TE Bvwg Beschluss 2019/11/6 W144 2220666-1

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Veröffentlicht am 06.11.2019
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Entscheidungsdatum

06.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art. 133 Abs4
VwGVG §28 Abs3

Spruch

W144 2220666-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX geb., StA. von Afghanistan, gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Teheran vom 02.12.2018, Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG stattgegeben, der

bekämpfte Bescheid behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung einer neuen Entscheidung an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die Beschwerdeführer (BF), ist der minderjährige (mj.) Sohn der XXXX , XXXX geb., beide sind Staatsangehörige von Afghanistan und stellten am 25.01.2018 schriftlich, und am 24.04.2018 persönlich, bei der österreichischen Botschaft in Teheran (im Folgenden: ÖB) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gem. § 35 Abs. 1 AsylG.

Begründend führte die Mutter des BF als dessen gesetzliche Vertreterin aus, dass der BF der Sohn des XXXX , XXXX geb., (Bezugsperson im Folgenden: "BP"), StA von Afghanistan, sei, dem im Bundesgebiet mit Erkenntnis des AsylGH vom 20.08.2013, Zahl C14 408965-1/2009/14E, Asyl gewährt worden sei. Die Mutter des BF sei die Ehegattin der BP, die traditionell-muslimische Ehe sei am 15.06.2007 in Daikundi/Afghanistan geschlossen und nachträglich am 20.05.2017 registriert worden.

Dem Antrag beigeschlossen waren folgende Unterlagen:

* Ausgefülltes Befragungsformular im Einreiseverfahren gem. § 35 AsylG

* Ein Konvolut von ungeordneter email-Korrespondenz mit der ÖB zwecks Antragstellung und Terminvergabe zur persönlichen Vorsprache

* Asylbescheid der Bezugsperson

* Meldezettel und Konventionsreisepass der BP

* Taufschein der BP

* Lohnabrechnung und Mietvertrag der BP

* Geburtsurkunde und Reisepass des BF

Aus dem Asylakt der BP ergibt sich, dass diese nach der Einreise ins Bundesgebiet im Jahr 2009 schon erstinstanzlich am 16.02.2009 ausdrücklich angegeben hat, "ledig" zu sein, sowie dass sie bei der Nachfrage nach Verwandten im Heimatland, konkret nach Eltern und Geschwistern sowie auch ausdrücklich nach Ehepartnern und KINDERN (!) nur die Eltern und Geschwister, nicht aber ein Kind angegeben hat.

Bei der nächsten Einvernahme am 20.02.2009 gab die BP auf die Frage nach Verwandten im Heimatland ebenfalls nur Eltern und Brüder an, von einem Kind der BP war nicht einmal ansatzweise die Rede.

Ebenso hat die BP am 10.09.2009, somit etwa 7 Monate später, ausdrücklich erklärt, dass sie ledig sei. Als Verwandte im Heimatland hat der nunmehr angebliche Ehemann und Vater wieder nur seine Eltern, Brüder und Cousins genannt, ein Kind hat er mit keinem Wort erwähnt.

In weiterer Folge hat die BP auch im Rahmen ihrer Einvernahme in der Beschwerdeverhandlung vor dem Asylgerichtshof am 12.06.2013 bei der Nachfrage nach Verwandten in Afghanistan weder eine Ehegattin noch ein Kind auch nur ansatzweise erwähnt! Folglich wurde auch im Erkenntnis der BP, mit dem dieser Asyl gewährt wurde, somit im August 2013 ausdrücklich festgestellt, dass die Bezugsperson ledig und kinderlos ist.

In der Folge übermittelte die ÖB den Antrag und Sachverhalt an das BFA zur Erstattung einer Stellungnahme gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten an den BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine.

Mit Schreiben vom 30.08.2018 erstattete das BFA eine solche (gemeinsam mit der Mutter des BF ergehende) Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1-3 Asylbehörden nicht nachgewiesen worden seien und die Einreise des BF auch nicht zur Aufrechterhaltung des privaten Familienlebens im Sinne der EMRK geboten erscheine, dass der Antragsteller über keinen alle Risiken abdeckenden Krankenversicherungsschutz verfüge, dass sein Aufenthalt zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könne, und dass die Ehe zwischen der Mutter des BF und der Bezugsperson nicht bereits vor Einreise der Bezugsperson bestanden habe. Schließlich wurde ausgeführt, dass die Angaben des Antragstellers zur Angehörigeneigenschaft in mehrfacher Hinsicht den Angaben der Bezugsperson, die diese in ihrem Asylverfahren gemacht habe, widersprechen. Aus diesen Gründen erscheine es nicht wahrscheinlich, dass dem Antragsteller ein Schutzstatus gewährt werden würde.

