TE Bvwg Erkenntnis 2019/12/4 W178 2139361-1

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Veröffentlicht am 04.12.2019
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Entscheidungsdatum

04.12.2019

Norm

BSVG §2 Abs1 Z1
BSVG §3
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W178 2139361-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Drin Maria PARZER als Einzelrichterin über die Beschwerde des Herrn Dr. XXXX , gegen den Bescheid der Sozialversicherungsanstalt der Bauern vom 09.08.2016, Zl. XXXX 1B1, betreffend Versicherungspflicht gemäß §§ 2 und 3 BSVG zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Z 1 und 2 VwGVG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Am 09.08.2016 erließ die Sozialversicherungsanstalt der Bauern (belangte Behörde) einen Bescheid, in dem festgestellt wurde, dass Herr Dr. XXXX (Beschwerdeführer-Bf) vom 01.09.2014 bis 14.05.2015 in der Kranken- und Unfallversicherung und vom 01.09.2014 bis 30.04.2015 in der Pensionsversicherung der Bauern versichert sei.

Begründet wurde der Bescheid damit, dass der Beschwerdeführer Komplementär einer KEG sei und diese am 01.09.2014 den Zuschlag für einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Ausmaß vom 105,1207 ha erhalten habe. Er sei mit Beschluss vom 25.09.2014 zum einstweiligen Verwalter gem. §§ 158 ff EO bestellt worden.

In weiterer Folge sei der KEG die grundverkehrsrechtliche Genehmigung nicht erteilt und eine erneute Versteigerung bewilligt worden, die einstweilige Verwaltung sei weiterhin beim Beschwerdeführer gelegen. Am 12.10.2015 sei die angeführte Liegenschaft einer namentlich im Bescheid genannten Bieterin zugeschlagen worden.

2. Mit Schreiben vom 07.09.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid. Zur Begründung wird vorgebracht:

Mit Schreiben der Masseverwalterin vom 18.09.2014 sei festgehalten worden, dass die Schließung des schuldnerischen Unternehmens (land(forst)wirtschaftlicher Betrieb verfügt und vom Gericht bestätigt worden sei. Der Beschwerdeführer habe niemals eine Erlaubnis zur Weiterführung des Betriebes erteilt. Auch die belangte Behörde habe über die Einstellung des Betriebes Bescheid gewusst, zudem habe auch der Beschwerdeführer mitgeteilt, dass keine Bewirtschaftung durch ihn stattfinde, weil er über keinen Schlüssel und Zugang zum Betrieb verfügt habe.

Der Zuschlag an die KEG sei lediglich vorbehaltlich der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung erfolgt, mit Nichterteilung der Genehmigung sei der Zuschlag rückwirkend unwirksam gewesen. Auch werde angemerkt, dass der Waldbestand zu 95% unproduktiver Bannwald sei und die Flächen wegen Nichtpflege zu 80% verbuscht seien. Dem Beschwerdeführer seien die Fähigkeiten, einen land- und forstwirtschaftlichen Betrieb zu führen, abgesprochen worden, nun solle er - obwohl dazu nach Ansicht der Behörden nicht fähig - Sozialversicherungsbeiträge bezahlen. Selbst wenn die Rechtsansicht der belangten Behörde richtig sei, sei der Beschwerdeführer für eine Differenzvorschreibung. Zudem würden nur natürliche Personen einer Pflichtversicherung unterliegen.

In der Stellungnahme vom 06.12.2016 führt er ergänzend an, dass Unternehmensgegenstand der Gesellschaft nicht die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes gewesen sei

4. Die belangte Behörde übermittelte am 29.10.2019 den im streitgegenständlichen Zeitraum heranzuziehenden

Einheitswertbescheid zum Betrieb XXXX vorgelegt:

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1 Der Beschwerdeführer ist Komplementär der Zell KG, FN 149791, deren Geschäftszweig lt. Firmenbuch An- und Verkauf von Immobilien ist.

1.2 Die Kommanditgesellschaft (KG) hat am 01.09.2014 hat bei der Zwangsversteigerung den Zuschlag für den land(forst)wirtschaftlichen Betrieb in XXXX , Osttirol unter dem Vorbehalt der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung erhalten.

