Entscheidungsdatum
29.10.2019Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W185 2163967-1/2E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gerhard PRÜNSTER nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 30.05.2017, Islamabad-OB/KONS/1326/2016, aufgrund des Vorlageantrages von XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch das Österreichische Rote Kreuz, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 23.03.2017, zu Recht erkannt:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang und Sachverhalt:
Die Beschwerdeführerin, eine am XXXX geborene Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 31.03.2016 elektronisch und am 06.04.2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft in Islamabad (in Folge ÖB Islamabad) unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX , StA. Afghanistan, als ihr Ehemann, genannt. Der Bezugsperson sei mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.08.2012 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden.
Am 10.02.2017 teilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in Folge Bundesamt) mit, dass gemäß § 35 Abs. 4 AsylG die Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten oder Asylberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Begründend wurde ausgeführt, dass die von den Antragstellern vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. In der diesbezüglichen Stellungnahme wurden die der Prognose zugrundeliegenden Erwägungen erläutert. Darin wurde ausgeführt, dass schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung nicht vorliegen würden, da die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Die Ehe sei in Pakistan geschlossen worden und habe kein Familienleben in Afghanistan bestanden. Aus den Aussagen der Bezugsperson und der Beschwerdeführerin ergebe sich, dass die Ehe in Pakistan geschlossen worden sei, was auch durch die Heiratsurkunde nachgewiesen worden sei.
Mit Schreiben vom 15.02.2017, zugestellt am 10.03.2017, wurde der Beschwerdeführerin eine Aufforderung zur Stellungnahme (Parteiengehör) übermittelt. Es wurde mitgeteilt, dass das Bundesamt nach Prüfung des Antrags mitgeteilt habe, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei; hingewiesen wurde hiebei auf die beiliegende Mitteilung und Stellungnahme des Bundesamtes vom 10.02.2017. Daraus ergebe sich, dass der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 26 FPG in Verbindung mit § 35 Abs. 4 AsylG abzulehnen wäre. Es werde Gelegenheit gegeben, innerhalb der Frist von einer Woche ab Zustellung die angeführten Ablehnungsgründe durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen.
Mit Schreiben vom 15.02.2017 wurde der Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, den in der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes vom 10.02.2017 angeführten Ablehnungsgrund durch unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen (Parteiengehör).
Mit Stellungnahme vom 16.03.2017, verfasst durch das Generalsekretariat des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK), brachte die Beschwerdeführerin im Wesentlichen vor, dass die Beschwerdeführerin die Gattin der Bezugsperson sei, welcher in Österreich der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden sei. Die Bezugsperson habe in jungen Jahren mit seinen Eltern Afghanistan verlassen und seitdem in Pakistan gelebt, wo er die Beschwerdeführerin kennengelernt habe. Die Hochzeit habe am 05.08.2011 in Pakistan stattgefunden. Es habe in Pakistan dann für etwa vier Monate ein gemeinsamer Haushalt bestanden, bevor die Bezugsperson habe aus Pakistan flüchten müssen. Seitdem stünden die Eheleute auch in regelmäßigen Kontakt zueinander. Es seien gegenständlich alle relevanten Dokumente in deutscher Übersetzung vorgelegt worden, welche belegen würden, dass die Ehe bereits vor der Flucht der Bezugsperson bestanden habe. Die belangte Behörde hätte genauer anführen müssen, inwiefern die vorgelegten Dokumente nicht genügen würden, um die Angehörigeneigenschaft nachzuweisen. Die Bezugsperson hätte zu einer Zeugeneinvernahme eingeladen werden können. Gemäß Art. 9 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie könne die Anwendung der günstigeren Bestimmungen für Flüchtlinge auf jene beschränkt werden, deren familiäre Bindungen bereits vor Einreise bestanden habe. Eine Beschränkung auf den Herkunftsstaat sei in der Richtlinie nicht vorgesehen. § 35 Abs. 5 AsylG widerspreche daher der Richtlinie. Die Beschränkung auf den Herkunftsstaat sei nach dem Gesagten nicht anwendbar. Es sei somit lediglich darauf abzustellen, ob die Ehe bereits vor der Einreise bestanden habe; dies sei im vorliegenden Fall zu bejahen.
Nach Übermittlung der Stellungnahme an das Bundesamt, hielt dieses seine negative Wahrscheinlichkeitsprognose von 10.02.2017 aufrecht (E-Mail vom 22.03.2017).
