TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/2 G313 2225919-1

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Veröffentlicht am 02.12.2019
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Entscheidungsdatum

02.12.2019

Norm

BFA-VG §22a Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §76 Abs1
FPG §76 Abs2
VwGVG §35

Spruch

G313 2225919-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Birgit WALDNER-BEDITS über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Schubhaftbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 21.11.2019, Zl. XXXX, und gegen die Anhaltung in Schubhaft, zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 76 Abs. 1 und 2 FPG iVm § 22a Abs. 1 BFA-VG idgF stattgegeben, und der angefochtene Bescheid ersatzlos aufgehoben.

Gleichzeitig wird die Anhaltung in Schubhaft seit 21.11.2019 für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm VwG-Aufwandersatzverordnung, BGBl. II Nr. 517/2013, hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem BF zu Handen seiner ausgewiesenen Vertreterin Aufwendungen in Höhe von 737,60 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit dem oben im Spruch angeführten Mandatsbescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) von 21.11.2019 wurde über den BF gemäß § 76 Abs. 2 Z 1 FPG die Schubhaft zum Zweck der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

2. Gegen diesen Bescheid und gegen die fortdauernde Anhaltung des BF in Schubhaft seit 21.11.2019 wurde fristgerecht Beschwerde erhoben.

3. Am 29.11.2019 wurde dem Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist Staatsangehöriger von Nigeria. Im gegenständlichen Schubhaftverfahren vorangegangenen Asylverfahren wurden verschiedene Alias-Namen angeführt. Im Fremdenregister sind noch weitere Alias-Namen bzw. Alias-Identitäten des BF eingetragen.

1.2. Der BF stellte am 03.02.2016 in Italien einen Antrag auf internationalen Schutz. Er war bereits davor im Dezember 2015 in Italien unrechtmäßig aufhältig angehalten worden.

Am 04.09.2016 stellte der BF seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet, zu diesem Zeitpunkt als unbegleiteter Minderjähriger. Mit Erkenntnis des BVwG von März 2018, rechtskräftig mit 07.03.2018, erging eine negative Entscheidung über diesen Antrag, sowohl hinsichtlich des Status des Asyl- als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten und wurde die BFA-Entscheidung auch hinsichtlich Erlassung einer Rückkehrentscheidung und der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde bestätigt, auch hinsichtlich der Erlassung des Einreiseverbotes, nur dass dieses auf die Dauer von drei Jahre herabgesetzt wurde. Mit dieser Entscheidung, wogegen einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde, ist die aufenthaltsbeendende Maßnahme durchsetzbar geworden.

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Während dieses ersten Asylverfahrens wurde der BF im Februar 2017 rechtskräftig wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten, bedingt auf eine Probezeit von drei Jahren, rechtskräftig strafrechtlich verurteilt.

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Ebenso während dieses Asylverfahrens wurde mit Straferkenntnis der Landespolizeidirektion vom 20.08.2017 über den BF eine Geldstrafe von EUR 266,67 wegen aggressiven Verhaltens gegenüber einem Organ der öffentlichen Aufsicht und Erregung wegen ungebührlicher Weise störenden Lärms verhängt.

Der BF reiste nach Deutschland und stellte dort am 19.11.2018 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Nachdem der BF am 07.05.2019 aufgrund der Dublin-Verordnung nach Österreich überstellt worden war, stellte er noch am Tag seiner Überstellung am 07.05.2019 im Bundesgebiet einen zweiten Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 24.05.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl-, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, und dem BF aufgetragen, in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Der BF tauchte unter und wurde am 29.05.2019 von dem ihm zugewiesenen Grundversorgungsquartier abgemeldet.

Der BF setzte sich nach Deutschland ab und stellte dort am 17.07.2019 einen Asylantrag.

Nachdem er nach Österreich zurückgekehrt war, reiste er am 25.07.2019 selbstständig freiwillig wieder nach Deutschland. Danach, am 29.07.2019, erging über den vom BF am 07.05.2019 im Bundesgebiet gestellten Asylantrag eine rechtskräftige negative Entscheidung.

Nach der Ausstellung eines "Laissez-passer" für die Überstellung des BF von Deutschland nach Österreich Ende Oktober 2019 wurde der BF von Deutschland nach Österreich überstellt.

1.3. Der BF stellte dann am 20.11.2019 seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz im Bundesgebiet. Er kam daraufhin am 20.11.2019 um 20:20 Uhr in Verwaltungsverwahrungshaft. Mit Mandatsbescheid des BFA vom 21.11.2019 wurde über den BF die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme angeordnet.

