TE OGH 2019/12/16 1Ob193/19t

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Veröffentlicht am 16.12.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Parzmayr und Dr. Faber als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte, Wien 4, Prinz-Eugen-Straße 20–22, vertreten durch Dr. Walter Reichholf, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei C***** Immobilienvermittlung GesmbH, *****, vertreten durch Dr. Carl Knittl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung (Streitwert 30.500 EUR) und Urteilsveröffentlichung (Streitwert 4.400 EUR), über die Revision der klagenden Partei (Revisionsinteresse 18.368 EUR) gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 18. Juni 2019, GZ 129 R 53/19s-12, mit dem das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. März 2019, GZ 58 Cg 23/18t-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen, die hinsichtlich ihres klagestattgebenden Teils betreffend die Klauseln 10 und 12 bis 19 (auch hinsichtlich der erteilten Ermächtigung zur Veröffentlichung) in Rechtskraft erwuchsen und hinsichtlich der Abweisung des Klagebegehrens betreffend die Klauseln 1 bis 9 bestätigt werden, werden hinsichtlich der Klausel 11 dahin abgeändert, dass Punkt 2.10 des erstinstanzlichen Urteils ersatzlos entfällt und nach Punkt 1.1 ein zusätzlicher Punkt 1.1.a mit folgendem Wortlaut eingefügt wird:

Zwischenverkauf, -Vermietung oder -Verpachtung durch den Abgeber vorbehalten.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.175,47 EUR (darin 195,91 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Berufungsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 228,60 EUR bestimmten anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.003,10 EUR (darin 167,18 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 143,10 EUR bestimmten anteiligen Barauslagen binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ist gemäß § 29 Abs 1 KSchG berechtigt, Unterlassungsansprüche nach § 28 KSchG geltend zu machen.

Die Beklagte vermittelt für verschiedene Vermieter Mietwohnungen, die sie auf ihrer Website sowie auf diversen Immobilienplattformen präsentiert. Sie tritt dabei (unstrittig) auch in geschäftlichen Kontakt mit Verbrauchern und schließt mit diesen (Makler-)Verträge, denen sie ihre Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) zugrundelegt. Beabsichtigt ein Mietinteressent, ein Mietangebot an den Vermieter zu richten, überlässt ihm die Beklagte dazu ein vorformuliertes Formular. Möchte der Interessent dieses nicht verwenden, kann er sein Mietangebot auch selbst formulieren.

Die Beklagte vermittelt auch Eigentumswohnungen in einem Haus, das von einer Gesellschaft, an der der einzige Gesellschafter der Beklagten sowie ein Dritter beteiligt sind, errichtet wurde. Möchte ein Kaufinteressent ein Kaufangebot abgeben, erhält er von der Beklagten ein vorformuliertes Angebotsformular sowie eine Aufstellung der mit dem Kauf der Wohnung verbundenen Nebenkosten. Der Kaufinteressent kann dieses Formular für sein Angebot verwenden oder ein solches selbst formulieren.

Die Klägerin behauptet die Unzulässigkeit sowohl der (Miet- und Kauf-)Angebotsformblätter als auch bestimmter in den AGB der Beklagten enthaltener Klauseln und stellt ein entsprechendes Unterlassungs- und Urteilsveröffentlichungsbegehren.

Die Beklagte erachtet sowohl die Angebotsformblätter als auch die in ihren AGB enthaltenen Klauseln für gesetzeskonform und das Veröffentlichungsbegehren als zu weitgehend.

Das Erstgericht wies das Unterlassungsbegehren hinsichtlich der den Miet- und Kaufinteressenten von der Beklagten übergebenen Angebotsformulare ab und begründete dies damit, dass die Beklagte diese Formblätter nicht den von ihr mit ihren Kunden abgeschlossenen (Makler-)Verträgen zugrundelege. Sie sei daher nicht deren „Verwenderin“ im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG. Hinsichtlich der beanstandeten Klauseln in den AGB der Beklagten gab das Erstgericht dem Unterlassungsbegehren – mit Ausnahme der Klausel 11, die das Erstgericht als zulässig erachtete und zu der es das Unterlassungsbegehren daher abwies – statt. Das Veröffentlichungsbegehren wies das Erstgericht zur Gänze ab.

