TE Bvwg Beschluss 2019/12/4 W212 2225722-1

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W212 2225722-1/4E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht beschließt durch die Richterin Dr. Eva SINGER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Ukraine, vertreten durch den Verein Menschrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.10.2019, Zl. 1249678610 - 191063894:

A)

In Erledigung der Beschwerde wird der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017, zur Erlassung eines neuen Bescheids an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zurückverwiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Anzeige vom 17.10.2019 informierte die Landespolizeidirektion das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (Bundesamt) darüber, dass der Beschwerdeführer, ein ukrainischer Staatsangehöriger bei der Durchführung von Montagearbeiten auf einer Baustelle angetroffen worden sei, ohne im Besitz von arbeitsmarktbehördlichen Bewilligungen gewesen zu sein. In weiterer Folge wurde der Beschwerdeführer festgenommen und in das Polizeianhaltezentrum überstellt.

Am 18.10.2019 erfolgte eine niederschriftliche Einvernahme des Beschwerdeführers vor dem Bundesamt im Rahmen des eingeleiteten Verfahrens zur Prüfung der Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und Verhängung einer Schubhaft. Der Beschwerdeführer gab im Beisein einer geeigneten Dolmetscherin auf entsprechende Befragung hin zusammengefasst zu Protokoll, sich zur Durchführung der Einvernahme in der Lage zu fühlen und gesund zu sein.

Er habe ein tschechisches Visum und sei bei einer slowakischen oder tschechischen Firma angemeldet um in Österreich legal arbeiten zu können. Er habe drei Blätter erhalten, welche er im Zuge der Einvernahme vorlegte und sei ihm mitgeteilt worden, dass er damit in Österreich legal arbeiten könne. Er verfüge über einen Reisepass mit einem gültigen Visum. Er sei am 15.09.2019 zum Arbeiten in das österreichische Bundesgebiet eingereist und zum ersten Mal hier. Er wohne in Österreich in einem von der slowakischen Firma bezahlten Hotelzimmer.

Im Heimatland lebe seine Frau und sein Sohn, in Österreich habe er keine Familienangehörigen. Er habe bereits mehrmals in Tschechien gearbeitet. Er sei im Besitz von EUR 750,00 nach Österreich eingereist.

Auf Vorhalt bei der Ausübung von Schwarzarbeit betreten worden zu sein, über keine Entsendebestätigung zu verfügen und im Besitz eines tschechischen Visums der Kategorie C zu sein, das den Aufenthalt zu touristischen Zwecken im österreichischen Bundesgebiet erlaube, machte der Beschwerdeführer keine weiteren Angaben. Auf weiteren Vorhalt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung iVm einem Einreiseverbot beabsichtigt sei, machte der Beschwerdeführer ebenso keine weiteren Angaben.

2. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) sowie gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass dessen Abschiebung gemäß § 46 FPG in die Ukraine zulässig ist (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.). Eine Frist für die freiwillige Ausreise wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG nicht gewährt (Spruchpunkt V.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 7 FPG 2005 wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI.).

Das Bundesamt stellte die Identität sowie die ukrainische Staatsbürgerschaft des Beschwerdeführers fest und führte begründend des Weiteren aus, dass der Beschwerdeführer am 17.10.2019 von Polizeibeamten bei der Ausübung von Montagetätigkeiten auf einer Baustelle und somit bei der Ausführung einer nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz bewilligungspflichtigen Tätigkeit betreten worden wäre, ohne im Besitz einer gültigen arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung oder eines erforderlichen Aufenthaltstitels gewesen zu sein. Der Beschwerdeführer sei mit einem tschechischen Visum der Kategorie C in den Schengenraum eingereist. Der Beschwerdeführer sei entgegen dem Ausstellungszweck des Visums für touristische Zwecke zum Zweck der Arbeitsaufnahme eingereist. Dadurch sei der Aufenthalt unrechtmäßig geworden.

Der Beschwerdeführer verfüge über keine behördliche Wohnsitzmeldung im Bundesgebiet und weise hier keine familiären oder privaten Anknüpfungspunkte auf.

Da der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei, hier über kein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne von Art. 8 EMRK verfüge und er die Tatbestandsvoraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erfülle, sei eine Rückkehrentscheidung auszusprechen gewesen. Aus den Feststellungen zu seinem Herkunftsstaat würden sich keine Gründe für die Annahme einer Unzulässigkeit der Abschiebung ergeben. Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei erfolgt, da die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers im Sinne der öffentlichen Ordnung erforderlich sei. Von einer Frist für die freiwillige Ausreise sei aufgrund der gesetzlichen Anordnung abzusehen. Die Tatsache, dass der Beschwerdeführer bei unerlaubter Erwerbstätigkeit auf frischer Tat betreten worden sei, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ohne entsprechende Bewilligung nicht hätte ausüben dürfen, rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde, weshalb sich die Erlassung eines Einreiseverbotes in der ausgesprochenen Dauer als gerechtfertigt und notwendig erweise.

