TE Bvwg Beschluss 2019/12/3 I408 2164789-2

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Veröffentlicht am 03.12.2019
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Entscheidungsdatum

03.12.2019

Norm

AsylG 2005 §12a Abs2
AsylG 2005 §22 Abs10
AVG §68 Abs1
BFA-VG §22
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I408 2164789-2/8E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Harald NEUSCHMID im amtswegig eingeleiteten Verfahren über den mündlich verkündeten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Erstaufnahmestelle West vom 27.11.2019, Zl. 273711008/191194018, betreffend XXXX, geboren am XXXX, StA Nigeria, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, beschlossen:

A)

Die Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes ist gemäß § 12a Abs 2 AsylG 2005 nicht rechtmäßig und der genannte Bescheid wird aufgehoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der erste Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz vom 29.09.2003 wurde mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 27.01.2004, GZ XXXX abgewiesen wurde. Infolge der Zurückziehung der Berufung nach seiner Eheschließung am 08.01.2005 mit einer österreichischen Staatsangehörigen erwuchs diese Entscheidung mit 14.01.2005 in Rechtskraft.

2. Am 23.01.2007 wurde die Ehe aufgrund der Verwirklichung des Tatbestandes der Scheinehe (Doppelehe, da er in Nigeria Frau und drei Kinder hat) mit Urteil des BG XXXX, Zl. XXXX bzw. XXXX für nichtig erklärt und der ab 04.05.2ßß5 bestehende Aufenthaltstitel "Familienangehöriger" mit 02.04.2007 nicht mehr verlängert.

3. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 05.09.2007, XXXX, wurde der Beschwerdeführer wegen Körperverletzung, schwerer Körperverletzung, gefährlicher Drohung und versuchten Widerstand gegen die Staatsgewalt rechtskräftig verurteilt und in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen, aus der er unter Anordnung der Bewährungshilfe am 15.02.2011 entlassen wurde.

4. Mit Urteil des Landesgerichtes XXXX vom 25.11.2011, XXXX wurde der Beschwerdeführer wegen Freiheitsentziehung rechtskräftig verurteilt und wiederum in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher eingewiesen und unter Anordnung der Bewährungshilfe am 30.09.2016 aus der Anstaltsunterbringung entlassen.

5. Mit Bescheid der BH XXXX vom 21.10.2013, GZ: XXXX, wurde gegen den Beschwerdeführer ein Einreiseverbot verbunden mit eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Erkenntnis des LVwG XXXX vom 12.20.2014, XXXX, als unbegründet angewiesen und erwuchs in Rechtskraft.

6. Am 05.05.2015 stellte der Beschwerdeführer in der Justizanstalt XXXX, einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz, wobei er zusammengefasst ausführte, dass er wegen seiner Erkrankung einen neuen Antrag auf internationalen Schutz stelle. Er leide an einer paranoiden Schizophrenie und in Nigeria würden ihm die entsprechenden Medikamente und eine Unterkunft fehlen. Außerdem befürchte er, dass er im Falle seiner Rückkehr wegen seines Glaubens Probleme mit moslemischen Gruppen bekommen werde und seine Erkrankung nicht behandelt werden könnte.

7. Mit Bescheid vom 23.06.2017 wies das Bundesamt den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Nigeria ab (Spruchpunkt II.) und aberkannte einer Beschwerde gegen diesen Antrag die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt III.).

8. In Erledigung dieser Beschwerde wird mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.07.2017, I416 2164789-1/7E, der bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) zur Erlassung eines neuen Bescheides an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die belangte Behörde keine Rückkehrentscheidung getroffen habe. Zudem werde die belangte Behörde im Rahmen der Rückkehrentscheidung zu prüfen habe, inwieweit einer Überstellungsfähigkeit nach Nigeria gegeben wäre bzw., ob es durch seinen Gesundheitszustand zu einer aktuellen Gefährdung seiner durch die EMRK gewährleisteten Rechte nach Art. 3 EMRK kommen könne und sei dahingehend ein Facharzt für Psychiatrie beizuziehen.

