TE Lvwg Erkenntnis 2019/12/20 LVwG-S-693/001-2019

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Veröffentlicht am 20.12.2019
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Entscheidungsdatum

20.12.2019

Norm

AWG 2002 §2 Abs1
AWG 2002 §69 Abs1
AWG 2002 §79 Abs1
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art3
32006R1013 Abfälle-VerbringungsV Art4

Text

I.

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde des A, vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 05. Februar 2019, Zl. ***, betreffend Bestrafung nach dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) hinsichtlich der Spruchpunkte 1. und 2. Folge gegeben, das angefochtene Straferkenntnis in diesen Spruchpunkten aufgehoben und die Verwaltungsstrafverfahren gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG) iVm § 38 VwGVG eingestellt.

2.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 VwGVG hinsichtlich des Spruchpunktes 3. insofern Folge gegeben, als das angefochtene Straferkenntnis in diesem Spruchpunkt dahingehend abgeändert wird, dass in Anwendung des § 45 Abs. 1 Z 2 VStG von einer Bestrafung abgesehen und gleichzeitig dem Beschwerdeführer unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit des zur Last gelegten Verhaltens nach § 45 Abs. 1 letzter Satz VStG eine Ermahnung erteilt wird. Damit hat auch der von der belangten Behörde festgesetzte Kostenbeitrag zu diesem Spruchpunkt zu entfallen.

3.   Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

II.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich fasst durch Mag. Binder als Einzelrichterin über den Antrag des A, vertreten durch C, Rechtsanwalt in ***, ***, auf Berichtigung der Verhandlungsschrift vom 19. November 2019 im Beschwerdeverfahren zur Zl. LVwG-S-693-2019 folgenden

BESCHLUSS:

1.   Dem Antrag auf Berichtigung der Verhandlungsschrift vom 19. November 2019 wird gemäß § 14 Abs. 4 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 (AVG) iVm § 31 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) insofern Folge gegeben, als die Verhandlungsschrift vom 19. November 2019 wie folgt berichtigt wird:

Der letzte Satz auf Seite 10 „Dies bedeutet im Weiteren, dass auch mit dieser
Untersuchungsmethodik der Ursprung des Broms im Sinne einer
Einzelsubstanz beurteilt werden kann.
“ wird durch folgenden Satz ersetzt: „Dies bedeutet im Weiteren, dass auch mit dieser Untersuchungsmethodik der Ursprung des Broms im Sinne einer Einzelsubstanz nicht beurteilt werden kann.

Auf der Seite 13 wird im 2. Absatz die Wortfolge „Die ROHS Richtlinie bezieht sich aber nicht auf Abfälle und nicht auf Produkte.“ auf die Wortfolge „Die ROHS Richtlinie bezieht sich aber nicht auf Abfälle, sondern auf Produkte.“ berichtigt.

2.   Gegen diesen Beschluss ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichts-hofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 iVm Abs. 9
Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

1.   Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 05. Februar 2019, Zl. ***, wurde der Beschwerdeführer wie folgt für schuldig befunden:

„Sie haben folgende Verwaltungsübertretungen begangen:

Tatbeschreibung:

1.   Sie haben es als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH mit Sitz in ***, ***, *** in Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft folgende Übertretung begangen hat:

Die B GmbH hat am 30.5.2017 24,68 Tonnen als „Kunststoffshredderabfälle aus dem Recycling“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die D AG von ***, ***, Schweiz nach ***, ***, ***übernommen, wobei die Abfälle entgegen § 69 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) ohne die erforderliche Bewilligung und ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsV verbracht wurden.

Die Abfälle wiesen einen Gehalt von 3400 mg/kg Brom auf. Gemäß Cenelec Norm TS 50625-3-1 ist bei einem Gesamtgehalt von über 2 000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird. Die verbrachten Abfälle wiesen dadurch eine Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern auf. Dadurch wurde deren zulässige Verwertung dahin gehend verhindert bzw. eingeschränkt, als eine stoffliche Verwertung der Abfälle verboten ist und eine thermische Verwertung nur in dazu geeigneten Verbrennungsanlagen möglich ist, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann. Es war dadurch keine Zuordnung dieser Abfälle zum Code B 3010 gemäß Anhang III der EG-VerbringungsV möglich.

Demnach handelt es sich bei den gegenständlichen flammhemmerbelasteten Kunststoffabfällen um nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle. Die grenzüberschreitende Verbringung von nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA aufgeführten zur Verwertung bestimmten Abfällen unterliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iii der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (EG-VerbringungsV) dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung. Für die grenzüberschreitende Verbringung der gegenständlichen Abfälle existieren
weder Notifizierungen noch wurden seitens der zuständigen beteiligten Behörden die erforderlichen Zustimmungen erteilt.

Als Tatort gilt gemäß § 80 Abs. 1 AWG der angeführte Sitz des Unternehmens. Die B GmbH ist im Sinne des § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz AWG gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.


2.   Sie haben es als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH mit Sitz in ***, ***, *** in Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft folgende Übertretung begangen hat:

Die B GmbH hat am 30.5.2017 23,36 Tonnen als „Kunststoffabfälle – Kunststoff aus Elektronikschrott“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die E AG von ***, ***, Deutschland nach ***, ***, *** übernommen, wobei die Abfälle entgegen § 69 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) ohne die erforderliche Bewilligung und ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsV verbracht wurden.

Die Abfälle wiesen einen Gehalt von 3500 mg/kg Brom auf. Gemäß Cenelec Norm TS 50625-3-1 ist bei einem Gesamtgehalt von über 2 000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird. Die verbrachten Abfälle wiesen dadurch eine Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern auf. Dadurch wurde deren zulässige Verwertung dahin gehend verhindert bzw. eingeschränkt, als eine stoffliche Verwertung der Abfälle verboten ist und eine thermische Verwertung nur in dazu geeigneten Verbrennungsanlagen möglich ist, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann. Es war dadurch keine Zuordnung dieser Abfälle zum Code B 3010 gemäß Anhang III der EG-VerbringungsV möglich.