Das Berufungsgericht gab der nur von der Klägerin erhobenen Berufung (der dem Unterlassungsbegehren stattgebende Teil des Ersturteils erwuchs daher in Rechtskraft) hinsichtlich des (auf die als unzulässig erkannten Klauseln bezogenen) Veröffentlichungsbegehrens Folge, bestätigte jedoch die Abweisung des Klagebegehrens zu den beiden Angebotsformularen sowie zu der in den AGB der Beklagten enthaltenen Klausel 11. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz 5.000 EUR, aber nicht 30.000 EUR übersteige und die ordentliche Revision zulässig sei, weil die beanstandeten Klauseln (einschließlich jener in den Miet- und Kaufangebotsformularen) regelmäßig für eine größere Anzahl von Kunden bestimmt und von Bedeutung seien und außerdem keine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage bestehe, wer in einer vergleichbaren Konstellation deren „Verwender“ sei.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist aus dem letztgenannten Grund zulässig; sie ist teilweise auch berechtigt.

1.1. Gemäß § 28 KSchG kann auf Unterlassung geklagt werden, wer im geschäftlichen Verkehr in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die er von ihm geschlossenen Verträgen zugrundelegt, oder in hiebei verwendeten Formblättern für Verträge Bedingungen vorsieht, die gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten verstoßen, oder wer solche Bedingungen für den geschäftlichen Verkehr empfiehlt.

1.2. Mit dem Begriff des „Zugrundelegens“ (von AGB) und jenem des „Verwendens“ (von Formblättern) soll keine Unterscheidung getroffen werden, vielmehr geht es in beiden Fällen darum, dass AGB bzw Formblätter im Rahmen des geschäftlichen Verkehrs zur Gestaltung des Vertragsinhalts herangezogen werden (vgl Krejci in Rummel³ §§ 28–30 KSchG Rz 9), wobei bereits eine „drohende“ Verwendung beim Vertragsabschluss die Verbandsklage rechtfertigt (vgl RIS-Justiz RS0065718).

1.3. Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist „Verwender“ von AGB oder Formblättern grundsätzlich (nur) derjenige, der Partei des Vertrags ist (RS0124305). Damit ist der Vertrag gemeint, der unter Zugrundelegung der AGB oder Vertragsformblätter geschlossen wurde oder werden soll. Dies entspricht der herrschenden Ansicht in der österreichischen Literatur (vgl etwa Langer in Kosesnik-Wehrle, KSchG4 §§ 28–30 Rz 5a; Binder/Keiler in Keiler/Klauser [Hrsg], Österreichisches und Europäisches Verbraucherrecht [2015] §§ 28–30 KSchG Rz 31 [„potentieller Vertragspartner des Verbrauchers“]; Eccher in Fenyves/Kerschner/Vonkilch, Klang³ § 28 KSchG Rz 4 [„künftige Vertragspartner“]; Donath in Schwimann/Neumayr, ABGB-Taschenkommentar4 § 28 KSchG Rz 4 [„grundsätzlich nur die konkrete Vertragspartei“]; Apathy in Schwimann/Kodek4 §§ 28–30 KSchG Rz 6 [„derjenigen, der Vertragspartei ist oder werden soll“]); ebenso – bei insoweit vergleichbarer Rechtslage (vgl 8 Ob 110/08x) – der in der deutschen Literatur vertretenen Ansicht (vgl etwa Lindacher in Wolf/Lindacher/Pfeiffer, AGB-Recht6 [2013] § 1 UKlaG Rz 8 mwN; Witt in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht12 [2016] § 1 UKlaG Rz 25; Piekenbrock in von Staudingers, BGB [2019] § 1 UKlaG Rz 33). Demgegenüber reicht das bloße „Verfassen“ oder „Auflegen“ von AGB oder Vertragsformblättern für die Passivlegitimation (als „Verwender“) nicht aus (vgl Würth in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz [1981] 651; idS auch Eccher aaO).

