TE Bvwg Erkenntnis 2019/11/14 W263 2133759-1

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Veröffentlicht am 14.11.2019
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Entscheidungsdatum

14.11.2019

Norm

AlVG §24
AlVG §25
AlVG §38
B-VG Art. 133 Abs4

Spruch

W263 2133759-1/5E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag.a Christina KERSCHBAUMER als Vorsitzende und die fachkundige Laienrichterin Barbara SCHRÖDING und den fachkundigen Laienrichter Mag. Rudolf NORTH als Beisitzer über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , gegen den Bescheid des Arbeitsmarktservice XXXX vom 28.07.2016, VN XXXX , in nicht-öffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid des Arbeitsmarktservice

XXXX (im Folgenden: AMS) vom 28.07.2016 wurde gemäß § 38 in Verbindung mit § 24 Abs. 2 Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977 (AlVG), BGBl. Nr. 609/1977 in geltender Fassung, der Bezug der Notstandshilfe für den Zeitraum vom 01.07.2015 bis 31.07.2015 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und der nunmehrige Beschwerdeführer gemäß § 38 in Verbindung mit § 25 Abs. 1 AlVG zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe in Höhe von € 895,90 verpflichtet.

Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung für den gegenständlichen Zeitraum zu Unrecht bezogen habe, weil er innerhalb eines Monats eine geringfügige Beschäftigung im Anschluss an eine Vollversicherung bei der XXXX aufgenommen habe. Er habe die vollversicherungspflichtige Beschäftigung - und somit den Umstieg von vollversichert auf geringfügig - nicht beim Arbeitsmarktservice gemeldet.

2. Mit Schreiben vom 29.07.2016 erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde, in der er im Wesentlichen ausführte, dass es unterschiedliche Lohnzettel bzw. Unterschiede in der Verrechnung gebe. Da er seitens XXXX auch nicht darüber informiert worden sei, dass er vollversichert worden sei und danach wieder geringfügig, sehe er nicht ein, warum er den offenen Betrag zahlen solle.

3. Die Beschwerde wurde dem Bundesverwaltungsgericht unter Anschluss der Akten des Verwaltungsverfahrens am 17.08.2016 vorgelegt.

4. Die den vorgelagerten Widerrufs- und Rückforderungszeitraum vom 01.06.2015 bis 30.06.2015 betreffende Beschwerde wurde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, an welcher der Beschwerdeführer nicht teilnahm, als unbegründet abgewiesen. Das Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft (s. BVwG vom XXXX , XXXX ).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer bezog ab 21.08.2012 mit Unterbrechungen Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung. Gegenständlich zuletzt stellte er im Februar 2015 einen Antrag auf Notstandshilfe. Auf Seite 4 wurde der Beschwerdeführer darüber informiert, dass er gemäß § 50 Abs. 1 AlVG unter anderem verpflichtet ist, dem AMS spätestens innerhalb einer Woche nach Eintritt des Ereignisses jede Änderung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse sowie jede andere für den Fortbestand und das Ausmaß seines Anspruches maßgebende Änderung zu melden.

Am 23.04.2015 meldete der Beschwerdeführer dem AMS (lediglich) die Aufnahme eines geringfügigen Dienstverhältnisses.

Das Dienstverhältnis zur XXXX dauerte vom 24.04.2015 bis 31.07.2015 und endete durch einvernehmliche Auflösung. Es waren ein Bruttostundenlohn in Höhe von € 8,94 und eine Beschäftigung im Ausmaß von 10 Wochenstunden vereinbart.

Im Juni 2015 verrichtete der Beschwerdeführer für die XXXX erheblich mehr Arbeitsstunden, ohne dies dem AMS zu melden.

