TE Vwgh Erkenntnis 2019/12/17 Ro 2018/04/0012

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Index

E3L E15101000
E6J
14/01 Verwaltungsorganisation
40/01 Verwaltungsverfahren
80/02 Forstrecht
83 Naturschutz Umweltschutz

Norm

AVG §1
AVG §13 Abs3
AVG §3
AVG §3 Z1
AVG §3 Z2
AVG §3 Z3
AVG §4 Abs1
AVG §4 Abs2
AVG §45 Abs3
AVG §52
AVG §53
AVG §7 Abs1
ForstG 1975 §81 Abs1 litb
UVPG 1993 §3 Abs4
UVPG 2000 Anh1
UVPG 2000 Anh1 Spalte2
UVPG 2000 Anh1 Spalte3
UVPG 2000 Anh1 Z46
UVPG 2000 §1 Abs1 Z1
UVPG 2000 §2 Abs2
UVPG 2000 §3 Abs2
UVPG 2000 §3 Abs2 idF 2017/I/058
UVPG 2000 §3 Abs4
UVPG 2000 §3 Abs7
UVPG 2000 §39
UVPG 2000 §39 Abs4
VwGVG 2014 §17
32011L0092 UVP-RL Anh2
32011L0092 UVP-RL Anh3
32011L0092 UVP-RL Art4 Abs3
62017CJ0329 Prenninger VORAB

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa, über die Revision 1.) des A in E, 2.) der B in N und 3.) der P in K, alle vertreten durch die Neger/Ulm Rechtsanwälte GmbH in 8010 Graz, Parkstraße 1, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. Mai 2018, Zl. W102 2180375-1-/25E, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kärntner Landesregierung; mitbeteiligte Partei: S in S, vertreten durch die Poganitsch, Fejan & Ragger Rechtsanwälte GmbH in 9400 Wolfsberg, Am Weiher 11/3/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Kärnten hat der erstrevisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Die revisionswerbenden Parteien sind jeweils gemäß § 19 Abs. 7 UVP-G 2000 anerkannte Umweltorganisationen.

2        Mit Bescheid vom 26. September 2017 stellte die belangte Behörde im zweiten Rechtsgang über Antrag des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt vom 4. Juni 2013 gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G 2000 fest, dass das von der mitbeteiligten Partei geplante Vorhaben der Errichtung und des Betriebs von acht näher beschriebenen Windenergieanlagen mit einer Gesamtleistung von 19,8126 MW auf einem näher bezeichneten Grundstück nach Maßgabe näher genannter Einreich- und Projektunterlagen keinen Tatbestand der Z 6 und Z 46 des Anhanges 1 UVP-G 2000 erfülle und daher nicht der Verpflichtung zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung (im Folgenden UVP) unterliege.

3        Begründend führte die belangte Behörde - soweit im Revisionsverfahren wesentlich - aus, dass sich sämtliche Anlagenteile der gegenständlichen Windkraftanlagen samt Verkabelung und Energieableitung nicht in einem schutzwürdigen Gebiet der Kategorie A des Anhangs 2 UVP-G 2000 befänden. Soweit der vorgesehene Zufahrts- bzw. Verbindungsweg zwischen den Windkraftanlagen 6 und 7 auf einer Länge von ca. 400 m durch das Steiermärkische Landschaftsschutzgebiet K führe, bilde die Benutzung bzw. Aufschotterung dieses Weges zwar einen Bestandteil des gegenständlichen Vorhabens. Eine Einzelfallprüfung sei jedoch nur dann durchzuführen, wenn sich ein Vorhabens- oder Anlagenteil, von dem Emissionen ausgehen, in einem schutzwürdigen Gebiet der Spalte 3 des Anhangs 1 UVP-G 2000 befinde. Beim bestehenden Zufahrtsweg handle es sich um keinen „Anlagenteil“, der unter den Tatbestand der Z 6 lit. b des Anhangs 1 UVP-G 2000 falle. Mit der Benutzung bzw. Nachbesserung der Befestigung des Weges sei kein mehr als geringfügiger Eingriff in Natur und Landschaft sowie den Schutzzweck des Schutzgebietes verbunden. Das Vorhaben sei daher nicht unter den Tatbestand der Z 6 lit. b des Anhangs 1 UVP-G 2000 zu subsumieren. Hingegen sei eine Einzelfallprüfung in Bezug auf die Kumulierung des gegenständlichen Vorhabens mit den Windparks bzw. Windenergieanlagen „G“, „S“, F A“ und „H“ gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 vorzunehmen. Diese habe keine schwerwiegenden schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt in Bezug auf die Schutzgüter Landschaftsbild sowie Tiere, insbesondere Vögel ergeben.

Dem Einwand, bei der Kumulationsprüfung seien auch die im räumlichen Nahbereich geplanten Pumpspeicherkraftwerke zu berücksichtigen, sei entgegen zu halten, dass diese keine gleichartigen Anlagen iS der Z 6 des Anhangs 1 UVP-G 2000 seien. Im Übrigen komme eine Kumulationsprüfung mit den geplanten Pumpspeicherkraftwerken „K“ und „St. G“ schon deswegen nicht in Betracht, weil diese Vorhaben zeitlich nach dem gegenständlichen Windparkvorhaben beantragt worden seien (am 17. August 2016 bzw. 23. November 2016).