Der Beschwerdeführer wurde zum einstweiligen Verwalter gemäß §§ 158 ff EO bestellt. Mit Bescheid der BH Lienz vom 14.10.2014 wurde der KG die grundverkehrsrechtliche Genehmigung versagt.

Mit Beschluss vom 14.09.2015 wurde aufgrund der Nichterteilung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung die erneute Versteigerung bewilligt. In diesem Beschluss wurde verfügt, dass der Zuschlag an die KG weiterhin aufschiebend bedingt wirksam sei und die einstweilige Verwaltung weiterhin beim Beschwerdeführer liege.

Mit Beschluss vom 12.10.2015 wurde der Zuschlag aufgrund der neuerlichen Versteigerung an eine namentlich genannte Meistbietende erteilt und der Zuschlag an die KG aufgehoben.

1.3

Im Betrieb wurden nach der Zuschlagserteilung an die KG vom ehemaligen Eigentümer landwirtschaftliche Tätigkeiten (Beweidung durch Hochlandrindern) ausgeführt, auch der Beschwerdeführer unternahm mit der Anlieferung von Ziegen Bewirtschaftungsmaßnahmen.

Lt Einheitswertbescheid beträgt der Einheitswert, gerundet gemäß § 25 BewG, 2.398,20 €, davon sind 23,4497 ha landwirtschaftlich genutzte Flächen mit einem Hektarsatz von € 46,73, fortwirtschaftlich genutzte Flächen sind im Umfang von 35,61 ha mit einem Hektarsatz von € 24,93 vorhanden, landwirtschaftlich genutzte Flächen mit geringem Ertrag im Ausmaß von 20,5790 ha und einem Hektarsatz von € 21,80, sowie unproduktive Flächen im Ausmaß von 25,8276 ha, die mit Null bewertet wurden.

Teile der gegenständlichen Flächen (25,82 ha) sind unstrittig unproduktiv

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes und des Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellung, dass Bewirtschaftungsmaßnahmen gesetzt wurden, ergibt sich u.a. aus dem grundverkehrsrechtlichen Bescheid vom 14.10.2014, aus den Seiten 5 und 6, woraus hervorgeht, dass der Beschwerdeführer "erste Bewirtschaftungsschritte" gesetzt hat, indem er im Oktober 2014 Pfauenziegen auf den Hof liefern ließ. Aufgrund der Nichtverfügbarkeit von adäquaten Unterbringungsmöglichkeiten wurden die Tiere schlussendlich wieder abtransportiert. Auch wurde auf Seite 5 des genannten Bescheides der Beschwerdeführer dahingehend zitiert, dass "eine Bewirtschaftung des Hofes dringend geboten" ist.

Der Beschwerdeführer gibt zwar in der Beschwerde an, dass er keinen Zugang zur Liegenschaft hatte bzw. dies "durch den Gemeinschuldner gehörig verhindert" wurde; dieser Vorgang ist unten unter 3. rechtlich zu würdigen; er hat auch angegeben, dass er niemals eine Erlaubnis zur Weiterführung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes durch den Voreigentümer gegeben habe, dazu auch unten unter 3. Aus dem Gutachten des agrarfachlichen Amtssachverständigen vom 29.09.2014 (Bescheid der BH, Seite 3) geht hervor, dass zum Zeitpunkt der Begutachtung 7 Hochlandrinder, davon 2 Kühe gehalten wurden.

Aus diesen Aussagen ergibt sich für das Gericht zweifelsohne, dass Handlungen im Sinne einer landwirtschaftlichen Tätigkeit gesetzt wurden.

Weitere Sachverhaltselemente waren nicht strittig, nur deren rechtliche Einordnung.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1 Gesetzliche Grundlagen:

Gemäß § 2 Abs 1 Z. 1 sind auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, in der Krankenversicherung und in der Pensionsversicherung nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen Personen pflichtversichert, die auf ihre Rechnung und Gefahr einen land(forst)wirtschaftlichen Betrieb im Sinne der Bestimmungen des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287, führen oder auf deren Rechnung und Gefahr ein solcher Betrieb geführt wird. Dabei wird vermutet, dass Grundstücke, die als forstwirtschaftliches Vermögen nach dem Bewertungsgesetz 1955, BGBl. Nr. 148, bewertet sind oder Teil einer als solches bewerteten wirtschaftlichen Einheit sind, in der einem forstwirtschaftlichen Betrieb entsprechenden Weise auf Rechnung und Gefahr der dazu im eigenen Namen Berechtigten bewirtschaftet werden. Der Gegenbeweis ist für Zeiten, die länger als einen Monat von der Meldung (§ 16) des der Vermutung widersprechenden Sachverhaltes zurückliegen, unzulässig.