Mit Schreiben vom 02.09.2018 wurden der BF und seine Mutter seitens der ÖB aufgefordert, zur gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.

Mit Schriftsatz vom 27.09.2018 erstattete der BF im Wege des Roten-Kreuzes, das seine Mutter und damit auch ihn selbst rechtlich vertrat, eine solche Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass der BF der leibliche minderjährige Sohn der BP sei, welcher im Bundesgebiet der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden sei. Die Antragsteller würden - unter näher ausgeführten Erwägungen - sämtliche Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 35 AsylG erfüllen. Sollte das BFA an der Vaterschaft der Bezugsperson zum Antragsteller zweifeln, werde die Durchführung einer DNA-Analyse angeregt, wobei der BF diesbezüglich gemäß § 13 Abs. 4 BFAVG über diese Möglichkeit belehrt werden müsste. In der Folge müsste die ÖB organisatorische Hilfestellung zur Durchführung einer DNA-Analyse leisten.

Der Stellungnahme beigeschlossen waren:

* Akkordberichte über das afghanische Eherecht,

* weitere Lohnzettel der Bezugsperson von Jänner bis September 2018,

* der Mietvertrag bezüglich einer Mietwohnung,

* die e-Card der Bezugsperson, sowie

* Hochzeitsfotos von der Feierlichkeit zwischen der Mutter des BF und der Bezugsperson.

In der Folge übermittelte die ÖB am 03.10.2018 die Stellungnahme der BF an das BFA.

Mit Schreiben vom 12.10.2018 teilte das BFA der ÖB mit, dass auch das Parteiengehör keine Neuerungen zutage bringen habe können, die geeignet seien, die Wahrscheinlichkeitsprognose zu beeinträchtigen. Konkret wurde ausgeführt, dass bei den vorgelegten Unterlagen nicht davon ausgegangen werden könne, dass es sich um authentische Dokumente handle, solche Schriftstücke, nachträglich ausgestellte Heiratsbestätigungen einer Botschaft können jederzeit auch widerrechtlich erlangt werden und gehe die Behörde von der Richtigkeit von in Österreich ausgestellten Urkunden aus, wonach die Bezugsperson in Österreich vor Einreise in Österreich nicht verheiratet gewesen sei. Da in Afghanistan keine Registrierung der Ehe gerichtlich vorgenommen worden sei, sei auch keine Rechtsgültigkeit nach den dortigen Bestimmungen gegeben. Zudem wäre eine nachträgliche Registrierung einer Ehe zwischen einem Christen und einer Muslimin nach afghanischem Recht auch gar nicht möglich und sei davon auszugehen, dass die Eintragung bei der Botschaft bzw. die dort ausgestellten Bestätigungen nur aufgrund von falschen Angaben vor der Behörde erwirkt worden seien, da zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen war, dass die Bezugsperson vom muslimischen Glauben abgefallen war. Schließlich seien auch die Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylGH nicht erfüllt, so sei insbesondere keine Krankenversicherung vorgelegt worden, und sei eine Mitversicherung von Lebensgefährten erst ab einer mindestens zehnmonatigen Hausgemeinschaft möglich. Zur Berechnung des Einkommens werde ausgeführt, dass nicht sämtliche Belastungen der Bezugsperson wie etwa Heizkosten etc. berücksichtigt worden seien, sodass - sinngemäß - der ins Verdienen gebrachte Betrag zu gering erscheine.

Mit Bescheid vom 02.12.2018, zugestellt am 05.12.2018, verweigerte die ÖB das Visum mit der Begründung, dass das BFA an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten habe; die Angaben zur Angehörigeneigenschaft des BF würden Widersprüche beinhalten.