Das gegenständliche Vorhaben umfasse Rodungen im Umfang von insgesamt 5,975 ha, weshalb die Anwendbarkeit des Tatbestandes der Z 46 lit. a des Anhangs 1 UVP-G 2000 iVm § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 zu prüfen sei, wobei die Bagatellschwelle von 5 ha überschritten werde. Nach Auskunft der „Steiermärkischen Forstbehörde (BH D)“ vom 17. April 2015 würden in der Steiermark keine Bestandsrodungen im räumlichen Zusammenhang anhängig sein. Gemäß der Stellungnahme des forstfachlichen Amtssachverständigen sei die Erhebung der Fläche der in Kärnten in den letzten zehn Jahren bewilligten, gerodeten oder zur Rodung beantragten, samt der gegenständlich im fachlichen Zusammenhang stehenden Rodung, betreffend der kumulierbaren Flächen deshalb nicht als erforderlich angesehen worden, weil mangels erheblicher umweltrelevanter Eingriffe und aufgrund der beabsichtigten Linienvorhaben mit geringer Eingriffsbreite ein erheblich schädliches Zusammenwirken mit Bestandsrodungen nicht angenommen werde. Es sei daher weder mit Kumulierungseffekten noch mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Umweltauswirkungen zu rechnen.

4        Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Mai 2018 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerden der revisionswerbenden Parteien ab und sprach aus, dass die Revision zulässig sei.

5        Das BVwG stellte einschließlich im Rahmen der rechtlichen Beurteilung disloziert getroffener Feststellungen nachfolgenden im Revisionsverfahren wesentlichen Sachverhalt fest:

Das geplante Vorhaben („Windpark K“) befinde sich zur Gänze im Landesgebiet von Kärnten. Die bloß teilweise Mitbenutzung des zwischen den Windkraftanlagen 6 und 7 bestehenden Erschließungsweges für den Bau und den Betrieb der 380 kV Leitung auf steirischer Seite auf einer Länge von ca. 400 m sei dem „Windpark K“ nicht als Vorhabensteil zuzuordnen. Es rage kein Teil einer Windkraftanlage in die Steiermark. Von dem auf steirischer Seite liegenden Teilstück des Weges seien keine Beeinträchtigungen des Schutzzweckes des Landschaftsschutzgebietes zu erwarten.

Im Bereich des K-Massivs seien mehrere Windparks von Norden nach Süden geplant oder bereits errichtet. Der „Windpark K“ bilde keine organisatorische oder wirtschaftliche Einheit mit den anderen Vorhaben im Bereich des K-Massivs. Der räumlich zum geplanten Vorhaben nächstgelegene „Windpark St A“ sei ca. 4,2 km entfernt. Beide Windparks würden eine gemeinsame Nennleistung zur Stromerzeugung von deutlich über 20 MW aufweisen.

Das geplante Vorhaben befinde sich nicht in einem Schutzgebiet der Kategorie A gemäß UVP-G 2000. Bei den Windparks „H“ (7,4 km entfernt) und „St A“ seien im Zuge der naturschutzrechtlichen Verfahren fachlich erforderliche Vermeidungs-, Verminderungs-, und Kompensationsmaßnahmen vorgeschrieben bzw. bereits umgesetzt worden. Dadurch sei sichergestellt, dass sich ursprünglich erhebliche kumulative Auswirkungen auf ein nicht erhebliches Maß reduzieren würden. Eine „doppelte Barrierewirkung“ zwischen den Windparks „H“ und „K“ betreffend Vogelzug sei nicht anzunehmen. Damit seien auch erhebliche kumulative Auswirkungen für während der Nachtstunden ziehende Arten nicht zu erwarten. Ebenso sei für die Prüfung etwaiger kumulativer Auswirkungen wegen der relativ geringen Entfernung der ca. 15 km entfernte „Windpark F“ relevant. Die Windparks „G“, „S“ sowie der gerade genehmigte Windpark „St“ seien wegen der großen Entfernung von jeweils mehr als 30 km für die Beurteilung des Vogelzuggeschehens und die im Gebiet vorkommenden Brutvogelarten ohne Bedeutung.

In Bezug auf die Kumulierung des „Windparks K“ mit anderen im räumlichen Zusammenhang stehenden gleichartigen Vorhaben (bestehende und geplante) sei auf Basis einer im Beschwerdeverfahren durchgeführten Sichtbarkeitsanalyse nicht mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu rechnen.

Das vorliegende Projekt stelle ein Neubauvorhaben dar und umfasse Rodungen im Ausmaß von 3,375 ha für die Zufahrt bzw. inklusive der Rodungen für die Trasse der Energieableitung (2,6 ha) im Gesamtausmaß von 5,975 ha.

Betreffend den „Windpark B“ sei der ursprüngliche Antrag von 2013 zurückgezogen und ein neues, unterschiedliches Vorhaben im März 2017, für welches ein Vorverfahren gemäß UVP-G 2000 durchgeführt werde, beantragt worden. Aufgrund der im Rahmen des „Windparks B“ projektierten Ausgleichsmaßnahmen seien betreffend das gegenständliche Vorhaben keine erheblichen kumulativen Auswirkungen zu erwarten.

Grundsätzlich sei nicht mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden kumulativen Auswirkungen iSd § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 auf die Umwelt, etwa auf Fledermäuse und Endemiten zu rechnen.

6        Rechtlich führte das BVwG aus, die belangte Behörde habe richtig erkannt, dass der „Windpark K“ die im Anhang 1 Z 6 lit. a und b sowie Z 46 lit. a UVP-G 2000 festgelegten Schwellenwerte nicht erreiche und auch nach der Z 46 lit. e des Anhangs 1 UVP-G 2000 nicht zu beurteilen gewesen sei. Es sei eine Einzelfallprüfung gemäß § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 unter Einbeziehung der im räumlichen Zusammenhang stehenden Vorhaben in die Kumulationsprüfung durchzuführen gewesen.