Am 21.11.2019, 17:30 Uhr, kam der BF in Schubhaft.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Der oben angeführte Verfahrensgang und die oben getroffenen Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des BVwG.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Relevante rechtliche Bestimmungen:

Der mit "Rechtsschutz bei Festnahme, Anhaltung und Schubhaft" betitelte § 22a des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, lautet:

"§ 22a. (1) Der Fremde hat das Recht, das Bundesverwaltungsgericht mit der Behauptung der Rechtswidrigkeit des Schubhaftbescheides, der Festnahme oder der Anhaltung anzurufen, wenn

1. er nach diesem Bundesgesetz festgenommen worden ist,

2. er unter Berufung auf dieses Bundesgesetz angehalten wird oder wurde, oder

3. gegen ihn Schubhaft gemäß dem 8. Hauptstück des FPG angeordnet wurde.

(1a) Für Beschwerden gemäß Abs. 1 gelten die für Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG anwendbaren Bestimmungen des VwGVG mit der Maßgabe, dass belangte Behörde jene Behörde ist, die den angefochtenen Schubhaftbescheid erlassen hat oder der die Festnahme oder die Anhaltung zuzurechnen ist.

(2) Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes über die Fortsetzung der Schubhaft hat binnen einer Woche zu ergehen, es sei denn, die Anhaltung des Fremden hätte vorher geendet. Hat das Bundesverwaltungsgericht dem Beschwerdeführer gemäß § 13 Abs. 3 AVG aufgetragen, innerhalb bestimmter Frist einen Mangel der Beschwerde zu beheben, wird der Lauf der Entscheidungsfrist bis zur Behebung des Mangels oder bis zum fruchtlosen Ablauf der Frist gehemmt.

(3) Sofern die Anhaltung noch andauert, hat das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen.

(4) Soll ein Fremder länger als vier Monate durchgehend in Schubhaft angehalten werden, so ist die Verhältnismäßigkeit der Anhaltung nach dem Tag, an dem das vierte Monat überschritten wurde, und danach alle vier Wochen vom Bundesverwaltungsgericht zu überprüfen. Das Bundesamt hat die Verwaltungsakten so rechtzeitig vorzulegen, dass dem Bundesverwaltungsgericht eine Woche zur Entscheidung vor den gegenständlichen Terminen bleibt. Mit Vorlage der Verwaltungsakten gilt die Beschwerde als für den in Schubhaft befindlichen Fremden eingebracht. Das Bundesamt hat darzulegen, warum die Aufrechterhaltung der Schubhaft notwendig und verhältnismäßig ist. Das Bundesverwaltungsgericht hat jedenfalls festzustellen, ob zum Zeitpunkt seiner Entscheidung die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorliegen und ob die Aufrechterhaltung der Schubhaft verhältnismäßig ist. Diese Überprüfung hat zu entfallen, soweit eine Beschwerde gemäß Abs. 1 bereits eingebracht wurde.

(5) Gegen die Anordnung der Schubhaft ist eine Vorstellung nicht zulässig."

Der mit "Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen" betitelte § 12a AsylG lautet auszugsweise wie folgt:

"§ 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2. kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

(2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde."

Der mit "Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes" betitelte § 22 BFA-VG lautet auszugsweise:

"§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar."

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005

(FPG),

BGBl. I Nr. 100/2005, lautet auszugsweise:

"§ 76. (1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

(...)."

3.2. Im gegenständlichen Fall stellte der BF mehrere Asylanträge, und zwar in Italien, Österreich und Deutschland. Auf seinen Asylantrag am 03.02.2016 in Italien folgte am 04.09.2016 sein erster Asylantrag im Bundesgebiet.

Über diesen Antrag vom 04.09.2016 erging eine negative Asylentscheidung, wobei der Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asyl- als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen, gegen den BF eine Rückkehrentscheidung und ein befristetes Einreiseverbot erlassen und einer Beschwerde gegen diese Entscheidung die aufschiebende Wirkung aberkannt wurde. Mit Erkenntnis des BVwG vom 07.03.2018 wurde dieser Asylbescheid bestätigt, auch grundsätzlich das Einreiseverbot, nur, dass dieses von ursprünglich sechs auf die Dauer von drei Jahre herabgesetzt wurde. Die aufenthaltsbeendende Maßnahme ist damit rechtskräftig und durchsetzbar geworden.

Der BF stellte dann am 19.11.2018 in Deutschland einen Antrag auf internationalen Schutz, bevor er am 07.05.2019 aufgrund der Dublin-Verordnung nach Österreich überstellt wurde.