Mit Bescheid der ÖB Islamabad vom 23.03.2017, zugestellt am selben Tag, wurde der Einreisantrag mit der o.a Begründung gemäß § 26 FPG iVm § 35 AsylG abgewiesen. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Stellungnahme des Bundesamtes zu entnehmen gewesen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 16.03.2017 sei dem Bundesamt zur neuerlichen Beurteilung der Prognoseentscheidung zugeleitet worden. Nach deren Prüfung habe die Behörde mitgeteilt, dass vollinhaltlich an der negativen Wahrscheinlichkeitsprognose festgehalten werde. Daraus habe sich ergeben, dass der Antrag abzulehnen gewesen wäre.
Gegen den Bescheid der ÖB Islamabad wurde, vertreten durch das ÖRK, fristgerecht Beschwerde erhoben und wurde darin im Wesentlichen die Ausführungen der Stellungnahme vom 16.03.2017 wiederholt. Ergänzend wurde moniert, dass auch nach Einbringung der Stellungnahme eine Zeugeneinvernahme der Bezugsperson nicht stattgefunden habe. Dies verletze das Recht auf Parteiengehör.
Mit Beschwerdevorentscheidung vom 30.05.2018 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG als unbegründet ab. Nach ständiger Rechtsprechung des VwGH seien österreichische Vertretungsbehörden bezüglich der Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl hinsichtlich der Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gebunden. Eine Nachprüfung dieser Wahrscheinlichkeitsprognose nach negativer Mitteilung des Bundesamtes durch die Botschaft komme daher nicht in Betracht. Daran, dass die Vertretungsbehörden an die Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes gebunden seien, und damit keinen eigenen Entscheidungsspielraum hätten, habe der VwGH in seiner Entscheidung vom 30.06.2016, Ra 2015/21/0068, festgehalten. Danach unterliege die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung des Bundesamtes einer Überprüfung nur durch das Bundesverwaltungsgericht, wenn gegen einen Bescheid nach § 35 AsylG 2005 Beschwerde erhoben werde. Es habe unstrittig eine negative Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes vorgelegen. Die Stellungnahme der Beschwerdeführerin sei ordnungsgemäß dem Bundesamt vorgelegt worden, welches bei seiner negativen Prognose geblieben sei. Erst in der Folge sei bescheidmäßig abgesprochen worden. Als allein tragender Grund für die Abweisung des von der Beschwerdeführerin gestellten Einreiseantrages sei somit nur in Betracht gekommen, dass nach der Mitteilung des Bundesamtes die Erfolgsaussichten des Antrages der Beschwerdeführerin auf Gewährung desselben Schutzes wie der Bezugsperson als nicht wahrscheinlich einzustufen seien. Darauf sei im angefochtenen Bescheid auch ausschließlich Bezug genommen worden. Jenseits und unabhängig der oa Bindungswirkung teile die belangte Behörde die Beweiswürdigung des Bundesamtes, dass die Ehe nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe. Auch der Beschwerdehinweis auf die Familienzusammenführungsrichtlinie vermöge die Beschwerde nicht zum Erfolg zu führen. Die Regelung des § 35 Abs. 5 AsylG, wonach die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden haben müsse, sei eindeutig und auch unionsrechtskonform. Art. 9 Abs. 2 der Familienzusammenführungsrichtlinie (2003/86/EG) ermächtige die Mitgliedstaaten die Anwendung dieses Kapitels auf Flüchtlinge beschränken zu können, deren familiäre Bindungen bereits vor ihrer Einreise bestanden hätten. Eine weitere Eingrenzung, dass der nationale Gesetzgeber lediglich darauf abstellen dürfe, ob bloß global vor der Einreise die Ehe geschlossen worden sei und nicht darauf, dass sie schon im Herkunftsstaat bestanden habe, sei der Richtlinie nicht zu entnehmen. Selbst wenn man auf die in Pakistan geschlossene Ehe abstelle, sei daraus für die Beschwerdeführerin nichts zu gewinnen, da eine Kinderehe vorliegen würde und eine solche mit den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar sei. Ein solcher "ordre public"-Verstoß sei im Verbot der Kinderehe gegeben.
Am 13.06.2017 wurde bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG eingebracht. Begründend wurde auf die Beschwerde vom 18.04.2017 verwiesen.
Mit einem am 12.07.2017 eingelangten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres wurde dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde samt Verwaltungsakt vorgelegt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin, eine am XXXX geborene Staatsangehörige Afghanistans, stellte am 06.04.2016 bei der ÖB Islamabad persönlich einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG.
Als Bezugsperson wurde XXXX , StA. Afghanistan, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei und dem mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 23.08.2012 der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde. Die befristete Aufenthaltsberechtigung der Bezugsperson wurde vom Bundesamt in der Folge bis 23.08.2020 verlängert.