9. Der dagegen erhobenen Amtsrevision wurde mit Erkenntnis des VwGH vom 22.03.2018, Zl. Ra 2017/01/0287-7, stattgegeben und der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

10. Nach Einholung eines psychiatrischen Gutachtens von Dr. K. vom 05.12.2018 und Erörterung des Sachverhaltes in einer mündlichen Verhandlung am 27.03.2019 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit der Maßgabe ab, dass gemäß § 55 Abs. 2 Fremdenpolizeigesetz (FPG) die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt. Die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses wurde dem Beschwerdeführer über seine Rechtsvertretung am 11.04.2019 zugestellt. In diesem Erkenntnis wurde ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sich die Fremdenpolizeibehörde anlässlich der allfälligen Abschiebung damit auseinanderzusetzen haben wird, ob die Außerlandesbringung des Beschwerdeführers faktisch möglich ist und wird dahingehend insbesondere die Transportfähigkeit zu beurteilen sein und sind erforderlichenfalls die entsprechenden Maßnahmen zu setzen. Insbesondere wird darauf zu achten sein, dass die erforderlichen medizinischen Unterlagen für eine Weiterbehandlung in Nigeria vorhanden sind.

11. Bereits am 05.04.2019 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung einer Duldungskarte, der mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.11.2019, 273711008/190320236 zurückgewiesen wurde.

12. Am 08.10.2019 wurde von der nigerianischen Botschaft in Wien ein bis 07.12.2019 gültiges Heimreisezertifikat erstellt.

13. Am 21.11.2019 brachte der Beschwerdeführer seinen nunmehr dritten Antrag auf internationalen Schutz ein. Im Wesentlichen verwies er auf seinen medizinischen Zustand, der sehr von der regelmäßigen Einnahme seiner Medikamente und einer Rund um die Uhr Betreuung abhängig sei und verwies auf die Ausführungen seiner Rechtsberatung zur geänderten Rechtslage seit Rechtskraft der letzten Entscheidung.

14. Nach zwei Einvernahmen des Beschwerdeführers im Beisein einer Vertrauensperson am 25.11.2019 und 27.11.2019 vor der belangten Behörde wurde mit mündlich verkündetem Bescheid der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG aufgehoben.

15. Am 02.12.2019 wurde dieser Bescheid dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger Nigerias und somit Drittstaatsangehöriger. Seine Identität steht fest.

Der Beschwerdeführer hält sich seit 2003 in Österreich auf. Zumindest seit seiner ersten strafgerichtlichen Verurteilung und der damit verbundenen Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher ist er mit seiner Erkrankung konfrontiert.

Der Beschwerdeführer leidet an paranoider Schizophrenie, Residualzustand F20.5. Dabei handelt es sich um eine chronisch verlaufende neurodegenerative Erkrankung, die im Erkrankungsverlauf sämtliche höhere Hirnleistungen irreversibel schädigt. Der Residualzustand ist prinzipiell als irreversibler Zustand anzusehen. Die Erkrankung kann durch Behandlung nur insoweit verbessert werden, als die akuteren Symptome in den Hintergrund gedrängt werden, am chronischen Verlauf vermag die Behandlung nichts verändern, bzw. verhindert die Behandlung in der Regel auch nicht, dass schlussendlich morphologische, messbare Gehirnveränderungen mit Verlust der Hirnsubstanz auftreten, wodurch sich im finalen Stadium der Erkrankung ein sogenanntes schizophrenes Residuum mit eindeutiger Verschlechterung gegenüber dem zuvor bestehenden Aktivitätsniveau einstellt.

Beim Beschwerdeführer ist aufgrund seines aktuellen Zustandes von vorhandener Diskretionsfähigkeit bzw. deutlich eingeschränkter bzw. aufgehobener Dispositionsfähigkeit auszugehen. Aufgrund der eingetretenen Defektentwicklung benötigt er über die medikamentöse Betreuung hinaus eine laufende Betreuung in allen Aktivitäten des täglichen Lebens. Eine lediglich ambulante Betreuung würde zu seiner vollständigen Verwahrlosung führen und es ist auch ein erheblicher Leidenszustand zu erwarten. Wenn der Beschwerdeführer in Nigeria nicht ein ähnlich breit gefächertes Versorgungsszenario inklusive der Möglichkeit zur Verabreichung der erforderlichen Medikation vorfindet, dann ist mit einer raschen, noch weiterreichenden und jedenfalls irreversiblen Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu rechnen.