Gemäß Z. 1a des § 2 Abs 1 BSVG sind die GesellschafterInnen einer offenen Gesellschaft und die unbeschränkt haftenden GesellschafterInnen einer Kommanditgesellschaft pflichtversichert, sofern die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984 zum Unternehmensgegenstand der Gesellschaft zählt; Z 1 zweiter bis vierter Satz sind entsprechend anzuwenden;

Gemäß § 3 Abs 1 Z 1 BSVG sind in der Unfallversicherung auf Grund dieses Bundesgesetzes, soweit es sich um natürliche Personen handelt, die im § 2 Abs. 1 Z 1 und 1a bezeichneten Personen pflichtversichert.

Die Bezug habenden Bestimmungen der Exekutionsordnung lauten:

§ 156. (1) Die Gefahr der zur Versteigerung gelangten Liegenschaft geht mit dem Tage der Erteilung des Zuschlages auf den Ersteher über. Dies gilt auch dann, wenn die Übertragung des Eigentums landesgesetzlichen Grundverkehrsgesetzen unterliegt. Von diesem Tage an gebühren ihm alle Früchte und Einkünfte der Liegenschaft. Dagegen hat er von da an die mit dem Eigenthume der Liegenschaft verbundenen Lasten, soweit sie nicht durch das Versteigerungsverfahren erlöschen, sowie die Steuern und öffentlichen Abgaben zu tragen, welche von der Liegenschaft zu entrichten sind, und die in Anrechnung auf das Meistbot übernommenen Schuldbeträge zu verzinsen.

§ 158. (1) Ab Zuschlagserteilung, jedoch nur solange die zur Versteigerung gelangte Liegenschaft dem Ersteher noch nicht übergeben wurde, können der betreibende Gläubiger, jeder auf der Liegenschaft pfandrechtlich sichergestellte Gläubiger sowie der Ersteher, wenn er mit dem Erlag des Meistbotes nicht säumig ist, beim Exekutionsgericht den Antrag auf Anordnung einer einstweiligen Verwaltung der versteigerten Liegenschaft stellen.

(2) Eine einstweilige Verwaltung ist auch dann zulässig, wenn der Zuschlag auf Grund landesgesetzlicher Grundverkehrsgesetze noch nicht rechtswirksam ist.

§ 160. Eine gemäß § 158 angeordnete Verwaltung hat, wenn der Zuschlag rechtskräftig aufgehoben wird oder wenn er infolge der Anordnung der Wiederversteigerung oder der gerichtlichen Annahme eines Überbots seine Wirksamkeit verliert, bis zur Übergabe der Liegenschaft an den neuen Ersteher fortzudauern. Dem früheren Ersteher ist die Verwaltung abzunehmen. Wenn auf Grund landesgesetzlicher Grundverkehrsgesetze die erneute Versteigerung bewilligt wird, so ist dem Meistbietenden der ersten Versteigerung die einstweilige Verwaltung erst dann abzunehmen, wenn im neuerlichen Versteigerungstermin einem anderen Bieter der Zuschlag erteilt worden ist. Anstelle des früheren Verwalters kann unter den in § 159 Z 1 angegebenen Voraussetzungen der neue Ersteher auf seinen Antrag zum Verwalter ernannt werden.

3.2 Judikatur:

Nach § 5 Abs 1 des Landarbeitsgesetzes ist ein Betrieb der Land- und Forstwirtschaft (LAG-Betrieb) dann gegeben, wenn innerhalb einer organisatorischen Einheit eine physische oder juristische Person oder eine Personengemeinschaft allein mit Hilfe von technischen oder immateriellen Mitteln die Erzielung bestimmter Arbeitsergebnisse in der land- und forstwirtschaftlichen Produktion fortgesetzt verfolgt.