Eine Kumulation sei grundsätzlich nur bei Vorhaben desselben Vorhabenstypus (gemäß Ziffer im Anhang) möglich. Dementsprechend sei eine Kumulation mit dem Pumpspeicherkraftwerk „K“ sowie dem noch nicht einmal beantragten Pumpspeicherkraftwerk „St. G“ nicht zu prüfen gewesen, weil es sich nicht um eine gleichartige Anlage im Sinn der Z 6 des Anhanges 1 zum UVP-G 2000 handle.

Beim neu eingereichten „Windpark B“ handle es sich um ein faktisch später beantragtes Vorhaben iSd § 3 Abs. 2 UVP-G 2000. Dieses sei deshalb außer Betracht zu lassen. Eine ursprünglich materienrechtlich rechtskräftige Genehmigung betreffend das ursprüngliche Vorhaben „Windpark B“ stehe dem nicht entgegen. Der „Windpark B“ sei als Ganzes bei der Kumulationsprüfung nicht zu berücksichtigen gewesen.

Die belangte Behörde habe zwar mehrmals der mitbeteiligten Partei die Möglichkeit gegeben, ergänzende Untersuchungen durchzuführen, jedoch nicht bewusst die Entscheidung so lange hinausgezögert, bis eine günstigere Rechtslage in Kraft getreten sei. Die Änderung der Rechtslage in Bezug auf § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 sei von der mitbeteiligten Partei nicht absehbar gewesen. Im Übrigen seien aufgrund der im Rahmen des „Windparks B“ projektierten Ausgleichsmaßnahmen (wie erwähnt) keine erheblichen kumulativen Auswirkungen mit dem „Windpark K“ zu erwarten. Da mit der Verwirklichung des „Windparks H“ bereits 2016 begonnen worden und dieser 2017 fertiggestellt worden sei, sei auch die Wirksamkeit der Maßnahmen vor Baubeginn des „Windparks K“ sichergestellt.

Entsprechend dem Gutachten des Sachverständigen für Naturschutz und Ornithologie sei davon auszugehen, dass die beim „Windpark H“ vorgeschriebenen Maßnahmen und Nebenbestimmungen wirksam seien und diese Wirksamkeit in der Regel mit der Inbetriebnahme des Projekts nach behördlicher Abnahmeprüfung zu erfolgen habe.

Die bloß teilweise Mitbenutzung des bestehenden Erschließungsweges für den Bau und den Betrieb der 380-kV-Leitung auf steirischer Seite auf einer Länge von ca. 400 m sei nicht dem „Windpark K“ als Vorhabensteil zuzuordnen. Kein Anlagenteil überrage das steiermärkische Landschaftsschutzgebiet. Es handle es sich nicht um ein „sprengelübergreifendes“ Vorhaben.

Zur Frage, ob das Vorhabensgebiet ein faktisches „FFH-Schutzgebiet“ (K/P) darstelle und daher einem besonderen Schutz unterliege, sei auf die Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Union (EuGH) zu verweisen, wonach angemessene Schutzregelungen nur für jene Gebiete zu ergreifen seien, die vom Mitgliedstaat iSd Phase 1 des Anhangs III der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH-RL) in die „nationale Liste“ aufgenommen worden seien bzw. der Mitgliedstaat nicht bestreite, dass das Gebiet in die nationale Liste hätte aufgenommen werden müssen.

Da die belangte Behörde nur eine Grobprüfung durchzuführen gehabt habe, sei eine eingehende Prüfung insbesondere von „tief gehenden Fragen der Fledermäuse und der Endemiten“ in noch bevorstehenden Genehmigungsverfahren vorzunehmen. Dem naturschutzfachlichen und ornithologischen Gutachten sei zu entnehmen, dass auf Fledermäuse und Endemiten keine erheblichen kumulativen Auswirkungen zu erwarten seien. Erhebungen betreffend Fledermäuse und Endemiten-Untersuchungen seien vom behördlichen Sachverständigen nicht gefordert worden. Für die belangte Behörde seien keine Anhaltspunkte für die Vornahme weiterer Erhebungen vorgelegen. Mögliche negative Auswirkungen durch die Errichtung und den Betrieb des „Windparks K“ auf im Gebiet vorkommende Alpenschneehühner, Steinadler und Birkhühner seien im naturschutzrechtlichen Verfahren und nicht im UVP-Feststellungsverfahren zu klären. Die Einreichunterlagen der mitbeteiligten Partei seien für eine Grobprüfung ausreichend.

Da der nichtamtliche Sachverständige für Raumordnung in den Parallelverfahren betreffend die Windparks „B“ und „St A“ mit der Begutachtung betraut worden sei und über entsprechende Vorkenntnisse verfügt habe, sei die belangte Behörde im konkreten Fall betreffend der Beiziehung von nichtamtlichen Sachverständigen im UVP-Feststellungsverfahren analog zu § 12 Abs. 2 UVP-G 2000 frei gewesen, einen nichtamtlichen Sachverständigen für Raumordnung beizuziehen, dem wie bereits in den Feststellungsverfahren zu den Windparks „B“ und „St A“ die Kompetenz zur Beurteilung des Landschaftsbildes zugestanden sei.

7        Die Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das BVwG dahin, dass bislang keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage bestehe, wie § 3 Abs. 2 UVP-G 2000 nach der Novelle BGBl. I Nr. 58/2017 im Detail auszulegen sei. Das vorgesehene zeitliche Kriterium sehe vor, dass nur solche gleichartigen Vorhaben in die Kumulationsprüfung einzubeziehen seien, die im räumlichen Zusammenhang mit dem zu beurteilenden Vorhaben stünden und zum Zeitpunkt der Antragstellung im UVP-Feststellungsverfahren bereits bestünden oder genehmigt worden seien oder bei einer Materienbehörde mit vollständigem Antrag auf Genehmigung früher eingereicht bzw. beantragt worden seien. Fraglich sei, ob „eine materienrechtliche Genehmigung im Zusammenhang mit einem später zurückgezogenen UVP-Genehmigungsantrag beim ‚Windpark B‘“ dazu führe, dass insofern ein genehmigtes Vorhaben vorliege oder ob nach der Zurückziehung kein Recht mehr auf Verwirklichung bestehe. Es stelle sich auch die grundsätzliche Rechtsfrage, ob eine Kumulierung der Tatbestände der Z 6 und Z 30 des Anhanges 1 UVP-G 2000 a priori ausgeschlossen werden könne.