1.4. In Anlehnung an die zur deutschen Rechtslage vertretene Ansicht nahm der Oberste Gerichtshof in unterschiedlichen Konstellationen eine Erweiterung der Eigenschaft als „Verwender“ von AGB oder Vertragsformblättern nach § 28 Abs 1 KSchG vor. So qualifizierte er etwa eine Hausverwalterin, die Mietverträge zwar im Namen und auf Rechnung ihrer Kunden abschloss, dabei aber von ihr selbst entwickelte Vertrags-Textbausteine verwendete, den Mietern gegenüber wie ein Vermieter auftrat und in fast allen Angelegenheiten selbständig (also ohne Rücksprache mit dem Vermieter) entschied, als „Verwenderin“ der den Mietverträgen zugrunde gelegten Textbausteine (7 Ob 78/06f); ebenso die Muttergesellschaft, der in den von ihrer Tochtergesellschaft geschlossenen (Leasing-)Verträgen (denen die inkriminierten AGB zugrunde lagen) Rechte und Pflichten als Leasinggeberin eingeräumt wurden und die maßgeblich in die Vertragsgestion eingebunden war (8 Ob 110/08x); ein Inkassounternehmen, das formal als Vertreter des Gläubigers handelte, dabei aber (eigene) AGB bzw Formblätter zum Abschluss von Vereinbarungen über die Einbringung offener Forderungen sowie der (vom Inkassobüro) beanspruchten Gebühren, Kosten und Aufwandsersätze verwendete (10 Ob 28/14m); sowie Gesellschafter einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts nach deutschem Recht, die aktiv an Verstößen gegen konsumentenschutzrechtliche Bestimmungen beteiligt waren (9 Ob 66/08h). Hingegen erachtete der Oberste Gerichtshof jüngst ein wirtschaftliches Interesse am Vertrieb von Gutscheinen Dritter als nicht ausreichend, um die (dort) Beklagte in einer Fallkonstellation, in der sie über den Inhalt der beanstandeten Klausel nicht entscheiden konnte, als „Verwender“ dieser Klausel anzusehen (6 Ob 56/19g).

1.5. Das Berufungsgericht berücksichtigte die genannten Entscheidungen, in denen der Oberste Gerichtshof das Tatbestandsmerkmal des „Verwendens“ von AGB oder Vertragsformblättern ausdehnend interpretierte, und erkannte zutreffend, dass diesen jeweils ein besonderes „Zurechnungsmoment“ im Sinn eines erheblichen Eigeninteresses der jeweils beklagten Partei an der Verwendung der AGB oder Formblätter zugrunde lag, weshalb eine Gleichstellung mit der Vertragspartei des Verbrauchers als gerechtfertigt angesehen wurde (vgl RS0129535; für viele etwa auch Kathrein/Schoditsch in KBB5 § 28 KSchG Rz 2; Langer in Kosesnik-Wehrle aaO Rz 5a). Ein bloßes Provisionsinteresse am Vertragsabschluss eines Dritten (dessen Vertrag die AGB oder Formblätter zugrunde gelegt wurden [werden sollen]) reicht hingegen nicht aus, um die grundsätzlich auf den (potentiellen) Vertragspartner des Verbrauchers beschränkte Passivlegitimation als „Verwender“ im Sinn des § 28 Abs 1 KSchG auf den am Vertragsabschluss bloß wirtschaftlich interessierten Vermittler auszudehnen (vgl Piekenbrock aaO Rz 33 mwN; Köhler in Köhler/Bornkamm/Feddersen, Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb37 [2019] § 1 UKlaG Rn 8; Grüneberg in Palandt, BGB78 [2019] § 1 UKlaG Rn 8 mwN; auch nach Jelinek in Krejci, Handbuch zum Konsumentenschutzgesetz [1981] 810, umfasst § 28 KSchG den bloßen Abschlussvermittler nicht; ebenso Kühnberg, Die konsumentenschutzrechtliche Verbandsklage [2006] 78).

1.6. Die Beklagte bot den Miet- und Kaufinteressenten die von ihr erstellten Angebotsformblätter bloß zum „fakultativen“ Gebrauch an. Die Konsumenten konnten demnach frei bestimmen, ob sie diese verwenden oder ihr Miet- bzw Kaufangebot selbst formulieren wollten. Damit lag es alleine an ihnen, zu entscheiden, ob der Miet- oder Kaufvertrag auf Basis des von der Beklagten vorformulierten Angebots und der darin enthaltenen (beanstandeten) Klauseln zustande kommt. Von einer „zumindest drohenden Verwendung“ der Formblätter (vgl RS0065718) kann in diesem Fall nicht gesprochen werden, sodass das Berufungsgericht die Beklagte zu Recht nicht als deren „Verwenderin“ qualifizierte, liegt es hier doch gerade nicht am Unternehmer (weder an der Beklagten noch am potentiellen Verkäufer bzw Vermieter; vgl zu diesem Kriterium Kühnberg aaO 74), sondern am Verbraucher, die inkriminierten Klauseln zum Vertragsinhalt zu erheben.

