TE Bvwg Erkenntnis 2019/7/4 I412 2124361-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.07.2019
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Entscheidungsdatum

04.07.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AVG §68 Abs1
BFA-VG §21 Abs3
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §53
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I412 2124361-2/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Gabriele ACHLEITNER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX alias XXXX, StA. NIGERIA, vertreten durch LegalFocus, gegen den Bescheid des BFA, Erstaufnahmestelle West (EASt-West) vom XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Soweit sich die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. und VIII. richtet, wird diese als unbegründet abgewiesen.

Im Übrigen (Spruchpunkte II. bis VII.) wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid gemäß § 21 Abs. 3 BFA-VG behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Die Beschwerdeführerin stellte am 04.09.2015 ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz. Hinsichtlich ihrer Fluchtgründe gab die Beschwerdeführerin an, dass sie lesbisch sei und eine Beziehung mit einer Frau in Nigeria gehabt habe. Homosexualität werde in Nigeria nicht toleriert und es gäbe eine Mindeststrafe von 14 Jahren Haft. Sie und ihre Freundin seien einmal bei sexuellen Aktivitäten von der Polizei erwischt worden, ihre Freundin sei festgenommen worden, sie habe flüchten können.

Mit Bescheid vom 18.03.2016, XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf ihren Herkunftsstaat Nigeria (Spruchpunkt II.) als unbegründet ab. Zugleich erteilte sie der Beschwerdeführerin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung und stellte fest, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt III.). Des Weiteren setzte die belangte Behörde eine Frist für die freiwillige Ausreise von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt IV.).

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin rechtzeitig und zulässig das Rechtsmittel der Beschwerde, die dem Bundesverwaltungsgericht durch die belangte Behörde zur Entscheidung vorgelegt wurde. Nach Abhaltung einer mündlichen Verhandlung am 12.09.2018 wurde die Beschwerde mit Erkenntnis vom 17.09.2018, GZ I412 2124361-1/14E rechtskräftig abgewiesen.

Mit dem nunmehrigen Rechtsvertreter wurde am 11.10.2018 ein Vollmachtsverhältnis eingegangen. Nach eigenen Angaben hielt sich die Beschwerdeführerin in der Folge von Oktober 2018 bis Mitte Jänner 2019 in Italien und danach bis 17.04.2019 in Deutschland auf. Die Beschwerdeführerin stellte in Nürnberg/Deutschland am 12.01.2019 einen Antrag auf internationalen Schutz, wurde von deutschen Behörden am 17.04.2019 rücküberstellt und stellte am selben Tag gegenständlichen Folgeantrag in Österreich.

Sie habe damals bei ihrer ersten Asylantragstellung nicht alle Angaben machen können. Sie sei von zwei Nigerianern nach Europa geschleppt worden, um in Griechenland als Prostituierte zu arbeiten. Sie habe drei Jahre lang auf dem Straßenstrich gearbeitet und schulde der Zuhälterin dort noch € 25.000,--. Nach Nigeria könne sie nicht zurück, da ihre Freundin dort im Gefängnis sitze. Auch ihr drohe wegen ihrer Homosexualität eine Gefängnisstrafe in Nigeria.

Bei ihrer Einvernahme vor der belangten Behörde am 02.05.2019 gab sie außerdem an, ihr Zuhälter habe ihr gedroht, ihrer Familie von der Tätigkeit als Prostituierte zu erzählen. Die Zuhälterin habe sie kurz vor dem Tod der Mutter in Wien getroffen und diese habe ihr auch gedroht, dass etwas Schlimmes passieren werde. Jetzt sei ihre Mutter tot und sie könne alles erzählen. Nach dem Tod der Mutter habe sie in ihrer Verwirrung einen One-Night-Stand gehabt und sei jetzt schwanger. Über den Vater des Kindes wisse sie nichts. Der errechnete Geburtstermin sei der 12.07.2019.