Der Beschwerdeführer stellte im Wege der XXXX sowie auch persönlich Forderungen an den Dienstgeber in Höhe von gesamt € 1.624,53 brutto. Der Beschwerdeführer forderte u.a. vom 01.06.2015 bis 30.06.2015 ein Mehrarbeits- und Überstundenentgelt in der Höhe von € 793,65 brutto. Der Beschwerdeführer einigte sich letztlich mit der XXXX im Wege eines außergerichtlichen Vergleichs vom 14.10.2015. Ihm wurden zur Abgeltung sämtlicher Ansprüche aus dem Dienstverhältnis € 900,-

netto ausbezahlt.

Am 10.03.2016 erhielt das AMS vom Hauptverband der Sozialversicherungsträger die Mitteilung, dass die Anmeldung des Beschwerdeführers bei der XXXX ab 01.06.2015 geändert wurde. Demnach war der Beschwerdeführer vom 24.04.2015 bis 31.05.2015 geringfügig, vom 01.06.2015 bis 30.06.2015 voll versicherungspflichtig als Arbeiter und vom 01.07.2015 bis 31.07.2015 neuerlich wieder geringfügig beschäftigt.

All diese Umstände meldete der Beschwerdeführer ebenso wenig wie seine Mehrarbeitsleistung.

Am 31.03.2016 gab der Beschwerdeführer dem AMS bekannt, dass die Vollzeitmeldung bei der XXXX für Juni 2015 nicht korrekt sei; weiters teilte er mit, dass er eine Nachzahlung erhalten habe, weil der Lohn falsch ausbezahlt worden sei.

Mit dem Bescheid des AMS vom 29.04.2016 wurde der Widerruf des Bezuges der Notstandshilfe im Zeitraum vom 01.06.2015 bis 30.06.2015 sowie die Rückforderung der empfangenen Notstandshilfe in Höhe von €

867,- mit der Begründung ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer in einem vollversicherten Dienstverhältnis zur XXXX gestanden sei. Die dagegen erhobene Beschwerde wurde nach Beschwerdevorentscheidung vom 15.07.2016 aufgrund des Vorlageantrages mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts als unbegründet abgewiesen. Das Bundesverwaltungsgericht begründete die Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer im Juni 2015 eine der Vollversicherung unterliegende Beschäftigung ausübte und dass der Beschwerdeführer dem AMS weder meldete, dass er im Juni 2015 Überstunden leistete und von seinem ehemaligen Arbeitgeber (u.a. aus diesem Grund) Nachzahlungen aus dem Arbeitsverhältnis forderte, noch, dass ihm die Vergleichssumme von € 900,- netto ausbezahlt wurde. Der Beschwerdeführer hätte bei Gebrauch seiner gewöhnlichen Fähigkeiten und der nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen müssen, dass ihm die Leistung des AMS nicht gebührt.

Von 01.07.2015 bis 31.07.2015 bezog der Beschwerdeführer Notstandshilfe in Höhe von € 895,90 (Tagsatz in Höhe von € 28,90 x 31 Tage).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich eindeutig und unzweifelhaft aus den zur gegenständlichen Rechtssache vorliegenden Verfahrensakten des AMS und des Bundesverwaltungsgerichts.

Die Feststellungen zum Bezug des Beschwerdeführers von Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung beruhen inbs. auf dem Bezugsverlauf vom 17.08.2016. Der Antrag auf Notstandshilfe vom 26.02.2015 liegt im Akt ein.

Dass der Beschwerdeführer dem AMS am 23.04.2015 die Aufnahme eines geringfügigen Dienstverhältnisses meldete, ergibt sich aus der Beschwerdevorentscheidung vom 15.07.2016 und dem EDV-Eintrag hinsichtlich der Meldung vom 23.04.2015. Dass der Beschwerdeführer die folgenden Umstände, darunter die im Juni 2015 verrichtete Mehr- bzw. Überstundenarbeit, die Forderung, die Einigung sowie den von XXXX ausbezahlten Betrag, dem AMS meldete, wurde weder vorgebracht, noch kam dies sonst hervor (s. auch XXXX ).

