TE Vwgh Erkenntnis 1988/7/7 88/05/0014

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Veröffentlicht am 07.07.1988
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Index

Baurecht - OÖ

Norm

AVG §37
AVG §39
AVG §42 Abs1
AVG §45 Abs3
AVG §56
AVG §66 Abs4
BauO OÖ 1976 §23 Abs2
BauO OÖ 1976 §46
BauO OÖ 1976 §46 Abs3
BauO OÖ 1976 §47
BauO OÖ 1976 §50
BauRallg
VwGG §41 Abs1
VwGG §42 Abs2 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Draxler und die Hofräte DDr. Hauer, Dr. Würth, Dr. Degischer und Dr. Domittner als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hollinger, über die Beschwerde des KD, der MK, der UH und des Dipl.-Ing. GE in L, alle vertreten durch Dr. Bruno Binder, Rechtsanwalt in Linz, Wischerstraße 30, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 26. November 1987, Zl. BauR-8236/2-1987 Le/Ja, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1) A Gesellschaft m.b.H. und

2) P Gesellschaft m.b.H., beide in L, 3) Landeshauptstadt Linz, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von S 9.990,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit der beim Magistrat Linz am 12. Dezember 1984 eingelangten Eingabe begehrten die beiden erstmitbeteiligten Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens die Erteilung einer baubehördlichen Bewilligung für die Errichtung eines Bürogebäudes samt Tiefgarage auf dem Grundstück 725/15 KG X. Den damals angeschlossenen Plänen läßt sich entnehmen, daß ein insgesamt viergeschoßiges Bürogebäude mit einem ausgebauten Dachgeschoß sowie zwei Tiefgeschoßen Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens ist. Im ersten Tiefgeschoß ist die Errichtung einer Tiefgarage mit 22 Stellplätzen vorgesehen, im darunterliegenden Geschoß ein Schutzraum. Weiters waren 11 Pkw-Stellplätze auf dem genannten Grundstück geplant.

Zu der für 28. März 1985 anberaumten mündlichen Bauverhandlung wurden die beschwerdeführenden Nachbarn als Eigentümer der Liegenschaft R-Straße 3 (Grundstück 726/43 KG X) nicht geladen, und zwar offensichtlich deshalb nicht, weil ihre Liegenschaft nicht unmittelbar an das zu verbauende Grundstück angrenzt, wenngleich der Abstand davon dem Lageplan zufolge nur 3,20 m beträgt. Mit Eingabe vom 20. März 1985 verwiesen die Beschwerdeführer auf den zuletzt angeführten Umstand, begehrten Parteistellung im Baubewilligungsverfahren und erhoben eine Reihe von Einwendungen (diese Eingabe unterfertigten auch zahlreiche andere Nachbarn).

Bei der am 28. März 1985 durchgeführten mündlichen Verhandlung beantragten die Beschwerdeführer die Vertagung der Bauverhandlung, weil die höhenmäßige Ausdehnung des Bauvorhabens durch Konturgerüste oder Ballons nicht entsprechend ersichtlich gemacht worden sei und die Nachbarn bezüglich des Bürogebäudes zur Bauverhandlung nicht geladen worden seien (in der damaligen Verhandlung wurde gleichzeitig das Bauvorhaben verhandelt, welches Gegenstand der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 31. Mai 1988, Zl. 87/05/0142, war). Inhaltlich erhoben die Beschwerdeführer eine Reihe von Einwendungen. Die beigezogenen Amtssachverständigen erstatteten umfangreiche Gutachten und erachteten bei Einhaltung in Aussicht genommener Auflagen das Bauvorhaben für genehmigungsfähig. Da am 28. März 1985 die Verhandlung nicht abgeschlossen werden konnte, wurde sie am 29. März 1985 weitergeführt, wobei die Amtssachverständigen insbesondere auch zu den erhobenen Einwendungen Stellung nahmen.