Seit seiner bedingten Entlassung Ende September 2016 lebt der Beschwerdeführer aufgrund einer Weisung des Landesgerichtes Linz in einer Nachsorgeeinrichtung von pro mente plus "Neuland OÖ" in XXXX, in der rund um die Uhr Betreuungspersonal anwesend ist. Um seine psychische Stabilität zu gewährleisten ist eine engmaschige sozialarbeiterische Betreuung kombiniert mit regelmäßigen fachärztlich-psychiatrischen Kontrollen erforderlich. Der Beschwerdeführer erhält Betreuung bei der eigenständigen Strukturierung des Alltages.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und der festgestellte maßgebliche Sachverhalt ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Inhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde sowie aus dem Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers beruhen auf den Einvernahmen des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 27.03.2019 und den Einvernahmen vor der belangten Behörde am 25.11.2019 und am 27.11.2019.

Die Identität des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem am 08.10.2019 von der nigerianischen Botschaft in Wien ausgestellten Heimreisezertifikat erstellt.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand des Beschwerdeführers ergeben sich aus dem vom Bundesverwaltungsgericht im Rahmen des letzten Verfahrens eingeholten Sachverständigengutachten und der Stellungnahme von pro mente plus "Neuland OÖ" vom 28.11.2019.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

§ 12a AsylG und § 22 BFA-VG lauten:

* Faktischer Abschiebeschutz bei Folgeanträgen

* § 12a. (1) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) nach einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 oder nach jeder weiteren, einer zurückweisenden Entscheidung gemäß §§ 4a oder 5 folgenden, zurückweisenden Entscheidung gemäß § 68 Abs. 1 AVG gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn

1. gegen ihn eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG erlassen wurde,

2 . kein Fall des § 19 Abs. 2 BFA-VG vorliegt,

3. im Fall des § 5 eine Zuständigkeit des anderen Staates weiterhin besteht oder dieser die Zuständigkeit weiterhin oder neuerlich anerkennt und sich seit der Entscheidung gemäß § 5 die Umstände im zuständigen anderen Staat im Hinblick auf Art. 3 EMRK nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit maßgeblich verschlechtert haben., und

4. eine Abschiebung unter Berücksichtigung des Art. 8 EMRK (§ 9 Abs. 1 bis 2 BFA-VG) weiterhin zulässig ist.

* (2) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gestellt und liegt kein Fall des Abs. 1 vor, kann das Bundesamt den faktischen Abschiebeschutz des Fremden aufheben, wenn

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Antrag voraussichtlich zurückzuweisen ist, weil keine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, und

3. die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten und für ihn als Zivilperson keine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

* (3) Hat der Fremde einen Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23) gemäß Abs. 2 binnen achtzehn Tagen vor einem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, kommt ihm ein faktischer Abschiebeschutz nicht zu, wenn zum Antragszeitpunkt

1. gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG besteht,

2. der Fremde über den Abschiebetermin zuvor nachweislich informiert worden ist und

3. darüber hinaus

a) sich der Fremde in Schub-, Straf- oder Untersuchungshaft befindet;

b) gegen den Fremden ein gelinderes Mittel (§ 77 FPG) angewandt wird, oder

c) der Fremde nach einer Festnahme gemäß § 34 Abs. 3 Z 1 oder 3 BFA-VG iVm § 40 Abs. 1 Z 1 BFA-VG angehalten wird.

Liegt eine der Voraussetzungen der Z 1 bis 3 nicht vor, ist gemäß Abs. 2 vorzugehen. Für die Berechnung der achtzehntägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht.

* (4) In den Fällen des Abs. 3 hat das Bundesamt dem Fremden den faktischen Abschiebeschutz in Ausnahmefällen zuzuerkennen, wenn der Folgeantrag nicht zur ungerechtfertigten Verhinderung oder Verzögerung der Abschiebung gestellt wurde. Dies ist dann der Fall, wenn

1. der Fremde anlässlich der Befragung oder Einvernahme (§ 19) glaubhaft macht, dass er den Folgeantrag zu keinem früheren Zeitpunkt stellen konnte oder

2. sich seit der letzten Entscheidung die objektive Situation im Herkunftsstaat entscheidungsrelevant geändert hat.

Über das Vorliegen der Voraussetzungen der Z 1 und 2 ist mit Mandatsbescheid (§ 57 AVG) zu entscheiden. Wurde der Folgeantrag binnen zwei Tagen vor dem bereits festgelegten Abschiebetermin gestellt, hat sich die Prüfung des faktischen Abschiebeschutzes auf das Vorliegen der Voraussetzung der Z 2 zu beschränken. Für die Berechnung der zweitägigen Frist gilt § 33 Abs. 2 AVG nicht. Die Zuerkennung des faktischen Abschiebeschutzes steht einer weiteren Verfahrensführung gemäß Abs. 2 nicht entgegen.

