TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/13 G312 2213863-1

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Veröffentlicht am 13.11.2019
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Entscheidungsdatum

13.11.2019

Norm

AlVG §11
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

G312 2213863-1/12E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Manuela WILD als Vorsitzende sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Christian FITZEK und KammR Marcus GORDISCH als Beisitzer über die Beschwerde des XXXX, SVNR: XXXX, vom 26.11.2018 gegen den Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice vom 13.11.2018, XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.09.2019 zu Recht erkannt:

A)

Der Beschwerde wird als begründet s t a t t g e g e b e n und der Bescheid dahingehend abgeändert, als ganze Nachsicht von der Sperrfrist erteilt wird.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle XXXX des Arbeitsmarktservice (im Folgenden: belangte Behörde) vom 13.11.2018 wurde ausgesprochen, dass der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 13.10.2018 bis 09.11.2018 des XXXX (im Folgenden: Beschwerdeführer oder kurz BF) gemäß § 11 AlVG 1977 gesperrt ist.

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass der BF das Dienstverhältnis der Firma XXXX während der Probezeit selbst freiwillig gelöst habe, Nachsichtsgründe nicht vorliegen würden.

2. Gegen den oben genannten Bescheid richtete sich die fristgerecht am 26.11.2018 per E-Mail bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde vom 26.11.2018. Der BF führte im Wesentlichen aus, dass die Entscheidung vollkommen unangemessen sei, da seine Angaben unberücksichtigt geblieben seien. Er habe sich die Stelle selbst gesucht, habe diese jedoch aus gesundheitlichen Gründen nicht weiter ausüben können. Er sei als Zimmererhelfer tätig gewesen, habe täglich zwischen 10 - 12 Stunden Belastungen auf seinen Beinen gehabt, die er nicht mehr ausgehalten habe, vor allem aufgrund seiner körperlichen Einschränkung am linken Fuß. Diese Einschränkungen habe er auch zu Beginn des Dienstverhältnisses seinem Chef mitgeteilt.

3. Die verfahrensgegenständliche Beschwerde wurde samt maßgeblichen Verwaltungsakt von der belangten Behörde am 31.01.2019 dem Bundesverwaltungsgericht vorgelegt und der Gerichtsabteilung G312 zugewiesen.

4. Am 18.09.2019 führte das BVwG eine öffentliche, mündliche Verhandlung durch, an der der BF sowie eine Behördenvertreterin teilgenommen haben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF steht wieder seit 30.09.2008 im Bezug von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung, zuletzt im Bezug der Notstandshilfe in der Höhe von € 31,49 täglich. Das letzte länger andauernde Beschäftigungsverhältnis bei XXXX endete am 30.09.2008.

1.2. Am 24.09.2008 begann der BF eine Beschäftigung als Zimmererhelfer bei der Firma XXXX (im Folgenden: AS), dieses Dienstverhältnis wurde vom BF selbst freiwillig in der Probezeit am 12.10.2018 gelöst.

Der BF erklärte am 16.01.2018 zu den Gründen für die Selbstlösung in der Probezeit niederschriftlich, dass er das Dienstverhältnis als Zimmererhelfer bei der Firma AS in der Probezeit selbst lösen hätte müssen. Er habe den täglichen Belastungen (10 - 12 Stunden) aufgrund seiner körperlichen Einschränkungen am linken Fuß nicht mehr standgehalten, die Schmerzen hätten sich laufend verschlechtert. Er bekomme aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen eine Dauerunfallrente der AUVA. Dies alles habe er AS beim ersten Einstellungsgespräch mitgeteilt.

1.3. Nach Anhörung des Regionalbeirates wurde seitens der belangten Behörde entschieden, dass keine berücksichtigungswürdigen Gründe für die Selbstlösung des Dienstverhältnisses vorliegen würden.

1.4. Am 15.02.2019 wurde der BF untersucht und ein medizinisches Gesamtgutachten erstellt und Folgendes festgestellt:

Der BF hatte 2009 einen Arbeitsunfall, bei dem ihm eine Platte auf seinen linke Ferse gefallen ist, wodurch er einen Bruch des linken Fersenbeins erlitten hat. Seit dieser Zeit war er nie mehr frei von Schmerzen. Die Fraktur wurde operativ behandelt. Vor allem bei vermehrter Belastung kommt es zu Beschwerden im Bereich des Sprunggelenkes, wobei diese auch im Ruhezustand auftreten. Phasenweise werden schmerzstillende Medikamente eingenommen. Des Weiteren bestehen belastungsabhängige Beschwerden im Bereich des linken Kniegelenkes bei Zustand nach altem Träume und beginnender degenerativer Abnützung des Kniegelenkes.