Am 09.05.2019 wurde der Beschwerdeführerin mitgeteilt, dass eine Zurückweisung wegen entschiedener Sache beabsichtigt sei. Weder sie noch die anwesende Rechtsberaterin gaben dazu eine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 16.05.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) sowie der subsidiär Schutzberechtigten (Spruchpunkt II.) wegen entschiedener Sache gemäß § 68 Abs 1 AVG zurück. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde ihr nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gegen die Beschwerdeführerin wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Nigeria zulässig ist (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde ausgeführt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Außerdem wurde gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VII.). Der Beschwerdeführerin wurde gemäß § 15b Abs 1 AsylG aufgetragen, in einer näher bezeichneten Unterkunft Quartier zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

Dagegen wurde rechtzeitig und zulässig Beschwerde erhoben und zunächst moniert, dass die Rechtsmittelbelehrung mit den angegebenen zwei Wochen unrichtig sei und eine Frist von vier Wochen einzuräumen sei. In dieser kurzen Zeit sei eine umfassende Beschwerdeschrift zu verfassen nicht möglich. Die Beschwerdeführerin erwarte ein Kind und handle es sich um eine Risikoschwangerschaft. Das neue Vorbringen sei jedenfalls nicht unter res iudicata zu subsumieren und läge ein asylrelevanter Fluchtgrund vor.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 13.06.2019 zur Entscheidung vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der unter Pkt. I. dargestellte Verfahrensgang wird festgestellt.

Darüber hinaus werden folgende Feststellungen getroffen:

Der Beschwerdeführerin waren die Gründe, die sich auf ihren zweiten Antrag auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten beziehen, bereits zum Zeitpunkt der ersten Antragstellung bekannt und hätte sie diese im Verfahren zu I412 2124361-1, insbesondere in der dortigen mündlichen Beschwerdeverhandlung, bereits geltend machen können.

Die Beschwerdeführerin ist mittlerweile schwanger, errechneter Geburtstermin ist der 12.07.2019.

2. Beweiswürdigung:

2.1 Zum Sachverhalt:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang wird als Sachverhalt festgestellt. Dieser ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte der belangten Behörde sowie der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes.

Im ersten Verfahren führte die Beschwerdeführerin zusammengefasst aus, dass sie in Nigeria bei einer gleichgeschlechtlichen Handlung von der Polizei erwischt wurde und dann von Schleppern nach Griechenland gebracht worden sei. Sie werde von der Familie der nigerianischen Partnerin und der Polizei gesucht. Die belangte Behörde kam in diesem ersten Asylverfahren, aufgrund verschiedener Widersprüchlichkeiten und oberflächlichen Angaben zum Schluss, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin als gänzlich unglaubwürdig zu erachten sei und deshalb keine Asylrelevanz aufweise. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.09.2018 wurde die Entscheidung der belangten Behörde nach Abhaltung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung rechtskräftig bestätigt.

Im Beschwerdeschriftsatz wurde nunmehr angegeben, dass keine entschiedene Sache vorliege und die Beschwerdeführerin ein asylrelevantes Vorbringen erstattet habe. In diesem Kontext ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerdeführerin nur sieben Monate nach rechtskräftiger Abweisung am 17.04.2019 einen Folgeantrag stellte und angab, die Fluchtgründe nach wie vor aufrecht zu halten und außerdem den Sachverhalt ergänzen zu wollen. Sie habe aus Angst nicht alles beim ersten Antrag angegeben. Das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend Verfolgung wegen homosexueller Handlungen in Nigeria wurde bereits im Erstverfahren behandelt. Ergänzend gab die Beschwerdeführerin in ihrem gegenständlichen Folgeantrag an, von Schleppern nach Griechenland gebracht worden zu sein, um dort der Prostitution nachzugehen und der dortigen Zuhälterin noch EUR 25.000,- zu schulden. Diese Umstände sind weder neu entstanden noch erst jetzt herausgekommen. Das Vorbringen baut auf einer bereits als unglaubwürdig beschiedenen Fluchtgeschichte auf und sind keine Anhaltspunkte zu erblicken, die die Geschichte nunmehr doch glaubhaft erscheinen ließen. Gerade die Rechtfertigung, sie habe aus Sorge um ihre Mutter erst jetzt die Wahrheit sagen können, nachdem diese im Oktober 2018 verstorben sei, ist nicht nachvollziehbar. Im Erstverfahren gab die Beschwerdeführerin an, dass bereits beide Elternteile verstorben seien. Es handelt sich um eine Abwandlung der bereits im Erstverfahren dargestellten Fluchtgeschichte und wäre dieses Vorbringen zudem schon im ersten Asylverfahren zu erstatten gewesen.

