TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/4 W239 2116215-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 04.11.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

04.11.2019

Norm

AsylG 2005 §35
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W239 2116215-2/2E

W239 2116217-2/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Theresa BAUMANN über die Beschwerden von 1.) XXXX , geb. XXXX , und 2.) XXXX , geb. XXXX , beide StA. Nigeria, gegen die Bescheide der österreichischen Botschaft Abuja vom 20.05.2019, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerden werden gemäß Art. 35 Abs. 2 und 4 AsylG 2005 idgF

als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin ist die Mutter der Zweitbeschwerdeführerin. Sie stellte am 11.03.2014 bei der Österreichischen Botschaft Abuja (ÖB Abuja) für sich und ihre zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährige Tochter die nunmehr gegenständlichen Anträge auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005. Als Bezugsperson wurde XXXX geb. XXXX , StA. Nigeria, genannt, welcher der Ehemann der Erstbeschwerdeführerin bzw. der Vater der Zweitbeschwerdeführerin sei. Der Bezugsperson wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 13.09.2010, Zl. XXXX , der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

2. Zuvor waren zwei in den Jahren 2011 und 2013 gestellte Anträge der Beschwerdeführerinnen auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 mit der Begründung abgewiesen worden, dass es den Beschwerdeführerinnen auch möglich sei, mit der Bezugsperson ein Familienleben in einem der Länder der 1975 gegründeten Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) zu führen.

3. Im nunmehr gegenständlichen Verfahren verweigerte die ÖB Abuja in einem mit als "Information" übertitelten Schreiben vom 11.05.2015 die Erteilung der beantragten Visa und verwies in der Begründung abermals darauf, dass den Beschwerdeführerinnen und der Bezugsperson das Führen eines gemeinsamen Familienlebens auch anderswo außerhalb von Nigeria, beispielsweise in einem der Länder der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS), möglich sei.

Gegen das Schreiben erhoben die Beschwerdeführerinnen Beschwerde.

Mit "Beschwerdevorentscheidung" vom 06.08.2015 wies die ÖB Abuja die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Erledigung vom 11.05.2015 nunmehr "Bescheid" zu lauten habe.

Nach Vorlageantrag der Beschwerdeführerinnen wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde mit Beschluss vom 11.08.2017 als unzulässig zurück und führte im Wesentlichen aus, dass das Schreiben der ÖB Abuja vom 11.05.2015 aufgrund wesentlicher Mängel keinen Bescheidcharakter aufweise und somit seitens der ÖB Abuja kein Bescheid erlassen worden sei. Daran könne auch die nachträglich in der "Beschwerdevorentscheidung" vorgenommene Änderung der Bezeichnung der Erledigung als "Bescheid" nichts ändern. Mangels Vorliegen eines Bescheides seien die Beschwerden daher mit Beschluss zurückzuweisen.

Abschließend wurde in Zusammenhang mit der Regelung des § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 idF BGBl. I Nr. 87/2012 auf das Erkenntnis des VwGH vom 04.08.2016, Ra 2016/21/0083 ua., verwiesen und festgehalten, dass es gegenständlich hinsichtlich der Frage der Zumutbarkeit der Führung des Familienlebens in der Westafrikanischen Staatengemeinschaft (ECOWAS) entsprechender Ermittlungen bedürfe.

Betreffend die Zweitbeschwerdeführerin wurde ergänzend angemerkt, dass diese während des Verfahrens volljährig geworden sei, sodass sie bei Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr den Bestimmungen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 unterliege; daher erweise sich der Einreisetitel nach § 35 AsylG 2005 als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater zu entsprechen.

4. In weiterer Folge wurden Ermittlungen durchgeführt. Dem Aktenvermerkt zur Wahrscheinlichkeitsprognose des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) für die Vertretungsbehörde vom 29.09.2017 ist zu entnehmen, dass gegen die Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden sei, sodass den Einreiseanträgen der Beschwerdeführerinnen nicht stattgegeben werden könne.