Noch am Tag der Rücküberstellung - am 07.05.2019 - stellte der BF im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des BFA vom 24.05.2019 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 07.05.2019 sowohl hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asyl-, als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten wegen entschiedener Sache zurückgewiesen, und dem BF aufgetragen, in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 29.07.2019 wurde die Entscheidung des BFA vom 24.05.2019 bestätigt.

Davor - während aufrechten Beschwerdeverfahrens - hatte der BF sich nach Deutschland abgesetzt und dort am 17.07.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Der BF kehrte nach Österreich zurück und reiste am 25.07.2019 selbstständig freiwillig wieder nach Deutschland. Es wurde Ende Oktober 2019 ein "Laissez-passer" für die Überstellung des BF von Deutschland nach Österreich ausgestellt und der BF daraufhin nach Österreich rücküberstellt.

Am 20.11.2019 stellte der BF seinen dritten Antrag auf internationalen Schutz. Es folgte die Anordnung der Schubhaft über den BF zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mit Mandatsbescheid des BFA vom 21.11.2019 und ab 21.11.2019, 17:30 Uhr, die Schubhaft des BF.

Fest steht, dass der BF, der am 20.11.2019 einen Folgeantrag (seinen dritten Asylantrag) im Bundesgebiet gestellt hat, zum Zeitpunkt der Verhängung der Schubhaft über ihn Asylwerber mit faktischem Abschiebeschutz war, bestand doch keine Anordnung auf Außerlandesbringung nach § 61 FPG iSv § 12a Abs. 1 Z. 1 AsylG, die das Bestehen des faktischen Abschiebeschutzes von vornherein ausgeschlossen hätte, war der BF doch bereits vor rechtskräftiger Entscheidung des BVwG vom 29.07.2019 wegen entschiedener Sache - am 25.07.2019 selbstständig freiwillig von Österreich nach Deutschland ausgereist. Es erging auch keine Entscheidung des BFA über eine Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes iSv §12a Abs. 2 AsylG.

Für den BF galt daher die Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen (d.i. sog. Aufnahme-RL), sodass die Verhängung von Schubhaft nach § 76 Abs. 2 Z. 1 FPG gegen den BF nicht in Betracht kam (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2016/21/0219; VwGH 05.10.2017, Ro 2017/21/0009).

Der die Schubhaft über den BF anordnende angefochtene Mandatsbescheid vom 21.11.2019 war somit rechtswidrig.

Aus der Rechtswidrigkeit des die Schubhaft anordnenden Bescheides folgt auch die Rechtswidrigkeit der darauf gestützten Anhaltung des BF in Schubhaft (vgl. VwGH 22.12.2009, 2009/21/0208; VwGH 08.09.2009, 2009/21/0162).

Es war daher auch die Anhaltung des BF in Schubhaft seit 21.11.2019, 17:30 Uhr, für rechtswidrig zu erklären.

Ergänzend wird noch angemerkt, dass im vorliegenden Fall auch § 76 Abs. 6 FPG nicht als Rechtsgrundlage für die Verhängung von Schubhaft in Frage gekommen wäre, weil diese Bestimmung schon nach ihrem Wortlaut ("während einer Anhaltung in Schubhaft") eine vor Stellung des Antrages auf internationalen Schutz bereits in Vollzug befindliche Schubhaft voraussetzt, die dann (ohne Erlassung eines Bescheides) aufrechterhalten werden kann. (VwGH 14.11.2017, Ra 2016/21/0219).

Im gegenständlichen Fall ist wegen Rechtswidrigkeit des Mandatsbescheides und Rechtswidrigkeit der Anhaltung des BF in Schubhaft spruchgemäß zu entscheiden.

3.3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 2 VwGVG konnte die Verhandlung entfallen, weil bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben und die Anhaltung des BF in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären ist.

3.4. Zum Kostenersatz:

Der mit "Kosten" betitelte § 35 VwGVG lautet:

"§ 35. (1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

Da der angefochtene Schubhaftbescheid - wegen Rechtswidrigkeit - zu beheben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären war, ist der BF obsiegende und die belangte Behörde unterlegene Partei.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und der belangten Behörde als unterleger Partei der zu leistende Aufwandersatz in der Gesamthöhe von EUR 737,60 Euro aufzuerlegen.

3.5. Zu Spruchpunkt B. (Unzulässigkeit der Revision):

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem BVwG hervorgekommen.

Schlagworte

Aufwandersatz, Interessenabwägung, Privat- und Familienleben,
Schubhaft, Schubhaftbeschwerde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G313.2225919.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.03.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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