Dem BF sind demnach folgende Fähigkeiten aus medizinischer Sicht zumutbar:

Sitzen ständig; Stehen überwiegend; Gehen fallweise; leichte bis mittelschwere körperliche Arbeitsschwere; ständig inhalatorische Belastungen und Lärm; fallweise Vibrationen; exponierte Arbeiten möglich; Bildschirmarbeit; Publikumsverkehr; Nachtarbeit; Schichtarbeit und forcierte Belastung der Hände möglich; über Kopf arbeiten, Armvorhalt, vorgebeugt, gebückt, kniend und hockend fallweise möglich; Arbeiten in Kälte und Nässe und Hitze überwiegend möglich; fallweise forciertes Arbeitstempo; durchschnittlich psychische Belastbarkeit und mäßig schwieriges Leistungsvermögen.

1.5. Die freiwillige Lösung des Dienstverhältnisses durch den BF ist durch besonders berücksichtigungswürdige Gründe - aus gesundheitlichen Gründen, da die Weiterbeschäftigung aus medizinischer Sicht nicht zumutbar ist - gerechtfertigt

2. Beweiswürdigung:

Die oben getroffenen Feststellungen resultieren aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes der belangten Behörde und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Zu Spruchteil A):

Arbeitslose, deren Dienstverhältnis in Folge eigenen Verschuldens beendet worden ist oder die ihr Dienstverhältnis freiwillig gelöst haben, erhalten gemäß § 11 Abs. 1 AlVG für die Dauer von vier Wochen, gerechnet vom Tage der Beendigung des Dienstverhältnisses an, kein Arbeitslosengeld.

Der Ausschluss vom Bezug des Arbeitslosengeldes ist gemäß Abs. 2 leg. cit. in berücksichtigungswürdigen Fällen, wie zB wegen Aufnahme einer anderen Beschäftigung, freiwilliger Beendigung eines Dienstverhältnisses oder einer Erwerbstätigkeit aus zwingenden gesundheitlichen Gründen oder Einstellung der Erwerbstätigkeit wegen drohender Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit oder bei Saisonabhängigkeit wegen Saisonende, nach Anhörung des Regionalbeirates ganz oder teilweise nachzusehen.

3.2. Unstrittig ist, dass der BF das Dienstverhältnis, das er am 24.09.2018 bei der Firma AS aufgenommen hat, am 12.10.2018 selbst in der Probezeit gelöst hat. Strittig ist jedoch, ob dies aus zwingenden gesundheitlichen Gründen erfolgte und somit Nachsicht zu gewähren ist.

Die belangte Behörde erachtet die verfahrensgegenständliche Beschäftigung als Zimmererhelfer als zumutbar, der BF jedoch als unzumutbar.

Eine Beschäftigung ist gemäß § 9 Abs. 2 AlVG zumutbar, wenn sie den körperlichen Fähigkeiten der arbeitslosen Person angemessen ist, ihre Gesundheit und Sittlichkeit nicht gefährdet, angemessen entlohnt ist, in einem nicht von Streik oder Aussperrung betroffenen Betrieb erfolgen soll, in angemessener Zeit erreichbar ist oder eine entsprechende Unterkunft am Arbeitsort zur Verfügung steht sowie gesetzliche Betreuungsverpflichtungen eingehalten werden können.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es Aufgabe der Behörde, wenn nach einem ärztlichen Gutachten der Arbeitslose auf Grund gesundheitlicher Einschränkungen nur zu bestimmten Tätigkeiten herangezogen werden kann, die körperlichen Anforderungen einer zugewiesenen Beschäftigung mit den (verbliebenen) Fähigkeiten des Arbeitslosen zu vergleichen und danach zu beurteilen, ob dem Arbeitslosen die zugewiesene Beschäftigung gesundheitlich zugemutet werden kann (VwGH vom 23. Februar 2005, Zl. 2002/08/0119).

Gemäß § 11 zweiter Satz AlVG ist der Ausschluss vom Leistungsbezug in berücksichtigungswürdigen Fällen ganz oder teilweise nachzusehen. Mit der Novelle BGBl I Nr. 142/2000 fiel die Formulierung "ohne triftigen Grund" in § 11 erster Satz AlVG weg. Nach dem Bericht des Budgetausschusses (369 BlgNR 21. GP) sollen bei einer freiwilligen Lösung des Dienstverhältnisses allenfalls vorliegende Nachsichtsgründe, die die Auflösung eines Dienstverhältnisses rechtfertigen können, künftig nur mehr im Wege eines Nachsichtsverfahrens nach Anhörung des Regionalbeirats geprüft werden.