Demnach handelt es sich bei den gegenständlichen flammhemmerbelasteten Kunststoffabfällen um nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle. Die grenzüberschreitende Verbringung von nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA aufgeführten zur Verwertung bestimmten Abfällen unterliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iii der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (EG-VerbringungsV) dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung. Für die grenzüberschreitende Verbringung der gegenständlichen Abfälle existieren
weder Notifizierungen noch wurden seitens der zuständigen beteiligten Behörden die erforderlichen Zustimmungen erteilt.

Als Tatort gilt gemäß § 80 Abs. 1 AWG der angeführte Sitz des Unternehmens. Die B GmbH ist im Sinne des § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz AWG gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.

3.   Sie haben es als das gemäß § 9 Abs.1 VStG zur Vertretung nach außen berufene Organ der B GmbH mit Sitz in ***, ***, *** in Ihrer Funktion als handelsrechtlicher Geschäftsführer zu verantworten, dass diese Gesellschaft folgende Übertretung begangen hat:

Die B GmbH hat am 30.5.2017 23,46 Tonnen als „Plastik und Gummi“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die F s.r.l. von ***, ***, ***, Italien nach ***, ***, *** übernommen, wobei die Abfälle entgegen § 69 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) ohne die erforderliche Bewilligung und ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-VerbringungsV verbracht wurden.

Die Abfälle wiesen einen Gehalt von 5700 mg/kg Brom auf. Gemäß Cenelec Norm TS 50625-3-1 ist bei einem Gesamtgehalt von über 2 000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird. Die verbrachten Abfälle wiesen dadurch eine Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern auf. Dadurch wurde deren zulässige Verwertung dahin gehend verhindert bzw. eingeschränkt, als eine stoffliche Verwertung der Abfälle verboten ist und eine thermische Verwertung nur in dazu geeigneten Verbrennungsanlagen möglich ist, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann. Es war dadurch keine Zuordnung dieser Abfälle zum Code B 3010 gemäß Anhang III der EG-VerbringungsV möglich. Überdies darf der tolerierte Gesamtstörstoffanteil an nicht gefährlichen Stoffen bzw. anderen Abfällen der Grünen Liste laut nationaler Vorgaben (Bundesabfallwirtschaftsplan 2011) bei maximal 10% liegen und lag der Anteil an sonstigen Verunreinigungen (Glas, Kabeln, Papier) bei 14%.

Demnach handelt es sich bei den gegenständlichen flammhemmerbelasteten Kunststoffabfällen um ein nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestuftes Abfallgemisch. Die grenzüberschreitende Verbringung von nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA aufgeführten zur Verwertung bestimmten Abfallgemischen, sofern sie nicht in Anhang IIIA aufgeführt sind, unterliegt gemäß Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iv der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 (EG-VerbringungsV) dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung. Für die grenzüberschreitende Verbringung der gegenständlichen Abfälle existieren weder Notifizierungen noch wurden seitens der zuständigen beteiligten Behörden die erforderlichen Zustimmungen erteilt.

Als Tatort gilt gemäß § 80 Abs. 1 AWG der angeführte Sitz des Unternehmens. Die B GmbH ist im Sinne des § 79 Abs. 1 letzter Halbsatz AWG gewerbsmäßig im Bereich der Abfallwirtschaft tätig.

Sie haben dadurch folgende Rechtsvorschriften verletzt:

zu 1.   § 79 Abs. 1 Z 15b iVm § 69 Abs. 1 AWG und iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iii der EG-VerbringungsV

zu 2.   § 79 Abs. 1 Z 15b iVm § 69 Abs. 1 AWG und iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iii der EG-VerbringungsV

zu 3.    § 79 Abs. 1 Z 15b iVm § 69 Abs. 1 AWG und iVm Art. 3 Abs. 1 lit. b lit. iv der EG-VerbringungsV

Wegen dieser Verwaltungsübertretungen werden über Sie folgende Strafen verhängt:

Geldstrafen von

falls diese uneinbringlich ist, Ersatzfreiheitsstrafen von

Gemäß

zu  2.100,00

17 Stunden

§ 79 Abs. 1 letzter Absatz AWG iVm § 20 Verwaltungsstrafgesetz 1991 (VStG)

zu  2.100,00

17 Stunden

§ 79 Abs. 1 letzter Absatz AWG iVm § 20 VStG

zu  4.200,00

34 Stunden

§ 79 Abs. 1 letzter Absatz AWG“

 

 

 

Weiters wurde der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 VStG verpflichtet, die Kosten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens zu tragen.

In ihrer Begründung verwies die belangte Behörde auf das Ergebnis des durchgeführten Ermittlungsverfahrens, insbesondere auf die Strafanzeige des Bundesministeriums für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft vom 28. Juli 2017, welches bei der B GmbH in *** am 30. Mai 2017 eine Kontrolle gemäß § 75 Abs. 4 bis 6 AWG 2002 betreffend die grenzüberschreitende Verbringung von Abfällen durchgeführt habe.

Konkret stellte die Strafbehörde folgenden Sachverhalt und Verfahrensablauf fest:

„Am 30. Mai 2017 wurde durch das Bundesministerium für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft (BMLFUW) bei der B GmbH in ***, ***, ***, eine Kontrolle gemäß § 75 Abs. 4 bis 6 AWG betreffend die grenzüberschreitende

Verbringung von Abfällen durchgeführt.

Dabei wurden 3 grenzüberschreitende Verbringungen von Abfällen, welche jeweils als Abfälle des Codes B3010: feste Kunststoffabfälle gemäß Anhang III der EG-VerbringungsV deklariert waren und damit ohne Notifizierung grenzüberschreitend aus Deutschland, Italien und der Schweiz nach Österreich zur B GmbH verbracht wurden, einer Kontrolle unterzogen.