In einem Amtsbericht vom 17. April 1985 nahm ein technischer Amtssachverständiger zur Frage der Auswirkungen der Garagenlüftung auf die Nachbarn gutächtlich Stellung und meinte zusammenfassend, daß die in der Luftreinhalteverordnung, LGBl. Nr. 78/1976, vorgesehenen Immissionsgrenzwerte für Kohlenmonoxyd auf benachbarten Grundflächen keinesfalls erreicht werden könnten. Ein medizinischer Amtssachverständiger erklärte in seiner gutächtlichen Äußerung vom 2. Mai 1985, daß unter Zugrundelegung des maschinentechnischen Gutachtens und des sehr hohen Verdünnungsfaktors von Kohlenmonoxyd gesundheitliche Auswirkungen für die Nachbarn nicht zu erwarten seien. Ein Amtssachverständiger für Fragen des Umweltschutzes führte in seinem Gutachten vom 2. April 1986 aus, daß für die Liegenschaft der Beschwerdeführer grundsätzlich nicht auszuschließen sei, daß eine Beeinträchtigung von der Tiefgarage des Bürogebäudes möglich sei, wogegen dies für die Häuser R-Straße 5 und 7 nicht zutreffe. Hinsichtlich der tatsächlichen Beeinträchtigungen sei eine unzumutbare Lärmbelästigung auszuschließen, in Ansehung der für 22 Stellplätze ausgelegten Tiefgarage könne erwartet werden, daß angeführte Immissionsgrenzwerte auf den benachbarten Grundflächen eingehalten werden. Dies wurde im einzelnen näher begründet.

In einer weiteren gutächtlichen Stellungnahme erklärte der medizinische Amtssachverständige am 1. August 1986, daß gesundheitliche Auswirkungen der Tiefgarage auf die Anrainer nicht zu erwarten seien.

Am 4. April 1986 hielt ein Amtsorgan des Linzer Magistrates fest, daß der Bebauungsplanentwurf W 105/6 auf dem zu verbauenden Grundstück die Errichtung oberirdischer Stellplätze nicht zulasse, die Einreichpläne jedoch ursprünglich die Errichtung von 11 Stellplätzen oberirdisch auf dem Bauplatz vorgesehen hätten. Nach nunmehr korrigierten Plänen seien nunmehr auf dem Nachbarbauplatz 7 Stellplätze vorgesehen (Grundstück 726/42). Die in dieser Beziehung geänderten Einreichpläne zeigen, daß die Pkw-Stellplätze auf dem Grundstück 726/42 unmittelbar an der Grenze des Grundstückes 725/15 angeordnet sind, wobei der Stellplatz Nr. 7 nunmehr direkt an der Grundgrenze der beschwerdeführenden Nachbarn vorgesehen ist. Zu dieser Planänderung haben die Amtssachverständigen des Magistrates in den erwähnten gutächtlichen Äußerungen nicht Stellung genommen, vielmehr betrafen die zuletzt genannten Stellungnahmen ausdrücklich nur die Frage der Auswirkungen der vorgesehenen Tiefgarage. Diese Änderung des Projektsplanes wurde den Nachbarn nicht zur Kenntnis gebracht. Mit Stellungnahme des Magistrates Linz vom 7. August 1986 wurden den Nachbarn die nachträglich eingeholten Gutachten des immissionsschutztechnischen und des ärztlichen Amtssachverständigen zur Kenntnis gebracht und sie wurden eingeladen, gemäß § 37 AVG 1950 ihre Rechte und Interessen geltend zu machen. Weiters wurden sie eingeladen, sich durch Akteneinsicht über den Sachverhalt zu informieren und sodann schriftlich oder mündlich ihre Stellungnahme binnen zwei Wochen abzugeben.

In ihrer Stellungnahme vom 8. September 1986 erachteten die Beschwerdeführer die eingeholten Gutachten für unzureichend und hielten ihre bisherigen Einwendungen und Anträge aufrecht.

Mit Bescheid vom 15. April 1987 erteilte der Magistrat Linz die beantragte Baubewilligung unter Vorschreibung von Auflagen und sprach gleichzeitig über die erhobenen Einwendungen ab. Die Entscheidung wurde umfangreich begründet.

Der dagegen erhobenen Berufung gab der Stadtsenat der Landeshauptstadt Linz mit Bescheid vom 4. Juni 1987 keine Folge, änderte jedoch den erstinstanzlichen Bescheid dahingehend ab, daß Einwendungen betreffend Entwertung nunmehr auf den Zivilrechtsweg verwiesen wurden. Auch diese Entscheidung wurde umfangreich begründet.