8        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Revision. Die mitbeteiligte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurückweisung der Revision, in eventu ebenso wie die belangte Behörde in der von ihr erstatteten Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Abweisung der Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zulässigkeit

9        Ergänzend zur Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das BVwG brachten die revisionswerbenden Parteien unter anderem vor, dass sie erst mit Zustellung der angefochtenen Entscheidung Kenntnis von der darin erwähnten, nach der mündlichen Verhandlung vom BVwG, zur Frage etwaiger erheblicher kumulativer Wirkungen des am 20. April 2018 genehmigten Projekts „Windpark St“ mit dem gegenständlichen Vorhaben eingeholten Mitteilung des beigezogenen Sachverständigen erlangt hätten. Dadurch habe das BVwG entgegen der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 45 Abs. 3 AVG die revisionswerbenden Parteien in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt.

10       Die Revision ist aus diesem ergänzend dargelegten Grund sowie aus den vom Verwaltungsgericht ausgeführten Gründen zulässig; sie ist auch berechtigt.

Rechtslage

Nationales Recht

11       Das Bundesgesetz über die Prüfung der Umweltverträglichkeit (Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000 - UVP-G 2000), BGBl. Nr. 697/1993, in der Fassung BGBl. I Nr. 58/2017, lautet auszugsweise wie folgt:

„Aufgabe von Umweltverträglichkeitsprüfung und Bürgerbeteiligung

§ 1. (1) Aufgabe der Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist es, unter Beteiligung der Öffentlichkeit auf fachlicher Grundlage

1.   die unmittelbaren und mittelbaren Auswirkungen festzustellen, zu beschreiben und zu bewerten, die ein Vorhaben

a)   auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume,

b)   auf Boden, Wasser, Luft und Klima,

c)   auf die Landschaft und

d)   auf Sach- und Kulturgüter

hat oder haben kann, wobei Wechselwirkungen mehrerer Auswirkungen untereinander miteinzubeziehen sind,

...

Gegenstand der Umweltverträglichkeitsprüfung

§ 3. (1) Vorhaben, die in Anhang 1 angeführt sind, sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. ...

(2) Bei Vorhaben des Anhanges 1, die die dort festgelegten Schwellenwerte nicht erreichen oder Kriterien nicht erfüllen, die aber mit anderen Vorhaben gemeinsam den jeweiligen Schwellenwert erreichen oder das Kriterium erfüllen, hat die Behörde im Einzelfall festzustellen, ob auf Grund einer Kumulierung der Auswirkungen mit erheblichen schädlichen, belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen und daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung für das geplante Vorhaben durchzuführen ist. Für die Kumulierung zu berücksichtigen sind andere gleichartige und in einem räumlichen Zusammenhang stehende Vorhaben, die bestehen oder genehmigt sind, oder Vorhaben, die mit vollständigem Antrag auf Genehmigung bei einer Behörde früher eingereicht oder nach §§ 4 oder 5 früher beantragt wurden. Eine Einzelfallprüfung ist nicht durchzuführen, wenn das geplante Vorhaben eine Kapazität von weniger als 25 % des Schwellenwertes aufweist. Bei der Entscheidung im Einzelfall sind die Kriterien des Abs. 4 Z 1 bis 3 zu berücksichtigen, Abs. 7 ist anzuwenden. Die Umweltverträglichkeitsprüfung ist im vereinfachten Verfahren durchzuführen. Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

...

(4) Bei Vorhaben, für die in Spalte 3 des Anhanges 1 ein Schwellenwert in bestimmten schutzwürdigen Gebieten festgelegt ist, hat die Behörde bei Zutreffen dieses Tatbestandes im Einzelfall zu entscheiden, ob zu erwarten ist, dass unter Berücksichtigung des Ausmaßes und der Nachhaltigkeit der Umweltauswirkungen der schützenswerte Lebensraum (Kategorie B des Anhanges 2) oder der Schutzzweck, für den das schutzwürdige Gebiet (Kategorien A, C, D und E des Anhanges 2) festgelegt wurde, wesentlich beeinträchtigt wird. Bei dieser Prüfung sind schutzwürdige Gebiete der Kategorien A, C, D oder E des Anhanges 2 nur zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Einleitung des Verfahrens ausgewiesen oder in die Liste der Gebiete mit gemeinschaftlicher Bedeutung (Kategorie A des Anhanges 2) aufgenommen sind. Ist mit einer solchen Beeinträchtigung zu rechnen, ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen. Abs. 7 (Feststellungsverfahren) ist anzuwenden. Bei der Entscheidung im Einzelfall hat die Behörde folgende Kriterien zu berücksichtigen:

1.   Merkmale des Vorhabens (Größe des Vorhabens, Kumulierung mit anderen Vorhaben, Nutzung der natürlichen Ressourcen, Abfallerzeugung, Umweltverschmutzung und Belästigungen, Unfallrisiko),

2.   Standort des Vorhabens (ökologische Empfindlichkeit unter Berücksichtigung bestehender Landnutzung, Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebietes, Belastbarkeit der Natur, historisch, kulturell oder architektonisch bedeutsame Landschaften),

3.   Merkmale der potentiellen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt (Ausmaß der Auswirkungen, grenzüberschreitender Charakter der Auswirkungen, Schwere und Komplexität der Auswirkungen, Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen, Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen) sowie Veränderung der Auswirkungen auf die Umwelt bei Verwirklichung des Vorhabens im Vergleich zu der Situation ohne Verwirklichung des Vorhabens. Bei Vorhaben der Spalte 3 des Anhanges 1 ist die Veränderung der Auswirkungen im Hinblick auf das schutzwürdige Gebiet maßgeblich.