Gegen diesen Bescheid erhob der BF mit Schreiben vom 02.01.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend führte er im Wesentlichen erneut die Einwendungen in der Stellungnahme vom 27.09.2018 aus. Dem Argument der erstinstanzlichen Behörde, dass die Bezugsperson in ihrem Asylverfahren wiederholt angegeben habe, dass sie ledig sei, entgegnete der BF, dass dies nur mit einem Missverständnis erklärt werden könne, auf die vorgelegten Hochzeitsfotos und ein Hochzeitsvideo werde verwiesen.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 25.06.2019 wurde am 01.07.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt dem Verwaltungsakt übermittelt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.) Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Weiters wird festgestellt, dass die Bezugsperson in ihrem Asylverfahren im Bundesgebiet zu keiner Zeit auch nur ansatzweise angegeben hat, vor der Einreise nach Österreich verheiratet gewesen zu sein und ein Kind zu haben. Ausdrücklich führte die Bezugsperson seit ihrer Erstbefragung im Jahr 2009 - und sodann wiederholt (!) - ausdrücklich an, dass sie ledig sei und hat sie auch im späteren Verlauf des Verfahrens, etwa in der Einvernahme vor dem Asylgerichtshof bei der Nachfrage nach Verwandten im Heimatland eine Ehegattin oder gar ein leibliches Kind mit keinem Wort erwähnt.

Darüber, ob der BF der leibliche Sohn der Bezugsperson ist, kann keine Aussage getroffen werden.

Im Hinblick auf - die vom BFA zu Recht ins Treffen geführten "Widersprüche bezüglich der Angehörigeneigenschaft" und den fraglichen Umstand, ob der mj. BF der biologische Sohn der Bezugsperson ist, wird festgestellt, dass dem BF im Verfahren die Vornahme einer DNA-Analyse nicht ermöglicht worden ist, obwohl die BF sowohl in ihren Stellungnahmen als auch in ihrer Beschwerde darauf hingewiesen haben, dass ihnen die Möglichkeit zur Durchführung einer DNA-Analyse eingeräumt werden müsse, wenn das BFA Zweifel am Verwandtschaftsverhältnis habe.

2.) Beweiswürdigung:

Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich unzweifelhaft aus dem Akt der ÖB, insbesondere aus den Schriftsätzen des BF, in welchen er wiederholt auf die Durchführung einer DNA-Analyse hingewiesen haben.

Die Feststellung, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob der BF der leibliche Sohn der Bezugsperson ist, ergibt sich aus dem Umstand, dass die BP in ihrem Verfahren (jahrelang) mit keinem Wort angegeben hat, dass sie verheiratet sei und ein Kind habe, sondern geradezu wiederholt das Gegenteil vorgebracht hat. Nach menschlichem Ermessen kann geradezu ausgeschlossen werden, dass ein Antragsteller, der im Heimatland Ehegattin und Kind zurücklassen musste, im Gastland nicht angeben würde, dass er Angehörige seiner Kernfamilie zu Hause habe. Die Bezugsperson hat hingegen ausdrücklich gegenteilig angegeben, dass sie ledig sei, sodass nach menschlichem Ermessen davon ausgegangen werden muss, dass weder eine Ehe noch Nachkommen vor der Einreise ins Bundesgebiet vorhanden waren. Demgegenüber vermögen die vorgelegten afghanischen Unterlagen nicht zu überzeugen, da das BFA zu Recht ausgesprochen hat, dass derartige Unterlagen im Wege einer afghanischen Botschaft im Ausland wohl leicht zu beschaffen seien. Überdies ist darauf hinzuweisen, dass fremdländischen Urkunden - im Gegensatz zu inländischen öffentlichen Urkunden wie etwa Einvernahmeprotokolle - nicht die Vermutung der Echtheit und Richtigkeit zukommt. Wenn also wie im vorliegenden Fall massive Widersprüche hinsichtlich der Angehörigeneigenschaft vorliegen, so kann nicht auf die Richtigkeit der vorgelegten ausländischen Unterlagen vertraut werden.

Der Einwand, dass es sich um ein bloßes Missverständnis handeln müsse, wenn die BP angegeben hat, ledig zu sein, ist erkennbar unrichtig, da die BP wiederholt bei verschiedenen Befragungen zu verschiedenen Zeitenpunkten (über einen Zeitraum von 2009 bis 2013!) diese Angaben erstattet hat.

Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass das Kern-Fluchtvorbringen der Bezugsperson in ihrem Asylverfahren bereits als nicht glaubwürdig qualifiziert worden ist, auch seine Altersangaben waren erwiesenermaßen unwahr, sodass auch nicht unkritisch darauf vertraut werden kann, dass die späteren Angaben der Bezugsperson, wonach es sich lediglich um ein Missverständnis gehandelt hätte, dass sie als ledig und kinderlos im Verfahren geführt worden sei, richtig seien.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

§ 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.

im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§§ 11 Abs. 1 ,11a und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

...