Da beide Eheleute afghanische Staatsangehörige sind, ist afghanisches Eherecht anzuwenden.
Die Beschwerdeführerin und die Bezugsperson haben am 01.08.2011 in Pakistan traditionell-muslimisch nach Scharia-Recht geheiratet. Die Heiratsurkunde wurde am 05.08.2011 durch das afghanische Generalkonsulat in Pakistan ausgestellt.
Zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung am 01.08.2011 war die Beschwerdeführerin 14 Jahre, die Bezugsperson 16 Jahre alt. Die Ehe ist somit auch nach afghanischem Recht nicht als gültige Ehe anzusehen. Es liegt eine Kinderehe vor, welche in Österreich dem ordre public widerspricht.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen ergeben sich aus dem Akt der ÖB Islamabad.
Der Status der Bezugsperson ergibt sich aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 23.08.2012 und den entsprechenden Verlängerungsbescheiden.
Der Ort und das Datum der traditionellen Eheschließung der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson ergeben sich aus den Angaben der Beschwerdeführerin im Antragsformular, ihren Angaben im Rahmen des Interviews vor der Botschaft sowie aus der Heiratsurkunde, ausgestellt durch das afghanische Generalkonsulat in XXXX , Pakistan, welche in beglaubigter Übersetzung vorliegt. Die Echtheit der Urkunden wurde nicht in Zweifel gezogen.
Das Geburtsdatum der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson ergibt sich aus den eigenen Angaben der Genannten, aus der Übersetzung der Tazkira der Beschwerdeführerin, aus dem Bescheid des Bundesamtes die Bezugsperson betreffend, aus dem vorgelegten ZMR-Auszug sowie aus der e-card der Bezugsperson; die Geburtsdaten wurden im Verfahren zu keinem Zeitpunkt bestritten oder in Zweifel gezogen.
Dass die Beschwerdeführerin am Tag der traditionellen Eheschließung 14 Jahre alt war, ergibt sich auch aus ihren eigenen Angaben im Interview vor der ÖB sowie aus der beglaubigten Übersetzung der Heiratsurkunde. Unter Heranziehung der Angaben zum Geburtsdatum der Bezugsperson in den österreichischen Dokumenten (Bescheid des Bundesamtes, Bescheide der MA 40 etc) ergibt sich ein Alter der Bezugsperson bei "Eheschließung" von 16 Jahren.
3. Rechtliche Beurteilung:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz - VwGVG) idgF lauten wie folgt:
§ 2 Soweit die Bundes- oder Landesgesetze nicht die Entscheidung durch den Senat vorsehen, entscheidet das Verwaltungsgericht durch Einzelrichter (Rechtspfleger).
Beschwerdevorentscheidung
§ 14 (1) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG steht es der Behörde frei, den angefochtenen Bescheid innerhalb von zwei Monaten aufzuheben, abzuändern oder die Beschwerde zurückzuweisen oder abzuweisen (Beschwerdevorentscheidung). § 27 ist sinngemäß anzuwenden.
(2) Will die Behörde von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absehen, hat sie dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
(3) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 4 B-VG hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens vorzulegen.
Vorlageantrag
§ 15 (1) Jede Partei kann binnen zwei Wochen nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidung bei der Behörde den Antrag stellen, dass die Beschwerde dem Verwaltungsgericht zur Entscheidung vorgelegt wird (Vorlageantrag). Wird der Vorlageantrag von einer anderen Partei als dem Beschwerdeführer gestellt, hat er die Gründe, auf die sich die Behauptung der Rechtswidrigkeit stützt (§ 9 Abs. 1 Z 3), und ein Begehren (§ 9 Abs. 1 Z 4) zu enthalten.
(2) Ein rechtzeitig eingebrachter und zulässiger Vorlageantrag hat aufschiebende Wirkung, wenn die Beschwerde
1. von Gesetzes wegen aufschiebende Wirkung hatte und die Behörde diese nicht ausgeschlossen hat;
2. von Gesetzes wegen keine aufschiebende Wirkung hatte, die Behörde diese jedoch zuerkannt hat.
Die Behörde hat dem Verwaltungsgericht den Vorlageantrag und die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens vorzulegen und den sonstigen Parteien die Vorlage des Antrags mitzuteilen.
(3) Verspätete und unzulässige Vorlageanträge sind von der Behörde mit Bescheid zurückzuweisen. Wird gegen einen solchen Bescheid Beschwerde erhoben, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht unverzüglich die Akten des Verfahrens vorzulegen.