Die Einzelfallprüfung entfällt, wenn der Projektwerber/die Projektwerberin die Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung beantragt.

...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers/der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Der Projektwerber/die Projektwerberin hat der Behörde Unterlagen vorzulegen, die zur Identifikation des Vorhabens und zur Abschätzung seiner Umweltauswirkungen ausreichen. Hat die Behörde eine Einzelfallprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen, so hat sie sich dabei hinsichtlich Prüftiefe und Prüfumfang auf eine Grobprüfung zu beschränken. Die Entscheidung ist innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung und das Recht, Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht zu erheben, haben der Projektwerber/die Projektwerberin, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung sind die mitwirkenden Behörden und das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Die Entscheidung ist von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen und der Bescheid jedenfalls zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen und auf der Internetseite der UVP-Behörde, auf der Kundmachungen gemäß § 9 Abs. 4 erfolgen, zu veröffentlichen; der Bescheid ist als Download für sechs Wochen bereitzustellen. Die Standortgemeinde kann gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts Revision an den Verwaltungsgerichtshof erheben. Der Umweltanwalt und die mitwirkenden Behörden sind von der Verpflichtung zum Ersatz von Barauslagen befreit.

...

Anhang 1

Der Anhang enthält die gemäß § 3 UVP-pflichtigen Vorhaben.

In Spalte 1 und 2 finden sich jene Vorhaben, die jedenfalls UVP-pflichtig sind und einem UVP-Verfahren (Spalte 1) oder einem vereinfachten Verfahren (Spalte 2) zu unterziehen sind. Bei in Anhang 1 angeführten Änderungstatbeständen ist ab dem angeführten Schwellenwert eine Einzelfallprüfung durchzuführen; sonst gilt § 3a Abs. 2 und 3, außer es wird ausdrücklich nur die ‚Neuerrichtung‘, der ‚Neubau‘ oder die ‚Neuerschließung‘ erfasst.

In Spalte 3 sind jene Vorhaben angeführt, die nur bei Zutreffen besonderer Voraussetzungen der UVP-Pflicht unterliegen. Für diese Vorhaben hat ab den angegebenen Mindestschwellen eine Einzelfallprüfung zu erfolgen. Ergibt diese Einzelfallprüfung eine UVP-Pflicht, so ist nach dem vereinfachten Verfahren vorzugehen.

Die in der Spalte 3 genannten Kategorien schutzwürdiger Gebiete werden in Anhang 2 definiert. Gebiete der Kategorien A, C, D und E sind für die UVP-Pflicht eines Vorhabens jedoch nur dann zu berücksichtigen, wenn sie am Tag der Antragstellung ausgewiesen sind.

 

UVP

UVP im vereinfachten Verfahren

 

Spalte 1

Spalte 2

Spalte 3

 

...

 

 

 

Energiewirtschaft

 

 

Z 6

 

 

a) Anlagen zur Nutzung von Windenergie mit einer elektrischen Gesamtleistung von mindestens 20 MW oder mit mindestens 20 Konvertern mit einer Nennleistung von mindestens je 0,5 MW.

 

b) Anlagen zur Nutzung von Windenergie in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A mit einer elektrischen Gesamtleistung von mindestens 10 MW oder mit mindestens 10 Konvertern mit einer Nennleistung von mindestens je 0,5 MW.

 

...

 

 

 

Wasserwirtschaft

 

 

Z 30

 

a) Wasserkraftanlagen Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) mit einer Engpassleistung von mindestens 15 MW;

 

b) Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) mit einer Engpassleistung von mindestens 10 MW, wenn die Rückstaulänge, berechnet auf Basis des mittleren Durchflusses (MQ), das 20-fache der Gewässerbreite, gemessen in der Achse der Wehranlage, erreicht;

 

c) Wasserkraftanlagen (Talsperren, Flussstaue, Ausleitungen) in Kraftwerksketten. Kraftwerkskette ist eine Aneinanderreihung von zwei oder mehreren Wasserkraftanlagen mit einer Engpassleistung von je mindestens 2 MW ohne ausreichenden Mindestabstand7) zwischen den Wehranlagen im Fischlebensraum.

Ausgenommen von Z 30 sind technische Maßnahmen zur Erhöhung der Engpassleistung oder zur sonstigen Effizienzsteigerung an bestehenden Anlagen, die keine Auswirkungen auf die Restwasserstrecke, die Unterliegerstrecke oder die Stauraumlänge in Folge einer Erhöhung des Stauzieles haben, sowie alle Maßnahmen, die zur Herstellung der Durchgängigkeit vorgenommen werden.

Bei lit. b) und c) sind § 3 Abs. 2 und § 3a Abs. 6 nicht anzuwenden.

 

 

 

...

 

 

 

Land- und Forstwirtschaft

 

 

 

...

