TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/16 I416 1432280-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.05.2019
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Entscheidungsdatum

16.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
EMRK Art. 2
EMRK Art. 3
EMRK Art. 8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs2
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

I416 1432280-3/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Alexander BERTIGNOL als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Ägypten, vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas Reichenvater, Herrengasse 13/II, 8010 Graz, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 29.03.2019, Zl. XXXX, zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Ägypten, reiste illegal, vermutlich im Jänner 2013, in das Bundesgebiet ein und stellte am 14.01.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz, den er mit der wirtschaftlichen Situation in Ägypten - er habe in Ägypten seit Juni/Juli 2012 keine Arbeit im Baugewerbe mehr bekommen und er wolle nun in Österreich arbeiten - begründete. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.01.2013, AZ. XXXX wies dieses den Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Z Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Ägypten ab (Spruchpunkt II). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde der Beschwerdeführer aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen (Spruchpunkt III). Einer Beschwerde gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 38 Abs. 1 AsylG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV). Die dagegen erhobene Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 01.02.2013, Zl. XXXX, als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer kam seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach.

2. Am 30.01.2019 stellte der Beschwerdeführer den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Abs. 1 AsylG. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass er seit Jänner 2012 durchgehend im Bundesgebiet aufhältig sei, dass er zu seinem im Bundesgebiet aufhältigen Großonkel und dessen Familie eine enge Familienbande pflege und dass sein Aufenthalt als finanziell abgesichert anzusehen sei. Er führte weiters aus, dass er über einen Arbeitsvorvertrag verfügen würde, er die notwendigen Sprachkenntnisse aufweisen würde und er als Spieler bei der Sportunion XXXX tätig sei. Letztlich führte er aus, dass er über einen großen Bekannten- und Freundeskreis verfügen würde und als sozial integriert gelte. Dem Antrag legte der Beschwerdeführer eine Geburtsurkunde samt beglaubigte Übersetzung, eine Meldebestätigung vom 05.12.2018, einen Arbeitsvorvertrag als Reinigungskraft der Firma "XXXX" vom 14.01.2019, ein Zeugnis über die bestandene Integrationsprüfung hinsichtlich der Sprachkompetenz A2 und dem Werte- und Orientierungswissen vom 04.01.2019, eine Mietvereinbarung auf Widerruf zwischen Frau XXXX und XXXX vom 13.12.2018 inkl. beigelegtem Nutzungsvertrag zwischen Frau XXXX und der XXXX vom 18.08.2009, die Kopie eines Spielerpasses den Beschwerdeführer betreffend, spielberechtigt ab 14.08.2017 und befristet bis 14.08.2017, Die Bestätigung der Sportunion XXXX vom 11.12.2018 über die Meldung als Spieler seit Juli 2017, zwei personalisierte Empfehlungsschreiben vom 6. und 29. Dezember 2018 und ein von mehreren Personen unterschriebenes vorformuliertes Empfehlungsschreiben, sowie die Kopie eines auf den Namen des Beschwerdeführers am 18.08.2015 ausgestellten Reisepasses, gültig bis 17.08.2022.

3. Mittels Mandatsbescheid vom 20.11.2018, trug die belangte Behörde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 FPG auf, durchgängig Unterkunft in der Betreuungseinrichtung BS-RÜBE Tirol zu nehmen. Dieser Verpflichtung kam der Beschwerdeführer nicht nach und wurde daher mit 23.11.2018 einem "unsteten Quartier" zugewiesen.