Der Verwaltungsgerichtshof vertritt seit dem grundlegenden Erkenntnis vom 11. Oktober 1961, Zl. 761/61, VwSlg 5644 A/1961, die Auffassung, dass für die Beantwortung der Frage, auf wessen Rechnung und Gefahr ein land(forst)wirtschaftlicher Betrieb geführt wird, maßgeblich ist, ob jene Person, deren Versicherungs- oder Beitragspflicht zu beurteilen ist, aus der Betriebsführung im Außenverhältnis (also im Verhältnis zu Dritten) berechtigt und verpflichtet wird. Wer aus der Betriebsführung in diesem Sinne berechtigt und verpflichtet wird, ist eine Rechtsfrage, die nicht nach bloß tatsächlichen Gesichtspunkten, sondern letztlich nur auf Grund rechtlicher Gegebenheiten, und zwar primär dem Eigentum bzw. dem Miteigentum am land(forst)wirtschaftlichen Betrieb, beantwortet werden kann. Eine sozialversicherungsrechtlich relevante Änderung dieser sich primär aus den Eigentumsverhältnissen ergebenden Zurechnung setzt rechtswirksame (und rechtswirksam bleibende) dingliche (z.B. durch Einräumung eines Fruchtgenussrechtes) oder obligatorische Rechtsakte (z.B. durch Abschluss eines Pachtvertrages oder einer besonderen, einem Pachtvertrag nahe kommenden Vereinbarung zwischen Miteigentümern, oder aber auch eines Gesellschaftsvertrages) mit der Wirkung voraus, dass statt des Eigentümers (der Miteigentümer) ein Nichteigentümer (bzw. bei Vereinbarungen zwischen Miteigentümern einer der Miteigentümer allein) aus der Führung des Betriebes berechtigt und verpflichtet wird (vgl. das Erkenntnis vom 16. Juni 2004, Zl. 2001/08/0034, VwSlg 16383 A/2004, mwN). Die bloß tatsächliche Betriebsführung reicht dazu nicht aus, vgl. das Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, Zl. 99/08/0171, mwN).

3.3 Im konkreten Fall:

3.3.1 Zur Frage der Betriebsführung:

Der Beschwerdeführer ist als Komplementär und damit unbeschränkt haftender Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft nach dem Gesetztext des § 2 Abs 1 Z 1a BSVG in die Pflichtversicherung einzubeziehen. Eine Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen, dass nur natürliche Personen der Pflichtversicherung unterliegen können, ist aufgrund der eindeutigen gesetzlichen Regelung dieser Bestimmung nicht zielführend.

3.3.1.1. Zum Tatbestandselement, dass die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984 zum Unternehmensgegenstand der Gesellschaft zu zählen hat:

Nach Wolfgang Pum in Trauner/Wakounig (Hrsg), Praxishandbuch der Land-und Fortwirtschaft2, Rz. 1/156, sind u.a. als Indizien dafür, dass die Führung eines LAG-Betriebes zum Unternehmensgegenstand zählt, jedenfalls, dass die Gesellschaft Eigentümer von land-und forstwirtschaftlichen Flächen ist, und die Führung eines Betriebes im Sinne des § 5 LAG.

Diese beiden Elemente liegen im konkreten Fall vor.

Die KG hat den Betrieb erworben und die grundverkehrsbehördliche Genehmigung beantragt; damit hat sie zum Ausdruck gebracht, dass die Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes beabsichtigt; im streitgegenständlichen Zeitraum wurde der land(forst)wirtschaftliche Betrieb auch von der KG geführt; dass im Unternehmensgegenstand lt. Firmenbuch diese Tätigkeit nicht ausdrücklich angeführt ist, kann nicht zur Unanwendbarkeit der Z 1a des § 2 Abs 1 BSVG führen.