Die Feststellungen zum Beschäftigungsverhältnis des Beschwerdeführers zur XXXX ergeben sich aus dem Versicherungsverlauf vom 17.08.2016 in Zusammenschau mit den weiteren Akteninhalten und insb. der Lohnabrechnung Juni 2015. Die Leistung der Mehr- bzw. Überstundenarbeit im Juni 2015 ergibt sich insb. auch aus der Streitwertberechnung der XXXX . Dass der Beschwerdeführer € 900,00 von der XXXX erhielt, ergibt sich aus dem am 14.10.2015 zwischen dem Beschwerdeführer und dem Dienstgeber abgeschlossenen Vergleich und der diesbezüglichen Überweisungsbestätigung. Die Überweisungsbestätigung liegt wie die Streitwertberechnung und der außergerichtliche Vergleich vom 14.10.2015 in den Akten ein. Es wird auch hier auf das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zur Zahl XXXX verwiesen.

Die Meldung des vollversicherungspflichtigen Dienstverhältnisses des Beschwerdeführers im Juni 2015 durch den Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger ergibt sich insbesondere aus dem EDV-Datensatz des AMS vom 10.03.2016 ("HV-Überlagerungsmeldung").

Die Nachricht des Beschwerdeführers vom 31.03.2016 liegt im Akt ein.

3. Rechtliche Beurteilung:

3.1. Die Beschwerde ist rechtzeitig und auch sonst zulässig. Die Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichts und die Entscheidung durch einen Senat unter Mitwirkung fachkundiger Laienrichter ergeben sich aus §§ 6, 7 BVwGG iVm § 56 Abs. 2 AlVG.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

3.2. Die im gegenständlichen Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AlVG 1977 lauten auszugsweise:

"Leistungen

§ 6. (1) Als Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung werden gewährt:

1. Arbeitslosengeld;

2. Notstandshilfe;

[...]"

"Arbeitslosigkeit

§ 12. [...]

(3) Als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 gilt insbesondere nicht:

a) wer in einem Dienstverhältnis steht;

b) wer selbständig erwerbstätig ist;

c) - g) [...]

h) wer beim selben Dienstgeber eine Beschäftigung aufnimmt, deren Entgelt die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt, es sei denn, daß zwischen der vorhergehenden Beschäftigung und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat gelegen ist.

[...]"

"Einstellung und Berichtigung des Arbeitslosengeldes

§ 24. (1) Wenn eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Arbeitslosengeld wegfällt, ist es einzustellen; wenn sich eine für das Ausmaß des Arbeitslosengeldes maßgebende Voraussetzung ändert, ist es neu zu bemessen. Die bezugsberechtigte Person ist von der amtswegigen Einstellung oder Neubemessung unverzüglich durch Mitteilung an die zuletzt bekannt gegebene Zustelladresse in Kenntnis zu setzen. Die bezugsberechtigte Person hat das Recht, binnen vier Wochen nach Zustellung der Mitteilung einen Bescheid über die Einstellung oder Neubemessung zu begehren. Wird in diesem Fall nicht binnen vier Wochen nach Einlangen des Begehrens ein Bescheid erlassen, so tritt die Einstellung oder Neubemessung rückwirkend außer Kraft und die vorenthaltene Leistung ist nachzuzahlen. Ein späterer Widerruf gemäß Abs. 2 und eine spätere Rückforderung gemäß § 25 werden dadurch nicht ausgeschlossen.

(2) Wenn die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes gesetzlich nicht begründet war, ist die Zuerkennung zu widerrufen. Wenn die Bemessung des Arbeitslosengeldes fehlerhaft war, ist die Bemessung rückwirkend zu berichtigen. [...]"

