TE Bvwg Erkenntnis 2019/6/6 W224 2209890-1

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Veröffentlicht am 06.06.2019
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Entscheidungsdatum

06.06.2019

Norm

BFA-VG §3 Abs2
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §5
FPG §92 Abs1 Z5
FPG §94
FPG §94 Abs1
FPG §94 Abs5
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W224 2209890-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Dr. Martina WEINHANDL als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Syrien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 21.09.2018, Zl. 1088737105-180571142, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 5 Fremdenpolizeigesetz - FPG, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer reiste am 24.09.2015 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 18.04.2016, rechtskräftig am 27.04.2016, GZ 037 HV 1/2016s, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs. 3 StGB ein Teil im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sodass der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe acht Monate betrug. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von ca. 30. September 2015 bis zumindest 2. November 2015 in zumindest zwei Angriffen mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen, indem er mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog.

3. Mit Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) vom 30.06.2017, GZ. 1088737105-151426289/BMI-BFA-STM-AST-01, wurde dem Beschwerdeführer der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.

4. Am 19.06.2018 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses gemäß § 94 Abs. 1 FPG.

5. Seitens des BFA erging eine Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme an den Beschwerdeführer. Dieser erstattete dazu keine Stellungnahme hierzu.

6. Mit Bescheid des BFA vom 21.09.2018, Zl. 1088737105-180571142 (im Folgenden: angefochtener Bescheid), wurde der Antrag des Beschwerdeführers gemäß § 94 Abs. 5 iVm § 92 Abs. 1 Z 5 FPG abgewiesen. Begründend führte das BFA im Wesentlichen aus, dass der Beschwerdeführer vom Landesgericht Leoben gemäß § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, davon Freiheitsstrafe 16 Monate bedingt, Probezeit drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Hinblick auf die rechtskräftige Verurteilung bei Ausstellung eines Konventionsreisedokuments und der damit verbundenen Reisetätigkeit eine positive Prognose hinsichtlich einer möglichen vom Beschwerdeführer ausgehenden Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit der Republik Österreich abgegeben werden könne. Da mit der Ausstellung eines Passes durch die Republik Österreich Reisefreiheit gewährt werde, seien sowohl für die Erteilung als auch für das Behalten strenge Maßstäbe anzulegen, da auch die Reputation Österreichs im Ausland gewahrt werden müsse. Zudem sei seit der Verurteilung eine zu kurze Zeit vergangen, um daraus einen positiven Schluss für ein weiteres Wohlverhalten des Beschwerdeführers ziehen zu können. Aus der Sicht des BFA stelle der Beschwerdeführer weiterhin eine potentielle Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar, weil er das Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs mit Unmündigen begangen habe.

7. Am 13.11.2018 erhob der Beschwerdeführer gegen den Bescheid des BFA Beschwerde und brachte dabei im Wesentlichen vor, er sei vom BFA nicht mündlich einvernommen worden. Denn in einer Einvernahme hätte er geschildert, dass er sein Verhalten bereue und einen solchen Fehler nicht neuerlich begehen wolle. Ein Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland würde nicht die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährden.

8. Mit Schreiben vom 16.11.2018, eingelangt am 21.11.2018, legte das BFA den gegenständlichen Verfahrensakt - ohne von der Möglichkeit einer Beschwerdevorentscheidung Gebrauch zu machen - dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses am 19.06.2018, dem Bescheid des BFA, der Beschwerde gegen diesen, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister, Strafregister und die Unterlagen zur Verurteilung durch das Landesgericht Leoben, GZ 037 HV 1/2016s, werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

Das BFA erkannte dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 30.06.2017, GZ. 1088737105-151426289/BMI-BFA-STM-AST-01, den Status eines Asylberechtigten zu.

Mit Urteil des Landesgerichtes Leoben vom 18.04.2016, rechtskräftig am 27.04.2016, GZ 037 HV 1/2016s, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe im Ausmaß von 24 Monaten verurteilt, von der gemäß § 43a Abs. 3 StGB ein Teil im Ausmaß von 16 Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde, sodass der unbedingte Teil der Freiheitsstrafe acht Monate betrug. Der Beschwerdeführer hat im Zeitraum von ca. 30. September 2015 bis zumindest 2. November 2015 in zumindest zwei Angriffen mit einer unmündigen Person den Beischlaf unternommen, indem er mit ihr den vaginalen Geschlechtsverkehr vollzog.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, dem Verfahren vor der belangten Behörde, der Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien und der Beschwerde. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen. Der verfahrensmaßgebliche Sachverhalt entspricht dem oben angeführten Verfahrensgang und konnte auf Grund der vorliegenden Aktenlage zweifelsfrei und vollständig festgestellt werden.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Zu A)

1. Gemäß § 5 Abs. 1a Z 3 FPG sowie § 3 Abs. 2 Z 5 BFA-VG obliegt dem BFA die Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde gemäß dem 11. Hauptstück des FPG.