3.3.1.2: Versagung der grundverkehrsrechtlichen Genehmigung:

Nach der Judikatur des VwGH steht die Bedingung der grundverkehrsbehördlichen Bewilligung der zwischenzeitlichen Führung eines Betriebes im Sinne de BSVG und damit dem Eintreten der Pflichtversicherung nicht entgegen; das gilt auch bei einer nachträglichen Versagung der Bewilligung, vgl. zuletzt Erk des VwGH Ro 2019/08/0001 vom 11.09.2019. Die vorgesehene Rückabwicklung nach der Exekutionsordnung ändert nichts daran, dass eine sozialversicherungsrechtliche Rückabwicklung nicht stattfindet, weil die mit dem Übergang der Gefahr infolge des Zuschlages eingetretene Versicherungs- und Beitragspflicht auf Grund der gebotenen zeitraumbezogenen Betrachtungsweise durch einen nachträglichen Wegfall des Zuschlags nicht rückwirkend beseitigt werden kann, vgl. auch VwGH-Erk Ra 2019/08/0001 vom 11.09.2019 unter Hinweis auf Erk-VwGH vom 19.10.1993, 92/08/0168.

3.3.3 Zum Beschwerdevorbringen, dass ihm die Qualifikation zur Führung eines LAG-Betriebes abgesprochen wurde:

Bei einer selbstständigen Tätigkeit wie der Führung eines land(forst)wirtschaftlichen Betriebes ist es nicht Voraussetzung, der der Betriebsführer selbst die notwendige Qualifikation aufweist und/oder die Arbeiten selbst verrichtet; die Betriebsführung ist auch dann gegeben, wenn der Betreffende die Tätigkeit durch Bevollmächtigte oder Beschäftigte ausführen lässt.

Das Vorbringen, dass dem Beschwerdeführer die Fähigkeiten zur Führung eines landwirtschaftlichen Betriebes im Bescheid der BH abgesprochen wurde, ist somit nicht zielführend, weil es sich um zwei unterschiedlichen Verfahren handelt und es nach dem Tiroler Grundverkehrsgesetz und dem BSVG jeweils auf unterschiedliche Beurteilungskriterien ankommt; es besteht daher nur scheinbar ein Widerspruch.

Auf die tatsächliche Betriebsführung kommt es für die Pflichtversicherung bzw. deren Beginn - auch in der Unfallversicherung - nicht an, vgl. VwGH 19.10.1993, 92/08/0168; ferner VwGH 23.3.2015, 2013/08/0131, jeweils mwN.

Gemäß § 6 Abs. 4 BSVG beginnt die Pflichtversicherung in der Unfallversicherung zwar mit dem Tag der "Aufnahme der versicherungspflichtigen Tätigkeit"; im Fall von Versicherten nach § 3 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 1 BSVG ist die aufzunehmende versicherungspflichtige Tätigkeit aber das Führen des Betriebs auf Rechnung und Gefahr des Betriebsführers, sei es auch nicht durch diesen persönlich (VwGH Ro 2019/08/0001 vom 11.09.2019).

3.3.4 Zur Frage, ob ein LAG-Betrieb vorlag:

Es lag nach den Feststellungen ein land(forst) wirtschaftlicher Betrieb vor, von dem nach der Bewertung durch die Finanzbehörde (vgl. Einheitswertdaten oben unter 1.) ein Teil unproduktiv war und daher auch kein Einheitswert (im Sinne von Ertragswert) dafür festgestellt wurde; in einem Teil bestand eine geringe Ertragslage, auch das wurde bei der Bewertung berücksichtigt, der Rest war auch nach den Angaben des Bf bewirtschaftbar. Dass es sich um eine extreme Bergbauernwirtschaft handelt (vgl. Versteigerungsedikt BG Liezen, ON 59 im Akt der SVB) wurde somit schon beim Einheitswert als Ertragsprognose berücksichtigt; der Betrieb ist unter diesen Voraussetzungen landwirtschaftlich nutzbar. Es wurden durch die Anlieferung von Ziegen auf den Hof auch anfängliche Bewirtschaftungsschritte gesetzt hat. Wie der Beschwerdeführer vorbringt, sind im streitgegenständlichen Zeitraum auch Bewirtschaftungsschritte durch den Vorbesitzer, der am Hof verblieben ist, gesetzt worden.