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

....

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Die Bestimmung des § 13 Abs. 4 des Bundesgesetzes, mit dem die Allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz-BFA-VG) lautet:

"13 (4) Gelingt es einem Fremden nicht, ein behauptetes Verwandtschaftsverhältnis, auf das er sich in einem Verfahren vor dem Bundesamt oder dem Bundesverwaltungsgericht oder in einem Verfahren gemäß § 35 AsylG 2005 beruft, durch unbedenkliche Urkunden oder sonstige geeignete und gleichwertige Bescheinigungsmittel nachzuweisen, so hat ihm das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht auf sein Verlangen und auf seine Kosten die Vornahme einer DNA-Analyse zu ermöglichen. Der Fremde ist über diese Möglichkeit zu belehren. Das mangelnde Verlangen des Fremden auf Vornahme einer DNA-Analyse ist keine Weigerung des Fremden, an der Klärung des Sachverhaltes mitzuwirken. Im weiteren Verfahren darf nur die Information über das Verwandtschaftsverhältnis verarbeitet werden; allenfalls darüber hinaus gehende Daten sind zu löschen. Das Bundesamt oder das Bundesverwaltungsgericht hat dem Fremden die Kosten der DNA-Analyse auf Antrag zu erstatten, wenn das behauptete Verwandtschaftsverhältnis durch das auf der DNA-Analyse beruhende Gutachten festgestellt wurde und sich der Fremde im Bundesgebiet aufhält."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:

"§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist."

a) Im Hinblick auf die fragliche Angehörigeneigenschaft des BF zur Bezugsperson ist Folgendes auszuführen:

Der VwGH führt in seinen Erkenntnissen vom 01.03.2016, Ro 2015/18/20002 bis 0007, aus, dass für das geltende Recht, das Anträge auf internationalen Schutz aus dem Ausland sachlich begründbar nicht mehr kennt, entsprechend den Vorgaben des VfGH sicherzustellen ist, dass über den Antrag auf Erteilung des Einreisetitels eines Familienangehörigen des in Österreich befindlichen Schutzberechtigten in einem rechtsstaatlich einwandfreien Verfahren entschieden wird und insbesondere auch Gesichtspunkte des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechts auf Familienleben nach Art. 8 EMRK berücksichtigt werden. Diesen Erfordernissen kann im geltenden Recht aber auch ohne Zulassung eines Antrags auf internationalen Schutz aus dem Ausland entsprochen werden.

Dazu hält der VwGH zunächst fest, dass der in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnete Beweismaßstab, nach dem das BFA zu beurteilen hat, ob es eine positive oder negative Mitteilung abgibt, für sich betrachtet rechtsstaatlich nicht bedenklich erscheint. Da das Gesetz vorsieht, dass eine positive Mitteilung des BFA schon dann zu ergehen hat, wenn die Gewährung von internationalem Schutz bloß wahrscheinlich ist, bedeutet dies im Umkehrschluss, dass eine negative Prognose nur dann erfolgen darf, wenn die Gewährung dieses Schutzes in einem nach Einreise in Österreich zu führenden Asylverfahren nicht einmal wahrscheinlich ist; Gewissheit darüber, dass dem Antragsteller internationaler Schutz in Österreich gewährt werden wird, erfordert die Erteilung einer Einreiseerlaubnis hingegen nicht.

Um somit die Einreiseerlaubnis nach Österreich zu erhalten, muss der Antragsteller lediglich die niedrigere Beweisschwelle der Wahrscheinlichkeit einer künftigen Gewährung internationalen Schutzes überspringen. Schon dann steht ihm die Möglichkeit offen, in das Bundesgebiet einzureisen und dort ein Familienverfahren nach § 34 AsylG - mit allen Verfahrensgarantien - zu absolvieren. Dass § 35 Abs. 4 AsylG die Vergabe eines Visums an die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes im künftigen Asylverfahren bindet, erscheint unter diesem Blickwinkel mit dem rechtsstaatlichen Prinzip somit nicht im Widerspruch zu stehen.

Problematisch wäre hingegen, die Entscheidung über den Einreisetitel nach § 35 AsylG an eine Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes zu binden, die im Visaverfahren vom Antragsteller nicht effektiv in Frage gestellt werden könnte und keiner verwaltungsgerichtlichen Kontrolle unterläge.

Mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012, wurde in § 9 Abs. 3 FPG jedoch für Fremde (ohne Unterschied) die Möglichkeit geschaffen, gegen ablehnende Entscheidungen der österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten Beschwerde an das BVwG zu erheben; dies gilt auch für die Ablehnung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG. Das Gesetz sieht nun ein geschlossenes Rechtsschutzsystem vor, in dem das Zusammenwirken zweier Behörden (der unmittelbaren Bundesverwaltung), wie es in § 35 Abs. 4 AsylG angeordnet wird, vor einem gemeinsamen, zuständigen Verwaltungsgericht, nämlich dem BVwG, angefochten und dort überprüft werden kann. Dabei steht es dem BVwG offen, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit hin zu überprüfen, was voraussetzt, dass das BFA seine Mitteilung auch entsprechend begründet und dem Antragsteller Gelegenheit geboten wird, davon Kenntnis zu erlangen und dazu Stellung nehmen zu können. Wird dieses Parteiengehör nicht gewährt, könnte einem bestreitenden Vorbringen des Antragstellers in der Beschwerde an das BVwG gegen eine abweisende Entscheidung in Bezug auf den Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 das Neuerungsverbot nach § 11a Abs. 2 FPG nicht entgegen gehalten werden (vgl. auch VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 bis 0086-12).

Hinzu kommt, dass der VfGH in seiner jüngeren Rechtsprechung bereits wiederholt gefordert hat, im Visaverfahren nach § 35 AsylG auch die Einhaltung des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen und sicherzustellen (vgl. insbesondere auch VfGH vom 6. Juni 2014, B 369/2013, und vom 23. November 2015, E 1510- 1511/2015-15).

Im gegenständlichen Fall wurde jedoch Verfahrensvorschriften nicht ausreichend Rechnung getragen. So erfordert eine korrekte Anwendung des § 13 Abs. 4 BFA-VG eine Belehrung des Fremden über die Möglichkeit der Vornahme einer DNA-Analyse. Ihm ist auf sein Verlangen und auf seine Kosten eine solche zu ermöglichen.

Im vorliegenden Fall hat das BFA eine derartige Belehrung offenbar nicht in Erwägung gezogen, obwohl die inhaltliche Richtigkeit der vorgelegten Geburtsurkunde des BF in Zweifel gezogen wurde. Da dieses Dokument nicht für geeignet befunden wurde, die Verwandtschaft des BF zur Bezugsperson nachzuweisen, und überdies die Angaben der Bezugsperson nahelegen, dass sie niemals verheiratet war und auch keine Kinder hat, wäre eine DNA-Analyse zum Nachweis der Familienangehörigeneigenschaft notwendig gewesen.

Die Behörde wird daher - wie sich aus ständiger Judikatur des BVwG zu § 13 Abs. 4 BFA-VG ergibt (vgl. etwa BVwG W212 2147575-1 und 2147572-1 vom 04.07.2017; W153 2110964-1/3E vom 19.01.2016) - im fortgesetzten Verfahren eine entsprechende Belehrung gemäß § 13 Abs. 4 BFA-VG durchzuführen und dem BF Gelegenheit zur Vornahme einer solchen DNA-Analyse zu geben haben.

Das Bundesverwaltungsgericht weist noch auf die Spezifika und die verfahrensrechtlichen Einschränkungen (siehe § 11a FPG) des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens hin, weshalb die Durchführung der notwendigen Ermittlungen zum Familienleben der Beschwerdeführer mit der Bezugsperson in Österreich nicht im Interesse der Effizienz, Raschheit und Kostenersparnis durch dieses selbst durchgeführt werden können.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieser Beschluss ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu treffen.

Barauslagen iSd § 11a Abs. 3 leg.cit. sind im Beschwerdeverfahren nicht entstanden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

In den rechtlichen Ausführungen zu Spruchteil A wurde ausgeführt, dass die Feststellung des entscheidungswesentlichen Sachverhalts durch das Bundesverwaltungsgericht selbst im Rahmen des Beschwerdeverfahrens in Visaangelegenheiten nicht im Interesse der Raschheit und der Kostenersparnis gelegen ist. Im Übrigen trifft § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG eine klare, im Sinne einer eindeutigen, Regelung (vgl. OGH 22.03.1992, 5Ob105/90), weshalb keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vorliegt.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, individuelle
Verhältnisse, Kassation, mangelnde Sachverhaltsfeststellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W144.2220666.1.00

Zuletzt aktualisiert am

29.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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