TE Lvwg Erkenntnis 2020/1/15 LVwG-AV-993/001-2019

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Veröffentlicht am 15.01.2020
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Entscheidungsdatum

15.01.2020

Norm

GewO 1994 §13 Abs7
GewO 1994 §87 Abs1
GewO 1994 §91 Abs2

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch die Richterin
HR Mag. Marihart über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, ***, ***, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha vom 06.08.2019, Zl. ***, betreffend Entziehung der Gewerbeberechtigung für Bodenleger (Handwerk), nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.

2.   Gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) ist gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

Die Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha (im Folgenden: belangte Behörde) entzog der A GmbH (im Folgenden: Beschwerdeführerin) mit Bescheid vom 06.08.2019, Zl. ***, u.a. die Gewerbeberechtigung für Bodenleger (Handwerk). Begründend wurde dazu im Wesentlichen ausgeführt, dass Herr B, geboren am ***, als handelsrechtlicher Geschäftsführer dem zur gesetzlichen Vertretung berufenen Organ der Beschwerdeführerin angehöre. Es handle sich bei Herrn B somit um eine natürliche Person, welcher im Sinne des § 13 Abs. 7 GewO 1994 ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zustehe.

Mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 14.11.2016, Zl. ***, rechtskräftig seit 18.11.2016, sei Herr B nach §§ 165 (1), 156 (2) StGB zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten und einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen verurteilt worden.

Die Gewerbeberechtigung sei von der Behörde zu entziehen, wenn einer der im § 13 Abs. 7 GewO angeführten Umstände, die den Gewerbeausschluss bewirken, vorliege.

Andere Rechtsträger als natürliche Personen seien von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zustehe, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen sei.

Gemäß § 13 Abs. 1 leg cit. seien natürliche Personen von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1. von einem Gericht verurteilt worden seien

a) […] wegen betrügerischer Krida […] oder

b) wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2. die Verurteilung noch nicht getilgt sei.

Mit Verfahrensanordnung der belangten Behörde vom 23.04.2019 sei die Beschwerdeführerin nachweislich in Kenntnis gesetzt worden, dass dadurch die Voraussetzungen des § 87 Abs. 1 in Verbindung mit § 91 Abs. 2 GewO 1994 vorliegen würden und sei aufgefordert worden, Herrn B, innerhalb einer Frist von drei Monaten ab Zustellung dieses Schreibens aus der Gesellschaft mit beschränkter Haftung zu entfernen, widrigenfalls mit der Entziehung der oben angeführten Gewerbeberechtigung vorgegangen werden müsste.

Die Verfahrensanordnung sei am 24.04.2019 zugestellt worden, wodurch die Frist zur Entfernung der Person mit maßgebendem Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte am 24.07.2019 geendet habe. Mit Schreiben vom 15.05.2019 habe Herr B Stellung genommen. Darin führte er im Wesentlichen aus, dass er die auferlegte Strafe von 300 Tagsätzen geleistet habe und die Strafe bedingt bis 14.11.2019 nachgesehen sei. Zu dem Hinweis auf § 87 Abs. 1 Z 1 und § 13 Abs. 1 oder 2 GewO weise er darauf hin, dass er sich Zeit seines Lebens stets aufrichtig verhalten, sich immer für Gutes eingesetzt und sich auch entsprechend karitativ verhalten habe. Er sei seit 43 Jahren Gewerbetreibender und habe sich nie etwas zu Schulden kommen lassen. Er ersuche daher um Nachsicht der Verfahrensanordnung sowie um Nachsicht des Gewerbeausschlussgrundes für seine spätere Geschäftsführerbestellung.

Sowohl die Wirtschaftskammer Niederösterreich als auch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich hätten gegen den Entzug der Gewerbeberechtigung keine Einwände erhoben.