Dass die Beschwerdeführerin schwanger ist, sowie der errechnete Geburtstermin ergibt sich ebenso zweifellos aus dem Akteninhalt der belangten Behörde.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu A) Zurückweisung wegen entschiedener Sache im Allgemeinen:

Gemäß § 68 Abs. 1 AVG sind Anbringen von Beteiligten, die außer den Fällen der §§ 69 und 71 AVG die Abänderung eines der Berufung nicht oder nicht mehr unterliegenden Bescheides begehren, wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, wenn die Behörde nicht Anlass zu einer Verfügung gemäß § 68 Abs. 2 bis 4 AVG findet (VfSlg. 10.240/1984; 19.269/2010). Diesem ausdrücklichen Begehren auf Abänderung steht ein Ansuchen gleich, das bezweckt, eine Sache erneut inhaltlich zu behandeln, die bereits rechtskräftig entschieden ist (VwGH 30.09.1994, Zl. 94/08/0183; 30.05.1995, Zl. 93/08/0207; 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 07.06.2000, Zl. 99/01/0321).

Eine "entschiedener Sache" ("res iudicata") iSd. § 68 Abs. 1 AVG liegt vor, wenn sich gegenüber dem Vorbescheid weder die Rechtslage noch der wesentliche Sachverhalt geändert hat und sich das neue Parteibegehren im Wesentlichen (d.h. abgesehen von Nebenumständen, die für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerheblich sind) mit dem früheren deckt (VwGH 09.09.1999, Zl. 97/21/0913; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564; 27.09.2000, Zl. 98/12/0057; 25.04.2002, Zl. 2000/07/0235). Eine Modifizierung des Vorbringens oder der Sachlage, die nur für die rechtliche Beurteilung der Hauptsache unerhebliche Nebenumstände betrifft, kann an der Identität der Sache nichts ändern (VwGH 22.11.2004, Zl. 2001/10/0035). Bei nach Erlassung des Bescheides hervorgekommenen Umständen, welche die Unrichtigkeit des in Rechtskraft erwachsenen Bescheides dartun, handelt es sich nicht um eine Änderung des Sachverhaltes, sondern sind von der Rechtskraft des Bescheides umfasst und bilden lediglich unter den Voraussetzungen des § 69 AVG einen Wiederaufnahmegrund (VwGH 24.09.1992, Zl. 91/06/0113; 24.06.2003, Zl. 2001/11/0317; 06.09.2005, Zl. 2005/03/0065).

Einem zweiten Asylantrag, der sich auf einen vor Beendigung des Verfahrens über den ersten Asylantrag verwirklichten Sachverhalt stützt, steht die Rechtskraft des Vorbescheides entgegen (VwGH 10.06.1998, Zl. 96/20/0266; 21.09.2000, Zl. 98/20/0564). "Sache" des Rechtsmittelverfahrens ist nur die Frage der Rechtmäßigkeit der Zurückweisung, die Rechtsmittelbehörde darf demnach nur darüber entscheiden, ob die Vorinstanz den Antrag zu Recht zurückgewiesen hat oder nicht. Sie hat daher entweder - falls entschiedene Sache vorliegt - das Rechtsmittel abzuweisen oder - falls dies nicht zutrifft - den bekämpften Bescheid ersatzlos zu beheben, dies mit der Konsequenz, dass die erstinstanzliche Behörde, gebunden an die Auffassung der Rechtsmittelbehörde, den Antrag nicht neuerlich wegen entschiedener Sache zurückweisen darf. Die Rechtsmittelbehörde darf aber über den Antrag nicht selbst meritorisch entscheiden (VwGH 30.05.1995, Zl. 93/08/0207).