"§ 25. (1) Bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen mußte, daß die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte. Die Verpflichtung zum Ersatz des empfangenen Arbeitslosengeldes besteht auch dann, wenn im Falle des § 12 Abs. 8 das Weiterbestehen des Beschäftigungsverhältnisses festgestellt wurde, sowie in allen Fällen, in denen rückwirkend das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses festgestellt oder vereinbart wird. Der Empfänger einer Leistung nach diesem Bundesgesetz ist auch dann zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn sich ohne dessen Verschulden auf Grund eines nachträglich vorgelegten Einkommensteuer- oder Umsatzsteuerbescheides ergibt, daß die Leistung nicht oder nicht in diesem Umfang gebührte; in diesem Fall darf jedoch der Rückforderungsbetrag das erzielte Einkommen nicht übersteigen. Ebenso ist der Empfänger des Arbeitslosengeldes (der Notstandshilfe) zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn nachträglich festgestellt wird, daß auf Grund einer Anrechnung von Einkommen aus vorübergehender Erwerbstätigkeit gemäß § 21a keine oder nur eine niedrigere Leistung gebührt. Die Verpflichtung zum Rückersatz besteht auch hinsichtlich jener Leistungen, die wegen der aufschiebenden Wirkung eines Rechtsmittels oder auf Grund einer nicht rechtskräftigen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes gewährt wurden, wenn das Verfahren mit der Entscheidung geendet hat, dass die Leistungen nicht oder nicht in diesem Umfang gebührten.

[...]"

"Allgemeine Bestimmungen

§ 38. Soweit in diesem Abschnitt nichts anderes bestimmt ist, sind auf die Notstandshilfe die Bestimmungen des Abschnittes 1 sinngemäß anzuwenden."

"Anzeigen

§ 50. (1) Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Bei Bezug von Arbeitslosengeld gemäß § 18 Abs. 5 trifft die Anzeigepflicht auch den Träger der Einrichtung. Bei Bezug von Weiterbildungsgeld oder Bildungsteilzeitgeld trifft die Anzeigepflicht auch den Arbeitgeber.

(2) Die regionale Geschäftsstelle ist berechtigt, das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen durch zweckdienliche Erhebungen zu überprüfen."

3.3. Zum Widerruf der Notstandshilfe:

Die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG betrug im Jahr 2015 monatlich € 405,98. Aus dem vereinbarten Bruttostundenlohn und der vereinbarten Arbeitszeit ergibt sich ein unter der Geringfügigkeitsgrenze liegender Lohn des Beschwerdeführers. Im Juni 2015 leistete der BF aber erheblich mehr Arbeitsstunden. Der Beschwerdeführer war daher im Juni 2015 bei XXXX vollversicherungspflichtig beschäftigt und im Juli 2015 wieder geringfügig bei XXXX beschäftigt. In diesem Zusammenhang wird nochmals auf das rechtskräftige Erkenntnis zur Zahl XXXX verwiesen.

Der Beschwerdeführer nahm demnach beim selben Dienstgeber eine geringfügige Beschäftigung auf, ohne dass zwischen der vorhergehenden und der neuen geringfügigen Beschäftigung ein Zeitraum von mindestens einem Monat lag, und war im Juli 2015 gemäß § 12 Abs. 3 lit. h AlVG nicht arbeitslos.

Diese durch das Strukturanpassungsgesetz 1996, BGBl. Nr. 201, (damals als lit. i) eingefügte Bestimmung sollte nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 234 f) Missbrauchsmöglichkeiten hintanhalten, seien doch vermehrt Fälle aufgetreten, in denen ein Arbeitnehmer beim selben Arbeitgeber von einem vollversicherten Dienstverhältnis in ein geringfügiges Dienstverhältnis wechsle und daneben Arbeitslosengeld beziehe. In einem solchen Fall solle der Anspruch auf Arbeitslosengeld daher ausgeschlossen sein, wenn zwischen dem Vollarbeitsverhältnis und der geringfügigen Beschäftigung nicht ein Zeitraum von mehr als einem Monat liege (vgl. VwGH 06.03.2018, Ra 2017/08/0048, mwH).