Einer Firmenbuchabfrage vom 06.08.2019 zufolge, sei Herr B weiterhin als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eingetragen.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin durch Herrn B fristgerecht Beschwerde und brachte zusammengefasst vor, dass er es – trotz Bestehens des Urteils – mehr als befremdet empfinde, dass seitens der NÖ Wirtschaftskammer keine Einwände gegen den Entzug der Gewerbeberechtigung vorliegen würden. Immerhin sei er seit über 40 Jahren Wirtschaftskammermitglied und sei – trotz wirtschaftlicher Einbrüche – über viele Jahre hindurch ein erfolgreicher Unternehmer gewesen. Das Urteil könne er nur als Fehlurteil bezeichnen und er sei wirtschaftlich nicht stark genug gewesen, sich dagegen entsprechend zu Wehr zu setzen. Er sei in keinster Weise ein Verbrecher, vielmehr sei er karitativ, menschenfreundlich und habe auch noch nie versucht, sich auf unredliche Art Vorteile zu erschleichen. Er ersuche daher um Zurückziehung der vorliegenden Bescheide und ihm die Gewerbeberechtigungen nicht zu entziehen.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich führte am 12.12.2019 eine gemeinsame öffentliche mündliche Verhandlung zu den
Zl.en LVwG-AV-992/001-2019, LVwG-AV-993/001-2019, LVwG-AV-994/001-2019, LVwG-AV-995/001-2019, LVwG-AV-996/001-2019 und LVwG-AV-997/001-2019 durch, welche von der belangten Behörde unentschuldigt unbesucht blieb. Im Rahmen dieser Verhandlung hat das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich Beweis aufgenommen durch Verlesung der Akten der Bezirkshauptmannschaft Bruck an der Leitha zu Zl.en ***, ***, ***, ***, *** und *** sowie der Akten des Landesgerichtes *** zu Zl.en ***, *** und ***, sowie der Akten des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich zu Zl.en LVwG-AV-992/001-2019, LVwG-AV-993/001-2019, LVwG-AV-994/001-2019, LVwG-AV-995/001-2019, LVwG-AV-996/001-2019 und LVwG-AV-997/001-2019. Weiters durch Verlesung der Firmenbuchauszüge vom 12.12.2019 zur Zl. ***, sowie der GISA-Auszüge zu Zl.en ***, ***, ***, ***, ***, sowie der Ausdruck der Justiz Ediktsdatei zur Zl. *** und der Insolvenzdatei zur Zl. ***, sowie durch Einvernahme des Herrn B sowohl als Beschwerdeführer (LVwG-AV-995/001-2019, LVwG-AV-996/001-2019 und LVwG-AV-997/001-2019) als auch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin (LVwG-AV-992/001-2019, LVwG-AV-993/001-2019 und LVwG-AV-994/001-2019).

Nach Durchführung der öffentlichen mündlichen Verhandlung steht für das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich folgender entscheidungswesentlicher Sachverhalt fest:

Die A GmbH ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in ***, ***, und im Firmenbuch zur Zl. *** eingetragen.

Herr B, geboren am ***, ist handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin.

Seit dem Jahr 1976 ist Herr B berufstätig und hat sich im Jahr 1993 als Belagsverleger selbständig gemacht. Im Jahr 1995 hat er das freie Gewerbe für den „Sandtennisplatzbau“ angemeldet. Anfang der 90er Jahre hat er die C GmbH gegründet.

Seit 2014 erlangte die Beschwerdeführerin drei weitere Gewerbeberechtigungen: Bodenleger, Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe und Instandhaltung und Wartung von Tennisplätzen.

Im Gewerbeinformationssystem Austria (GISA) ist das verfahrensgegenständliche Gewerbe Bodenleger (Handwerk) mit Entstehungszeitpunkt 01.10.2015 zur Zl. ***, sowie das Gewerbe Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe mit Entstehungszeitpunkt 10.10.2014 zur Zl. *** und das Gewerbe Instandhaltung und Wartung von Tennisplätzen mit Entstehungszeitpunkt 10.10.2014 zur Zl. *** eingetragen.

Mit Urteil vom 14.11.2016, Zl. ***, rechtskräftig seit 18.11.2016, wurde Herr B nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 19 Monaten und einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen verurteilt, wovon die Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Feststellungen zu den der Verurteilung zu Grunde liegenden Tathandlungen:

Herr B hat Bestandteile des Vermögens der C GmbH beiseite geschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger vereitelt oder geschmälert, und zwar I. im Zeitraum 2009 bis Ende 2013 als faktischer Geschäftsführer der Gesellschaft, wobei er einen nicht näher feststellbaren, EUR 300.000,- jedenfalls übersteigenden, Gesamtschaden herbeiführte, indem er 1. diverse Kunden der C GmbH in zumindest 58 Fällen unter Vorlage von Rechnungen, die er nicht in die Buchhaltung aufnahm und welche Rechnungsnummern aufwiesen, welche in der Buchhaltung bereits vergeben waren, veranlasste, Rechnungsbeiträge des Unternehmens nicht auf ein Konto der GmbH, sondern auf private Konten der D, F GmbH bzw. des E zu überweisen, diese in bar behob und die Rechnungen danach vernichtete; 2. Die Rechnungsbeträge von korrekt mit dem Konto der C GmbH versehenen Rechnungen bar kassierte, die Rechnungen danach vernichtete und sohin nicht der Buchhaltung der C GmbH zuführte; 3. Geschäfte der C GmbH über die G GmbH abwickelte und die Rechnungsbeträge behob; 4. Aus der Buchhaltung der C GmbH ersichtliche Rechnungen in bar kassierte, den Zahlungseingang aber nicht in der Buchhaltung erfasste, sodass diese buchhalterisch offen blieben; 5. Bargeldabhebungen von den Konten der C GmbH durchführte und II. gemeinsam mit E im Zeitraum vom Mai bis Juli 2013 im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter, indem er von bzw. während laufenden Insolvenzverfahren 3 laufenden Verträge der C GmbH auf das Einzelunternehmen des E übertrugen und abwickelten, wobei sie durch die Taten einen Schaden in Höhe von EUR 18.853,01 herbeiführten und zwar 1. Im Zeitraum April bis Juni 2013 EUR 10.333,60 aus einem Vertrag mit der H GmbH und Co KG; 2. Im Zeitraum Mai und Juni 2013 EUR 6.005,- aus einem Vertrag mit der I GmbH und 3. Im Zeitraum Juni bis Juli 2013 EUR 2.514,41 aus einem Vertrag mit der J AG.

Die Verurteilung zu Zl. *** ist sowohl zum Entscheidungszeitpunkt der Verwaltungsbehörde als auch zum Entscheidungszeitpunkt des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich noch nicht getilgt.

Sowohl die Wirtschaftskammer Niederösterreich als auch die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Niederösterreich haben gegen die Entziehung des gegenständlichen Gewerbes keine Einwände erhoben.

Am 23.04.2019 wurde das Konkursverfahren der Beschwerdeführerin bekannt gemacht.

Am 01.07.2019 wurde die Schließung des Unternehmens angeordnet. Zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich war die Beschwerdeführerin bereits geschlossen.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 06.08.2019 wurde der Beschwerdeführerin die Gewerbeberechtigung für Bodenleger (Handwerk) entzogen.

Unstrittig steht fest, dass die Beschwerdeführerin ihren handelsrechtlichen Geschäftsführer, Herrn B, nicht innerhalb der von der belangten Behörde gesetzten Frist entfernt hat.

Herr B befindet sich derzeit in Pension und übt kein Gewerbe aus. Er bezieht eine Pension in Höhe von monatlich € 2.900,- brutto, welche allerdings aufgrund der Eröffnung des Konkursverfahrens gepfändet wird, wobei ihm monatlich € 1.300,- netto verbleiben.

Beweiswürdigung:

Die getroffenen Feststellungen ergeben sich aufgrund der Gerichtsakten zu
Zl.en LVwG-AV-992/001-2019, LVwG-AV-993/001-2019, LVwG-AV-994/001-2019, LVwG-AV-995/001-2019, LVwG-AV-996/001-2019 und LVwG-AV-997/001-2019, sowie der in der mündlichen Verhandlung getätigten Aussagen des Herrn B, welche auch mit den Inhalten der Verwaltungsakte der Verwaltungsbehörde zu Zl.en ***, ***, ***, ***, *** und *** übereinstimmen.

Betreffend die Rechtsform der Beschwerdeführerin wurde Einsicht in das Firmenbuch der Republik Österreich zur Zl. *** genommen.

Betreffend die Funktion des Herrn B als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin wurde in einen aktuellen Firmenbuchsauszug zur Zl. *** Einsicht genommen.

Die Feststellungen betreffend den beruflichen Werdegang des Herrn B sowie der Gründung der C GmbH, ergeben sich aus den glaubhaften Aussagen des Herrn B, insbesondere aus dem Firmenbuchauszug zur Zl. ***.

Ebenso wurde in das aktuelle gewerberechtliche Informationssystem GISA zu dem Gewerbe „Bodenleger (Handwerk)“ zu GISA Zl.: *** Einsicht genommen.