5. Am 07.12.2017 wurde seitens des Österreichischen Roten Kreuzes (ÖRK) in einer Stellungnahme für die Beschwerdeführerinnen vorgebracht, dass am 01.11.2017 das FrÄG 2017 (BGBl. I Nr. 145/2017) in Kraft getreten sei, welches eine wesentliche Änderung der Rechtslage mit sich gebracht habe. Der bisher geltende § 34 Abs. 2 Z 2 AsylG 2005 sei ersatzlos gestrichen worden, sodass die allfällige Möglichkeit der Fortsetzung des Familienlebens in einem anderen Staat keine taugliche Grundlage für eine Abweisung eines Antrags auf Familienzusammenführung gemäß § 35 AsylG 2005 iVm § 26 FPG mehr sei. Aufgrund fehlender Übergangsbestimmungen sei das Gesetz mit 01.11.2017 in Kraft getreten; die aktuelle Rechtslage sei somit auf alle laufenden Verfahren, auch auf das gegenständliche, anzuwenden. Es werde um Erlassung einer positiven Mitteilung gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 zwecks Erteilung eines Einreisevisums ersucht.

Per E-Mail vom 06.05.2019 bat die zuständige Mitarbeiterin des ÖRK die ÖB Abuja um Auskunft betreffend den Verfahrensstand.

6. Mit Bescheid vom 20.05.2019, zugestellt am 21.05.2019, verweigerte die ÖB Abuja die beantragten Visa mit der Begründung, dass gegen die Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren eingeleitet worden sei.

Per E-Mail vom 03.06.2019 merkte die zuständige Mitarbeiterin des ÖRK zum Bescheid vom 20.05.2019 unter anderem an, dass sie nie die Gelegenheit erhalten habe, zum genannten Ablehnungsgrund Stellung zu nehmen. Es sei zwar am 07.12.2019 per E-Mail an die ÖB Abuja und an das zuständige BFA eine Stellungnahme zu einer relevanten Gesetzesänderung eingebracht worden, dies jedoch ohne jegliche Aufforderung bzw. ohne Kenntnis einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose und vor allem ohne Kenntnis des nunmehr verzeichneten Ablehnungsgrundes. Des Weiteren wurde bemängelt, dass der Bescheid erst jetzt - fast zwei Jahre nach dem Ergehen des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts - per "neuerlicher Durchgabe" erlassen worden sei.

7. Gegen den Bescheid erhoben die Beschwerdeführerinnen durch das ÖRK mit Schriftsatz vom 18.06.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, es sei nicht richtig, dass die Beschwerdeführerinnen Gelegenheit bekommen hätten, mittels einer "Aufforderung zur Stellungnahme" seitens der ÖB Abuja oder des BFA Stellung zur beabsichtigten Entscheidung zu nehmen. Dem Bescheid sei zu entnehmen, dass die ÖB Abuja die negative Wahrscheinlichkeitsprognose telefonisch erhalten habe. Eine schriftliche Stellungnahme und Mitteilung des BFA sei den Beschwerdeführerinnen zu keinem Zeitpunkt zur Kenntnis gebracht worden. Offensichtlich sei aufgrund der telefonisch übermittelten negativen Wahrscheinlichkeitsprognose der nun vorliegende negative Bescheid ergangen. Die Beschwerdeführerinnen seien in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt, da die Behörde es unterlassen habe, ihnen die Möglichkeit zur Stellungnahme zu geben.