Da der Beschwerdeführer im Juli 2015 nicht arbeitslos war, war die Zuerkennung des Arbeitslosengeldes somit gesetzlich nicht begründet und gemäß § 24 Abs. 2 AlVG zu widerrufen.

3.4. Zur Rückforderung der Notstandshilfe:

Durch den Widerruf des Bezuges der Notstandshilfe ist ein Übergenuss in Höhe von € 895,90 entstanden (für 31 Tage x Tagsatz der Notstandshilfe € 28,90).

Gemäß § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist der dritte Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG schon nach dem Wortlaut der Wendung "wenn er erkennen musste, dass ..." nicht erst dann erfüllt, wenn der Leistungsempfänger die Ungebührlichkeit der Leistung an sich oder ihrer Höhe nach erkannt hat; das Gesetz stellt vielmehr auf das bloße Erkennenmüssen ab und statuiert dadurch eine (freilich zunächst nicht näher bestimmte) Diligenzpflicht. Aus der Gegenüberstellung mit den zwei anderen in § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG genannten Rückforderungstatbeständen (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) wird jedoch deutlich, dass für die Anwendung des dritten Rückforderungstatbestandes eine gegenüber den beiden anderen Tatbeständen abgeschwächte Verschuldensform, nämlich Fahrlässigkeit, genügt. Fahrlässige Unkenntnis davon, dass die Geldleistung nicht oder nicht in der konkreten Höhe gebührt, setzt voraus, dass die Ungebühr bei Gebrauch der (im Sinne des § 1297 ABGB zu vermutenden) gewöhnlichen Fähigkeiten erkennbar gewesen ist. Ob dies zutrifft, ist im Einzelfall zu beurteilen, wobei jedoch der Grad der pflichtgemäßen Aufmerksamkeit weder überspannt noch überdurchschnittliche geistige Fähigkeiten verlangt werden dürfen (vgl. VwGH 07.04.2016, Ra 2016/08/0037; 16.03.2011, 2009/08/0260).

Der Sache nach ist somit zu beurteilten, ob der Leistungsbezieher erkannt hat oder zumindest unter Heranziehung eines ihm nach seinen konkreten Lebensumständen zumutbaren Alltagswissens hätte erkennen müssen, dass ihm die Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (vgl. VwGH 07.04.2016, Ra 2016/08/0037; 28.06.2006, 2006/08/0017).

Es musste dem Beschwerdeführer im konkreten Fall vor dem Hintergrund seiner Forderung klar sein, dass seine geltend gemachten Mehrleistungen, die diesbezügliche Nachzahlung, die dadurch erfolgte Überschreitung und dann wieder Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze Auswirkungen auf den Bezug der Notstandshilfe haben. Gerade angesichts der detaillierten Auflistung der XXXX ("Streitwertdaten") musste der Beschwerdeführer erkennen, dass es zu Rückforderungen kommt.

Es muss als Alltagswissen eines durchschnittlich sorgfältigen Beschwerdeführers vorausgesetzt werden, dass ihm bekannt ist, dass die Erfüllung von selbst betriebenen, ziffernmäßig bekannten und den jeweiligen Monaten genau zugeordneten Forderungen eine Überschreitung und in der Folge wieder eine Unterschreitung der Geringfügigkeitsgrenze bewirken kann, wodurch die Gebührlichkeit eines Bezuges aus der Arbeitslosenversicherung ausgeschlossen wird.

Im Ergebnis ist daher festzuhalten, dass der Beschwerdeführer bei Gebrauch seiner gewöhnlichen Fähigkeiten und der nach den Umständen des Einzelfalles zumutbaren Aufmerksamkeit erkennen hätte müssen, dass ihm die Leistung des AMS nicht gebührt.

Der Rückforderungstatbestand "Verschweigung maßgebender Tatsachen" wird idR durch die Verletzung der Meldepflichten nach § 50 AlVG erfüllt.

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erfordert die Verwirklichung dieses Tatbestandes zumindest einen bedingten Vorsatz (zumindest dolus eventualis) des Leistungsempfängers (vgl. VwGH 19.02.2003, 2000/08/0091).