Es wurde dabei festgestellt, dass die B GmbH am 30.5.2017 folgende Abfälle übernommen hat:

-    24,68 Tonnen als „Kunststoffshredderabfälle aus dem Recycling“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die D AG von ***, ***, Schweiz

-    23,36 Tonnen als „Kunststoffabfälle – Kunststoff aus Elektronikschrott“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die E AG von ***, ***, Deutschland und

-    23,46 Tonnen als „Plastik und Gummi“ deklarierte Abfälle im Rahmen einer am 29.5.2017 und 30.5.2017 erfolgten Verbringung durch die F s.r.l. von ***, ***, ***, Italien

Im Zuge der Kontrolle wurden repräsentative Proben von den angelieferten Abfällen

entnommen, welche anschließend durch die H GmbH analysiert wurden, wobei insbesondere deren Bromgehalt sowie der Anteil an behandeltem Holz und an sonstigen Verunreinigungen (Glas, Kabeln, Papier) in den Abfällen bestimmt wurde.

In der Niederschrift vom 30.5.2017 wurde vom Vertreter der B GmbH, Herrn G angegeben, dass die Qualitätsanforderungen an die anzuliefernden Kunststoffabfälle in den jeweiligen Verwertungsverträgen festgelegt sind. Bei der Anlieferung wird die Flammhemmerbelastung nicht geprüft. Bei Elektrokleingeräten und Großgeräten werde seitens der B GmbH davon ausgegangen, dass die Flammhemmerbelastung jedenfalls unter den einschlägigen Grenzwerten liege.

In der Beilage 3 der Niederschrift betreffend Wareneingangsprüfung, Punkt 4.3 wird angeführt, dass auch der Bromwert gemessen wird, wobei eine Messung ab einem Restanteil von 10g durchzuführen sei.

Gemäß Prüfbericht Nr. *** der H GmbH vom 29. Juni 2017

wiesen die beprobten Abfälle mit Herkunft von der D AG einen Bromgehalt von 3400 mg/kg, mit Herkunft von der E AG einen Bromgehalt von 3500 mg/kg und mit Herkunft von der F s.r.l. einen Bromgehalt von 5700 mg/kg auf. Bei der Lieferung von der F s.r.l. wurde weiters eine Verunreinigung durch Sonstiges (Glas, Papier …) von 14 % m/m festgestellt.

Seitens des Amtssachverständigen beim BMLFUW, I, wurde dazu im Rahmen einer technischen Stellungnahme vom 21. Juli 2017 zusammenfassend Folgendes ausgeführt:

Zur Belastung der gegenständlichen Abfälle mit Flammhemmern:

Gemäß Cenelec Norm TS 50625-3-1 ist bei einem Gesamtgehalt von über 2 000 mg

Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen,

dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird.

Die grenzüberschreitenden Verbringungen von Abfällen des Anhangs III der EG-

AbfallverbringungsV zugrundeliegende umweltgerechte Verwertung wird (Anmerkung: bei einer Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern) dahingehend verhindert bzw. eingeschränkt, dass eine stoffliche Verwertung derartiger Abfälle verboten ist und eine thermische Verwertung nur in dazu geeigneten Verbrennungsanlagen, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann, möglich ist.

In allen 3 beprobten Anlieferungen liegt ein Gesamtgehalt von über 2 000 mg Brom/kg TS und damit eine Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern vor. Die geeignete Behandlung von Kunststofffraktionen aus der Elektro- bzw. Elektronikaltgeräteaufarbeitung, deren Gehalt an den verbotenen polybromierten Diphenylethern oder HBCD bzw. allfälligen anderen POPs die Grenzwerte gemäß Anhang IV der EU-POP-Verordnung überschreitet, in dafür geeigneten Verbrennungsanlagen bedarf einer besonderen Überwachung.

Zu den sonstigen Verunreinigungen in den gegenständlichen Abfällen:

Der tolerierte Gesamtstörstoffanteil an nicht gefährlichen Stoffen bzw. anderen Abfällen der Grünen Liste darf laut nationaler Vorgaben (Bundesabfallwirtschaftsplan 2011) bei maximal 10% liegen. In der unter 3. aufgeführten Anlieferung lag der Anteil an sonstigen Verunreinigungen (Glas, Kabeln, Papier) bei 14%.

Einstufung gemäß österreichischem Abfallverzeichnis:

Die Abfälle gemäß Punkt 1. und 2. sind der Schlüsselnummer 57129: sonstige ausgehärtete Kunststoffabfälle, Videokassetten, Magnetbänder, Tonbänder, Farbbänder (Carbonbänder), Tonercartridges ohne gefährliche Inhaltsstoffe gemäß dem österreichischen Abfallverzeichnis zuzuordnen.

Die unter Punkt 3. angeführten Abfälle können sowohl der Schlüsselnummer 57129: sonstige ausgehärtete Kunststoffabfälle, Videokassetten, Magnetbänder, Tonbänder, Farbbänder (Carbonbänder), Tonercartridges ohne gefährliche Inhaltsstoffe wie auch der Schlüsselnummer 91103: Rückstände aus der mechanischen Abfallaufbereitung gemäß dem österreichischen Abfallverzeichnis zugeordnet werden.

Einstufung gemäß Europäischem Abfallverzeichnis:

Die gegenständlichen Abfälle sind dem Code 19 12 04: Kunststoff und Gummi zuzuordnen.

Zuordnung zu den Anhängen der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006:

In Anhang III der EG – VerbringungsV ist betreffend die Einstufung von Abfällen als Abfälle gemäß Anhang III (der Grünen Liste) Folgendes festgelegt:

Unabhängig davon, ob Abfälle in dieser Liste aufgeführt sind oder nicht, dürfen diese Abfälle nicht den allgemeinen Informationspflichten nach Artikel 18 unterliegen, wenn aufgrund der Kontaminierung durch andere Materialien

a)   die Risiken im Zusammenhang mit den Abfällen so weit erhöht sind, dass unter Berücksichtigung der in Anhang III der Richtlinie 91/689/EWG genannten gefährlichen Eigenschaften die Anwendung des Verfahrens der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung angemessen erscheint, oder

b)   die umweltgerechte Verwertung der Abfälle verhindert wird.