3. Am 18.10.2019 wurde der Beschwerdeführer aus der Anhaltung entlassen und aufgrund seiner freiwilligen Ausreisebereitschaft keine Schubhaft verhängt.

4. Mit Email vom 20.11.2019 übermittelte die Rechtsberatungseinrichtung ein Foto des Beschwerdeführers vor einer Ortseinfahrt zum Nachweis für die erfolgte Ausreise des Beschwerdeführers.

5. Mit fristgerechter Beschwerde wurde der im Spruch ersichtliche Bescheid im vollen Umfang bekämpft. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer im September 2019 rechtmäßig eingereist sei und sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten habe. Er sei aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit als Monteur eingereist. Im Zuge einer Schwerpunktkontrolle sei in weiterer Folge festgestellt worden, dass der Beschwerdeführer unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig sei und keine Arbeitserlaubnis vorliege und er mit einem tschechischen Visum der Kategorie C eingereist sei. Unrichtig sei es, dass der Beschwerdeführer unangemeldet im Bundesgebiet aufhältig gewesen sei. Auch die Polizeikontrolle im Hotel habe ergeben, dass der Beschwerdeführer im genannten Hotel aufhältig gewesen sei. Der Beschwerdeführer sei davon ausgegangen, dass die Wohnsitzanmeldung durch das Hotel erfolgen werde. Das Bundesamt habe es unterlassen im Zuge des Ermittlungsverfahrens mit der Firma für Innenausbau Kontakt aufzunehmen. Auch das Einreiseverbot in die Mitgliedstaaten sei von der Behörde zu Unrecht erlassen worden. Der Beschwerdeführer verfüge über einen tschechischen Aufenthaltstitel. Auch habe der Beschwerdeführer bereits vor dem Bundesamt eine Entsendebestätigung vorgelegt, welche mit Übersetzung mit dem Beschwerdeschriftsatz vorgelegt wurde. Aus diesen Erwägungen sei das Verfahren mangelhaft und der Bescheid aufzuheben bzw. zurückzuverweisen, in eventu hinsichtlich der Dauer des Einreiseverbotes zu reduzieren.

6. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte mitsamt dem bezughabenden Verwaltungsakt am 25.11.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Die unter Pkt. I als Verfahrensgang dargelegten Ausführungen werden als Feststellungen der vorliegenden Entscheidung zugrunde gelegt. Diese ergeben sich aus dem unzweifelhaften Akteninhalt.

2. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG entscheiden die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.

Gemäß § 6 BVwGG, BGBl. I Nr. 10/2013 idF BGBl. I Nr. 50/2016, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013 idF BGBl. I Nr. 24/2017 (im Folgenden: VwGVG), geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 1 leg. cit. trat dieses Bundesgesetz mit 1. Jänner 2014 in Kraft. Gemäß § 58 Abs. 2 leg. cit. bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

2.1.1. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Nach § 28 Abs. 2 leg.cit. hat über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder 2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen und die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Das Modell der Aufhebung des Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an die Behörde folgt konzeptionell jenem des § 66 Abs. 2 AVG, setzt im Unterschied dazu aber nicht auch die Notwendigkeit der Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung voraus. Voraussetzung für eine Aufhebung und Zurückverweisung ist allgemein (nur) das Fehlen behördlicher Ermittlungsschritte. Sonstige Mängel, abseits jener der Sachverhaltsfeststellung, legitimieren nicht zur Behebung auf Grundlage von § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (Fister/Fuchs/Sachs, Das neue Verwaltungsgerichtsverfahren, 2013, § 28 VwGVG, Anm. 11).

§ 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG bildet damit die Rechtsgrundlage für eine kassatorische Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, wenn "die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen" hat.

2.1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26.06.2014, Ro 2014/03/0063, mit der Sachentscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte auseinandergesetzt und darin folgende Grundsätze herausgearbeitet (vgl. auch VwGH 30.06.2015, Ra 2014/03/0054):

Die Aufhebung eines Bescheides einer Verwaltungsbehörde durch ein Verwaltungsgericht kommt nach dem Wortlaut des § 28 Abs. 2 Z 1 VwGVG nicht in Betracht, wenn der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt feststeht. Dies ist jedenfalls dann der Fall, wenn der entscheidungsrelevante Sachverhalt bereits im verwaltungsbehördlichen Verfahren geklärt wurde, zumal dann, wenn sich aus der Zusammenschau der im verwaltungsbehördlichen Bescheid getroffenen Feststellungen (im Zusammenhalt mit den dem Bescheid zu Grunde liegenden Verwaltungsakten) mit dem Vorbringen in der gegen den Bescheid erhobenen Beschwerde kein gegenläufiger Anhaltspunkt ergibt.

Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl. I Nr. 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist.

Angesichts des in § 28 VwGVG insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs. 3 zweiter Satz leg. cit. bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs. 3 leg.cit. verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das in § 28 leg. cit. insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw. der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw. besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen kommt daher insbesondere dann in Betracht, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl. § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden (etwa im Sinn einer "Delegierung" der Entscheidung an das Verwaltungsgericht).

2.2. Der angefochtene Bescheid erweist sich vor diesem Hintergrund in Bezug auf den ermittelten Sachverhalt aus folgenden Gründen als mangelhaft:

2.2.1. Der Beschwerdeführer brachte vor der belangten Behörde im Wesentlichen vor, dass er über ein tschechisches Visum verfüge, er bei einer slowakischen bzw. tschechischen Firma angemeldet sei, um legal in Österreich arbeiten zu können. Er brachte im Rahmen seiner Einvernahme drei Dokumente in tschechischer Sprache von seiner Firma in Vorlage und verwies darauf, dass ihm gesagt worden sei, dass er mit diesen Dokumenten in Österreich legal arbeiten könne.

Im angefochtenen Bescheid erließ das Bundesamt unter anderem eine Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot im Wesentlichen mit der Begründung, dass es der Beschwerdeführer mit einem tschechischen Visum der Kategorie C, für touristische Zwecke, bei einer unerlaubten Erwerbstätigkeit angetroffen worden sei, weshalb sein gesamter Aufenthalt unrechtmäßig geworden sei. Überdies habe der Beschwerdeführer in Österreich keinen ordentlichen Wohnsitz begründet. Bei den Erwägungen zum Einreiseverbot wurde ins Kalkül gezogen, dass der Beschwerdeführer keine Entsendebestätigung vorgelegt und keinen ordentlichen Wohnsitz begründet habe.

2.2.2. Vor dem Hintergrund dieser Begründung hat das Bundesamt jedoch gerade einmal ansatzweise und - nach Lage des Falles - zum Teil ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt und die erforderliche Ermittlungstätigkeit hinsichtlich des maßgebenden Sachverhalts unterlassen:

2.2.2.1. Zunächst ist der belangten Behörde zuzugestehen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der (finanz)polizeilichen Kontrolle keine Dokumente in deutscher Sprache mitgeführt hat. Soweit das Bundesamt es dabei allerdings unterlassen hat, die vom Beschwerdeführer mitgeführten Firmendokumente übersetzen zu lassen, unterließ es einen - für sich allein genommen - erforderlichen Ermittlungsschritt. Der Beschwerdeführer hat zudem angegeben, dass er über ein tschechisches Visum verfüge, das seine Erwerbstätigkeit in Österreich ermöglichen würde. Auch diesbezüglich wurden nicht die notwendigen Ermittlungsschritte gesetzt. In dem im Akt befindlichen gültigen Schengenvisum (AS 19) ist als Visakategorie "C", also ein sogenanntes Reisevisum, idR für Aufenthalte bis zu 90 Tagen innerhalb von 180 Tagen erfasst. Unter der Rubrik "remarks" ist im Visum allerdings der Zusatz "ZAMESTNANI" erfasst, welcher ein Reisevisum zu Erwerbszwecken kennzeichnet. Diesbezüglich sind durch das Bundesamt allerdings keinerlei Ermittlungsschritte gesetzt worden, sondern im gesamten Verfahren der Aufenthalt zu touristischen Zwecken fälschlicherweise angenommen worden.

Auch das Nichtvorliegen einer Entsendebestätigung brachte vor dem Hintergrund des § 18 Abs. 12 AuslBG keinen klaren Sachverhalt zu Tage. Die Rückfrage durch das Bundesamt bei der österreichischen Baufirma war nicht ausreichend, zumal diese konkret auf die slowakische Sub-Firma, bei welcher der Beschwerdeführer angestellt gewesen sei, verwiesen hat.

Aus der Auskunft der österreichischen Baufirma lassen sich keine Schlüsse auf die ordnungsgemäße oder nicht ordnungsgemäße Entsendung des Beschwerdeführers, ziehen. Auch das mehrfache Verweisen auf ein Visum für "touristische" Zwecke, war ungeeignet um die erforderlichen Feststellungen zu treffen.