Gemäß § 94 Abs. 1 FPG sind Konventionsreisepässe Fremden, denen in Österreich der Status eines Asylberechtigten zukommt, auf Antrag auszustellen. Gemäß Abs. 5 leg. cit. gelten, mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Fremdenpasses der Konventionsreisepass tritt, die § 88 Abs. 4 sowie §§ 89 bis 93 leg. cit.

Gemäß § 92 Abs. 1 Z 5 FPG ist die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Fremdenpasses zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Fremden im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Gemäß § 206 Abs. 1 StGB ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen, wer mit einer unmündigen Person den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung unternimmt.

2. Das BFA erkannte dem Beschwerdeführer trotz der Verurteilung durch das Landesgericht Leoben vom 18.04.2016, rechtskräftig am 27.04.2016, GZ 037 HV 1/2016s, wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB, den Status des Asylberechtigten mit Bescheid vom 30.06.2017 zu.

Bei der Abweisung des Antrags auf Ausstellung eines Konventionsreisepasses stützte sich das BFA darauf, dass bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigten, dass durch den Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde (§ 92 Abs. 1 Z 5 FPG).

Die Versagungsgründe des § 92 Abs. 1 iVm § 94 Abs. 5 FPG sind vor dem Hintergrund des Art. 25 Abs. 1 der RL 2004/83/EG (Statusrichtlinie) zu lesen. Diese Bestimmung sieht vor, dass die Mitgliedstaaten Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, Reiseausweise - wie im Anhang zur Genfer Flüchtlingskonvention vorgesehen - für Reisen außerhalb ihres Gebietes ausstellen, es sei denn, dass zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung dem entgegenstehen.

Zur Subsumtion unter den Tatbestand des § 92 Abs. 1 Z 5 FPG ist insbesondere an strafrechtlich relevante Delikte gegen die Sicherheit des Staates (zB Angriff auf die obersten Organe des Staates) sowie an Gefahren für die militärische/äußere Sicherheit des Staates zu denken. Weiters subsumiert die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (VwGH 24.3.1998, 96/18/0475) auch bestimmte Verstöße gegen das Verbotsgesetz unter diesen Tatbestand (vgl. dazu Filzwieser/Frank/Kloibmühler/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, K4 und E1 zu § 92 FPG).

In der Beschwerde bleibt unbestritten, dass der Beschwerdeführer die im angefochtenen Bescheid festgestellten Straftaten begangen hat und deshalb in der dort festgestellten Weise rechtskräftig verurteilt worden ist. Den Ausführungen in der Beschwerde, dass sich daraus durch einen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Ausland eine Gefährdung der inneren oder äußeren Sicherheit der Republik Österreich ableiten lässt, konnte im Ergebnis gefolgt werden. Den erwähnten Straftaten des Beschwerdeführers kommt kein hinreichender Hintergrund und keine entsprechende Einschlägigkeit zu, um die Prognose zu rechtfertigen, durch seinen Aufenthalt im Ausland würde die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet (vgl. dazu auch VwGH 16.5.2013, 2013/21/0003).

Der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid ist daher stattzugeben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Stattgabe der Beschwerde und die Aufhebung des Bescheides des BFA stützen sich auf die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Asylgewährung, Behebung der Entscheidung, Gefährdung der Sicherheit,
Haft, Haftstrafe, Kassation, Konventionsreisepass, öffentliche
Ordnung, öffentliche Sicherheit, Prognose, Rechtskraft der
Entscheidung, Reisedokument, Sexualdelikt, Sicherheit,
Straffälligkeit, Strafhaft, strafrechtliche Verurteilung, Unmündige,
Verbrechen, Versagung Konventionsreisepass, Versagungsgrund

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W224.2209890.1.00

Zuletzt aktualisiert am

21.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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