1.7. Mit der Zurverfügungstellung der Formblätter sind für die Beklagte auch keine besonderen Vorteile verbunden, die ein „erhebliches Eigeninteresse“ an deren Verwendung und damit die Passivlegitimation der Beklagten wertungsmäßig rechtfertigen würden. Eine allfällige (keinesfalls sichere) Verwendung der Angebotsformblätter würde die Vertragsverhandlungen zwar wohl vereinfachen, dies liegt aber primär im Interesse der künftigen Vertragspartner der vermittelten Verträge (vor allem im Interesse des jeweiligen Vermieters bzw Verkäufers), nicht hingegen in jenem der Beklagten. Dass mit der Zurverfügungstellung der Formblätter als „Serviceleistung“ allenfalls (nicht fassbare) geschäftliche Vorteile für die Beklagte verbunden sein mögen, lässt ein ihre Passivlegitimation rechtfertigendes „erhebliches“ Eigeninteresse nicht erkennen. Auch der in den Angeboten enthaltene Hinweis auf eine Provision der Beklagten begründet ein solches nicht, vermag sie ihren Provisionsanspruch doch nicht (allein) auf eine solche einem Dritten gegenüber abgegebene (vorformulierte) Wissenserklärung zu stützen. Entgegen der Ansicht der Revisionswerberin ergibt sich das erhebliche Eigeninteresse der Beklagten auch nicht daraus, dass sie durch Übergabe der Formblätter ihre – gegenüber ihren Kunden bestehende – Informationspflicht als Maklerin erfülle, sehen die Formblätter doch eine Erklärung des Kunden an den Vermieter bzw Verkäufer der Wohnung und nicht eine solche der Beklagten an den Kunden vor. Letztlich scheitert die Qualifikation der Beklagten als „Verwenderin“ der Angebotsformblätter auch daran, dass die Klägerin in erster Instanz – trotz Erörterung der Passivlegitimation der Beklagten – gar nicht vorbrachte, aufgrund welcher tatsächlichen Umstände ihr ein erhebliches Eigeninteresse an der Verwendung der Formblätter beim Abschluss der vermittelten Verträge zukommen soll.

1.8. Dass die Beklagte den Konsumenten den Gebrauch der „Musterangebote“ im Sinn der zweiten Variante des § 28 Abs 1 KSchG „empfohlen“ hätte, hat die Klägerin – die sich in erster Instanz nur auf eine „Verwendung“ durch die Beklagte gestützt hatte – nicht behauptet. Auf diesen Tatbestand (für die Passivlegitimation) ist daher nicht weiter einzugehen, zumal der Oberste Gerichtshof jüngst aussprach, dass ein (wie hier) nur auf „Unterlassung der Verwendung“ gerichtetes Begehren für eine auf den zweiten Tatbestand des § 28 Abs 1 KSchG („Empfehlen“) gestützte Verbandsklage nicht ausreicht (6 Ob 56/19g).

2. Die Revisionswerberin erachtet das angefochtene Urteil als nichtig, weil sich das Berufungsgericht mit der Frage der Zulässigkeit der in den AGB der Beklagten enthaltenen Klausel 11 nicht auseinandergesetzt habe. Der Nichtigkeitsgrund der mangelnden Begründung im Sinn des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO setzt jedoch voraus, dass die Entscheidung gar nicht oder so unzureichend begründet ist, dass sie sich nicht überprüfen lässt (RS0007484), wohingegen das bloße Fehlen einer rechtlichen Begründung zu einzelnen Fragen noch keine Nichtigkeit begründet (vgl RS0042203). Da hier eine Überprüfung der angefochtenen Entscheidung auch hinsichtlich der inkriminierten Klausel 11 der AGB der Beklagten möglich ist, liegt die behauptete Nichtigkeit nicht vor.

3.1. In ihrer Rechtsrüge wiederholt die Revisionswerberin im Wesentlichen ihr bereits in erster Instanz vorgetragenes Argument, wonach die inkriminierte Klausel intransparent und gröblich benachteiligend sei, weil sie den Verbraucher (zumindest) im Unklaren darüber lasse, inwieweit sich aus der beanstandeten Bestimmung eine Beschränkung seiner Rechte ergebe.

3.2. Das Transparenzgebot soll eine durchschaubare, möglichst klare und verständliche Formulierung von AGB oder Vertragsformblättern sicherstellen, um zu verhindern, dass der für die jeweilige Vertragsart typische Verbraucher von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten oder ihm unberechtigte Pflichten abverlangt werden. Dies setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht, entsprechen dem Transparenzgebot nicht, weil der dadurch geschaffene weite Beurteilungsspielraum ausschließt, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (vgl RS0115217 [T3]). Neben der formalen (Text-)Verständlichkeit (im Sinn einer Lesbarkeit) einer Vertragsbestimmung verlangt § 6 Abs 3 KSchG auch, dass ihr Inhalt und ihre Tragweite durchschaubar sind (vgl RS0115217 [T7, T23]; RS0122169 [T6]). Maßstab für die Beurteilung der Transparenz ist das Verständnis des jeweiligen „Durchschnittskunden" (RS0115217 [T12, T19]).