Der dagegen von den Beschwerdeführern erhobenen Vorstellung gab die Oberösterreichische Landesregierung mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 26. November 1987 keine Folge. Die Gemeindeaufsichtsbehörde wies in ihrer Begründung nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens insbesondere darauf hin, daß hinsichtlich einer Reihe aufgeworfener Fragen den Nachbarn im Rahmen des baubehördlichen Bewilligungsverfahrens ein Mitspracherecht nicht zustehe, so hinsichtlich der Frage des Ortsbildes, der Zahl der erforderlichen Pflichtstellplätze sowie der Fragen des Naturschutzes. Die OÖ Bauordnung kenne auch kein subjektives öffentliches Recht des Nachbarn, kraft dessen eine Minderung der Lebensqualität oder Entwertung der eigenen Grundflächen mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Den Nachbarn stehe aber grundsätzlich ein Recht auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu, sodaß ihre Einwendungen betreffend Lärm- und Geruchsbelästigungen durch Immissionen von der Tiefgarage zu prüfen gewesen seien. In dieser Frage seien die beigezogenen Amtssachverständigen zu der Auffassung gelangt, daß keine unzulässigen Immissionen zu erwarten seien. Die Aufsichtsbehörde habe keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Gutachten oder an ihrem Aussagewert zu zweifeln. Den Beschwerdeführern sei es nicht gelungen, die Glaubwürdigkeit dieser Gutachten zu erschüttern, zumal sie auch keine Gegengutachten vorgelegt hätten. Das bedeute keine unzulässige Beweislastumkehr, sondern es sei mit den Grundsätzen eines ordnungsgemäßen Verwaltungsverfahrens nicht vereinbar, daß jede Partei ein Sachverständigengutachten erfolgreich mit laienhaften Äußerungen anzweifeln könne, obwohl ihr die entsprechenden Fachkenntnisse fehlen, um die zu erwartenden Immissionen zu beurteilen. Wenn die Beschwerdeführer konkret eine Verletzung der Bestimmungen der OÖ Stellplatzverordnung betreffend die Deckenlüftungsöffnungen behaupten, so treffe dies nicht zu, wie sich aus § 17 dieser Verordnung ergebe. Daß eine Beeinträchtigung der Nachbarrechte nicht zu erwarten sei, ergebe sich nicht nur aus den Gutachten, sondern auch aus der Lage der Lüftungsöffnungen. Die weitaus größten Lüftungsöffnungen der Tiefgarage würden sich nämlich an der den Nachbarn um 180 Grad abgekehrten Außenwand befinden, während im Bereich der Grundgrenze der Beschwerdeführer lediglich relativ kleine Lüftungsschächte vorgesehen seien, die überdies nicht in Richtung des Grundstückes der Beschwerdeführer mündeten, sondern nach oben. Aus der Anordnung der Lüftungsöffnungen werde klar, daß die Nachbarn auf ihrem wenige Meter entfernten Grundstück nicht erheblich belästigt oder benachteiligt werden könnten. Die eingeholten Gutachten würden dies bestätigen, wobei anzumerken sei, daß auch das Gutachten des Sachverständigen für Umweltschutz vom 17. April 1985 in seiner Gesamtaussage durchaus geeignet sei, eine Begründung dafür zu liefern, daß die Nachbarn nicht in ihren Rechten verletzt würden (dies wurde im einzelnen näher begründet). Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß Gegenstand des vorliegenden Verfahrens nur jene Tiefgarage sei, die zum beantragten Bürogebäude gehöre und die mit 22 Stellplätzen doch relativ klein sei. Die Aufsichtsbehörde sei aus all diesen Gründen der Ansicht, daß mit den eingeholten Gutachten die Nachbareinwendungen in ausreichender Weise geprüft worden seien und mit der nötigen Sicherheit festgestellt worden sei, daß im Sinne des § 23 Abs. 2 OÖ Bauordnung unzulässige Immissionen nicht auf die Nachbarn einwirken würden. Nach weiterer Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Vorstellung nahm die Gemeindeaufsichtsbehörde zur Frage der Verletzung des Rechtes auf Parteiengehör Stellung. Sie verwies hiebei darauf, daß die Beschwerdeführer noch vor der mündlichen Verhandlung Einwendungen erhoben und sodann auch an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hätten, wobei sie die Möglichkeit besaßen, das Bauvorhaben kennenzulernen und dagegen Einwendungen zu erheben, wie sie dies auch tatsächlich getan hätten. Von den nach der mündlichen Verhandlung eingeholten Gutachten seien die Beschwerdeführer in Kenntnis gesetzt und eingeladen worden, sich durch Akteneinsicht über die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens zu informieren und dazu schriftlich oder mündlich Stellung zu nehmen. Von dieser Möglichkeit hätten sie auch Gebrauch gemacht. Wenngleich in diesem Zusammenhang festzustellen sei, daß dieses Schreiben an die Nachbarn persönlich anstatt zu Handen ihres ausgewiesenen Vertreters zugestellt worden ist, wären die Beschwerdeführer diesbezüglich dennoch nicht in ihren Rechten verletzt worden. Zum einen habe der ausgewiesene Vertreter diese Stellungnahme tatsächlich unter seinem Namen eingebracht, sodaß das Schriftstück offensichtlich ihm tatsächlich zugekommen sei, zum anderen sei bereits durch die Möglichkeit der Erhebung einer Berufung die Fehlerhaftigkeit der Zustellung saniert worden. Den Beschwerdeführern sei mit dieser Mitteilung bzw. Aufforderung die Möglichkeit eröffnet worden, den gesamten Verwaltungsakt durch Akteneinsicht kennenzulernen. Diese Vorgangsweise vermöge im vorliegenden Fall keine Rechtswidrigkeit im Modus der Wahrung des Parteiengehörs zu bewirken, zumal hier auch die Grundsätze der Verwaltungsökonomie sowie der möglichsten Kostenersparnis und Zweckmäßigkeit zu beachten seien. Zu diesem Verfahrenszeitpunkt seien bereits so umfangreiche Ermittlungen vorgenommen worden, daß es zu kostspielig gewesen wäre, sämtliche Ergebnisse und Gutachten zu kopieren und den Parteien auf dem Postwege zukommen zu lassen. Die Behörde erster Instanz hätte daher unter diesem Gesichtspunkt den durchaus akzeptablen Weg gewählt, die Parteien schriftlich über die Durchführung der Beweisaufnahme zu informieren und ihnen die Möglichkeit einzuräumen, sich durch Akteneinsicht genaue Verfahrenskenntnis zu verschaffen. Die Baubehörden hätten sohin im durchgeführten Verfahren den Beschwerdeführern in ausreichendem Maß Gelegenheit gegeben, die Ergebnisse des Verwaltungsverfahrens kennenzulernen und hiezu Stellung zu nehmen. Eine Verletzung des Parteiengehörs liege sohin nicht vor.