§16 [ ...]
Verfahren vor dem Verwaltungsgericht
Anzuwendendes Recht
§ 17 Soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG) idgF lauten:
Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005:
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:
Familienverfahren im Inland
§ 34 (1) Stellt ein Familienangehöriger von
1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3. einem Asylwerber
einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.
(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist und
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).
(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1. dieser nicht straffällig geworden ist;
(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.
(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.
(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.
(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind.
3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG)."
§ 35 Abs. 1 bis 4 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:
(1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
[...]
§ 35 Abs. 5 AsylG 2005 idgF lautet:
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.
§ 75 Abs. 24 AsylG 2005 idgF lautet:
(24) Auf Fremde, denen der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 zuerkannt wurde und auf Fremde, die einen Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15. November 2015 gestellt haben, sind die §§ 2 Abs 1 Z 15, 3 Abs 4 bis 4b, 7 Abs 2a und 51a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 nicht anzuwenden. Für diese Fremden gilt weiter § 2 Abs 1 Z 15 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016. §§ 17 Abs 6 und 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 sind auf Verfahren, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, nicht anzuwenden. Auf Verfahren gemäß § 35, die bereits vor dem 1. Juni 2016 anhängig waren, ist § 35 Abs 1 bis 4 in der Fassung vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 weiter anzuwenden. Handelt es sich bei einem Antragsteller auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs 1 um den Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten bereits vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 rechtskräftig zuerkannt wurde, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs 2 Z 1 bis 3 nicht zu erfüllen, wenn der Antrag auf Erteilung des Einreisetitels innerhalb von drei Monaten nach Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I Nr. 24/2016 gestellt wurde.
§ 22 Abs 1 gilt für Verfahren, die mit Ablauf des 31. Mai 2018 bereits anhängig waren, auch noch nach dem 31. Mai 2018 weiter.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 16 und 6) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 1,2, 3 und 17) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
Recht der Eheschließung
A. Ehefähigkeit
§ 1. (1) Personen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, sind ehemündig.
(2) Das Gericht hat eine Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, auf ihren Antrag für ehemündig zu erklären, wenn der künftige Ehegatte volljährig ist und sie für diese Ehe reif erscheint.
Geschäftsunfähigkeit
§ 2 Wer geschäftsunfähig ist, kann eine Ehe nicht eingehen.
Einwilligung des gesetzlichen Vertreters und des Erziehungsberechtigten
§ 3 (1) Wer minderjährig oder aus anderen Gründen in der Geschäftsfähigkeit beschränkt ist, bedarf zur Eingehung einer Ehe der Einwilligung seines gesetzlichen Vertreters.
(2) Außerdem bedarf er der Einwilligung desjenigen, dem seine Pflege und Erziehung zustehen.
(3) Werden die nach den Abs. 1 und 2 erforderlichen Einwilligungen verweigert, so hat das Gericht sie auf Antrag des Verlobten, der ihrer bedarf, zu ersetzen, wenn keine gerechtfertigten Gründe für die Weigerung vorliegen.
Form der Eheschließung:
§ 17 (1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
Mangel der Form
§ 21 (1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch § 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
Zu A) Abweisung der Beschwerde:
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht in seiner bisherigen Rechtsprechung vom traditionellen Bild der Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts aus (vgl. EGMR 24.01.1986. Rees, Serie A 106, Z 49 f.; EGMR 27.09.1990, Cossey, Serie A 184, Z 43; EGMR 11.07.2002 [GK], Christine Goodwin, RJD 2002-VI, Z 98). Es entspricht damit dem Ehebegriff aller europäischen Rechtsordnungen, in denen übereinstimmend unter "Ehe" eine auf Dauer angelegte, unter Beachtung bestimmter staatlicher Formvorschriften geschlossene Bindung eines Mannes und einer Frau verstanden wird. Die Regelung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit muss durch Gesetz erfolgen. Anerkannte Ehehindernisse sind beispielsweise Blutsverwandtschaft, Geschäftsfähigkeit und auch die fehlende freie Zustimmung.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems steht es allerdings dem Bundesverwaltungsgericht (nunmehr) offen, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002).
Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich subsidiär Schutzberechtigte XXXX , StA Afghanistan) als Ehegatte der Beschwerdeführerin genannt.
Die Behörde wies den Einreiseantrag der Beschwerdeführerin gegenständlich im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Ehe nicht bereits im Herkunftsland bestanden habe.
