TE OGH 2019/12/17 9ObA130/19m

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Veröffentlicht am 17.12.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Werner Krachler (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei T***** S*****, vertreten durch Dr. Barbara John-Rummelhardt, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei E***** e.U., *****, vertreten durch Urbanek & Rudolph Rechtsanwälte OG in St. Pölten, wegen 36.707,45 EUR brutto abzüglich 15.435,41 EUR netto sA sowie Ausstellung eines Dienstzeugnisses, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. August 2019, GZ 10 Ra 36/19s-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

1. Nach ständiger Judikatur ist der Arbeitnehmer berechtigt, den Bruttolohn einschließlich der von ihm zu tragenden, wenngleich vom Arbeitgeber abzuführenden Steuern und Sozialversicherungsabgaben einzuklagen (RS0000636). Diese Rechtsprechung kommt aber dann nicht zum Tragen, wenn der Arbeitgeber im Titelverfahren vorbringt, die Lohnsteuer und die Sozialversicherungsbeiträge bereits bezahlt zu haben, weil er damit materiell-rechtlich den Einwand erhebt, dass die mit einem Bruttobetrag geltend gemachte Klagsforderung im Ausmaß und infolge Zahlung der darin enthaltenen Steuer- und Abgabenschulden bereits getilgt ist. Die Prüfung eines solchen Einwands hat daher (bereits im Titel- und nicht erst im Exekutionsverfahren) nach allgemeinen Regeln darüber zu erfolgen, ob ein gegen den Klagsanspruch erhobener Einwand des Anspruchsgegners berechtigt ist und der Anspruch deshalb gehemmt oder erloschen ist (9 ObA 11/18k).

Soweit sich der Beklagte in seiner außerordentlichen Revision auf diese Entscheidung stützt und damit den von den Vorinstanzen vorgenommenen Zuspruch eines Bruttobetrags (bestehend aus Gehalt, Sonderzahlungen, Urlaubsersatzleistung und Kündigungsentschädigung) abzüglich der von ihm kurz vor Schluss der Verhandlung erster Instanz geleisteten Teilzahlung (gewidmet auf Gehalt für bestimmte Monate, Sonderzahlung und Urlaubsersatzleistung) von 15.435,41 EUR netto (anstelle des entsprechenden Bruttobetrags von 19.870,06 EUR) bekämpft, zeigt er schon im Ansatz keine für die Entscheidung relevante erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf. Selbst wenn man – im Gegensatz zur Rechtsauffassung des Berufungsgerichts – davon ausgeht, dass im vorliegenden Fall ein der Entscheidung 9 ObA 11/18k vergleichbarer Sachverhalt vorliegt, wäre für den Beklagten nichts gewonnen. Im erstinstanzlichen Verfahren hat der Beklagte zwar pauschal vorgebracht, die Lohnsteuer und Sozialversicherungsabgaben hinsichtlich des Bruttobetrags von 19.870,06 EUR entrichtet zu haben, eine ziffernmäßige Aufgliederung dieser Beträge, ohne die kein Beweisverfahren abgeführt werden könnte, hat er aber nicht vorgenommen. Der bloße Verweis auf Urkunden kann fehlendes Vorbringen aber nicht ersetzen (RS0037915).

2. Gemäß Art XX Punkt A Satz 1 des hier anwendbaren Kollektivvertrags für Angestellte und Lehrlinge in Handelsbetrieben sind – soweit in diesem Kollektivvertrag nicht anders geregelt – Ansprüche des Arbeitgebers sowie des Arbeitnehmers bei sonstigem Verfall innerhalb von 6 Monaten nach Fälligkeit schriftlich dem Grunde nach geltend zu machen. Gehaltsansprüche aufgrund von Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung verfallen jedoch mangels Geltendmachung erst mit Ablauf von einem Jahr (Abschnitt A Punkt 4. Satz 1 der Gehaltsordnung dieses Kollektivvertrags).

Nach der Judikatur (9 ObA 95/99g; RS0112141) sind Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung nicht nur solche über die Einreihung in die Gehaltstafel, die Beschäftigungsgruppe, das Berufsjahr und das Gehaltsgebiet, sondern auch Unstimmigkeiten über das sich aufgrund dieser Einreihung ergebende kollektivvertragliche Entgelt. Die den übereinstimmenden klagestattgebenden Entscheidungen der Vorinstanzen zugrunde liegende Rechtsauffassung, auch bei den vom Kläger geltend gemachten Gehaltsdifferenzen handle es sich letztlich um Unstimmigkeiten hinsichtlich der Einstufung, bewegt sich im Rahmen der oben angeführten Rechtsprechung zur Auslegung des Handelsangestellten-KV. Der geltend gemachte Gehaltsanspruch des Klägers, den der Beklagte ua mit der Begründung bestritt, der Kläger sei infolge des Fixgehalts zuzüglich der vereinbarten Provision nicht unterkollektivvertraglich entlohnt worden, betrifft in Wahrheit ebenfalls nur das keiner vertraglichen Unterschreitung zugängliche kollektivvertragliche Entgelt, das mit einer Einstufung verbunden ist.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Textnummer

E127231

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00130.19M.1217.000

Im RIS seit

05.02.2020

Zuletzt aktualisiert am

15.02.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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