Die vorgelegten Unterlagen, nämlich das Formular "A1", eine Bescheinigung betreffend die Rechtsvorschriften im Bereich der Sozialversicherung einer slowakischen Firma, der Vorvertrag mit einer tschechischen Baufirma und die tschechische bescheidmäßige Bewilligung der Beschäftigung in Tschechien, ließen im Gegenteil sogar den Schluss zu, dass der Beschwerdeführer angesichts seiner Erwerbstätigkeit in Österreich seinen gesetzlichen Verpflichtungen nachgekommen ist.

Soweit die belangte Behörde also von der Schwarzarbeit des Beschwerdeführers unter Missbrauchs seines Touristenvisums ausging, setzte es durch die Unterlassung der Berücksichtigung des gegenständlichen Visums mit dem Zusatz "Erwerb" und das außer Acht lassen der vorgelegten Unterlagen nicht nur ungeeignete Ermittlungsschritte, sondern unterließ auch weitere Ermittlungen, die in diesem Zusammenhang unbedingt notwendig gewesen wären: So hätte das Bundesamt weitere Erhebungen durchführen müssen, insbesondere durch Abklärung bei der Finanzpolizei, ob der Arbeitsgeber bzw. Überlasser des Beschwerdeführers seiner Meldeverpflichtung an die Zentrale Koordinationsstelle des Bundesministeriums für Finanzen nachgekommen ist bzw. welche Konsequenzen das Unterlassen für den Beschwerdeführer selbst hat. Dies insbesondere, da der Beschwerdeführer selbst auf die mitgeführten Dokumente und sein Visum hingewiesen hat.

2.2.2.2. Überdies hätte das Bundesamt eine entsprechende Anfrage an die tschechischen Behörden zur Abklärung des Aufenthaltsstatus des Beschwerdeführers in Tschechien sowie ausführliche Befragung des Beschwerdeführers zu seinem Privat- und Familienleben in Tschechien bzw. Polen bzw. im gesamten Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten durchführen müssen. Erst auf Basis dieser Ermittlungsergebnisse hätte eine stichhaltige Würdigung und Abwägung hinsichtlich des Art. 8 EMRK zum Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers erfolgen können.

Aus der grundsätzlichen Geltung des Einreiseverbotes für das gesamte Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten folgt nämlich, dass die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben nicht allein im Hinblick auf die Verhältnisse in Österreich beurteilt werden darf, sondern es ist auch die Situation des Fremden in den anderen Mitgliedstaaten in den Blick zu nehmen. Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers darf daher nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern ist auch die Situation in den anderen Mitgliedstaaten mit ins Kalkül zu ziehen (VwGH 2011/21/0237 vom 15.12.2011).

2.2.2.3. Zudem hat das Bundesamt keine Ermittlungen angestellt, ob und in welchem Umfang den Beschwerdeführer eine Meldepflicht bei Unterkunftnahme in einem Beherbergungsbetrieb im Sinne des Meldegesetzes treffe bzw. ob dieser durch Ausfolgung des Reisepasses und Eintragung in die Gästeblattsammlung entsprochen wurde. Erst auf Basis der diesbezüglichen Ermittlungsergebnisse hätte eine stichhaltige Würdigung und Abwägung des Verhaltens des Beschwerdeführers erfolgen können.

2.2.3. Die aufgezeigten Ermittlungsmängel wiegen nach Lage des Falles so schwer, dass im Sinne der dargelegten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes mit einer Aufhebung des angefochtenen Bescheids und Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vorzugehen ist. Infolge der bloß ansatzweisen und zum Teil untauglichen Ermittlungsschritte der belangten Behörde sind weitere Ermittlungen des Sachverhalts zur Beurteilung des Antrags auf internationalen Schutz unbedingt erforderlich.

2.3. Im fortgesetzten Verfahren wird das Bundesamt die unter Pkt. II.2.2.2. dargelegten Mängel zu beheben bzw. die aufgezeigten Ermittlungsschritte zu setzen und in weiterer Folge in einem neuen Bescheid eine Beurteilung des Vorbringens des Beschwerdeführers unter Würdigung der jeweiligen Ergebnisse zu treffen haben.

2.4. Ausgehend von diesen Überlegungen war im vorliegenden Fall vom Bundesverwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG eine kassatorische Entscheidung zu treffen. Dass die Feststellungen des maßgeblichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst mit einer erheblichen Kostenersparnis iSd § 28 Abs. 2 Z 2 VwGVG verbunden wäre, kann - angesichts der Einrichtung und Ausstattung des Bundesamtes als asyl- und fremdenrechtliche Spezialbehörde - nicht gesagt werden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer solchen Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Aufhebung des angefochtenen Bescheides und die Zurückverweisung der Angelegenheit an das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Erlassung eines neuen Bescheides ergeht in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG (VwGH 26.06.2014, Ro 2014/03/0063; 30.06.2015, Ra 2014/03/0054; 29.07.2015, Ra 2015/07/0034).

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W212.2225722.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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