Daraus ergibt sich, dass der Gesetzgeber mit der Änderung des § 11 durch die Novelle BGBl. I Nr. 77/2004 die Prüfung von im Einzelfall vorliegenden subjektiven Faktoren der Unzumutbarkeit der Weiterbeschäftigung in den Bereich der Nachsichtsgewährung verlegen wollte. Weder dem Gesetz noch den Materialien ist aber zu entnehmen, dass dabei der Maßstab für deren Beachtlichkeit geändert werden soll. Die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes entwickelten Grundsätze zum Vorliegen von "triftigen Gründen" im Sinne des § 11 erster Satz AlVG aF sind daher auch für die Beurteilung der "berücksichtigungswürdigen Gründe" im Sinne des § 11 erster Satz AlVG nF heranzuziehen. Insbesondere sind für die Beurteilung des Vorliegens von Nachsichtsgründen im Sinne des § 11 erster Satz AlVG nF Zumutbarkeitsgesichtspunkte maßgebend, wie sie etwa § 9 Abs. 2 und 3 AlVG auch für den arbeitslos gewordenen Versicherten im Hinblick auf dessen Verpflichtung, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich bietende Arbeitsgelegenheit zu ergreifen, vorsieht. Soweit das Arbeitsverhältnis betreffende Umstände für die Auflösung eines Dienstverhältnisses in Betracht kommen, wird es sich zwar nicht nur um Vorfälle handeln müssen, die einen Austrittsgrund im Sinne des Arbeitsvertragsrechtes (etwa im Sinne des § 26 Angestelltengesetz und verwandter Rechtsvorschriften) darstellen, zumindest aber um solche, die einem solchen wichtigen Grund zumindest nahekommen. Jedenfalls hat die bei Anwendung des § 11 AlVG vorzunehmende Zumutbarkeitsprüfung die gänzlich anders geartete Situation des in Beschäftigung Stehenden (zum Unterschied zu dem bereits arbeitslos Gewordenen) zu berücksichtigen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 4. Juni 2008, Zl. 2007/08/0063).

Nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes sind bei der Auslegung des unbestimmten Gesetzesbegriffes "triftige Gründe" vor allem Zumutbarkeitsgesichtspunkte maßgebend, wie sie etwa § 9 Abs. 2 und 3 AlVG auch für den arbeitslos gewordenen Versicherten im Hinblick auf dessen Verpflichtung, eine vom Arbeitsmarktservice vermittelte oder sich bietende Arbeitsgelegenheit zu ergreifen, vorsehen. Soweit als triftiger Grund für die Auflösung eines Dienstverhältnisses das Arbeitsverhältnis betreffende Umstände in Betracht kommen, wird es sich um solche handeln müssen, die einem wichtigen Grund (etwa im Sinne des § 26 Angestelltengesetz) zumindest nahekommen (VwGH vom 19. Mai 1992, Zl. 91/08/0189, vom 8. September 2000, Zl. 2000/19/0052, und vom 4. April 2002, Zl. 99/08/0092)

Der Beschwerdeführer hat das Dienstverhältnis zur Firma AS unbestrittenerweise durch Selbstlösung beendet und begründet dies damit, dass er die Beschäftigung aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr geschafft habe.

Bei Gefährdung der Gesundheit genügt es, wenn bei Fortsetzung der Arbeitsleistung ein gesundheitlicher Schaden zu erwarten ist. Die Bedrohung der Gesundheit muss im Zeitpunkt der Beendigung bestehen.

Dem BF ist beizupflichten, wenn er in der Gefährdung der Gesundheit, so diese durch die Fortsetzung der Arbeitsleistung zu erwarten ist, einen berücksichtigungswürdigen Fall im Sinne des § 11 Satz 2 AlVG sieht. Zur Beurteilung der Frage, ob die Tätigkeit eine Gesundheitsgefährdung darstellt, sind die Zumutbarkeitsbestimmung des § 9 Abs 2 AlVG heranzuziehen. Ist nämlich die Beschäftigung wegen Gefährdung der Gesundheit nicht zumutbar, kann darin auch ein berücksichtigungswürdiger Grund, das Dienstverhältnis freiwillig zu lösen, liegen.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu Spruchteil B): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG im vorliegenden Fall nicht zulässig weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, abhängt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus uneinheitlich zu beurteilen und es liegen auch keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Freiwilligkeit, gesundheitliche Beeinträchtigung,
Nachsichterteilung, Notstandshilfe, Unzumutbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G312.2213863.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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