Der für den Tatbestand der Verschweigung maßgebender Tatsachen oder bei unwahren Angaben erforderliche (bedingte) Vorsatz liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn dem Notstandshilfebezieher der richtige Sachverhalt und das Erfordernis seiner Meldung an das AMS ohne sein Verschulden (betrachtet nach dem Maßstab einer "Parallelwertung in der Laiensphäre") nicht bekannt gewesen sind (vgl. VwGH 11.07.2012, 2010/08/0088, mwN).

Wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, ist gemäß § 50 Abs. 1 AlVG verpflichtet, jede für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen. Nach dem Zweck der Meldepflichten gemäß § 50 Abs. 1 AlVG soll die Behörde in die Lage versetzt werden, jede Änderung in den Verhältnissen des Arbeitslosen, die zu einer Änderung des Leistungsanspruches führen könnte, daraufhin zu prüfen, ob die Leistung einzustellen oder zu ändern ist. Daher hat der Arbeitslose dem AMS eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse auch dann zu melden, wenn sie seiner Auffassung nach den Anspruch auf eine Leistung der Arbeitslosenversicherung nicht zu beeinflussen vermag (vgl. VwGH 23.04.2003, 2002/08/0284; 23.05.2012, 2010/08/0119). Zu einer Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse gehört auch eine Arbeitszeiterhöhung bzw. die Leistung von Mehrarbeit (vgl. VwGH 23.12.2014, Ra 2014/08/0061).

Die Verletzung der Meldepflicht des § 50 Abs. 1 AlVG rechtfertigt die Annahme einer Verschweigung maßgebender Tatsachen im Sinne des § 25 Abs. 1 AlVG und somit die Rückforderung des unberechtigten Empfangenen (VwGH 03.10.2002, 97/08/0611).

Im gegenständlichen Fall wurde der Beschwerdeführer im Antrag auf Notstandshilfe vom 26.02.2015 auf Seite 4 umfassend auf die ihn treffenden Meldeverpflichtungen hingewiesen. Der Antrag wurde vom Beschwerdeführer eigenhändig unterschrieben.

Der Beschwerdeführer verrichtete im Juni 2015 für die XXXX Arbeit in einem deutlich über die Geringfügigkeitsgrenze hinausgehenden Stundenausmaß und war im Juli wieder geringfügig tätig, was er nicht meldete. Daraufhin machte er u.a. Mehrarbeitsentgelt geltend und schloss schließlich am 14.10.2015 einen Vergleich mit dem Dienstgeber in der Höhe von € 900,00 ab. Der Betrag gelangte auch zur Auszahlung. Der Beschwerdeführer meldete dem AMS eben weder, dass er im Juni 2015 Mehr- bzw. Überstunden geleistet und von seinem ehemaligen Dienstgeber (u.a. aus diesem Grund) Nachzahlungen aus dem Dienstverhältnis gefordert hat, noch, dass ihm die Vergleichssumme von € 900,- netto ausbezahlt wurde.

Der Beschwerdeführer unterließ bereits die Meldung der Mehrarbeit, welche er im Juni 2015 leistete sowie die der folgenden Geschehnisse. Diese stellten eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse iSd § 50 Abs. 1 AlVG dar, die der Beschwerdeführer dem AMS melden hätte müssen. Ihn traf bereits durch die Steigerung seiner Arbeitszeit eine Meldepflicht, unabhängig davon, ob er zu diesem Zeitpunkt erkennen konnte, ob dadurch die Geringfügigkeitsgrenze überschritten wurde (vgl. VwGH 23.12.2014, Ra 2014/08/0061).