3.3. Die bekämpfte Klausel 11 („Zwischenverkauf, -Vermietung oder -Verpachtung durch den Abgeber vorbehalten“) ist unklar, weil die Formulierung „Zwischen“-Verkauf, „Zwischen“-Vermietung bzw „Zwischen“-Verpachtung offen lässt, bis zu welchem Zeitpunkt der „Abgeber“ (also der jeweilige Vermieter oder Verkäufer) mangels vertraglicher Bindung die zu vermittelnde Wohnung sanktionslos an einen Dritten verkaufen, vermieten oder verpachten darf. Ob die inkriminierte Klausel bloß allgemein – wie die Beklagte argumentiert – auf die bestehende Rechtslage hinweist, wonach der Verhandlungspartner vor dem (jeweils im Einzelfall zu prüfenden) wirksamen Zustandekommen des von der Beklagten vermittelten Vertrags nicht gebunden ist, oder ob dadurch eine vom dispositiven Recht abweichende (jedoch gänzlich unklare) Regelung der Bindung des „Abgebers“ an seine im Rahmen der Vertragsverhandlungen abgegebenen Erklärungen getroffen werden soll, ist für den typischen „Durchschnittskunden“ nicht erkennbar. Die bekämpfte Klausel ist sohin geeignet, diesem ein unzutreffendes Bild von seiner Rechtsposition zu vermitteln. Der Revision ist daher in Abänderung der Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit Folge zu geben, als dem Unterlassungsbegehren (und daher auch dem Veröffentlichungsbegehren) hinsichtlich der Klausel 11 Berechtigung zukommt. Da sich die vom Berufungsgericht (unbekämpft) erteilte Ermächtigung zur Urteilsveröffentlichung ihrem Wortlaut nach auf sämtliche berechtigten Unterlassungsbegehren bezieht, wovon auch der in dritter Instanz erfolgte Unterlassungsausspruch betreffend die Klausel 11 umfasst ist, bedurfte es hinsichtlich des Veröffentlichungsbegehrens keiner Abänderung des Spruchs der zweitinstanzlichen Entscheidung. Auf die Verfahrensrüge muss aufgrund der insoweit erfolgreichen Rechtsrüge nicht weiter eingegangen werden.

4.1. Da die Klägerin in erster Instanz sowohl mit ihrem Unterlassungsbegehren als auch mit dem Veröffentlichungsbegehren zu zehn von insgesamt 19 beanstandeten Klauseln und sohin rund zur Hälfte obsiegte, kann die auf § 43 Abs 1 ZPO gestützte Kostenentscheidung des Erstgerichts (Kostenaufhebung) unangetastet bleiben.

4.2. Die vom Revisionsgericht neu zu fassende Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf den §§ 50, 43 Abs 1 ZPO. Im Berufungsverfahren obsiegte die Klägerin mit dem Unterlassungsbegehren hinsichtlich einer von zehn beanstandeten Klauseln und mit dem Veröffentlichungsbegehren hinsichtlich zehn von 19 Klauseln. Auf Basis der Bewertung des Veröffentlichungsbegehrens mit insgesamt 4.400 EUR (rund 232 EUR pro Klausel) und des Unterlassungsbegehrens mit insgesamt 30.500 EUR (rund 1.605 EUR pro Klausel) ergibt sich eine Obsiegensquote der Klägerin im Berufungsverfahren von etwa 20 %. Der Beklagten sind die Kosten nur auf Basis des richtigen Streitwerts des Berufungsverfahrens (20.450 EUR) zu ersetzen.

4.3. Die Kostenentscheidung im Revisionsverfahren beruht auf §§ 50 iVm 43 Abs 1 ZPO. Die Klägerin drang in dritter Instanz mit ihrem (Unterlassungs- und Veröffentlichungs-)Begehren zu einer von insgesamt zehn bekämpften Klauseln durch. Auf Basis der Bewertung des gesamten Klagebegehrens (19 Klauseln) mit insgesamt 34.900 EUR stehen der Beklagten nur Kosten auf Basis eines Revisionsinteresses (10 Klauseln) von 18.368 EUR zu.

Textnummer

E127139

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00193.19T.1216.000

Im RIS seit

29.01.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.08.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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