TE Vwgh Beschluss 1998/9/23 98/01/0354

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Veröffentlicht am 23.09.1998
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

ABGB §1332;
AVG §71 Abs1 Z1 impl;
VwGG §46 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Wetzel und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Ferchenbauer, über den Antrag des A, vertreten durch Mag. Ernestine Christine Müller, Rechtsanwalt in 4190 Bad Leonfelden, Hauptplatz 27, auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. April 1998, Zl. 202.632/0-IV/11/98, betreffend Asylgewährung, den Beschluß gefaßt:

Spruch

Die Wiedereinsetzung wird bewilligt.

Begründung

Dem Beschwerdeführer war mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. April 1998, Zl. VH 98/01/0096, die Verfahrenshilfe - u.a. durch Beigebung eines Rechtsanwaltes - zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. April 1998, mit dem sein Asylantrag im Instanzenzug gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen worden war, bewilligt worden. Mit Bescheid vom 20. Mai 1998 bestellte daraufhin der zuständige Ausschuß der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer Mag. Ernestine Müller zur Verfahrenshelferin. Der Bestellungsbescheid wurde ihr am 5. Juni 1998 zugestellt.

Obwohl demnach die Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenates vom 9. April 1998 bereits am 17. Juli 1998 geendet hätte, brachte die Beschwerdeführervertreterin namens des Beschwerdeführers eine solche Beschwerde erst am 31. Juli 1998 (Postaufgabe) ein. Zugleich wurde die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt, und zwar mit folgender Begründung:

Die bereits diktierte Beschwerde sei am Vormittag des 17. Juli 1998 von der Sekretärin der Beschwerdeführervertreterin in den Computer eingetippt worden. Die Sekretärin sei jedoch angewiesen worden, den Schriftsatz nicht auszudrucken, damit die Beschwerdeführervertreterin möglicherweise noch notwendige Modifikationen vornehmen könne. Nachdem sie dies am späten Abend des 17. Juli 1998, nach einem langen Klientengespräch in ihrer Kanzlei, getan habe und die Beschwerde gegen 22.00 Uhr habe ausdrucken wollen, sei es plötzlich in Bad Leonfelden zu einem Stromausfall gekommen. Damit seien sämtliche am 17. Juli 1998 vom Computer erfaßten Daten verloren gewesen. In der Folge sei es immer wieder, jedenfalls bis

23.30 Uhr, zu Stromausfällen gekommen, so daß es auch nicht möglich gewesen sei, eine sehr knappe Form einer Beschwerde zu verfassen und zu tippen. Dies stelle ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis dar, welches die Beschwerdeführervertreterin - die stets selbst bei dem unmittelbar neben ihrer Wohnung gelegenen Hauptpostamt 4020 Linz, welches werktags bis 24.00 Uhr geöffnet habe, die Postaufgabe vornehme - an der fristgerechten Postaufgabe des die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beinhaltenden Schriftsatzes gehindert habe.

Der in diesem Vorbringen enthaltene Sachverhalt wird auf Grund der vorgelegten Unterlagen (eidesstättige Erklärung der Sekretärin der Beschwerdeführervertreterin, Mitteilung der Oberösterreichischen Kraftwerke AG vom 20. Juli 1998 samt Stromunterbrechungsberichten und Schreiben vom 22. Juli 1998 betreffend Bestätigung des Datenverlustes durch Stromausfall) als erwiesen angenommen.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Der Begriff des minderen Grades des Versehens wird als leichte Fahrlässigkeit im Sinne des § 1332 ABGB verstanden. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit nicht die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer acht gelassen haben (vgl. etwa den hg. Beschluß vom 28. Jänner 1998, Zl. 97/01/0994).

Die am 17. Juli 1998 ab 22.00 Uhr in Bad Leonfelden aufgetretenen Stromausfälle stellen zweifelsohne ein unvorhergesehenes Ereignis dar. Der Beschwerdeführervertreterin war es infolge dieser Stromausfälle nicht möglich, die bereits in den Computer eingetippte Beschwerde rechtzeitig, also noch am selben Tag, auszudrucken und zur Post zu geben. Hieran traf sie kein Verschulden. Es kann ihr aber auch nicht als Verschulden angelastet werden, daß sie mit dem Ausdrucken der bereits am Vormittag des 17. Juli 1998 in den Computer eingetippten Beschwerde bis gegen 22.00 Uhr zuwartete, zumal die Beschwerdefrist grundsätzlich in voller Länge zur Verfügung steht und bei normalem Lauf der Dinge einer rechtzeitigen Postaufgabe der Beschwerde bis 24.00 Uhr desselben Tages nichts im Wege gestanden wäre. Die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist war daher zu bewilligen.

Wien, am 23. September 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998010354.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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