Für alle unter Punkt 1. bis 3. aufgeführten Verbringungen gilt, dass diese eine Überschreitung des zulässigen Gehalts an Flammhemmern aufweisen; dadurch wird deren zulässige Verwertung dahin gehend verhindert bzw. eingeschränkt, als eine stoffliche Verwertung derartiger Abfälle verboten ist und eine thermische Verwertung nur in dazu geeigneten Verbrennungsanlagen, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann, möglich ist.

Folglich ist die Zuordnung dieser Abfälle zum Code B 3010 gemäß Anhang III der EG-VerbringungsV nicht möglich, da auf Grund der eindeutig mit der Behandlung derartiger Abfälle verbundenen erhöhten Risiken sowie die dadurch bedingte eingeschränkte Verwertungsmöglichkeit in geeigneten Verbrennungsanlagen, in denen eine vollständige Zerstörung der POPs sichergestellt werden kann, die Anwendung des Verfahrens der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung angemessen erscheint.

Demnach handelt es sich bei den unter Punkt 1. und 2. aufgeführten flammhemmerbelasteten Kunststoffabfällen um nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestufte Abfälle.

Für die unter Punkt 3. angeführten Abfälle gilt, dass diese Abfälle ein nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA eingestuftes Abfallgemisch, welches auch nicht in Anhang IVA aufgeführt ist, im Sinne von Artikel 3 Abs. 1 lit. iv) EG-VerbringungsV darstellen.

Zu einem Ersuchen der BH Amstetten um ergänzende Stellungnahme, inwiefern die

Belastungen mit Flammhemmem bei allen drei Anlieferungen und der Fremdanteil von 14% bei einer Anlieferung bei der Abfallübernahme bei entsprechender Sorgfalt erkennbar waren, wurde vom Amtssachverständigen beim BMLFUW, I folgende Technische Stellungnahme vom 10.1.2018 abgegeben.

Verbotene Flammhemmer

Kunststofffraktionen aus der Elektro- bzw. Elektronikaltgeräteaufarbeitung, deren Gehalt an den verbotenen polybromierten Diphenylethern oder HBCD bzw. allfälligen anderen POPs die Grenzwerte (1.000mg/kg TS) gemäß Anhang IV der EU-POP-Verordnung überschreitet, unterliegen bei der grenzüberschreitenden Verbringung der Notifizierungsp?icht.

Gemäß Cenelec Norm TS 50625-3-1 ist bei einem Gehalt von unter 2.000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) nicht überschritten wird.

Nur wenn nachweislich der Bromgehalt von 2000 mg/kg in Kunststoffabfällen aus dem Elektro-/Elektronikbereich unterschritten wird, ist eine Einstufung als Abfall der Grünen Liste zulässig.

Studien über bromierte Flammschutzmittel in Elektro-/Elektronikaltgeräten (WEEE)

- „Montitoring of WEEE plastics in regards to brominated ?ame retardants using

handheld XRF“; Waste Management 36 (2015) 297-304

Für die Studie wurden 3000 Kunststoffteile aus TV-Gehäusen und 1600 und Kunststoffteileaus PC-Gehäusen untersucht. Die Analysenergebnisse zeigen, dass die Grenzwerte in 15% (TV) und in 47% (PC) überschritten werden. Die Studie weist auch nach, dass ein beträchtlicher Anteil (7% TV und 39% PC Kunststoffteile) sehr hohe Werte (> 50.000 mg/kg) an bromierten Flammschutzmitteln aufweisen.

- “RoHS substances in mixed plastics from Waste Electrical and Electronic

Equipment”, EMPA Final report (2010)

Demnach liegt der Gehalt an verbotenen PBDEs in TV-Gehäusen und Computer Monitoren (CRTs) sowie in Laserdruckern, Kopierern und Schaltkästen bei bis zu 10.000 mg/kg.

Abfallmischungen — nicht gelistete Abfälle

Der tolerierte Gesamtstörstoffanteil an nicht gefährlichen Stoffen bzw. anderen Abfällen der Grünen Liste darf bei Kunststoffabfällen laut nationaler Vorgaben (BAWP 2011) bei maximal 10% liegen.

Wird dieser Wert überschritten, liegt eine nicht gelistete Abfallmischung vor, die bei der grenzüberschreitenden Verbringung der Notifizierungspflicht unterliegt.

Auf die Fragen der Abt. *** wird aus fachlicher Sicht wie folgt Stellung genommen:

1. Ist bei jenen Kunststofffraktionen, die von der B GmbH (nunmehr: J GmbH) übernommen werden, davon auszugehen, dass diese eine relevante Belastung mit Flammhemmern aufweisen bzw. aus welchen Gründen ist davon auszugehen?

Ja, es ist davon auszugehen, dass die Kunststofffraktionen, die von der J GmbH übernommen werden, eine relevante Belastung mit Flammhemmern aufweisen, da

-     die von der J GmbH übernommenen Kunststoffabfälle von Firmen stammen, die ausschließlich Elektro- und Elektronikaltgeräte (EAG) aufbereiten

-    laut einschlägigen Studien die Gehalte an verbotenen Flammhemmern in Kunststoffen aus der Aufbereitung von EAGs die Grenzwerte (1.000mg/kg TS) gemäß Anhang IV der EU-POP-Verordnung deutlich überschreiten können

-    die Versender dieser Kunststoffabfälle keinen Nachweis bereitstellen, dass diese Abfälle keine verbotenen Flammhemmer enthalten bzw. der Gehalt an verbotenen Flammhemmern unter den gesetzlich vorgeschriebenen Grenzwerten liegt.

2. Hätte der erhöhte Fremdanteil von 14% durch die B GmbH (nunmehr: J GmbH) bei entsprechender

Sorgfalt erkannt werden müssen?

Ja, der erhöhte Fremdanteil von 14% hätte durch die J GmbH bei

entsprechender Sorgfalt erkannt werden müssen, da

-    der J GmbH bekannt sein muss, dass der tolerierte

Gesamtstörstoffanteil an nicht gefährlichen Stoffen bzw. anderen Abfällen der Grünen Liste laut nationaler Vorgaben (BAWP 2011) bei maximal 10% liegen darf.