 

 

Z 46

 

a)       Rodungen 14a) auf einer Fläche von mindestens 20 ha;

b)       Erweiterungen von Rodungen 14a), wenn das Gesamtausmaß der in den letzten zehn Jahren genehmigten Flächen 15) und der beantragten Erweiterung mindestens 20 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 5 ha beträgt;

c)       Erstaufforstungen mit nicht standortgerechten Holzarten in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A auf einer Fläche von mindestens 15 ha;

d)       Erweiterungen von Erstaufforstungen mit nicht standortgerechten Holzarten in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A, wenn das Gesamtausmaß der in den letzten zehn Jahren genehmigten Flächen und der beantragten Erweiterung mindestens 15 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 3,5 ha beträgt;

e)       Rodungen 14a)in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A auf einer Fläche von mindestens 10 ha;

f)       Erweiterungen von Rodungen 14a) in schutzwürdigen Gebieten der Kategorie A, wenn das Gesamtausmaß der in den letzten zehn Jahren genehmigten Flächen 15) und der beantragten Erweiterung mindestens 10 ha und die zusätzliche Flächeninanspruchnahme mindestens 2,5 ha beträgt;

sofern für Vorhaben dieser Ziffer nicht das Flurverfassungs-Grundsatzgesetz 1951 oder das Grundsatzgesetz 1951 über die Behandlung der Wald- und Weidenutzungsrechte gilt.

...

14a) Rodung ist die Verwendung von Waldboden zu anderen Zwecken als für solche der Waldkultur gemäß § 17 Abs. 1 Forstgesetz 1975.“

Unionsrecht

12       Das vorliegende Verfahren wurde mit Antrag des Kärntner Naturschutzbeirates als Umweltanwalt vom 4. Juni 2013 eingeleitet und betrifft ein Projekt nach Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92/EU. Daher ist gemäß ihrem Art. 3 Abs. 1 die Richtlinie 2014/52/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. April 2014 zur Änderung der Richtlinie 2011/92/EU über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 124 vom 25.4.2014, S. 1-18, in der vorliegenden Rechtssache nicht anwendbar. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2014/52/EU bestimmt, dass für Projekte, für die das Verfahren zur Feststellung gemäß Art. 4 Abs. 2 der Richtlinie 2011/92/EU vor dem 16. Mai 2017 eingeleitet wurde, die Verpflichtungen gemäß Art. 4 der Richtlinie 2011/92/EU in der Fassung vor ihrer Änderung durch diese Richtlinie gelten.

13       Die Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten, ABl. L 26 vom 28.1.2012, S. 1-21 (UVP-RL) lautet auszugsweise:

„Artikel 2

(1) Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit vor Erteilung der Genehmigung die Projekte, bei denen unter anderem aufgrund ihrer Art, ihrer Größe oder ihres Standortes mit erheblichen Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist, einer Genehmigungspflicht unterworfen und einer Prüfung in Bezug auf ihre Auswirkungen unterzogen werden. Diese Projekte sind in Artikel 4 definiert.

...

Artikel 4

(1) Projekte des Anhangs I werden vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4 einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen.

(2) Bei Projekten des Anhanges II bestimmen die Mitgliedstaaten vorbehaltlich des Artikels 2 Absatz 4, ob das Projekt einer Prüfung gemäß den Artikeln 5 bis 10 unterzogen werden muss. Die Mitgliedstaaten treffen diese Entscheidung anhand

a)   einer Einzelfalluntersuchung oder

b)   der von den Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwerte bzw. Kriterien.

Die Mitgliedstaaten können entscheiden, beide unter den Buchstaben a und b genannten Verfahren anzuwenden.

(3) Bei der Einzelfalluntersuchung oder der Festlegung von Schwellenwerten bzw. Kriterien im Sinne des Absatzes 2 sind die relevanten Auswahlkriterien des Anhangs III zu berücksichtigen.

...

ANHANG II

IN ARTIKEL 4 ABSATZ 2 GENANNTE PROJEKTE

...

3. ENERGIEWIRTSCHAFT

...

h)   Anlagen zur hydroelektrischen Energieerzeugung;

i)   Anlagen zur Nutzung von Windenergie zur Stromerzeugung (Windfarmen);

...

ANHANG III

IN ARTIKEL 4 ABSATZ 3 GENANNTE AUSWAHLKRITERIEN

1. MERKMALE DER PROJEKTE

Die Merkmale der Projekte sind insbesondere hinsichtlich folgender Punkte zu beurteilen:

a)   Größe des Projekts;

b)   Kumulierung mit anderen Projekten;

c)   Nutzung der natürlichen Ressourcen;

d)   Abfallerzeugung;

e)   Umweltverschmutzung und Belästigungen;

f)   Unfallrisiko, insbesondere mit Blick auf verwendete Stoffe und Technologien.

2. STANDORT DER PROJEKTE

Die ökologische Empfindlichkeit der geografischen Räume, die durch die Projekte möglicherweise beeinträchtigt werden, muss unter Berücksichtigung insbesondere folgender Punkte beurteilt werden:

a)   bestehende Landnutzung;

b)   Reichtum, Qualität und Regenerationsfähigkeit der natürlichen Ressourcen des Gebiets;

c)   Belastbarkeit der Natur unter besonderer Berücksichtigung folgender Gebiete:

i)   Feuchtgebiete,

ii)  Küstengebiete,

iii) Bergregionen und Waldgebiete,

iv)  Reservate und Naturparks,

v)   durch die Gesetzgebung der Mitgliedstaaten ausgewiesene Schutzgebiete; von den Mitgliedstaaten gemäß der Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten und der Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen ausgewiesene besondere Schutzgebiete,

vi)  Gebiete, in denen die in den Vorschriften der Union festgelegten Umweltqualitätsnormen bereits überschritten sind,

vii) Gebiete mit hoher Bevölkerungsdichte,

viii) historisch, kulturell oder archäologisch bedeutende Landschaften.

3. MERKMALE DER POTENZIELLEN AUSWIRKUNGEN

Die potenziellen erheblichen Auswirkungen der Projekte sind anhand der in den Nummern 1 und 2 aufgeführten Kriterien zu beurteilen; insbesondere ist Folgendem Rechnung zu tragen:

a)   dem Ausmaß der Auswirkungen (geografisches Gebiet und betroffene Bevölkerung);

b)   dem grenzüberschreitenden Charakter der Auswirkungen;

c)   der Schwere und der Komplexität der Auswirkungen;

d)   der Wahrscheinlichkeit von Auswirkungen;

e)   der Dauer, Häufigkeit und Reversibilität der Auswirkungen.