Dem geänderten Sachverhalt muss nach der ständigen Rechtsprechung des VwGH Entscheidungsrelevanz zukommen (vgl. VwGH 15.12.1992, Zl. 91/08/0166; ebenso VwGH 16.12.1992, Zl. 92/12/0127; 23.11.1993, Zl. 91/04/0205; 26.04.1994, Zl. 93/08/0212; 30.01.1995, Zl. 94/10/0162). Die Verpflichtung der Behörde zu einer neuen Sachentscheidung wird nur durch eine solche Änderung des Sachverhalts bewirkt, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteienbegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (VwSlg. 7762 A; VwGH 29.11.1983, Zl. 83/07/0274; 21.02.1991, Zl. 90/09/0162; 10.06.1991, Zl. 89/10/0078; 04.08.1992, Zl. 88/12/0169; 18.03.1994, Zl. 94/12/0034; siehe auch VwSlg. 12.511 A; VwGH 05.05.1960, Zl. 1202/58; 03.12.1990, Zl. 90/19/0072). Dabei muss die neue Sachentscheidung - obgleich auch diese Möglichkeit besteht - nicht zu einem anderen, von der seinerzeitigen Entscheidung abweichenden Ergebnis führen. Die behauptete Sachverhaltsänderung muss zumindest einen glaubhaften Kern aufweisen, dem Asylrelevanz zukommt und an den die oben erwähnte positive Entscheidungsprognose anknüpfen kann (VwGH 24.02.2000, Zl. 99/20/0173; grundlegend VwGH 04.11.2004, Zl. 2002/20/0391). Die Behörde hat sich insoweit bereits bei der Prüfung, ob der neuerliche Antrag zulässig oder wegen entschiedener Sache zurückzuweisen ist, mit der Glaubhaftigkeit des neuen Vorbringens betreffend die Änderung des Sachverhaltes "beweiswürdigend" (VwGH 22.12.2005, Zl. 2005/20/0556) auseinander zu setzen (VwGH 15.03.2006, Zl. 2006/17/0020).

Auf Grund des Umfanges des Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ist in der gegenständlichen Rechtssache der Umstand relevant, ob vor der belangten Behörde neue, mit einem glaubwürdigen Kern versehene Tatsachen vorgebracht wurden, die eine andere Entscheidung sowohl im Hinblick auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch des subsidiär Schutzberechtigten indizieren können.

3.1.1. Zu Spruchpunkt I.

Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich, dass in der gegenständlichen Rechtssache in Bezug auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend Zuerkennung des Status der Asylberechtigten eine entschiedene Sache vorliegt. Dies aus folgenden Erwägungen:

Die Beschwerdeführerin erstattete im ersten Asylverfahren ein unglaubhaftes Fluchtvorbringen. Die negative Asylentscheidung erwuchs nach einem Rechtsgang zum Bundesverwaltungsgericht, welches eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt hat, am 17.09.2018 in Rechtskraft.

Bei ihren weiteren Einvernahmen gab die Beschwerdeführerin neuerlich dieselbe Fluchtgeschichte an und steigerte ihr Vorbringen mit weiteren oberflächlichen und widersprüchlichen Angaben.

Zudem wurde der zweite Antrag diesbezüglich auf behauptete Tatsachen gestützt, die ihrem Vorbringen zufolge bereits zur Zeit des ersten - in der Sache entschiedenen - Asylverfahrens bestanden haben, die die Beschwerdeführerin jedoch aus den von ihr angeführten Gründen nicht bereits in dem vorangegangenen Verfahren vorgebracht hatte.

Eine Änderung des der Entscheidung vom 17.09.2018 eingetretenen Sachverhaltes ist sohin schon deshalb in Bezug auf den Antrag der Beschwerdeführerin auf Zuerkennung des Status der Asylberechtigten nicht zu erkennen, sodass die belangte Behörde betreffend Spruchpunkt I. zu Recht von entschiedener Sache iSd § 68 Abs. 1 AVG ausgegangen ist, deren Rechtskraft einer neuerlichen Sachentscheidung entgegensteht.

3.1.2. Zu Spruchpunkt II.

Ein Antrag auf internationalen Schutz richtet sich aber auch auf die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten und daher sind auch Sachverhaltsänderungen, die ausschließlich subsidiäre Schutzgründe betreffen, von den Asylbehörden im Rahmen von Folgeanträgen einer Prüfung zu unterziehen sind (vgl. VwGH 19.02.2009, 2008/01/0344).