Die rechtskräftige Verurteilung des Herrn B ergibt sich aus den Akten des Landesgerichtes *** zu Zl.en ***,*** und ***.

Die der Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten ergeben sich ebenfalls aus den Akten des Landesgerichtes *** zu Zl.en ***,*** und ***.

Ebenso wurde in die Insolvenzdatei der Justiz Einsicht genommen, aus der sich die Eröffnung des Konkursverfahrens sowie die Anordnung zur Schließung des Unternehmens ergibt. Die Feststellung, wonach die Beschwerdeführerin bereits geschlossen wurde, ergibt sich aus der glaubhaften Aussage des Herrn B.

Dass sich Herr B derzeit in Pension befindet, keine Gewerbe ausübt, ein Teil seiner Pension gepfändet wird, ergibt sich ebenfalls aufgrund der glaubhaften Ausführungen des Herrn B.

Rechtslage:

Folgende rechtliche Bestimmungen kommen im gegenständlichen Fall zur Anwendung:

§ 28 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) lautet:

(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1.       der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2.       die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

[…]

§ 13 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:

(1) Natürliche Personen sind von der Ausübung eines Gewerbes ausgeschlossen, wenn sie

1.       von einem Gericht verurteilt worden sind

a)       wegen betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d StGB), organisierter Schwarzarbeit (§ 153e StGB), betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers oder grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§§ 156 bis 159 StGB) oder

b)       wegen einer sonstigen strafbaren Handlung zu einer drei Monate übersteigenden Freiheitsstrafe oder zu einer Geldstrafe von mehr als 180 Tagessätzen und

2.       die Verurteilung nicht getilgt ist.

Von der Ausübung eines Gastgewerbes sind natürliche Personen ausgeschlossen, wenn gegen sie eine nicht getilgte gerichtliche Verurteilung wegen Übertretung der §§ 28 bis 31a des Suchtmittelgesetzes, BGBl. I Nr. 112/1997, in der jeweils geltenden Fassung, vorliegt. Bei Geldstrafen, die nicht in Tagessätzen bemessen sind, ist die Ersatzfreiheitsstrafe maßgebend. Bei Verhängung einer Freiheitsstrafe und einer Geldstrafe sind Freiheitsstrafe und Ersatzfreiheitsstrafe zusammenzuzählen. Dabei ist ein Monat dreißig Tagen gleichzuhalten. Die Bestimmungen dieses Absatzes gelten auch, wenn mit den angeführten Ausschlussgründen vergleichbare Tatbestände im Ausland verwirklicht wurden.

[…]

(7) Andere Rechtsträger als natürliche Personen sind von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3, 5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Trifft auf die natürliche Person ein Ausschlussgrund gemäß Abs. 4 zu, ist der betreffende Rechtsträger nur von der Ausübung eines Gewerbes, das Tätigkeiten der Versicherungsvermittlung beinhaltet, ausgeschlossen. Abs. 1 letzter Satz gilt sinngemäß.

§ 87 Abs. 1 Z. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:

Die Gewerbeberechtigung ist von der Behörde (§ 361) zu entziehen, wenn auf den Gewerbeinhaber die Ausschlußgründe gemäß § 13 Abs. 1 oder 2 zutreffen und nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist.

§ 91 Abs. 2 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994) lautet:

Ist der Gewerbetreibende eine juristische Person oder eine eingetragene Personengesellschaft und beziehen sich die im § 87 angeführten Entziehungsgründe oder der in § 85 Z 2 angeführte Endigungsgrund sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluß auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, so hat die Behörde (§ 361) dem Gewerbetreibenden eine Frist bekanntzugeben, innerhalb der der Gewerbetreibende diese Person zu entfernen hat. Hat der Gewerbetreibende die genannte natürliche Person innerhalb der gesetzten Frist nicht entfernt, so hat die Behörde die Gewerbeberechtigung zu entziehen.

Erwägungen:

Bei der mit Urteil des Landesgerichtes *** vom 14.11.2016, Zl. ***, rechtskräftig seit 18.11.2016, verhängten, bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von 19 Monaten (Probezeit drei Jahre) und einer Geldstrafe von 300 Tagsätzen wegen des Verbrechens der § 156 Abs. 1 und 2 StGB, handelt es sich um eine einschlägige Strafe iSd § 13 Abs. 1 Z 1 lit. a GewO 1994. Diese Strafe ist zum Zeitpunkt der Entscheidung durch das erkennende Gericht noch nicht getilgt, womit auch das Tatbestandsmerkmal der Z. 2 des § 13 Abs. 1 GewO 1994 gegeben ist.