...“

Behauptete Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften

Verletzung des Parteiengehörs

14       Die revisionswerbenden Parteien monieren eine Verletzung im Recht auf Parteiengehör im Zusammenhang mit der Feststellung, wonach „auch der gerade genehmigte Windpark St ... aufgrund der großen Entfernung von jeweils mehr als 30 km vom Windpark K für die Beurteilung des Vogelzuggeschehens und die im Gebiet vorkommenden Brutvogelarten keine Rolle“ spiele. Das BVwG habe sich in seiner Beweiswürdigung auf eine nach der mündlichen Verhandlung eingeholte und den revisionswerbenden Parteien nicht zur Kenntnis gebrachte Mitteilung des beigezogenen Sachverständigen gestützt. Das Verwaltungsgericht hätte sie gemäß § 45 Abs. 3 AVG vom Ergebnis dieser Beweisaufnahme in Kenntnis setzen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme geben müssen. Hätten sie von der ergänzenden Beweisaufnahme nicht erst mit der angefochtenen Entscheidung Kenntnis erlangt und die Möglichkeit zur Stellungnahme gehabt, hätten sie dazu eingewandt, dass im Verhältnis zum „Windpark St“ nicht nur die Schutzgüter „Vogelzug“ und „Landschaftsbild“ relevant seien, sondern auch andere Schutzgüter, wie etwa „Fledermäuse“, „endemische Pflanzenarten“, „biologische Vielfalt“, usw. und erforderlichenfalls eine eigene Sachverständigenstellungnahme mit gleichem Beweiswert vorgelegt. Dadurch wäre das BVwG mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einem anderen rechtlichen Ergebnis gelangt.

15       Gemäß § 45 Abs. 3 AVG - der gemäß § 17 VwGVG in Verfahren vor Verwaltungsgerichten anzuwenden ist - ist den Parteien Gelegenheit zu geben, vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis und dazu Stellung zu nehmen. Die in der Beweiswürdigung des BVwG betreffend allfällige negative kumulative Auswirkungen des Projekts „Windpark St“ mit dem gegenständlichen Vorhaben hinsichtlich dem Vogelzuggeschehen und dem Landschaftsbild erwähnte „Mitteilung“ des Sachverständigen stellt ein Beweismittel dar, das der Verpflichtung nach § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG folgend dem Parteiengehör zu unterziehen gewesen wäre. Dazu gehört auch die Möglichkeit, der Ergänzung eines Sachverständigengutachtens auf gleicher fachlicher Ebene entgegenzutreten, sofern das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - entscheidungswesentliche Feststellungen maßgeblich auf dieses Beweismittel stützt (vgl. VwGH 27.6.2012, 2011/12/0109 - 0111; 10.10.2016, Ra 2016/04/0092, Rn. 11).

16       Indem das BVwG die rechtlich relevante Feststellung zu etwaigen kumulativen Wirkungen des Projekts „Windpark St“ mit dem gegenständlichen Vorhaben maßgeblich auf die den revisionswerbenden Parteien entgegen § 45 Abs. 3 AVG iVm § 17 VwGVG nicht zur Kenntnis gebrachte ergänzende „Mitteilung“ des beigezogenen Sachverständigen gegründet und ihnen dadurch die Möglichkeit der Stellungnahme genommen hat, hat das Verwaltungsgericht ihr Recht auf Parteiengehör verletzt und das angefochtene Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet.

Behauptete Mangelhaftigkeit der eingeholten Sachverständigengutachten

17       Soweit die revisionswerbenden Parteien zu den Sachverständigengutachten zusammengefasst monieren, die Wirksamkeit der im Rahmen des Vorhabens „Windpark H“ behördlicherseits erteilten Auflagen könne erst nach Vorliegen der vorgeschriebenen Monitoringberichte beurteilt werden, ist dem entgegen zu halten, dass der nichtamtliche ornithologische Sachverständige unter anderem im Rahmen der mündlichen Gutachtenserörterung in der mündlichen Verhandlung selbst nach Vorhalt noch nicht vorliegender Monitoringergebnisse die Wirksamkeit der vorgeschriebenen Auflagen hinreichend begründet bestätigt hat. Diesen Ausführungen ist die Revision nicht konkret entgegengetreten. Allein aus der Auflage langfristiger Monitorings beim Vorhaben „Windpark H“ kann nicht auf erhebliche schädliche, belästigende oder belastende Umweltauswirkungen auf Grund der Kumulierung des gegenständlichen Windparkprojekts mit anderen Windparkvorhaben geschlossen werden. Ebenso wurden mit dem ornithologischen Sachverständigen die aus Sicht der revisionswerbenden Parteien seinem Gutachtensergebnis entgegenstehenden Studien mündlich erörtert.

18       Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes haben zwar Einwendungen gegen die Schlüssigkeit eines Gutachtens einschließlich der Behauptung, die Befundaufnahme sei unzureichend bzw. der Sachverständige gehe von unrichtigen Voraussetzungen aus, ebenso wie Einwendungen gegen die Vollständigkeit des Gutachtens auch dann Gewicht, wenn sie nicht auf gleicher fachlicher Ebene angesiedelt sind, also insbesondere auch ohne Gegengutachten erhoben werden (vgl. etwa VwGH 25.4.2019, Ra 2017/07/0214, Rn. 24, mwN). Im vorliegenden Fall werden jedoch letztlich derartige Mängel in der Revision nicht nachvollziehbar aufgezeigt.