Zunächst ist hiezu festzuhalten, dass mit dem FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) vor dem Hintergrund der Bestimmungen der Richtlinie 2011/95/EU - "StatusRL" (vgl. EBzRV 1523 der Beilagen XXV. GP) mit Inkrafttretensdatum 01.11.2017 unter anderem in § 34 Abs. 2 und Abs. 3 AsylG 2005 jeweils die Z. 2 ohne Übergangsbestimmung (vgl. § 73 Abs. 18 AsylG 2005) entfiel und in § 35 Abs. 5 leg.cit. die Wendungen "im Herkunftsstaat" jeweils durch die Wortfolge "vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten" ersetzt wurden. Die nach der alten Rechtslage geforderte Voraussetzung, dass die Ehe bereits im Herkunftsstaat bestanden haben müsse, kann daher nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr als Ablehnungsgrund für die Verweigerung des beantragten Visums herangezogen werden. Da die Ehe - der neuen Rechtslage entsprechend - bereits vor Einreise der Bezugsperson in das Bundesgebiet geschlossen wurde (siehe hiezu oben), ist die o.a. Begründung der Behörde für die Verweigerung des Visums nicht mehr aufrecht zu erhalten.
Gegenständlich ist jedoch anzuführen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der traditionellen Eheschließung am 01.08.2011 erst 14 Jahre alt und die Bezugsperson 16 Jahre alt war.
Es liegt somit weder eine nach afghanischem noch nach österreichischem Recht gültige Ehe vor. Das afghanische Zivilgesetzbuch vom 05.01.1977 führt in seinem Art. 70 aus, dass die Ehefähigkeit bei Frauen eintritt, wenn sie das 16. Lebensjahr vollendet haben, und bei Männern, wenn sie das 18. Lebensjahr vollendet haben. Nach Art. 71 Abs. 1 kann eine Ehe dann, wenn das Mädchen nicht das in Art. 70 vorgesehene Alter vollendet hat, durch den wahren gewalthabenden Vater oder durch das zuständige Gericht geschlossen werden. Nach Art. 71 Abs. 2 ist die Vermählung von Mädchen unter 15 Jahren jedenfalls unzulässig.
Das Verfahren hat unzweifelhaft ergeben, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt der Eheschließung nach traditionellem islamischen Ritus am 01.08.2011 erst 14 Jahre alt (und die Bezugsperson erst 16 Jahre alt) war. Die Eheschließung ist daher bereits nach afghanischem Recht als unzulässig und damit nicht als rechtswirksam zustande gekommen zu qualifizieren.
Auch wenn man von der Gültigkeit der "Ehe" nach afghanischem Recht ausgehen wollte (Anm: wovon das erkennende Gericht nicht ausgeht), wäre eine solche "Ehe" in Österreich als dem ordere-public widersprechend und somit als ungültig anzusehen. Nach § 6 IPRG ist eine Bestimmung des fremden Rechtes dann nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. Eine Kinderehe widerspricht eindeutig den Grundwerten der österreichischen Rechtsordnung, und folgt aus § 6 IPRG, dass die von der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson geschlossene "Ehe" in Österreich keinen Rechtsbestand hat.
So hat auch der Oberste Gerichtshof, jeweils unter Verweis auf Art. 16 Haager Minderjährigenschutzabkommen und § 6 IPRG in seinen Entscheidungen OGH 7Ob 600/86, 9 Ob 34/10f und 6 Ob 138/13g dargelegt, dass außerhalb der verfassungsrechtlich geschützten Grundwertungen etwa die Einehe, das Verbot der Kinderehe und des Ehezwanges, der Schutz des Kindeswohles im Kindschaftsrecht oder das Verbot der Ausbeutung der wirtschaftlichen und sozial schwächeren Partei zum Inhalt der geschützten Grundwertungen des österreichischen Rechts zählen.
Auch aus der Entscheidung des EGMR vom 08.12.2009 (Case of Munoz Diaz vs. Spain, No. 49.151/07) geht hervor, dass keine Verpflichtung besteht, Eheschließungen auf Grundlage fremder Rechtsordnungen anzuerkennen, die den Grundwerten der nationalen Rechtsordnung widersprechen.
Damit erweist sich jedoch eine Schutzgewährung an die Beschwerdeführerin im Rahmen eines Familienverfahrens gem. § 34 AsylG als unwahrscheinlich und war der Einreisetitel daher gem. § 35 Abs. 1 und 4 AsylG zu versagen. Die Verweigerung des beantragten Visums erfolgte im Ergebnis zu Recht.
Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Einreisetitel, Kinderehe, ordre publicEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2019:W185.2163967.1.00Zuletzt aktualisiert am
24.01.2020