In ihrer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragen die Beschwerdeführer, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Sie erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in den ihnen gesetzlich gewährleisteten Rechten auf Nichterteilung der Baubewilligung an die mitbeteiligten Parteien verletzt, insbesondere in ihren Rechten nach den Bestimmungen der OÖ Bauordnung, des OÖ Raumordnungsgesetzes, der OÖ Stellplatzverordnung sowie des OÖ Natur- und Landschaftschutzgesetzes, in ihrem Recht auf Wahrung des Parteiengehörs, auf rechtzeitige Verständigung von der Anberaumung einer Bauverhandlung, auf Einhaltung der gesetzlich vorgeschriebenen Geschoßflächenzahl, auf Einhaltung der Bestimmungen des § 32 Abs. 3 OÖ Bauordnung, auf Einhaltung der Bestimmung des § 2 Abs. 1 OÖ Bauverordnung, auf Einhaltung der erforderlichen Anzahl von Kfz-Abstellplätzen und anderen subjektiven Rechten.

Über diese Beschwerde sowie über die von der belangten Behörde und der mitbeteiligten Stadtgemeinde erstatteten Gegenschriften hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Zunächst ist zu bemerken, daß sich der Verwaltungsgerichtshof schon in seinem Erkenntnis vom 31. Mai 1988, Zl. 87/05/0142, mit einer Reihe von Fragen auseinandergesetzt hat, welche unter anderem auch die nunmehrigen Beschwerdeführer damals auch hinsichtlich des benachbarten Bauvorhabens aufgeworfen haben. Insoweit wird daher auf die Entscheidungsgründe jenes Erkenntnisses verwiesen. Im Beschwerdefall erging schon der erstinstanzliche Baubewilligungsbescheid nach Wirksamwerden des Bebauungsplanes W 105 am 30. März 1987, sodaß das diesbezügliche Vorbringen der Beschwerdeführer über die anzuwendende Rechtslage nicht recht verständlich erscheint. Eine Präklusion ihres Vorbringens hätte im Beschwerdefall darüberhinaus schon deshalb nicht eintreten können, weil sie, wie der Sachverhaltsdarstellung zu entnehmen ist, zur Bauverhandlung vor der Behörde erster Instanz überhaupt nicht geladen worden sind. Dennoch hätte ihnen die Baubehörde erster Instanz die durch das Rechtswirksamwerden des Bebauungsplanes W 105 geänderte Rechtslage noch vor Erlassung des Bescheides zur Kenntnis bringen müssen, wie der Verwaltungsgerichtshof gleichfalls schon in dem erwähnten Erkenntnis vom 31. Mai 1988 dargetan hat. Aus den dort angeführten Erwägungen ist die damit verbundene Verletzung des Parteiengehörs jedoch rechtlich nicht ausschlaggebend, weil die Beschwerdeführer in ihrer Berufung die Möglichkeit besaßen, alle ihrer Meinung nach wesentlichen Argumente vorzubringen. Aus derselben Erwägung kann auch der der Behörde erster Instanz durch das Unterbleiben der Ladung der Beschwerdeführer zur Bauverhandlung unterlaufene Verfahrensmangel als nicht wesentlich beurteilt werden. Dennoch ist der Baubehörde erster Instanz ein wesentlicher Verfahrensmangel unterlaufen, welcher in der Folge nicht saniert worden ist. Wie in der Sachverhaltsdarstellung erwähnt, haben die mitbeteiligten Bauwerber vor der Behörde erster Instanz ihr Projekt dahingehend geändert, daß anstatt der ursprünglich auf dem genehmigten Bauplatz vorgesehenen 11 Stellplätze 7 Stellplätze auf dem anschließenden Grundstück 726/42 KG X vorgesehen wurden, wobei ein Stellplatz unmittelbar an der Grundgrenze der Beschwerdeführer angeordnet worden ist. Diese Projektsänderung wurde den beschwerdeführenden Nachbarn nicht vorgehalten und sie haben der Aktenlage nach von dieser Projektsänderung auch sonst keine Kenntnis erhalten. Auf die mit dieser Projektsänderung verbundenen Fragen sind auch weder die Gemeindebehörde erster Instanz, noch die Berufungsbehörde, noch die Gemeindeaufsichtsbehörde eingegangen, obwohl die Beschwerdeführer stets auch Verletzung des Parteiengehörs geltend gemacht haben; mangels Kenntnis der erfolgten Projektsänderung konnten sie die damit verbundene Verletzung des Parteiengehörs nicht rügen. Diese Verletzung des Parteiengehörs kann auch nicht dadurch als geheilt angesehen werden, daß die Baubehörde erster Instanz in der Folge (vgl. die Ausführungen in der Sachverhaltsdarstellung) den Beschwerdeführern gutächtliche Äußerungen zur Kenntnis brachte und auf die Möglichkeit der Akteneinsicht verwies, weil aus dem sich darauf beziehenden behördlichen Schriftstück nicht entnommen werden kann, daß eine Projektsänderung vorgenommen wurde. Wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides zutreffend dargelegt hat, steht aber den Nachbarn nach § 23 Abs. 2 der OÖ Bauordnung ein Recht auf Schutz vor schädlichen Umwelteinwirkungen zu. Nach der genannten Gesetzesstelle müssen bauliche Anlagen in allen ihren Teilen so geplant und errichtet werden, daß schädliche Umwelteinwirkungen möglichst vermieden werden. Schädliche Umwelteinwirkungen sind danach solche, die geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit und im besonderen für die Benützer der Bauten und die Nachbarschaft herbeizuführen, wie durch Luftverunreinigung (Änderung der natürlichen Zusammensetzung der freien Luft z.B. durch Rauch, Ruß, Staub und andere Schwebstoffe, Dämpfe, Gase und Geruchsstoffe), Lärm oder Erschütterungen. Hiebei ist davon auszugehen, daß unzulässige Immissionen schon an der Grundgrenze des Nachbarn nicht auftreten dürfen, wie etwa der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 14. Oktober 1986, Zl. 82/05/0173, BauSlg. Nr. 775, ausgesprochen hat. Gerade die Anordnung eines Stellplatzes unmittelbar an der Grundgrenze kann aber durchaus geeignet sein, eine erhebliche Belästigung im Sinne der angeführten Gesetzesstelle herbeizuführen (vgl. etwa das schon genannte Erkenntnis vom 14. Oktober 1986). Mit dieser Frage haben sich aber die Verwaltungsbehörden überhaupt nicht auseinandergesetzt. Da die belangte Behörde diesen der Gemeindebehörde erster Instanz unterlaufenen und auch von der Berufungsbehörde nicht wahrgenommenen wesentlichen Verfahrensmangel nicht erkannte, hat sie ihren Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet, der zur Aufhebung ihres Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG führen mußte.