* (5) Abweichend von §§ 17 Abs. 4 und 29 Abs. 1 beginnt das Zulassungsverfahren in den Fällen des Abs. 1 und 3 bereits mit der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz.

* (6) Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht, es sei denn es wurde ein darüber hinausgehender Zeitraum gemäß § 53 Abs. 2 und 3 FPG festgesetzt. Anordnungen zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, Ausweisungen gemäß § 66 FPG und Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG bleiben 18 Monate ab der Ausreise des Fremden aufrecht. Dies gilt nicht für Aufenthaltsverbote gemäß § 67 FPG, die über einen darüber hinausgehenden Zeitraum festgesetzt wurden.

Überprüfung der Aufhebung des faktischen Abschiebeschutzes

§ 22. (1) Eine Entscheidung des Bundesamtes, mit der der faktische Abschiebeschutz eines Fremden aufgehoben wurde (§ 12a Abs. 2 AsylG 2005), ist vom Bundesverwaltungsgericht unverzüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Das Verfahren ist ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden. § 20 gilt sinngemäß. § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG ist nicht anzuwenden.

(2) Die Aufhebung des Abschiebeschutzes gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 und eine aufrechte Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG oder eine Ausweisung gemäß § 66 FPG sind mit der Erlassung der Entscheidung gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 durchsetzbar. Mit der Durchführung der die Rückkehrentscheidung oder Ausweisung umsetzenden Abschiebung gemäß § 46 FPG ist bis zum Ablauf des dritten Arbeitstages ab Einlangen der gemäß § 22 Abs. 10 AsylG 2005 zu übermittelnden Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Verwaltungsakten bei der zuständigen Gerichtsabteilung und von der im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 getroffenen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes zu verständigen.

(3) Über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung des Abschiebeschutzes im Rahmen der Überprüfung gemäß Abs. 1 hat das Bundesverwaltungsgericht binnen acht Wochen zu entscheiden.

Im gegenständlichen Fall ist die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes vom 10.04.2019 unter Anwendung des sich aus dem Erkenntnisses des VwGH vom 06.11.2018, Ra 2018/01/0106 ergebenden Prüfschema zu beurteilen Es ist darin nicht abgesprochen worden, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung aufgrund des Krankheitsbildes des Beschwerdeführers, das laut dem eingeholten Gutachten seit 12 Jahren vorliegt und nur über eine entsprechende Behandlung und Betreuung stabil gehalten werden kann, keine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2, 3 oder 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde. (vgl. S 30 des Erkenntnisses vom 10.04.2019).

Wie vom Verwaltungsgerichtshof in seinem Judikat zu Ra 2018/19/0010 vom 12.12.2018 festgehalten, verfolgte der Gesetzgeber zudem das Ziel, "dass die beschleunigte Abwicklung des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht in erster Linie anhand des Ergebnisses der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bis dahin vorgenommenen Ermittlungen zu erfolgen hat. Lässt dieses Ermittlungsergebnis aber die einwandfreie Beurteilung im Rahmen der Grobprüfung nicht zu, sondern bedarf es dafür erheblicher ergänzender Ermittlungen, kann diese von der Behörde zu vertretende Mangelhaftigkeit nicht zum Nachteil des Fremden ausschlagen." Im derzeitigen Verfahrensstadium und aufgrund der hier lediglich vorzunehmenden Grobprüfung kann nicht mit hinreichender Sicherheit davon ausgegangen werden, dass der Antrag auf internationalen Schutz vom 21.11.2019 wegen entschiedener Sache zurückzuweisen sein wird. Somit ist jedenfalls eine der drei Voraussetzungen, unter denen der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 2 AsylG 2005 aufgehoben werden darf, derzeit nicht erfüllt.

Gemäß § 22 Abs. 1 BFA-VG war ohne Abhaltung einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden, ein Vorgehen nach § 28 Abs. 3 Satz 2 VwGVG ist dem Gesetz nach in diesem Fall nicht möglich.

Es war damit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufrechte Rückkehrentscheidung, faktischer Abschiebeschutz,
faktischer Abschiebeschutz - Aufhebung nicht rechtmäßig,
Folgeantrag, Identität der Sache, Privat- und Familienleben, real
risk, reale Gefahr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I408.2164789.2.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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