.2.1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 15. Mai 1987 über die Auskunftspflicht der Verwaltung des Bundes und eine Änderung des Bundesministeriengesetzes 1986 (Auskunftspflichtgesetz) lauten:

"§ 1. (1) Die Organe des Bundes sowie die Organe der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung haben über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegensteht.

(2) Auskünfte sind nur in einem solchen Umfang zu erteilen, der die Besorgung der übrigen Aufgaben der Verwaltung nicht wesentlich beeinträchtigt; berufliche Vertretungen sind nur gegenüber den ihnen jeweils Zugehörigen auskunftspflichtig und dies insoweit, als dadurch die ordnungsgemäße Erfüllung ihrer gesetzlichen Aufgaben nicht verhindert wird. Sie sind nicht zu erteilen, wenn sie offenbar mutwillig verlangt werden.

[...]

§ 4. Wird eine Auskunft nicht erteilt, so ist auf Antrag des Auskunftswerbers hierüber ein Bescheid zu erlassen. Als Verfahrensordnung, nach der der Bescheid zu erlassen ist, gilt das AVG, sofern nicht für die Sache, in der Auskunft erteilt wird, ein anderes Verfahrensgesetz anzuwenden ist. [...]"

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 5. März 1986 über die staatsanwaltschaftlichen Behörden (Staatsanwaltschaftsgesetz - StAG) lauten:

"Einsicht in Behelfe und Unterlagen der staatsanwaltschaftlichen Behörden

§ 35. (1) Das Recht auf Einsicht in Tagebücher steht unbeschadet der nachstehenden Bestimmungen nur Staatsanwaltschaften und dem Bundesministerium für Justiz sowie im erforderlichen Umfang jenen Behörden zu, die mit einem Straf- oder Disziplinarverfahren gegen einen Staatsanwalt oder mit einem Verfahren nach dem Amtshaftungsgesetz, BGBl. Nr. 20/1949, gegen den Bund wegen behaupteter Rechtsverletzung eines Organs einer Staatsanwaltschaft befaßt sind. [...]

Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens

§ 35c. Die Staatsanwaltschaft hat von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens abzusehen, sofern kein Anfangsverdacht (§ 1 Abs. 3 StPO) besteht. Davon ist der Anzeiger zu verständigen, wobei er darauf hinzuweisen ist, dass ein Antrag auf Fortführung gemäß § 195 StPO nicht zusteht. Die Bestimmungen des § 5 Abs. 4 und 5 sowie §§ 8 f und §§ 25 bis 27 StPO gelten sinngemäß."

3.2.2. In der Sache:

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind unter den Organen des Bundes im Sinne des § 1 Abs. 1 Auskunftspflichtgesetz im Lichte verfassungskonformer Auslegung nur die Organe der Bundesverwaltung, nicht aber die Organe der Gerichtsbarkeit, zu verstehen (RV zu Art. 20 Abs. 4 B-VG, 39 Blg NR 17. GP, 2; Bericht des Verfassungsausschusses zu diesem Bundesverfassungsgesetz, 116 Blg NR 17. GP, 2). Die Auskunftspflicht bezieht sich somit nicht auf die richterliche Tätigkeit als solche; diese Bestimmung darf auch nicht dadurch umgangen werden, dass man von den Organen der Justizverwaltung Auskunft über die richterliche Tätigkeit als solche verlangt. Die Justizverwaltung würde sich in einen bedauerlichen und nur Missverständnisse hervorrufenden Gegensatz zur Rechtsprechung setzen, wenn sie es als ihre Aufgabe betrachten würde, Rechtsauskünfte über Angelegenheiten der Gerichtsbarkeit im Einzelfall zu erteilen (vgl. VwGH 14.12.1995, 94/19/1174; 13.09.1991, 90/18/0193).

Unter Justizverwaltung versteht Art. 87 Abs 2 B-VG eine durch RichterInnen ausgeübte, ihrem Inhalt nach aber nicht der Rechtsprechung zuzuzählende Tätigkeit, die zur richterlichen Funktion irgendeinen Bezug hat; sei es, dass sie dem Funktionieren der Gerichtsbarkeit dient, durch gerichtliche Entscheidungen bedingte Vorkehrungen anderer Organe erleichtern soll oder auf eine andere Art mit richterlicher Tätigkeit in Zusammenhang steht (VfSlg 7.376/1974 und 8.158/1977).