4. Am 26.03.2019 wurde der Beschwerdeführer von der belangten Behörde im Beisein seines gewillkürten Rechtsvertreters zu seinem verfahrensgegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 55 AsylG niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er aus, dass sich sein Reisepass in Kärnten bei einer Freundin befinden würde, da er Angst vor einer Abschiebung habe und dass es richtig sei, dass er seit 05.02.2013 keine Aufenthaltsberechtigung mehr im Bundesgebiet habe. Er führte weiters aus, dass die Unterkunftgeberin seine Lebensgefährtin sei und deren Sohn auch wie sein eigenes Kind für ihn sei, bezahlen würde er nichts, dies würde alles Frau XXXX zahlen. Er habe ein Deutschzertifikat auf dem Niveau A2, gefragt, wie er seinen Lebensunterhalt in Österreich finanzieren würde, gab er an, dass ihm sein Onkel monatlich Geld geben würde, dass er eine noch für 2 Monate laufende private Unfallversicherung habe, aber nicht krankenversichert sei. Gefragt, wie sein Familienleben in Österreich aussehen würde, gab er an, dass er mit Frau XXXX zusammenleben würde, aber nicht mit ihr verheiratet sei, aber diese vielleicht heiraten möchte. Darüberhinaus würde die ganze Familie mütterlicherseits in Österreich leben und seien diese österreichische Staatsangehörige. Zu seinem Privatleben in Österreich gab er an, dass er Tormann beim Verein XXXX sei, und in Form eines interkulturellen Austausches in einem Café, arabische Tänze und den arabischen Stocktanz seinen Mitmenschen beibringen würde. Zu seinen Verhältnissen in seinem Heimatland führte er aus, dass er die Maurerschule und die Ausbildung gemacht habe, dass seine Eltern schon gestorben wären, in Ägypten aber noch sein Opa und seine vier Schwestern leben würden. Seit dem Tod seiner Mutter im Jahr 2015 habe er keinen Kontakt mehr, mit seinem Bruder würde er im Streit leben.

5. Mit verfahrensgegenständlichem Bescheid vom 29.03.2019, Zl. XXXX, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 30.01.2019 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erließ gegen ihn gemäß § 10 Abs. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 53 Absatz 2 FPG (Spruchpunkt II.), stellte gemäß § 52 Absatz 9 FPG fest, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Ägypten zulässig ist (Spruchpunkt III.) und legte gemäß § 55 Absatz 1 bis 3 FPG eine 2-wöchige Frist für seine freiwillige Ausreise fest (Spruchpunkt IV.).

12. Mit Verfahrensanordnung gemäß § 52 Abs. 2 BFA-VG vom 29.03.2019 wurde dem Beschwerdeführer der Verein Menschenrechte Österreich, als Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht zur Seite gestellt.

13. Gegen den Bescheid der belangten Behörde erhob der Beschwerdeführer durch seinen gewillkürten Rechtsvertreter mit Schriftsatz vom 29.04.2019 Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und monierte die Verletzung von Verfahrensvorschriften und die Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Begründend brachte er im Wesentlichen vor, dass die Ausführungen der belangten Behörde keineswegs nachvollziehbar seien, da seine Lebensgefährtin die Wohnkosten tragen würde und ihn auch finanziell unterstützen würde und er mit ihr und dem Kind ein homogenes Familienleben an der umseits bezeichneten Adresse führen würde. Auch würde er mit seinen im Bundesgebiet aufhältigen Verwandten einen engen familiären Kontakt pflegen. Weites wurde ausgeführt, dass die Mitwirkungspflicht nicht so weit gehen könne, dass sich die Behörde hinsichtlich einer bestimmten Frage ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren sparen könne und wäre es ein leichtes gewesen, die Lebensgefährtin vorzuladen und niederschriftlich einzuvernehmen und hätte die belangte Behörde somit zum Schluss kommen müssen, dass sein Aufenthalt finanziell abgesichert sei. Da es vergleichbare Fälle gebe, in denen den Anträgen auch Folge gegeben worden sei, sei im gegenständlichen Fall zweifelsohne von einer verfassungswidrigen Ungleichbehandlung von Fremden untereinander auszugehen. Letztlich führte er aus, dass die vorgelegten Unrunden nur unzureichend berücksichtigt worden seien und der Behörde eine antizipierte Beweiswürdigung anzulasten sei. Unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen, stelle die gegenständliche Entscheidung einen unzulässigen Eingriff in das Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK dar und habe die belanget Behörde durch die Nichtvornahme einer Interessensabwägung kein Ermessen geübt und ihre Entscheidung willkürlich getroffen. Es werde daher beantragt, das Bundesverwaltungsgericht möge eine mündliche Beschwerdeverhandlung durchführen, den bekämpften Bescheid in Stattgebung der Beschwerde in seiner Gesamtheit aufheben, in der Sache selbst entscheiden und dem Beschwerdeführer einen Aufenthaltstitel aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen im Sinne des § 55 AsylG erteilen, in eventu den erstinstanzlichen Bescheid aufheben und zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Erstinstanz zurückverweisen.