Da der Beschwerdeführer die im Juni 2015 erbrachten Mehrleistungen auch forderte, in der Folge mit der XXXX einen Vergleich über seine Entgeltansprüche in der Höhe von € 900,00 abschloss, das Geld erhielt - und auch davon auszugehen ist, dass ihm wie einem durchschnittlichen Antragsteller bewusst war, dass er die für das Jahr 2015 geltende Geringfügigkeitsgrenze überschritt - bestand im gegenständlichen Fall eine Meldeverpflichtung.

Die Geringfügigkeitsgrenze gemäß § 5 Abs. 2 ASVG betrug im Jahr 2015, wie dargelegt, monatlich € 405,98. Der Beschwerdeführer erhielt für Juni 2015 ein die Geringfügigkeitsgrenze übersteigendes Entgelt von der XXXX und war im Juli 2015 beim selben Dienstgeber wieder geringfügig beschäftigt. Er kam seiner Meldeverpflichtung gemäß § 50 Abs. 1 AlVG nicht nach, obwohl ihm diese insb. durch den Hinweis auf dem Formular für den Notstandshilfeantrag bekannt war. Dabei wird nicht vorausgesetzt, dass der Leistungsempfänger über detaillierte Kenntnisse des Arbeitslosenversicherungsgesetzes verfügt und weiß, welche Rechtsfolgen an seine (unterlassene) Meldung geknüpft sind. Es ist jedoch davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer, genau wie einem durchschnittlichen Antragsteller bewusst war, dass eine Änderung der Arbeitszeit und der Höhe des Entgelts eine Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse darstellt. Es ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer durch die nicht vorgenommenen Meldungen - angesichts des jedem Arbeitslosen zu unterstellenden Alltagswissens - zumindest eine Verletzung der Meldeverpflichtung gemäß § 50 Abs. 1 AlVG billigend in Kauf genommen hat (vgl. VwGH 19.12.2007, 2004/08/0129). Somit ist der zweite Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 AlVG erfüllt.

Im Zusammenhang mit dem Widerruf und der Rückforderungen bezogener Leistungen hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass der Umstand, dass eine bestimmte vom Antragsteller bezeichnete Leistung aus der Arbeitslosenversicherung nicht zusteht, die Behörde nicht von der Prüfung enthebt, ob bei der gegebenen Sachlage im Fall des Nichtbestehens des Anspruches auf diese Leistung die Voraussetzungen einer anderen der in § 6 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Leistungen erfüllt sind (vgl. VwGH 06.03.2018, Ra 2017/08/0048).

Im gegenständlichen Fall haben sich keinerlei Hinweise darauf ergeben, dass bezüglich des Beschwerdeführers die Voraussetzungen einer anderen der in § 6 Abs. 1 AlVG vorgesehenen Leistungen vorliegen.

Somit erfolgte auch die Rückforderung in der Höhe von € 895,90 zu Recht.

3.5. Zum Entfall der mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 24 Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht auf Antrag oder, wenn es dies für erforderlich hält, von Amts wegen eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß Abs. 3 hat der Beschwerdeführer die Durchführung einer mündlichen Verhandlung in der Beschwerde oder im Vorlageantrag zu beantragen. Wurde - wie im vorliegenden Fall - kein entsprechender Antrag gestellt, ist die Frage, ob von Amts wegen eine Verhandlung durchgeführt wird, in das pflichtgemäß - und zu begründende - Ermessen des Verwaltungsgerichts gestellt, wobei die in § 24 Abs. 2, 3, 4 und 5 normierten Ausnahmebestimmungen als Anhaltspunkte der Ermessensausübung anzusehen sind (VwGH 22.01.2015, Ra 2014/21/0019).

Im gegenständlichen Fall ergibt sich der maßgebliche Sachverhalt bereits zweifelsfrei aufgrund der Aktenlage und wurden keine Rechtfragen von besonderer Komplexität aufgeworfen. Das Gericht geht davon aus, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Dienstverhältnis, Geringfügigkeitsgrenze, Meldepflicht,
Notstandshilfe, Rückforderung, Widerruf

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W263.2133759.1.00

Zuletzt aktualisiert am

24.01.2020
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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