Die Beschwerdeführerin ist hochschwanger, errechneter Geburtstermin ist der 12.07.2019.

Dazu ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die belangte Behörde keine Feststellungen zum Familienleben und den Existenzmöglichkeiten der hochschwangeren Beschwerdeführerin bzw. ihres noch ungeborenen Kindes getroffen hat und sich im angefochtenen Bescheid mit der individuellen Rückkehrsituation der Beschwerdeführerin unter dem Blickwickel ihrer konkreten Situation in keinster Weise - weder was die Frage des Vorliegens entschiedener Sache hinsichtlich subsidiären Schutzes, noch was die Begründung der Rückkehrentscheidung sowie die Zulässigkeit ihrer Abschiebung betrifft - auseinander gesetzt hat.

Nur eine solche Änderung des Sachverhaltes kann zu einer neuen Sachentscheidung führen, die für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die seinerzeit den Grund für die Abweisung des Parteibegehrens gebildet haben, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann (vgl. VwGH 09.09.1999, 97/21/0913).

Wie der Verwaltungsgerichtshof erst kürzlich in seiner Entscheidung vom 07.03.2019, Zl. Ra 2018/21/0141 ausgesprochen hat, ist die Situation einer schwangeren Frau auch unter dem Blickwinkel als (potentiell) alleinstehende Mutter eines Säuglings zu betrachten und bedarf es in diesem Zusammenhang auch einer Bewertung aus der Perspektive des (noch ungeborenen) Kindes.

Wenn auch im vorliegenden Fall nicht verkannt wird, dass die Beschwerdeführerin Angaben über in Nigeria lebende Familienangehörige gemacht hat, kann im Sinne der wiedergegebenen Judikatur zu § 68 AVG nicht davon gesprochen werden, dass in Bezug auf die Zurückweisung des Antrages auf subsidiären Schutz keine Sachverhaltsänderungen eingetreten sind, die eine andere Beurteilung von vorherein als ausgeschlossen erscheinen lassen.

Gelangt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, dass die Behörde nicht von entschiedener Sache hätte ausgehen dürfen, sondern aufgrund des Vorliegens neuer Sachverhaltselemente eine inhaltliche Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz hätte durchführen müssen, hat es den zurückweisenden Bescheid auf Grundlage des für zurückweisende Entscheidungen im Zulassungsverfahren anzuwendenden § 21 Abs. 3 BFA-VG zu beheben, wodurch das Verfahren vor der Behörde zugelassen ist und eine neuerliche Zurückweisung des Antrages gemäß § 68 AVG unzulässig wird.

Hingegen ist dem Bundesverwaltungsgericht ein inhaltlicher Abspruch über den zugrundeliegenden Antrag auf internationalen Schutz in einem Beschwerdeverfahren über einen zurückweisenden Bescheid nach § 68 AVG verwehrt, weil diesfalls die Sache des Beschwerdeverfahrens überschritten würde (vgl. Filzwieser/Frank/ Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 BFA-VG, K11., K17.).

Der auf Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gerichtete Antrag der Beschwerdeführerin wäre sohin nicht wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, sondern in der Sache zu erledigen gewesen.

Die Spruchpunkte II. bis VII. waren daher zu beheben.

3.2. Zur aufgetragenen Unterkunftnahme (Spruchpunkt VIII.):

Gemäß § 15b Abs 1 AsylG 2005 wurde der Beschwerdeführerin aufgetragen, in einer näher bezeichneten Unterkunft Quartier zu nehmen. Die Beschwerdeführerin ist seit ihrer Wiedereinreise dort gemeldet und aufhältig. Die Voraussetzungen der Z 3 leg. cit. liegen gegenständlich vor, da vor Stellung des Folgeantrages bereits eine Rückkehrentscheidung rechtskräftig erlassen wurde. Im Beschwerdeschriftsatz wird nicht dargelegt, inwiefern sich die Beschwerdeführerin durch die Anordnung zur Unterkunftnahme in ihren Rechten verletzt erachtet. Somit war die Beschwerde gegen Spruchpunkt VIII. des angefochtenen Bescheides abzuweisen.

Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass diese Anordnung mit der rechtskräftigen Erledigung des Antrages auf internationalen Schutz zeitlich determiniert ist.

4. Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Eine mündliche Verhandlung kann unterbleiben, wenn der für die rechtliche Beurteilung entscheidungsrelevante Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben wurde und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweist. Ferner muss die Verwaltungsbehörde die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in gesetzmäßiger Weise offengelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht diese tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung in seiner Entscheidung teilen. Auch darf im Rahmen der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinausgehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstantiiertes Bestreiten ebenso außer Betracht zu bleiben hat, wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA-VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt (VwGH 28.05.2014, 2014/20/0017). Eine mündliche Verhandlung ist bei konkretem sachverhaltsbezogenem Vorbringen des Revisionswerbers vor dem VwG durchzuführen (VwGH 30.06.2015, Ra 2015/06/0050, mwN). Eine mündliche Verhandlung ist ebenfalls durchzuführen zur mündlichen Erörterung von nach der Aktenlage strittigen Rechtsfragen zwischen den Parteien und dem Gericht (VwGH 30.09.2015, Ra 2015/06/0007, mwN) sowie auch vor einer ergänzenden Beweiswürdigung durch das VwG (VwGH 16.02.2017, Ra 2016/05/0038). § 21 Abs 7 BFA-VG erlaubt andererseits das Unterbleiben einer Verhandlung, wenn - wie im vorliegenden Fall - deren Durchführung in der Beschwerde ausdrücklich beantragt wurde, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint (VwGH 23.11.2016, Ra 2016/04/0085; 22.01.2015, Ra 2014/21/0052 ua). Diese Regelung steht im Einklang mit Art 47 Abs 2 GRC (VwGH 25.02.2016, Ra 2016/21/0022).

Die vorgenannten Kriterien treffen in diesem Fall zu. Der Sachverhalt ist durch die belangte Behörde vollständig erhoben und weist die gebotene Aktualität auf. Der Beweiswürdigung durch die belangte Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht angeschlossen. Das Beschwerdevorbringen wiederholt das bereits mehrfach dargelegte Fluchtvorbringen und zitiert Rechtsprechung und weist somit keinerlei (neuen) individuellen Bezug zum gegenständlichen Verfahren auf. Es ist somit unsubstantiiert. Es lagen keine strittigen Sachverhalts- oder Rechtsfragen vor und waren auch keine Beweise aufzunehmen.

Das Bundesverwaltungsgericht musste sich auch keinen persönlicher Eindruck von der Beschwerdeführerin im vorliegenden Fall trotz des Vorliegens einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verschaffen, da selbst unter Berücksichtigung aller zugunsten der Beschwerdeführerin sprechenden Fakten auch dann für sie kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht von ihr einen persönlichen Eindruck verschafft, weshalb eine mündliche Verhandlung unterbleiben konnte (VwGH 26.01.2017, Ra 2016/21/0233; 18.10.2017, Ra 2017/19/0422 bis 0423, Ra 2017/19/0424).

Daher konnte aufgrund der Aktenlage entschieden werden und die Abhaltung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung sohin gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG iVm § 24 VwGVG unterbleiben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Abschiebung, Änderung maßgeblicher Umstände, Asylverfahren,
Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz, Aufenthaltstitel,
Behebung der Entscheidung, berücksichtigungswürdige Gründe,
Einreiseverbot, entschiedene Sache, Fluchtgründe, Folgeantrag,
freiwillige Ausreise, Frist, Gefährdung der Sicherheit,
Homosexualität, Identität der Sache, Interessenabwägung, Kassation,
öffentliche Interessen, öffentliche Ordnung, öffentliche Sicherheit,
Privat- und Familienleben, private Interessen, real risk, reale
Gefahr, Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung, res
iudicata, Rückkehrentscheidung, Sachverhalt, Schwangerschaft,
sexuelle Orientierung, Spruchpunktbehebung, subsidiärer Schutz,
Wohnsitzauflage, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I412.2124361.2.00

Zuletzt aktualisiert am

25.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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