Die Nichtbewirtschaftung von forstwirtschaftlichen Flächen kann nach dem Gesetz nur für ein Monat rückwirkend festgestellt werden, vgl. § 2 Abs 1 Z1 letzter Satz. Es ist dafür eine Meldung an die belangte Behörde diesbezüglich notwendig, die Erwähnung in anderen Zusammenhängen reicht nicht. Es ist auch typisch für die Waldbewirtschaftung, dass über längere Zeiträume keine fortwirtschaftlichen Handlungen zu setzen sind.

Es kommt für das Vorliegen eines LAG-Betriebes auch nicht darauf, ob die Gewinnerzielung durch die Bewirtschaftung möglich bzw. beabsichtigt war. Das Vorliegen eines Betriebes der Land- und Forstwirtschaft muss nach der ständigen Judikatur des VwGH ist auch dann angenommen werden, wenn eine land- und forstwirtschaftliche Tätigkeit im technischen Sinn entwickelt wird, ohne dass hierbei eine Gewinnerzielung beabsichtigt oder möglich ist, vgl. u.a. VwGH vom 23.05.2012, VwGH 2011/08/0085, vom 25.06.2013, 2009/08/0060.

Die geschilderten Vorgänge lassen den Schluss zu, dass eine landwirtschaftliche Tätigkeit entwickelt wurde. Dass der Vorbesitzer unberechtigt Schritte gesetzt hat, ändern nichts an der - hier relevanten - rechtlichen Zurechenbarkeit des Betriebes zum Bf.

4. Zur Fragen der Mehrfachversicherung:

Wie der Verfassungsgerichtshof schon wiederholt dargelegt hat, erweckt ein System, in dem die Versicherungspflicht an eine bestimmte Erwerbstätigkeit anknüpft, sodass bei gleichzeitigem Bestehen zweier oder mehrerer Erwerbstätigkeiten eine sogenannte Doppel- bzw. Mehrfachversicherung eintritt, keine verfassungsrechtlichen Bedenken (s. schon VfSlg. 4714/1964, 4801/1964 und 6181/1970). Auch begegnete es keinen verfassungsrechtlichen Bedenken, jedes Erwerbseinkommen gesondert bis zur Höchstbeitragsgrundlage der Beitragsberechnung zugrunde zu legen (VfSlg. 4801/1964 - zu §45 Abs2 ASVG; VfSlg. 6181/1970 - zu §19 Abs7 B-KUVG; zuletzt VfSlg. 9753/1983, auch die B869/03 vom 30.06.2004.

Der Verfassungsgerichtshof hat auch ausgesprochen, dass die Erstattung von Beiträgen in Fällen der Doppel- oder Mehrfachversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung aus verfassungsrechtlicher Sicht auch dann nicht geboten ist, wenn die sich in solchen Fällen ergebende Beitragsbelastung die der Höchstbeitragsgrundlage entsprechende Beitragsleistung übersteigen würde (VfSlg. 14.802/1997, S 420 f). Dem Gesetzgeber steht es jedoch frei, in Fällen der Doppel- oder Mehrfachversicherung die Erstattung von Beiträgen vorzusehen.

Die Frage der Differenzvorschreibung ist mit der belangten Behörde zu klären.

5.

Im Ergebnis ist daher festzustellen, dass im Falle des Beschwerdeführers aufgrund der Führung des land- und forstwirtschaftlichen Betriebes zeitraumbezogen die gesetzlichen Voraussetzungen die Pflichtversicherung nach dem BSVG bestanden haben.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zum Absehen von der mündlichen Verhandlung

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde beantragt.

Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG konnte das Gericht von der Verhandlung absehen, weil der maßgebliche Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde. Die Schriftsätze der Parteien und die Akten des Verfahrens lassen erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt. Vielmehr erschien der Sachverhalt zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Bescheides aus der Aktenlage geklärt. Dem steht auch Art 6 Abs. 1 EMRK nicht entgegensteht, vgl. dazu auch das zuletzt das Erkenntnis des VwGH vom 21.02.2019, Ra 2019/08/0027.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

Betriebsführung, Komplementär, landwirtschaftliche Tätigkeit,
landwirtschaftlicher Betrieb, Versicherungspflicht,
Zuschlagserteilung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W178.2139361.1.00

Zuletzt aktualisiert am

28.02.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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