-    da die J GmbH eine Wareneingangsprüfung für alle eingehenden Mahlgüter, Flakes und Granulate durchführt, bei der u.a. alle Fremdstoffe von den Kunststoffen separiert und gewogen werden (siehe Beilage 3 zu BMLFUW-UW.2.1.5/0073-V/1/2017)“

Die Übertretungen wurden mit Aufforderung zur Rechtfertigung vom 26. Jänner 2018 vorgeworfen und dazu anwaltlich vertreten eine Rechtfertigung vom
28. Februar 2018 abgegeben, welche in der behördlichen Entscheidung vollinhaltlich wiedergegeben wurde.

In rechtlicher Hinsicht würdigte die belangte Behörde nach Wiedergabe der relevanten Bestimmungen den Sachverhalt wie folgt:

„Auf Grund der Untersuchungsergebnisse der H GmbH und den auf Seiten 5 bis 8 und 10 dieses Straferkenntnisses angeführten Stellungnahmen des Amtssachverständigen beim BMLFUW (nun BMNT), welchen vom Beschuldigten nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten werden konnte, ist erwiesen, dass der zulässige Gehalt an Flammhemmern bei allen 3 Lieferungen überschritten wurde. Die Überschreitung betraf sowohl den Grenzwert laut VERORDNUNG (EU) Nr. 1342/2014 DER KOMMISSION vom 17. Dezember 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 850/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über persistente organische Schadstoffe hinsichtlich der Anhänge IV und V (POP)

Anhang IV: Summe der Konzentrationen von Tetrabromdiphenylether,

Pentabromdiphenylether, Hexabromdiphenylether und Heptabromdiphenylether von

1.000 mg/kg als auch den Stand der Technik laut Cenelec Norm TS 50625-3-1, wonach bei einem Gesamtgehalt von über 2 000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem Elektro-/Elektronikbereich davon auszugehen ist, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird.

Der strafbare Tatbestand liegt daher bei allen 3 Übertretungen in objektiver Hinsicht vor, da wegen Überschreitung des Gehalts an Flammhemmern keine Abfälle laut Einzeleinträgen in Anhang III, IIIB, IV oder IVA der EG-VerbringungsV vorlagen.

Bei der Übertretung 3. wurde das Vorliegen eines Gesamtstörstoffanteils an nicht gefährlichen Stoffen bzw. anderen Abfällen der Grünen Liste von mehr als 10% nicht bestritten und dazu lediglich mangelndes Verschulden vorgebracht.

Die grenzüberschreitende Verbringung von nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA aufgeführten zur Verwertung bestimmten Abfällen unterliegt gemäß Artikel 3 Abs. 1) lit. b) Z iii) der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung und Zustimmung.

Die grenzüberschreitende Verbringung von nicht als Einzeleintrag in Anhang III, IIIB, IV oder IVA aufgeführten zur Verwertung bestimmten Abfallgemischen, sofern sie nicht in Anhang IIIA aufgeführt sind, unterliegt gemäß Artikel 3 Abs. 1) lit. b) Z iv) der

Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 dem Verfahren der schriftlichen Notifizierung und

Zustimmung.

Für die grenzüberschreitende Verbringung der gegenständlichen Abfälle existieren

weder Notifizierungen noch wurden seitens der zuständigen beteiligten Behörden die

erforderlichen Zustimmungen erteilt. Folglich handelt es sich bei den erfolgten grenzüberschreitenden Verbringungen der gegenständlichen Abfälle um illegale Verbringungen im Sinne der EG-VerbringungsV (Verbringung ohne Notifizierung an alle betroffenen zuständigen Behörden und ohne Zustimmung dieser Behörden).

Für die Verbringungen der gegenständlichen Abfälle, die dem Verfahren der vorherigen schriftlichen Notifizierung und Zustimmung unterliegen, wäre das Vorliegen einer Bewilligung gemäß § 69 AWG 2002 und der Zustimmungen der beteiligten ausländischen Behörden jedenfalls erforderlich gewesen.

Die Verwaltungsstrafbehörde geht davon aus, dass gegen die B GmbH kein Verfahren wegen gerichtlich strafbarer Übertretungen gemäß § 181b oder 181c StGB eingeleitet wurde, da diese keine Abfälle verbracht hat. Verwaltungsstrafrechtlich ist hingegen gemäß § 79 Abs. 1

Z 15b AWG auch strafbar, wer entgegen § 69 Abfälle ohne die erforderliche

Bewilligung oder ohne die sonstigen erforderlichen Zustimmungen gemäß der EG-

VerbringungsV im Rahmen einer solchen Verbringung übernimmt. Der Ausgang eines allfälligen gerichtlichen Strafverfahrens musste daher nicht abgewartet werden.“

Zum Verschulden des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde aus:

„Auf die Erkennbarkeit der Übertretungen wurde auch in einer Stellungnahme des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit und Tourismus (BMNT) vom 5.11.2018 eingegangen, welcher sich die Strafbehörde vollinhaltlich anschließt und welche im Hinblick auf die zur Beurteilung des Verschuldens relevanten Argumente wie folgt auszugsweise angeführt wird:

Es ist vorauszusetzen, dass der B GmbH als im Bereich des Recyclings von Elektro- und Elektronikaltgeräten tätigem Unternehmen bekannt ist, dass Kunststoffabfälle von derartigen Geräten regelmäßig flammhemmerbelastet sind und diese Belastung ein Ausmaß erreichen kann, welches die umweltgerechte Verwertung dieser Fraktionen erheblich erschwert bzw. verhindert.

Der einzuhaltende Grenzwert für Flammhemmer (PBDE) liegt bei 1.000 mg/kg TS.

Der Nachweis der Einhaltung des zulässigen Gehaltes an Flammhemmern obliegt gemäß Art. 50 Abs. 4c, 4 der EG-VerbringungsV dem Notifizierenden bzw. dem Empfänger der grenzüberschreitend verbrachten Abfälle. lm Zuge der Kontrolle am 30. Mai 2017 wurde seitens des Vertreters der B GmbH ausdrücklich dargelegt, dass die Flammhemmerbelastung der angelieferten Kunststoffabfälle nicht geprüft wird und davon ausgegangen wird, dass die Flammhemmerbelastung jedenfalls unter den einschlägigen Grenzwerten liegt (siehe Niederschrift vom 30. Mai 2017, Seite 2 letzter Absatz);

Bei Überschreitung des Gesamtbromgrenzwertes von 2.000 mg/kg darf jedenfalls eine Grünlistung der Abfälle nur dann erfolgen, wenn eine repräsentative und aktuelle Analytik im Falle einer grenzüberschreitenden Verbringung für den konkreten Transport vorgelegt wird, die nachweist, dass diese Lieferung keine Stoffe enthält, die die Grenzwerte gemäß POP-Verordnung idgF. Überschreiten. Dies wird nunmehr im Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 ausdrücklich festgehalten, ergibt sich aber aus der seit 1. Jänner 2016 mit Inkrafttreten der Verordnung (EU) Nr. 660/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1013/2006 über die Verbringung von Abfällen gültigen Rechtslage (Neufassung des Art. 50 der EG-VerbringungsV) in Verbindung mit der begründeten Annahme nach Maßgabe der Cenelec Norm TS 50625-3-1, dass bei einem Gesamtgehalt von über 2.000 mg Brom/kg TS in Kunststoffen aus dem EIektro-lEIektronikbereich davon auszugehen ist, dass der Gehalt an verbotenen PBDEs (= POPs) überschritten wird;

..

Am 30. Mai 2017 musste daher im Zuge der Kontrolle bzw. entsprechend den im

Nachgang erstellten Analysen festgestellt werden, dass der Wert von 2 000 mg/kg von den beprobten Abfällen jeweils deutlich überschritten wurde und dass offenbar eine erforderliche Qualitätskontrolle der zu verbringenden Abfälle nicht erfolgt ist.

Es wurde lediglich seitens des Vertreters der B GmbH ausgeführt, dass davon ausgegangen wird, dass die Flammhemmerbelastung jedenfalls unter den einschlägigen Grenzwerten liegt. Diese Aussage wurde jedoch durch die vorliegenden Analyseergebnisse der H GmbH eindeutig nicht bestätigt.

Festzuhalten ist, dass mit Bromgehalten von 3400 mg/kg, 3.500 mg/kg und 5.700 mg/kg der seitens der H GmbH untersuchten Proben auch der aus der vorgelegten Studie „Stoff?üsse im Schweizer Elektronikschrott“ der Schweizerischen Eidgenossenschaft, Bundesamt für Umwelt vom 23. 6.2017, hervorgehende mögliche Grenzwert von 3.000 mg/kg bei jeder Probe und der nicht aus der Studie ableitbare Grenzwert von 5.000 mg/kg zumindest in einer Probe überschritten wird (die Aussage, „dass auch bei Überschreitung von 5000 mg/kg Brom die für PBDEs relevanten Grenzwerte noch nicht erreicht wurden“, ist dem Text dieser Studie nicht zu entnehmen).

Zusammenfassend wird seitens der Strafbehörde zum Verschulden festgehalten, dass kein ausreichendes Kontrollsystem vorhanden war, um die Übertretungen zu verhindern und der Abschluss von Verträgen mit den Unternehmen, welche die Abfälle lieferten, ohne nähere Überwachung deren Einhaltung jedenfalls nicht ausreichend ist.

Laut VwGH vom 30.3.1982, 81/11/0080 ist es bei zunehmendem Betriebsumfang Pflicht des Unternehmers, der naturgemäß persönlich nicht mehr sämtlichen Überwachungsaufgaben nachkommen kann, durch ein ausreichend dichtes und zulänglich organisiertes Netz von ihrerseits wieder überwachten Aufsichtsorganen dafür zu sorgen, dass die im Unternehmen von den Beschäftigten zu beachtenden Vorschriften diesen nicht nur bekannt sind, sondern auch tatsächlich im Einzelfall eingehalten werden (Hinweis E 9.10.1979, 2762/78).

Es ist nicht ausreichend sich auf eine Überwachung durch Dritte (zB VwGH vom 23.11.2005, 2004/09/0169) oder auf von Dritten bekannt gegebene Testergebnisse zu verlassen (zB zum LMSVG, VwGH vom 3.10.2008, 2005/10/0147).

Dies gilt insbesondere zur Rechtfertigung betreffend den vorgeworfenen Vermischungsgrad von 14% wird auch deswegen von der Strafbehörde von Fahrlässigkeit ausgegangen, da insbesondere bei Anlieferungen zu einem neu abgeschlossenen Vertrag Überprüfungen erfolgen müssen. Der Beschuldigte konnte daher nicht auf die Angaben im Vertrag vertrauen (Content of plastics & elastomers min. 90 %, moisture max. 4 %, Wood content max. 1 %, glass content max. 0,2%, rubber content max. 3 %, foam content max. 2 %, metal content min 4%).

Zum Vertrag ist auch anzumerken, dass sogar ein Mindestanteil an Fremdstoffen (mindestens 4 % Metall) festgelegt wurde.“

2.   Zum Beschwerdevorbringen:

In der rechtzeitig dagegen erhobenen Beschwerde bekämpfte der Beschwerdeführer durch seine rechtsfreundliche Vertretung das Straferkenntnis – nach Wiedergabe des maßgeblichen Sachverhaltes und des bisherigen Verfahrensverlaufes – mit folgender Begründung:

4. Beschwerdegründe

4.1. Zur Rechtswidrigkeit des Inhaltes der bekämpften Spruchpunkte

4.1.1. Zum vermeintlichen Grenzwert

4.1.1.1. Allgemeines

Eingangs ist festzuhalten, dass bei den vom BMLFUW vorgenommenen Kontrollen - auf welche die belangte Behörde ihr Straferkenntnis stützt - keine Messung von verbotenen Flammhämmern durchgeführt wurde. Es wurde lediglich der Bromgehalt des Materials festgestellt.

Die belangte Behörde führt im Hinblick auf die vorgeworfenen Taten aus, dass sich aus der festgestellten Überschreitung von 2000 mg Chrom ergebe, dass damit auch eine Überschreitung des Grenzwertes für verbotene Flammhämmer belegt wäre. Dies ist nicht richtig.

Weder auf europäischer, noch auf nationaler Ebene war zum Zeitpunkt der Verbringung im Hinblick auf die gegenständlichen PBDE ein verbindlicher Grenzwert an (EIementar-) Brom (mg / kg) in den Abfallfraktionen festgelegt bzw eine derartige Messmethodik vorgesehen, wonach bei einer Feststellung von mehr als 2000 mg / kg (Elementar-) Brom von einer Überschreitung des Grenzwertes für PBDE auszugehen ist. Festzuhalten ist, dass es sich bei (Elemantar-) Brom selbst um keinen Gefahrenstoff handelt.

Die Behörde bezieht sich bei Ihrer Beurteilung offenbar auf den Bundesabfallwirtschaftsplan - 2017, welcher erst Ende 2017 veröffentlicht wurde. Hierzu ist festzuhalten, dass diese Version des Bundesabfallwirtschaftsplanes zum Zeitpunkt der vermeintlichen Tatbegehung noch nicht veröffentlicht war und daher - unabhängig von der Qualifikation der Rechtsqualität des BundesabfalIwirtschaftsplanes - von der J bzw deren Geschäftsführer nicht angewendet bzw befolgt werden konnte.

Dabei ist wesentlich, dass im BundesabfalIwirtschaftsplan 2011, welcher zum Zeitpunkt der vorgeworfenen Tathandlungen (ebenso wie in anderen europarechtlichen bzw nationalen Bestimmungen) in Geltung stand, eine Feststellung der im Abfall enthaltenen PBDE anhand des Bromgehaltes bzw eine Referenzierung der von der Behörde gegenständlich zur Anwendung gebrachten Cenelec-Norm TS 50625-3-1 und eine damit verbundene Einstufung von Material in die grüne Liste, nicht vorgesehen ist.

Nachdem der Beschwerdeführer in seiner Rechtfertigung dargelegt hat, dass der Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 erst nach den jeweiligen Tatzeitpunkten veröffentlicht wurde und zur Beurteilung auf den Bundesabfallwirtschaftsplan 2011 abzustellen ist, beruft sich die belangte Behörde im Hinblick auf die Festlegung eines bestimmten Grenzwertes auf eine Stellungnahme des Amtssachverständigen I vom 30.10.2018, in welcher mehrere unionsrechtliche Vorschriften, insbesondere die Cenelec Norm TS 50625-3-1, angeführt werden (auf welche in Folge näher eingegangen wird). Unabhängig aber davon, dass die Behörde die Beantwortung von Rechtsfragen nicht einem Sachverständigen überantworten darf und Richtlinien ohne innerstaatliche Umsetzung keine unmittelbare Geltung entfalten, ergibt sich aber aus den angeführten Richtlinien und Verordnungen der vermeintliche Grenzwert bzw die angeführte Messmethodik - im Hinblick auf Verbringungen und Verwertungen von Altkunststoffen - nicht.

4.1.1.2. Richtlinie 2002/95/EG und Richtlinie 2011/65/EU (Rohs und Rohs-Recast)

Die Rohs-Richtlinie bzw der Recast betreffen ausschließlich die Verpflichtung von Herstellern, Importeuren und Vertreibern, dass neu in Verkehr gebrachte Elektro- und Elektronikprodukte bestimmte gefährliche Stoffe nicht enthalten dürfen. Die Feststellung, Verwertung- oder Verbringung von Abfällen aus Elektro- und Elektronikprodukten wird durch diese Richtlinien nicht geregelt und somit auch kein diesbezüglicher Grenzwert festgelegt.

4.1.1.3. Richtlinie 2012/19/EU über Elektro- und Elektronik-Altgeräte (WEEE-Richtlinie)

Die WEEE-Richtlinie 2012/19/EU dient der Vermeidung von Abfällen von Elektro- und Elektronikgeräten und der Reduzierung solcher Abfälle durch Wiederverwendung, Recycling und an derer Formen der Verwertung. Sie legt Mindestnormen für die Behandlung von Elektro- und Elektronik-Altgeräten in der EU fest.

Anhang Vl regelt, die Mindestanforderungen an die Verbringung (dies betrifft die mitzuführenden Dokumente und Aufzeichnungen).

Anhang VII Nummer 1 regelt, dass ua Kunststoffe, die bromierte Flammschutzmittel enthalten, aus getrennt gesammelten Elektro- und Elektronik-Altgeräten zu entfernen sind. Dabei gilt entsprechend Anhang VII Nummer 3, dass angesichts der Tatsache, dass Vorbereitung zur Wiederverwendung und Recycling wünschenswert sind, die Nummern 1 und 2 so anzuwenden sind, dass die umweltgerechte Vorbereitung zur Wiederverwendung und das umweltgerechte Recycling von Bauteilen oder ganzen Geräten nicht behindert wird.

Auch die WEEE-Richtlinie enthält somit keinen Grenzwert bzw keine Messmethodik und auch kein Verbot der Verbringung und folgenden Verwertung. Ganz im Gegenteil: die WEEE-Richtlinie zielt auf ein möglichst umfassendes Recycling von Elektro- und Elektronik-Altgeräten ab und ist in Art 10 ausdrücklich geregelt, dass die Elektro- und Elektronik-Altgeräte auch in andere Staaten zur Behandlung verbracht werden können.

4.1.1.4. Richtlinie 2008/98/EG (Abfallrahmenrichtlinie)

Die Abfallrahmenrichtlinie legt den Rechtsrahmen für den Umgang mit Abfällen fest. Diese Richtlinie enthält kein Verbot der Verbringung oder des Recyclings von Elektro- und Elektronik-Altgeräten und legt auch keinen diesbezüglichen Grenzwert bzw eine Messmethodik für Material, das PBDEs beinhaltet, fest.