Zum Ablehnungsgrund des laufenden Aberkennungsverfahrens gegen die Bezugsperson wurde ausgeführt, dass es möglich sei, eine Einreise von Familienangehörigen allein dadurch zu unterbinden, dass ein Verfahren zur Aberkennung des Status eingeleitet werde, unabhängig davon, wie über dieses Verfahren schlussendlich entschieden werde. Eine unparteiische Behandlung wäre schon dadurch gefährdet, dass sowohl über das Aberkennungsverfahren als auch über die Einreise der Familie durch dieselbe Behörde abgesprochen werde. Im vorliegenden Fall würde eine Ablehnung aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahrens bedeuten, dass der Ausgang desselben abgewartet werden müsste, bevor ein neuerlicher Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gestellt werden könnte. Dies hätte zur Folge, dass die Bezugsperson die zusätzlichen Voraussetzungen des §°60°Abs.°2°AsylG 2005 erfüllen müsste, damit seine Familie einreisen könnte. Die Beschwerdeführerinnen würden somit - selbst bei vollkommener Haltlosigkeit des Aberkennungsverfahrens - einen erheblichen Nachteil erleiden.

Per E-Mail vom 24.06.2019 wurde die Vollmacht des ÖRK nachgereicht.

8. Mit Schreiben der ÖB Abuja vom 16.07.2019 wurden die Beschwerdeführerinnen nachträglich zur Stellungnahme (Parteiengehör) betreffend das Aberkennungsverfahren gegen die Bezugsperson aufgefordert.

Per E-Mail vom 18.07.2019 bat die zuständige Mitarbeiterin des ÖRK um Klärung des Verfahrensstandes und um Fristerstreckung.

Die ÖB Abuja teilte ihr daraufhin per E-Mail vom 18.07.2019 mit, dass der Bescheid vom 20.05.2019 noch gültig sei. Gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG bestehe die Möglichkeit der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung innerhalb von zwei Monaten. Genauso bestehe die Möglichkeit, innerhalb der Zweimonatsfrist Verfahrensschritte nachzuholen. So werde das seinerzeit nicht durchgeführte Parteiengehör betreffend das Aberkennungsverfahren der Bezugsperson nachgeholt. Es werde eine Fristerstreckung von einer Woche gewährt.

9. Mit Stellungnahme vom 29.07.2019 wurde ausgeführt, dass die Verfahrensdauer des Familienverfahrens für die Familie in Österreich und im Herkunftsland untragbar sei und man unter gar keinen Umständen von Entscheidungen ohne unnötigen Aufschub sprechen könne. Abermals wurde ausgeführt, dass eine Ablehnung aufgrund des anhängigen Aberkennungsverfahrens bedeute, dass der Ausgang desselben abgewartet werden müsste, bevor ein neuerlicher Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gestellt werden könnte und die Bezugsperson zusätzlich die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 AsylG 2005 erfüllen müsste, damit seine Familie einreisen könnte.

In weiterer Folge wurde seitens der ÖB Abuja wegen abgelaufener Frist keine Beschwerdevorentscheidung erlassen.

10. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 04.10.2019 wurde am 11.10.2019 dem Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Festgestellt wird der oben wiedergegebene Verfahrensgang; insbesondere wird festgestellt, dass betreffend die von den Beschwerdeführerinnen namhaft gemachte und asylberechtigte Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 AsylG 2005 anhängig ist (vom BFA eingeleitet mit 29.09.2017 und seit 24.09.2019 beim Bundesverwaltungsgericht anhängig).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB Abuja.

Die Feststellung, dass bezüglich der Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren in der Beschwerdeinstanz anhängig ist, ergibt sich aus einer Nachschau (zuletzt aktuell vom heutigen Tag) im ho. Kanzleisystem; es scheint hier ein zur Zl. XXXX protokolliertes und damit ho. gerichtlich anhängiges Aberkennungsverfahren gemäß §§ 7, 57 AsylG 2005 betreffend die Bezugsperson auf. Dies steht im Einklang mit einem aktuellen Auszug aus dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) zur Bezugsperson, dem sich dasselbe entnehmen lässt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Abweisung der Beschwerden:

§ 35 Asylgesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (AsylG 2005), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 56/2018, lautet:

"Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei einer mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3. im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat."

Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF lauten:

"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. In Verfahren zur Erteilung eines Visums gemäß § 20 Abs. 1 Z 9 sind Art. 9 Abs. 1 erster Satz und Art. 14 Abs. 6 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.

(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.