14. Beschwerde und Bezug habender Akt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 08.05.2019 vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

1.1. Die unter Punkt I. getroffenen Ausführungen werden als entscheidungswesentlicher Sachverhalt festgestellt. Darüber hinaus werden folgende weitere Feststellungen getroffen:

1.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Ägypten und somit Drittstaatsangehöriger im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

Die Identität des Beschwerdeführers steht in Ermangelung entsprechender Dokumente nicht fest. Der Beschwerdeführer hat trotz Aufforderung durch die belangte Behörde seinen Reisepass im Original bisher nicht vorgelegt.

Der Beschwerdeführer ist volljährig, gesund, ledig und hat keine Kinder.

Der Beschwerdeführer ist zu keinem Zeitpunkt seines Aufenthaltes im Bundesgebiet einer Erwerbstätigkeit nachgegangen und ist nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer ist nicht krankenversichert.

Der Beschwerdeführer reiste spätestens am 14.01.2013 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 17.01.2013, AZ. XXXXwurde der Antrag auf internationalen Schutz abgewiesen und der Beschwerdeführer aus dem Bundesgebiet nach Ägypten ausgewiesen. Eine dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 01.02.2013, Zl. XXXX als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen. Er ist kein begünstigter Drittstaatsangehöriger und es kommt ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zu.

In Ägypten leben noch sein Großvater, seine 4 Schwestern und sein Bruder. Nicht festgestellt werden kann, ob er noch Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Ägypten hat. Der Beschwerdeführer verfügt über eine Schulbildung und Ausbildung als Maurer und hat in Ägypten vor seiner Ausreise in seinem Beruf gearbeitet.

Der Beschwerdeführer ist seit 05.10.2015, jedoch nicht durchgehend, mit Hauptwohnsitz im Bundesgebiet gemeldet. Der Beschwerdeführer war zwischen 14.10.2016 und 12.12.2016, zwischen 10.05.2017 und 02.08.2018 und 21.11.2018 und 04.12.2018 ohne aufrechte Meldeadresse im Bundesgebiet.

Der Beschwerdeführer war zwischen 06.03.2017 und 09.05.2017 an derselben Meldeadresse wie Frau XXXX gemeldet und wieder seit 08.12.2018, sohin seit 5 Monaten. Es wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer mit Frau XXXX eine Mietvereinbarung als Untermieter gültig bis auf Widerruf abgeschlossen hat.

Der Beschwerdeführer leistet keinen finanziellen Beitrag für seine Unterbringung bzw. zu einer gemeinsamen Lebensführung. Der Beschwerdeführer begleicht seine Verbrauchskosten laut Angaben von Frau XXXX mit Hilfe in der Hauspflege und -Erhaltung, sowie Kinderbetreuung. Frau Hrad ist derzeit geringfügig beschäftigt.

Es wird festgestellt, dass, wenn überhaupt, ein Familienleben geringer Intensität vorliegt.

In Österreich leben Verwandte mütterlicherseits des Beschwerdeführers und besteht Kontakt zu diesen und wird er finanziell von seinem Onkel unterstützt.

Der Beschwerdeführer hat die Integrationsprüfung am 04.01.2019 positiv abgelegt und ist seit Juli 2017 als Spieler im Verein XXXX gemeldet. Der Beschwerdeführer verfügt über soziale Kontakte im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer bringt laut eigenen Angaben Besuchern in Form eines interkulturellen Austausches arabische Tänze und den ägyptischen Stocktanz bei und verfügt über einen Arbeitsvorvertrag.