Dem alleinigen handelsrechtlichen Geschäftsführer der Beschwerdeführerin kommt schon im Hinblick auf die rechtliche Organisationsform der Beschwerdeführerin ein maßgeblicher Einfluss im Sinne des § 91 Abs. 2 GewO 1994 zu (siehe VwGH vom 20.10.2004, Zl. 2004/04/0051, mwH)

Aus § 13 Abs. 7 GewO 1994 ergibt sich, dass andere Rechtsträger als natürliche Personen von der Ausübung des Gewerbes ausgeschlossen sind, wenn eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte des betreffenden Rechtsträgers zusteht, gemäß Abs. 1 bis 3,5 oder 6 von der Gewerbeausübung ausgeschlossen ist. Da Herr B laut Firmenbuch als handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführerin eingetragen ist, liegen somit die Voraussetzungen des § 13 Abs. 7 GewO 1994 vor.

Weiters ergibt sich aus § 91 Abs. 2 GewO 1994, dass sich der Entziehungsgrund des § 87 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 sinngemäß auf eine natürliche Person, der ein maßgebender Einfluss auf den Betrieb der Geschäfte zusteht, beziehen muss. Somit liegt auch diese Voraussetzung vor.

Liegen diese Voraussetzungen vor, ist die bestehende Gewerbeberechtigung zu entziehen, wenn nach der Eigenart der strafbaren Handlung und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist. In einem ist somit eine Prognoseentscheidung zu treffen, basierend auf den Kriterien „Eigenart der strafbaren Handlung“ sowie „Persönlichkeit des Verurteilten“.

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich ist bei Vorliegen einer einschlägigen, rechtskräftigen gerichtlichen oder verwaltungsbehördlichen Entscheidung an diese gebunden.

Somit ist das erkennende Gericht jedenfalls an die rechtskräftige Verurteilung des Herrn B zu Zl. *** wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs. 1 und 2 StGB gebunden. Überdies wurden die von Herrn B begangenen Straftaten – welche oben bereits festgestellt wurden – auch nicht von diesem bestritten.

Nach der Systematik des § 13 Abs. 1 Z 1 GewO 1994 ist eine Gewerbeberechtigung dann zu entziehen, wenn kumulativ die beiden folgenden Tatbestandselemente vorliegen, nämlich eine rechtskräftige Verurteilung wegen eines Deliktes und nach der Persönlichkeit des Verurteilten die Begehung der gleichen oder einer ähnlichen Straftat bei Ausübung des Gewerbes zu befürchten ist. Bei der nach Abs. 1 Z 1 zweiter Halbsatz durchzuführenden Prognoseentscheidung legt die ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes einen strengen Maßstab an. Demnach reicht zur Verneinung des Vorliegens dieses Tatbestandes nicht aus, dass die Begehung einer gleichen oder ähnlichen Straftat kaum zu befürchten ist, sondern ist vielmehr entscheidend, dass die in der durch die fragliche Straftat manifestierten Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes eben gar nicht besteht (vgl. dazu Erkenntnis des VwGH vom 09.05.2001, 2001/04/0072, u.a.).

Für den Entziehungstatbestand des § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 ist es erforderlich, dass die Gewerbebehörde auf Grundlage des Verhaltens in der Vergangenheit eine begründete und nachvollziehbare Prognose über das zukünftige Verhalten einer Person anstellt. Die Prognose nach § 87 Abs. 1 Z. 1 GewO 1994 setzt daher die Feststellung der Tathandlungen voraus, die der (den Ausschlussgrund nach § 13 Abs. 1 GewO 1994 bildenden) Verurteilung konkret zugrunde gelegen sind und von denen die Gewerbebehörde in Bindung an die rechtskräftige Verurteilung bei ihrer Prognose auszugehen hat (VwGH vom 12.06.2013, 2013/04/0064). Das erkennende Gericht kommt aufgrund der vom Herrn B begangenen Straftaten – welche bereits oben festgestellten und von diesem auch nicht bestritten wurden – zu dem Ergebnis, dass die in der durch die fragliche Straftat manifestierten Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes weiterhin besteht.