(4) Vollinhaltlich ablehnende Entscheidungen gemäß Abs. 1 betreffend Visa D sind schriftlich in einer Weise auszufertigen, dass der Betroffene deren Inhalt und Wirkung nachvollziehen kann. Dem Betroffenen sind die Gründe der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit, die der ihn betreffenden Entscheidung zugrunde liegen, genau und umfassend mitzuteilen, es sei denn, dass Gründe der Sicherheit der Republik Österreich dieser Mitteilung entgegenstehen. In der schriftlichen Ausfertigung der Begründung sind auch die Rechtsmittelinstanz und die Rechtsmittelfrist anzugeben.

(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.

(6) Kann dem Antrag auf Erteilung eines Visums D auf Grund zwingender außenpolitischer Rücksichten oder aus Gründen der nationalen Sicherheit nicht stattgegeben werden, so ist die Vertretungsbehörde ermächtigt, sich auf den Hinweis des Vorliegens zwingender Versagungsgründe zu beschränken. Der maßgebliche Sachverhalt muss auch in diesen Fällen im Akt nachvollziehbar sein.

(7) Der Fremde hat im Antrag auf Erteilung eines Visums D den jeweiligen Zweck und die beabsichtigte Dauer der Reise und des Aufenthaltes bekannt zu geben. Der Antrag ist zurückzuweisen, sofern der Antragsteller, ausgenommen die Fälle des § 22 Abs. 3, trotz Aufforderung und Setzung einer Nachfrist kein gültiges Reisedokument oder gegebenenfalls kein Gesundheitszeugnis vorlegt oder wenn der Antragsteller trotz entsprechenden Verlangens nicht persönlich vor der Behörde erschienen ist, obwohl in der Ladung auf diese Rechtsfolge hingewiesen wurde.

(8) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können bei Zustimmung des gesetzlichen Vertreters die Erteilung eines Visums selbst beantragen.

(9) Für Entscheidungen über die Erteilung eines Visums für Saisoniers (§ 2 Abs. 4 Z 13) oder Praktikanten (§ 2 Abs. 4 Z 13a) ist Art. 23 Abs. 1 bis 3 Visakodex sinngemäß anzuwenden.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Familienangehörigen gemäß § 35 Abs. 5 AsylG 2005 ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr des BFA) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt der Vertretungsbehörde keine eigene Prüfungskompetenz zu (VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152 uvam).

Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG), BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offensteht, auch die Einschätzung des BFA über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, zumal die Prognose des BFA aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist.

Der Auffassung der ÖB Abuja, dass den Einreiseanträgen nicht stattzugeben sei, zumal gegen die Bezugsperson ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 AsylG 2005 anhängig sei, ist beizupflichten:

Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich asylberechtigte XXXX geb. XXXX StA. Nigeria, als Ehemann bzw. Vater der Beschwerdeführerinnen genannt. Am 29.09.2017 wurde jedoch seitens des BFA ein Aberkennungsverfahren eingeleitet.

Das Bundesverwaltungsgericht hat in einem gleichgelagerten Fall bereits in seinem Erkenntnis vom 27.12.2017, Zl. W241 2175651 (bis 2175657)-1/2E, Nachstehendes erkannt:

"Entscheidender Punkt im gegenständlichen Verfahren ist, dass gegen die Bezugsperson ein Aberkennungsverfahren anhängig ist. Diesbezüglich lässt die Bestimmung des § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG keinen Auslegungsspielraum. Da die Voraussetzung des § 34 Abs. 4 Z 1 schon dann nicht erfüllt ist, wenn ein Aberkennungsverfahren bloß anhängig ist, besteht nach dem Wortlaut des Gesetzes auch kein Raum für eine Aussetzung des Verfahrens, da es sich bei der Entscheidung im Aberkennungsverfahren nicht um eine Vorfrage handelt. Die Anhängigkeit des Aberkennungsverfahrens reicht aus, um zwingend zu einer negativen Wahrscheinlichkeitsprognose zu führen. Eine Überprüfung der Einleitung des Aberkennungsverfahrens steht dem Bundesverwaltungsgericht nicht zu.