Soweit die Beschwerdeführer allerdings rügen, daß das Verfahren auf Gemeindeebene auch bezüglich der Tiefgarage mangelhaft geblieben sei, vermag der Verwaltungsgerichtshof dem nicht zu folgen, weil auch die kurz gehaltenen Ausführungen des medizinischen Amtssachverständigen im Zusammenhalt mit den sonstigen Verfahrensergebnissen ausreichen, darzutun, daß weder mit einer Gesundheitsgefährdung noch mit einer erheblichen Belästigung der Beschwerdeführer durch Immissionen, welche von der Tiefgarage ausgehen, zu rechnen ist. Es ist in diesem Zusammenhang auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides zu verweisen (vgl. auch in dieser Beziehung das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1988, Zl. 87/05/0142). Der belangten Behörde ist daher kein Verfahrensmangel unterlaufen, wenn sie dem Beweisantrag der Beschwerdeführer auf Einholung entsprechender weiterer Sachverständigengutachten zur Klärung der tatsächlichen Immissionssituation bezüglich der Tiefgarage nicht eingeholt hat.

Soweit die Beschwerdeführer rügen, daß oberirdisch vorgesehene Kfz-Abstellplätze nach dem Bebauungsplan W 105 unzulässig seien, ist zu bemerken, daß gerade aus diesem Grund die Projektsänderung vorgenommen wurde, welche ihnen in Verletzung des Grundsatzes des Parteiengehörs nicht zur Kenntnis gebracht worden war; dieser Umstand mußte auf Grund der oben angestellten Erwägungen zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides führen.

Der Zuspruch von Aufwandersatz gründet sich auf die Bestimmungen der §§ 47 ff VwGG sowie auf die Verordnung BGBl. Nr. 243/1985. Die Abweisung des Kostenmehrbegehrens der Beschwerdeführer bezieht sich auf den Ersatz zuviel entrichteter Bundesstempel.

Wien, am 7. Juli 1988

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Diverses BauRallg11/4Bauverfahren (siehe auch Behörden Vorstellung Nachbarrecht Diverses) Parteien BauRallg11/1Individuelle Normen und Parteienrechte Diverses VwRallg9/5Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltMaßgebende Rechtslage maßgebender Sachverhalt Beachtung einer Änderung der Rechtslage sowie neuer Tatsachen und BeweiseNachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar Diverses BauRallg5/2Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv öffentliche Rechte BauRallg5/1Parteiengehör AllgemeinParteiengehör Änderung der RechtslageParteiengehör Erhebungen ErmittlungsverfahrenParteiengehör Verletzung des Parteiengehörs VerfahrensmangelSachverhalt Sachverhaltsfeststellung SachverhaltsänderungSachverhalt VerfahrensmängelVerfahrensbestimmungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1988:1988050014.X00

Im RIS seit

10.12.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.12.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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