Ein Akt der Gerichtsbarkeit liegt vor, wenn das gesetzlich geregelt ist und/oder wenn zwischen dem geltend gemachten inkriminierten Vorgehen und einem gerichtlichen Verfahren ein unmittelbarer Zusammenhang besteht (VwGH 17.10.2001, 99/12/0004).

Gemäß Art 90a B-VG sind (auch) Staatsanwälte und Staatsanwältinnen Organe der ordentlichen Gerichtsbarkeit, die in Verfahren wegen mit gerichtlicher Strafe bedrohter Handlungen Ermittlungs- und Anklagefunktionen wahrnehmen (zur Einordung der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen zur Staatsfunktion Gerichtsbarkeit siehe auch VwGH 15.03.2012, 2012/01/0048 und OGH 13.08.2008, 14 Os 108/08a sowie 1618 BlgNR 24. GP 9, wonach "Staatsanwälte Organe der (ordentlichen) Gerichtsbarkeit aber keine ordentlichen Gerichte sind").

Die Tätigkeit der Staatsanwälte und Staatsanwältinnen ist in funktioneller Hinsicht aber nur insoweit als Gerichtsbarkeit zu qualifizieren, als sie Aufgaben im Rahmen der Rechtspflege wahrnehmen. Staatsanwälte und Staatsanwältinnen sind daher im Kernbereich ihrer Tätigkeit, nämlich der Ermittlung und Anklage im strafgerichtlichem Verfahren, der Gerichtsbarkeit zuzurechnen (Mayer/Muzak B-VG5 (2015) Art 90a B-VG I f). Aufgaben im Rahmen der "Staatsanwaltschaftsverwaltung" sind hingegen der Verwaltung zuzuordnen (vgl. Thienel in GedS Walter 819 (831)).

Verfahrensgegenständlich beantragte die Beschwerdeführerin in ihrem Schreiben vom XXXX .2016 Auskünfte über eine von ihr bei der Staatsanwaltschaft XXXX eingebrachte Sachverhaltsdarstellung wegen des Verdachts auf Amtsmissbrauch gemäß § 203 Abs. 1 StGB, nämlich die im Tagebuch angeführten Gründe für das Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachtes, und warum sie von der Einstellung nicht benachrichtigt wurde (Frage 2), bzw. was erforderlich sei, um einen Anfangsverdacht zu begründen (Frage 3) sowie, warum nicht um entsprechende Ergänzung der Sachverhaltsdarstellung ersucht worden sei (Frage 4).

Die Beschwerdeführerin bezieht sich somit in ihrem Auskunftsverlangen einerseits auf die in § 35 und § 35 lit. c StAG normierten Rechte (Frage 2) und verlangt andererseits eine allgemeine Rechtsauskunft (Frage 3) sowie eine Auskunft über das Unterlassen der Einleitung von weiteren Verfahrensschritten im Rahmen des Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft (Frage 4).

Hinsichtlich der Frage 2 - Gründe in den Tagebüchern und Gründe für die fehlende Verständigung - ist anzumerken, dass nach § 35 StAG eine Einsicht in die Tagebücher nicht vorgesehen ist; eine Umgehung eines Einsichtsrechts über eine Auskunftspflicht zu einer Kernaufgabe der Staatsanwaltschaft, nämlich die Ermittlung und Entscheidung darüber, ob ein Verfahren eingeleitet werden soll, scheint sich auf Basis des Auskunftspflichtgesetzes nicht begründen zu lassen. In Bezug auf die Frage 2., also die Gründe in den Tagebüchern der Staatsanwaltschaft sowie allfällige Gründe für die fehlende Verständigung der Beschwerdeführerin, wird von Tätigkeiten im Rahmen der Rechtspflege durch die Staatsanwaltschaften auszugehen sein, die der Auskunftspflicht nicht unterliegen. Darüber hinaus muss angemerkt werden, dass die Beschwerdeführerin schließlich doch zumindest seit XXXX .2016 darüber informiert wurde, dass von der Einleitung des Ermittlungsverfahrens mangels Anfangsverdachts abgesehen wurde.

Zur 3. Frage, die erkunden möchte, was zur Begründung eines Anfangsverdachts noch erforderlich sei, ist auszuführen, dass diese Frage auf eine allgemeine Rechtsauskunft abzielt, die nicht dem Auskunftsrecht unterliegt: der VwGH führte dazu aus, dass nur gesichertes Wissen - sei es im tatsächlichen, sei es im rechtlichen Bereich - Gegenstand einer Auskunft (nach dem Auskunftspflichtgesetz) sein kann. Auskunftserteilung bedeutet somit die Weitergabe von Informationen, die der Behörde - aus dem Akteninhalt - bekannt sind und nicht erst zum Zweck der Erfüllung der Auskunftspflicht beschafft werden müssen. Die Verwaltung ist keinesfalls zu umfangreichen Ausarbeitungen oder zur Erstellung von (Rechts-)Gutachten verpflichtet. Das Auskunftspflichtgesetz dient auch nicht dazu, Behörden zur Wertung von Tatsachen zu verhalten, um auf diesem Umweg rechtskräftige Bescheide oder Beschlüsse des Nationalrates oder Entscheidungen der Gerichtsbarkeit, in denen diese Wertungen bereits vorgenommen wurden, einer (neuerlichen) Überprüfung zugänglich zu machen. Das Auskunftspflichtgesetz soll der Partei nur Informationen über bereits vorhandenes Wissen der Behörde, nicht aber eine vorzunehmende Bewertung, zugänglich machen (vgl. VwGH, 25.03.2010, 2010/04/0019). Die 3. Frage der Beschwerdeführerin danach, was noch erforderlich sei, um einen Anfangsverdacht zu begründen, kann daher nicht als eine dem Auskunftsrecht unterliegende angesehen werden.

Die 4. Frage versucht zu erkunden, wieso die Beschwerdeführerin nicht ersucht wurde, eine Ergänzung zur Sachverhaltsdarstellung vorzunehmen: auch diese reicht einerseits in die Sphäre der Staatsanwaltschaft als Gerichtsbarkeit, die in ihrem Kernbereich über ihre Ermittlungstätigkeit und -handlungen entscheiden kann. Damit kann sie - eben im Rahmen der Rechtspflege - auch darüber entscheiden, ob sie bei einer Anzeigerin weitere Informationen einholen möchte oder nicht. Diese Entscheidungsbefugnis muss als Kernbereich des Handelns der Staatsanwaltschaft als Gerichtsbarkeit angesehen werden. Andererseits kann diese Frage auch als Ersuchen um Rechtsauskunft - nahe der Frage 3. - verstanden werden, die aus den im vorigen Absatz genannten Gründen nicht unter die Auskunftspflicht fällt.

Damit liegen mit den Fragen 2 - 4 aus dem Auskunftsersuchen vom XXXX .2016 keine geeigneten Auskunftsbegehren nach dem Auskunftspflichtgesetz vor, weshalb der Beschwerdeführerin ein Recht auf Auskunft zu diesen Fragen nicht zukommt, was im Spruch entsprechend anzuführen war (vgl. VwGH, 27.11.2018, Ra 2017/02/0141).

3.3. Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann - soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist - das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

Im gegenständlichen Fall kann das Unterlassen einer mündlichen Verhandlung darauf gestützt werden, dass der Sachverhalt zur Beurteilung der Beschwerde aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt ist. Die getroffene Sachverhaltsfeststellung wurden nicht bestritten. Weder war der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig, noch erschien er in entscheidenden Punkten als unrichtig. Das Bundesverwaltungsgericht hat vorliegend daher ausschließlich über eine Rechtsfrage zu erkennen (vgl. EGMR 05.09.2002, Appl. Nr. 42057/98, Speil/Österreich). Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Darüber hinaus wurde eine mündliche Verhandlung von den Parteien nicht beantragt.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen, wie oben unter A) angeführt ist. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Auskunftsbegehren, Auskunftsrecht, Auskunftsverweigerung,
Entscheidungspflicht, Ermittlungsverfahren, Gerichtsbarkeit,
Rechtsauskunft, Säumnisbeschwerde, Staatsanwaltschaft

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W211.2170831.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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