Die BF hätten lediglich die Möglichkeit gehabt, ihre Anträge bzw. ihre Beschwerde zurückzuziehen, um den Verfahrensausgang abzuwarten. Sie haben auch jederzeit die Möglichkeit, einen neuen Antrag zu stellen.

Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag ein jeweils mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des BFA, dass die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten bzw. subsidiär Schutzberechtigten an die BF in Bezug auf den in Österreich befindlichen Sohn bzw. Bruder nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG nicht vorliegen."

Gleiches gilt für den gegenständlichen Fall: Der Beschwerdeeinwand bzw. der im Rahmen der Stellungnahme vom 29.07.2019 getätigte Einwand, dass das Aberkennungsverfahren als Vorfrage zum gegenständlichen Verfahren zu sehen sei, ist verfehlt, hat doch der Gesetzgeber mit dem FräG 2009 und konkret der Bestimmung des § 35 Abs. 4 Z 1 AsylG 2005 das Ziel verfolgt, dass "sich Fremde nicht auf den unsicheren Status einer Bezugsperson berufen können, gegen die ein Aberkennungsverfahren eingeleitet wurde."

Wie oben festgestellt und von den Beschwerdeführerinnen auch nicht in Abrede gestellt, ist gegen die Bezugsperson seit 29.09.2017 ein Asylaberkennungsverfahren anhängig. Die Versagung der beantragten Visa stützt sich auf eben diesen Umstand und wurde den Beschwerdeführerinnen dazu letztlich auch das ihnen zustehende Parteiengehör gewährt, zumal sie mit Schreiben der ÖB Abuja vom 16.07.2019 zur Stellungnahme aufgefordert wurden. Ihre abgegebene Stellungnahme wird in der hg. Entscheidung berücksichtigt, kann die dem angefochtenen Bescheid zugrundeliegende Beurteilung des Sachverhaltes seitens der ÖB Abuja jedoch nicht entkräften.

Darüber hinaus ist betreffend die Zweitbeschwerdeführerin anzuführen, dass diese während des Verfahrens volljährig geworden ist, sodass sie bei einer etwaigen Beantragung des internationalen Schutzes nach Einreise in das Bundesgebiet nicht mehr den Bestimmungen des Familienverfahrens nach § 34 AsylG 2005 unterliegt. Der Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 AsylG 2005 erweist sich daher als ungeeignetes Mittel, um dem Anliegen auf Familienzusammenführung mit ihrem in Österreich lebenden Vater zu entsprechen.

In Hinblick auf das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK ist auszuführen, dass Gegenstand des Beschwerdeverfahrens nur ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 AsylG 2005 ist, worüber die Botschaft in einem relativ formalisierten Ermittlungsverfahren zu entscheiden hat, und dass die Tatbestandsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesbestimmung im gegenständlichen Fall nicht vorliegen.

Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt nämlich keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten nach dem AsylG zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen.

Den Einreiseanträgen war daher im Hinblick auf die Anhängigkeit eines Asylaberkennungsverfahrens der Bezugsperson sowie (ergänzend) im Hinblick darauf, dass die Zweitbeschwerdeführerin mittlerweile volljährig ist, nicht stattzugeben.

Im Übrigen bleibt es den Beschwerdeführerinnen unbenommen, im Falle, dass das Asylaberkennungsverfahren der Bezugsperson nicht zur Aberkennung ihres Asylstatus führen sollte und auch die übrigen Voraussetzungen für die Erteilung von Einreisetiteln nach § 35 AsylG 2005 erfüllt sein sollten, jederzeit neue Einreiseanträge zu stellen.

In Anbetracht dessen, dass im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels besteht, war spruchgemäß zu entscheiden.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG war dieses Erkenntnis ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu erlassen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im vorliegenden Fall ist die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Aberkennungsverfahren, Einreisetitel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W239.2116215.2.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten