TE Vwgh Beschluss 2019/10/24 Ra 2018/15/0061

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Veröffentlicht am 24.10.2019
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Index

32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

BAO §101 Abs3
BAO §191 Abs3
BAO §81
BAO §97 Abs1
ZustG §7
ZustG §9 Abs3

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn, die Hofrätin Dr. Büsser sowie die Hofräte MMag. Maislinger, Mag. Novak und Dr. Sutter als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der W M und Mitges. in S, vertreten durch die Accurata Steuerberatungs GmbH & Co KG Steuerberatungsgesellschaft in 3500 Krems an der Donau, Rechte Kremszeile 62, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 15. März 2018, Zl. RV/5100992/2017, betreffend (Nicht)Feststellung der Einkünfte gemäß § 188 BAO für 2008 bis 2011, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 OS beteiligte sich - nach den Feststellungen des Bundesfinanzgerichts (BFG) - mit Gesellschaftsvertrag vom 3. November 2008 bei dem künstlerisch tätigen WM als atypisch stiller Gesellschafter. Zu Beginn der gesellschaftlichen Beziehungen wurde OS als Vertreter und Zustellbevollmächtigter der Gesellschaft gegenüber dem Finanzamt namhaft gemacht. Diese Zustellvollmacht wurde mit Schreiben vom 26. Februar 2013 widerrufen und WM als Vertreter der Gesellschaft namhaft gemacht. 2 Nach Wiederaufnahme der Verfahren wurden als Nichtfeststellungsbescheide iSd § 188 BAO intendierte Erledigungen vom 6. Dezember 2013 ohne Anführung eines Vertreters der Gesellschaft an die Gesellschaft adressiert und an WM übermittelt. 3 Nach Einbringung einer Beschwerde des OS als Gesellschafter (8. Jänner 2014) ergingen zur Gänze abweisende Beschwerdevorentscheidungen vom 23. Juni 2014, die an WM und Mitges. mit dem Vermerk "z.H. (WM)" zugestellt wurden und unangefochten blieben.

4 Nachdem OS die Beschwerdevorentscheidungen - auf seine Urgenz hin - am 8. Jänner 2015 übermittelt wurden, erhob dieser dagegen mit Schriftsatz vom 29. Jänner 2015 einen Vorlageantrag. 5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das BFG die Beschwerde vom 8. Jänner 2014 sowie den Vorlageantrag vom 29. Jänner 2015 als unzulässig zurück. Begründend führte es zur (nachträglichen) Zurückweisung der Beschwerde vom 8. Jänner 2014 aus, Voraussetzung der Anwendbarkeit des § 101 Abs. 3 BAO sei eine unzweifelhafte Erkennbarkeit des Bescheidadressaten. In den Erledigungen vom 6. Dezember 2013 habe es das Finanzamt unterlassen, den Spruch richtig darzustellen. Es sei nämlich im Spruch keine Person genannt worden, an die die Erledigung ergehe, weshalb die Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO nicht greifen könne und von einem "Nichtbescheid" auszugehen sei. Gegen eine derartige Erledigung könne auch kein Rechtsmittel ergriffen werden, weshalb die Bescheidbeschwerde vom 8. Jänner 2014 rechtsrichtig als nicht zulässig hätte zurückgewiesen werden müssen (§ 260 Abs. 1 lit. a BAO). Dies werde nunmehr richtig gestellt. 6 Der am 29. Jänner 2015 eingereichte Vorlageantrag habe sich gegen der Form nach richtig erlassene Beschwerdevorentscheidungen gerichtet. Diese hätten einen Hinweis auf die gesetzliche Bestimmung des § 101 Abs. 3 BAO enthalten und seien an WM ("z.H. (WM)") zugestellt worden. Damit gelte die Zustellung auch an den zweiten Gesellschafter als vollzogen. Zwar hätten die Beschwerdevorentscheidungen wegen der ihnen zu Grunde liegenden Nichtbescheide nicht ergehen dürfen. Da sie aber tatsächlich ergangen seien, sei die Rechtzeitigkeit des gegenständlichen Vorlageantrags vom 29. Jänner 2015 zu prüfen.

7 Sei ein Dokument einmal rechtsgültig zugestellt, löse die neuerliche Zustellung des gleichen Dokuments keine Rechtswirkung mehr aus (§ 6 Zustellgesetz). Dass die Beschwerdevorentscheidung unverändert und als "Duplikat" gekennzeichnet an OS zugestellt worden sei, sei lediglich eine neuerliche Zustellung des gleichen Dokumentes, die den Lauf einer (neuen) Rechtsmittelfrist nicht in Kraft setze.

8 § 101 Abs. 3 letzter Satz BAO führe zu keinem anderen Ergebnis. Aus den vorliegenden Schriftstücken seien keine Zwistigkeiten zwischen den Gesellschaftern herauszulesen. Selbst im Schreiben vom 17. Juli 2017 betreffend Vertragsauflösung bezeichne WM OS noch als "geschätzten Freund". Unter diesen Gegebenheiten sei davon auszugehen, dass die Beschwerdevorentscheidungen vom 23. Juni 2014 rechtmäßig und rechtsrichtig zugestellt worden seien. Nach Zustellung der Beschwerdevorentscheidungen an WM (RSb am 26. Juni 2014) habe die Rechtsmittelfrist daher zu laufen begonnen, weshalb der von OS eingebrachte Vorlageantrag vom 29. Jänner 2015 als nicht fristgerecht eingebracht zurückzuweisen sei.

9 Gegen diesen Beschluss wendet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision der Gesellschaft, die als Revisionspunkte insbesondere eine inhaltliche Behandlung der Beschwerde gegen den Feststellungsbescheid vom 6. Dezember 2013 sowie des Vorlageantrags geltend macht. Zur Zulässigkeit bringt die Revisionswerberin vor, die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes habe sich bisher nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob die tatsächlich erfolgte Zustellung an den gemäß § 81 BAO namhaft Gemachten den Umstand der fehlenden Bezeichnung desselben im Bescheid heile und damit ein Bescheid im Sinne der BAO vorliege, der auch mittels Beschwerde bekämpfbar sei. Außerdem gebe es keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Ermessens der Finanzverwaltung bei der Anwendung der Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO bei erkennbaren persönlichen und sachlichen Differenzen zwischen den Gesellschaftern.

10 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.

11 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird. Auf Beschlüsse der Verwaltungsgerichte ist Art. 133 Abs. 4 B-VG sinngemäß anzuwenden (Art. 133 Abs. 9 B-VG). 12 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein solcher Beschluss ist in jeder Lage des Verfahrens zu fassen (§ 34 Abs. 3 VwGG).

13 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 14 Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht ein (Nicht)Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.

15 Erledigungen werden gemäß § 97 Abs. 1 BAO dadurch wirksam, dass sie demjenigen bekannt gegeben werden, für den sie nach ihrem Inhalt bestimmt sind. Damit ein (Nicht)Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs. 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten. 16 Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO namhaft gemachten vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.

17 Nach § 81 Abs. 2 BAO haben dann, wenn zur Erfüllung abgabenrechtlicher Pflichten einer Personenvereinigung oder einer Personengemeinschaft ohne eigene Rechtspersönlichkeit mehrere Personen in Betracht kommen, diese eine Person aus ihrer Mitte oder einen gemeinsamen Bevollmächtigten der Abgabenbehörde gegenüber als vertretungsbefugte Person namhaft zu machen. Solange und soweit eine solche Namhaftmachung nicht erfolgt, kann die Abgabenbehörde eine Person als Vertreter mit Wirkung für die Gesamtheit bestellen.

18 WM als nach § 81 BAO namhaft gemachte vertretungsbefugte Person war bei der als Bescheid intendierten Erledigung vom 6. Dezember 2013 nicht als Empfänger (etwa mit dem Zusatz "zHd") angeführt. Auch der Rückschein weist nicht seine Nennung auf. 19 Daraus folgt aber, dass die an die Personengesellschaft gerichtete Erledigung vom 6. Dezember 2013 mangels ordnungsgemäßer Zustellverfügung (Benennung des Vertreters nach § 81 BAO als Empfänger) nicht wirksam werden konnte. Sie konnte nicht als gegenüber der Personengesellschaft ergangen angesehen werden, weil sie, um ihre Wirkung iSd § 191 Abs. 3 BAO zu erreichen, nicht nur an die Gesellschaft zu richten gewesen wäre, sondern auch an eine für die Gesellschaft vertretungsbefugte Person (als Empfängerin) hätte zugestellt werden müssen (vgl. VwGH 22.3.2000, 98/13/0168, sowie 20.3.1989, 88/15/0131).

20 Zufolge der ausdrücklichen Anordnung des § 101 Abs. 3 BAO, dass die dort bezeichneten schriftlichen Ausfertigungen an eine gemäß § 81 BAO vertretungsbefugte Person zuzustellen sind, kommt auch eine Heilung des Zustellmangels nicht in Betracht. Gemäß § 7 ZustG gilt im Falle von Zustellmängeln die Zustellung als in dem Zeitpunkt bewirkt, in dem das Schriftstück dem von der Behörde angegebenen Empfänger tatsächlich zugekommen ist. Allerdings hat die Abgabenbehörde in ihrer Ausfertigung vom 6. Dezember 2013 gerade die vertretungsbefugte Person nicht als Empfängerin angeführt. Da solcherart der Bestimmung des § 101 Abs. 3 BAO nicht nachgekommen worden ist, kommt § 7 ZustG nicht zur Anwendung, weil dieser ja voraussetzt, dass eine vertretungsbefugte Person als Empfänger angegeben wird. Ob und wem die Ausfertigung tatsächlich zugekommen ist, ist nicht entscheidend (vgl. nochmals VwGH 22.3.2000, 98/13/0168, sowie 31.3.2017, Ra 2015/13/0041). 21 Auch eine Heilung gemäß § 9 Abs. 3 ZustG kommt nicht in Betracht, weil die Angabe einer "nach § 81 vertretungsbefugten Person" für die Anwendung der Zustellfiktion des § 101 Abs. 3 BAO konstitutive Voraussetzung ist und es sich insofern nicht um eine bloße Zustellbevollmächtigung handelt.

22 Das BFG ist somit zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Nichtfeststellungsbescheiden vom 6. Dezember 2013 um Nichtbescheide handelt, die keiner Beschwerde zugänglich waren. 23 Soweit die Revision schließlich auch gegen die Zurückweisung des Vorlageantrags vom 29. Jänner 2015 gegen die abweisenden Beschwerdevorentscheidungen vom 23. Juni 2014 als verspätet bekämpft, zeigt sie im Hinblick auf die klare Regelung des § 101 Abs. 3 BAO keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG auf. Einem Vertreter nach § 81 BAO kann daher immer im Wege des § 101 Abs. 3 BAO zugestellt werden.

24 Die Revision erweist sich damit insgesamt als unzulässig, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen war.

Wien, am 24. Oktober 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2018150061.L00

Im RIS seit

06.04.2020

Zuletzt aktualisiert am

06.04.2020
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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