Es besteht nach dieser Richtlinie sohin ebenfalls kein Verbot der Verbringung noch der Verwertung von Kunststoffen, die bromierte Flammschutzmittel enthalten. Dass Abfälle - darunter auch Kunststoffe die PBDEs enthalten, entsprechend dem AWG (mit welchem die Abfallrahmenrichtlinie ins nationale Recht umgesetzt wurde) zu verwerten oder zu beseitigen sind, wird nicht in Abrede gestellt und ist für den Beschwerdeführer nicht nachvollziehbar, was die belangte Behörde bzw der beigezogene Sachverständige mit dieser rechtlichen Beurteilung im gegebenen Kontext ausdrücken möchte.

4.1.1.5. Verordnung Nr. und Nr. 1342/2014 über persistente organische Schadstoffe hinsichtlich der Anhänge lV und V (POP-VO)

Die Behörde bezieht sich in ihrer rechtlichen Beurteilung unter anderem auch auf die Verordnung Nr. 12342/2014, mit welcher ein Grenzwert für ganz bestimmte POPs eingeführt wurde.

In weiterer Folge zitiert die belangte Behörde Art 7 Abs 2 (offenbar der Verordnung Nr. 850/2004), wonach Abfälle, die aus Stoffen, die in Anhang V Teil 1 angeführt sind, bestehen, so zu beseitigen oder zu verwerten sind, dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden, damit die verbleibenden Abfälle und Freisetzungen nicht die Eigenschaften persistenter organischer Schadstoffe aufweisen. able Aus dieser Bestimmung ergibt sich gerade, dass Abfälle, die derartige Stoffe beinhalten auch verwertet werden können.

Anzumerken ist, dass sich der mit VO Nr. 1342/2014 in Annex lV der POP-VO (VO EG Nr. 850/2004) aufgenommene / angeführte Grenzwert von 1000 mg/kg ausdrücklich auf die Summe der Konzentrationen von Tetrabromdibhenylether, Pentabromdiphenylether, Hexabromdiphenylether und Heptabromdiphenylether und nicht auf alle PBDEs bezieht.

Eine bestimmte Messmethodik, wonach ab einem Bromgehalt von 2000 mg Brom / kg von einer Überschreitung der angeführten PBDEs auszugehen sei, enthält die POP-VO nicht.

Beweis: PV

Einvernahme des sachverständigen Zeugen G, pA J

Im Übrigen wurde - wie bereits erwähnt - von der belangten Behörde keine Messung dieser vier PBDEs vorgenommen, sodass eine Grenzwertüberschreitung des Gesamtgehaltes auch nicht angenommen werden darf. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Grenzwert von 1000 mg/kg hinsichtlich der vier angeführten Bromdiphenylether (ohne deca-BDE, für den bis dato kein Grenzwert existiert), deutlich unterschritten wurde.

Das diesbezügliche Vorbringen des Beschwerdeführers in seiner Äußerung negierte die belangte Behörde gänzlich.

Weiters ist festzuhalten, dass die POP-VO kein generelles Verbringungs- und/oder Verwertungsverbot von Stoffen enthält. Ganz im Gegenteil: Art 7 Abs 2 - den auch die belangte Behörde ins Treffen führt - bestimmt explizit, dass Abfälle, die aus in Anhang IV aufgelisteten Stoffen bestehen, sie enthalten oder durch sie verunreinigt sind, in Übereinstimmung mit Anhang V Teil l so zu beseitigen oder verwerten sind, dass die darin enthaltenen persistenten organischen Schadstoffe zerstört oder unumkehrbar umgewandelt werden, damit die verbleibenden Abfälle und Freisetzungen nicht die Eigenschaften persistenter organischer Schadstoffe aufweisen. Bei der Durchführung einer solchen Beseitigung oder Verwertung kann jeder Stoff der in Anhang IV aufgelistet ist, vom Abfall abgetrennt werden, sofern dieser Stoff anschließend gemäß Unterabsatz I beseitigt wird.

4.1.1.6 Cenelec Norm TS 50625-3-1 - Allgemeines

Vorweg ist festzuhalten, dass der Cenelec Norm T5 50625-3-1 selbst - ohne Bezugnahme durch nationale Bestimmungen im Hinblick auf Abfallbewertungen bzw Abfallverbringungen, keinerlei Rechtsverbindlichkeit zukommt.

Zudem wurde der Verweis auf die Cenelec Norm T5 50625-3-1 im Hinblick auf Abfallverbringungen bzw die Feststellung der Abfalleigenschaft erst im Bundesabfallwirtschaftsplan 2017 angeführt, der allerdings nach den vermeintlichen Tatbegehungen veröffentlicht wurde. Unabhängig davon, dass der Bundesabfallwirtschaftsplanes nicht als Verordnung erlassen wurde und diesem sohin - jedenfalls im Hinblick auf verwaltungsstrafrechtliche Bestimmungen - keine Verbindlichkeit zukommen darf, kann die von der Behörde herangezogene Messmethodik also für die vermeintlichen Tatzeitpunkte nicht herangezogen werden.

Die Cenelec Norm selbst hat im Übrigen mit der grenzüberschreitenden Abfallverbringung und der Einstufung von Abfällen nichts zu tun. Es handelt sich dabei um einen Europäischen Standard für die Abfallverwertung, wie in Folge aufgezeigt wird.

4.1.1.7. WEEE Recycling-Prozess in der gegenständlichen Anlage in Übereinstimmung mit dem Cenelec-Standard T5 50625-3-1

WEEE Kunststoffe bestehen hauptsächlich aus hochwertigen technischen Kunststoffen. Die Zusammensetzung davon zeigt, dass durchschnittlich etwa 60-65 % davon bestens verwertbare Kunststoffe sind, die als Sekundärrohstoffe als Ersatz von primären Rohstoffen aus fossilen Quellen dienen können.

Grafik 1.: WEEE Kunststoffe

[Abweichend vom Original – Bilder nicht wiedergegeben]

„…

…“

Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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