19       Das Gutachten des beigezogenen Sachverständigen für den Fachbereich Landschaftsbild beruht betreffend die kumulativen Auswirkungen der in der Einzelfallprüfung mit einbezogenen Windparkanlagen unter anderem auf einer GIS-unterstützten Sichtraumanalyse. Dass insofern das Gutachten nicht der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entspricht, wonach eine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes schon dann vorliegt, wenn das zu prüfende Vorhaben von zumindest einem Blickpunkt aus eine das Landschaftsbild nachhaltig beeinträchtigende Wirkung zeitigt (vgl. etwa VwGH 23.9.2009, 2007/03/0170, mwN), vermag die Revision mit dem bloß pauschalen Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht hinreichend darzulegen.

20       Ebenso ist entgegen den Ausführungen in der Revision nicht ersichtlich, dass von den Sachverständigen Ausgleichs-, Vermeidungs- und Verminderungsmaßnahmen, die erst in nachfolgenden Materienverfahren für das gegenständliche Vorhaben als Auflagen vorgeschrieben werden sollten, bei der Beurteilung der Erheblichkeit von kumulierenden Umweltauswirkungen berücksichtigt worden seien. Der Vorwurf von zu Unrecht berücksichtigten nicht projektimmanenten Maßnahmen wurde nicht weiter konkretisiert.

21       Auch mit dem Vorwurf der unvollständigen Sachverhaltsermittlung im Zusammenhang mit der pauschalen, nicht näher begründeten Behauptung, die vom Verwaltungsgericht eingeholten Sachverständigengutachten würden auf die hier maßgeblichen Schutzgüter „Fledermäuse“, „endemische Pflanzenarten“, „endemische weitere Tierarten (Reptilien, Amphibien, Insekten, Käfer, Pflanzen)“, „biologische Vielfalt“ nicht eingehen, wird ein Verfahrensmangel nicht hinreichend aufgezeigt.

Vorgebrachte Befangenheit der beigezogenen Sachverständigen

22       Mit dem Vorbringen, die vom Verwaltungsgericht beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen seien bereits im Beschwerdeverfahren betreffend das hinsichtlich kumulativer Auswirkungen mit dem gegenständlichen Vorhaben hier wesentliche Projekt „Windpark H“ beigezogen worden, weshalb es nachvollziehbar sei, dass der nichtamtliche ornithologische Sachverständige im nunmehrigen Verfahren aufgrund der Kumulation erhebliche schädliche Umweltauswirkungen aufgrund der Kompensationsmaßnahmen des Projekts „Windpark H“ verneine, weil er ansonsten seinem eigenen Gutachten im Verfahren „Windpark H“ zur Wirksamkeit der dort vorgesehenen Maßnahmen widersprochen hätte, zeigen die revisionswerbenden Parteien keine Befangenheit der beigezogenen Sachverständigen auf. Allein der Umstand, dass ein Sachverständiger in einem anderen Verfahren, dessen Ergebnisse im vorliegenden Verfahren maßgeblich sein können, ebenfalls als Sachverständiger eingesetzt war, vermag eine Befangenheit nicht zu begründen (vgl. VwGH 8.9.2004, 2001/03/0223, mwN; 28.5.2019, Ra 2019/10/0008, Rn. 8). Ebenso zeigen die revisionswerbenden Parteien mit dem Vorwurf, die beigezogenen Sachverständigen hätten auch Rechtsfragen beantwortet, was ihnen nicht zustehe, keine Befangenheit auf (vgl. VwGH 29.5.2018, Ra 2018/03/0018, Rn. 28, mwN).

Beweiswürdigung

23       Unter Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach das Verwaltungsgericht einander widersprechende Gutachten gegeneinander abzuwägen und in der Begründung ihre Erwägungsgründe dazu darzulegen habe, monieren die revisionswerbenden Parteien, das BVwG habe sich im angefochtenen Erkenntnis nicht mit den von ihnen vorgelegten, den Gutachten der vom BVwG beigezogenen nichtamtlichen Sachverständigen widersprechenden „Sachverständigengutachten“ auseinandergesetzt.

24       Der vom BVwG beigezogene Sachverständige für Naturschutz und Ornithologie hat sich sowohl mit der der Beschwerde der drittrevisionswerbenden Partei beigefügten Stellungnahme ihres Obmanns als auch mit dessen anlässlich der mündlichen Verhandlung vorgelegten weiteren Stellungnahme auseinandergesetzt. Das BVwG folgt letztlich im angefochtenen Erkenntnis den als „schlüssig und nachvollziehbar“ qualifizierten, „sämtliche Einwendungen der Beschwerdeführer“ behandelnden Ausführungen des von ihm beigezogenen Sachverständigen.

25       Mit dem bloß pauschalen Vorwurf, das BVwG habe sich nicht mit den „naturschutzfachlichen Stellungnahmen“ des Obmanns der drittrevisionswerbenden Partei auseinandergesetzt, vermag die Revision letztlich keine krasse Fehlbeurteilung des Verwaltungsgerichts aufzuzeigen.

Aktenwidrigkeit

26       Eine Aktenwidrigkeit liegt nur dann vor, wenn der Akteninhalt unrichtig wiedergegeben wurde bzw. wenn sich das Verwaltungsgericht bei der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts mit dem Akteninhalt hinsichtlich der dort festgehaltenen Tatsachen in Widerspruch gesetzt hat (vgl. VwGH 18.3.2019, Ra 2019/01/0068, Rn. 5; 4.7.2016, Ra 2014/04/0004, Rn. 6, jeweils mwN).

27       Die revisionswerbenden Parteien erblicken eine entscheidungswesentliche Aktenwidrigkeit betreffend die Heranziehung von „vorhabensfremden Ausgleichsmaßnahmen“ im Zusammenhang mit dem Proj

Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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