Das Gericht hat zur Beurteilung der Persönlichkeit des Verurteilten aller auf ihn bezugnehmenden, relevanten Fakten heranzuziehen.

Zwar sind für die Entziehung einer Gewerbeberechtigung weder die Ursachen für die zur Verurteilung führende Straftat noch die wirtschaftlichen Folgen der Entziehung der Gewerbeberechtigung für den Verurteilten maßgeblich, gerade das der Straftat zugrundeliegende Motiv (Geldmangel) kann jedoch gemeinsam mit dem sich aus der Straftat manifestierenden Charakter des Herrn B Anlass zur Befürchtung geben, Herr B werde, sollte er neuerlich in eine vergleichbare Situation geraten, wiederum einen Ausweg in einer ähnlichen Straftat suchen (siehe dazu Erkenntnis des VwGH vom 07.11.2005, 2005/04/0206). Davonausgehend ist derzeit zu befürchten, dass Herr B ähnliche Straftaten auch bei Ausübung seines mit Kunden verbundenen Gewerbes begehen werde.

Weiters sind bei der Persönlichkeitswertung alle äußeren Umstände zu berücksichtigen, die auf die Persönlichkeitsentwicklung – sei es im positiven oder negativen Sinn – von Einfluss sein können, wie z.B. Schadenswidergutmachung; unbescholtenen Lebensführung seit Tatbegehung, Rückfall in neuerliche Straftaten. Diese Umstände sind mit der Eigenart und Schwere begangener Straftaten sowie stets mit Blick auf die Frage abzuwägen, ob eine nachvollziehbare Wahrscheinlichkeit besteht, dass ein Antragsteller bei Ausübung des Gewerbes gleiche oder ähnliche Straftaten begehen wird. Diese Abwägung kann idR aufgrund allgemeiner menschlicher Erfahrung vorgenommen werden; (Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO).

Im Zusammenhang damit ist auszuführen, dass dem Vorbringen des Herrn B, er habe keine kriminelle Ader und habe diese Straftat lediglich aufgrund der bevorstehenden Insolvenz gesetzt, um diese hinauszuzögern, entgegenzuhalten ist, dass sein Tätigwerden dennoch eine Straftat nach dem StGB darstellte. Darüber hinaus ist anzumerken, dass Herrn B durchaus auch andere Möglichkeiten – wie zum Beispiel der Wechsel der Bank – zur Verfügung gestanden wären, um weiterhin auf die Betriebsmittel der Beschwerdeführerin Zugriff zu haben sowie die Gläubiger weiterhin befriedigen und das Unternehmen liquid halten zu können. Zudem erweckt die Aussage des Herrn B, er habe diese Vorgehensweise lediglich aufgrund der Wucherzinsen der Bank gesetzt, den Anschein, dass er das von ihm gesetzte Fehlverhalten tatsächlich nicht erkennt sowie das Problem nicht in seiner Person sieht. Zumal er mehrmals betont, dass er dieses Verhalten lediglich aufgrund „unkorrekter“ Vorgehensweisen anderer Beteiligten gesetzt hat.

Aufgrund des Verhaltens des Herrn B kann derzeit nicht der Schluss gezogen werden, dass die in der durch die fragliche Straftat manifestierten Persönlichkeit begründete Befürchtung der Begehung der gleichen oder ähnlichen Straftat bei der Ausübung des Gewerbes durch Herrn B eben gar nicht besteht (vgl. dazu Erkenntnis des VwGH vom 09.05.2001, 2001/04/0072, u.a.).

Da die gegenständliche Verurteilung erst vor drei Jahr stattgefunden hat und seither zu wenig Zeit vergangen ist, um von einem Wohlverhalten des Herrn B ausgehen zu können, und die Beschwerdeführerin der von der belangten Behörde gesetzten dreimonatigen Frist zur Enthebung des Herrn B aus seiner Stellung des handelsrechtlichen Geschäftsführers nicht nachgegangen ist, war spruchgemäß zu entscheiden.

Zur Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist nicht zuzulassen, da die gegenständliche Entscheidung nicht von der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht und der gegenständlichen Entscheidung auch keine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Gewerbliches Berufsrecht; Bodenleger; Gewerbeberechtigung; Entziehung; Prognose;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2020:LVwG.AV.993.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

28.01.2020
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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