Maßgebliche Anhaltspunkte für die Annahme einer hinreichenden Integration des Beschwerdeführers in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht konnten jedoch insbesondere unter Berücksichtigung seiner Aufenthaltsdauer nicht festgestellt werden.

Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Es existieren keine Umstände, welche einer Abschiebung aus dem Bundesgebiet der Republik Österreich entgegenstünden. Der Beschwerdeführer verfügt über keine sonstige Aufenthaltsberechtigung. Es spricht nichts dafür, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Ägypten eine Verletzung von Art. 2, Art. 3 oder auch der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention nach sich ziehen würde. Der Beschwerdeführer ist auch nicht von willkürlicher Gewalt infolge eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts bedroht.

Es kann nicht festgestellt werden, dass er in Ägypten aufgrund seiner Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werden würde. Der Beschwerdeführer wird im Fall seiner Rückkehr nach Ägypten mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit keiner asylrelevanten Verfolgung und keiner wie auch immer gearteten existentiellen Bedrohung ausgesetzt sein.

1.3. Zu den Feststellungen zur Lage in Ägypten:

Hinsichtlich der aktuellen Lage im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers sind gegenüber den im angefochtenen Bescheid vom 29.03.2019 getroffenen Feststellungen keine entscheidungsmaßgeblichen Änderungen eingetreten. Im angefochtenen Bescheid wurde das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten vollständig zitiert. Im Rahmen des Beschwerdeverfahrens ist auch keine Änderung bekannt geworden, sodass das Bundesverwaltungsgericht sich diesen Ausführungen vollinhaltlich anschließt und auch zu den seinen erhebt und wird dazu ausgeführt:

Grundversorgung und Wirtschaft:

Subventionen zur Absicherung der Grundversorgung der ägyptischen Bevölkerung haben eine lange Tradition und zehren einen erheblichen Teil des Staatshaushaltes auf. Die Zurverfügungstellung von subventionierten Lebensmitteln (vor allem Brot) ist eine zentrale Aufgabe des Ministeriums für Binnenhandel. Es ist nach Aussagen der ägyptischen Regierung davon auszugehen, dass ca. 70 Mio. Menschen derzeit berechtigt sind, auf subventionierte Lebensmittel zuzugreifen. Die Verwaltung erfolgt durch familienbezogene elektronische Bezugskarten, die mit Punkten aufgeladen werden, die wiederum in staatlichen Supermärkten eingelöst werden können. Das Spektrum der in diesen Ausgabestellen verfügbaren Lebensmittel hat sich seit einer grundlegenden Reform des Systems seit Anfang 2014 deutlich verbreitert. Auch ist davon auszugehen, dass die tatsächliche Anzahl der Nutzer dieser Systems der Nahrungsmittelgrundversorgung deutlich unter der o.g. Zahl der Berechtigten liegt. Eine umfassende Neuregistrierung von tatsächlich bedürftigen Personen ist hiesigem Wissen nach noch nicht erfolgt. Nicht-Ägypter haben nach hiesiger Kenntnis keinen Zugang zu diesem System. Ein weiteres Instrument der sozialen Sicherung liegt im Mietrecht begründet. Für einen Großteil von Mietverträgen die in den 1950er und 1960er Jahren geschlossen wurden und seitdem innerhalb der Großfamilie weitergegeben wurden gilt noch eine Mietpreisbindung, die im Altbestand zu teilweise grotesk niedrigen Mieten führt. Für neue Verträge seit ca. 1990 gelten ohnehin die Gesetze des Marktes. Im Rahmen der Erschließung von Wüstenregionen wird ein gewisser Prozentsatz an Land und Wohnungen an arme Bevölkerungsteile verlost. Im Rahmen von zwei Sozialhilfeprogrammen KARAMA und TAKAFUL werden zudem verstärkte Schritte für eine gezielte Unterstützung der Ärmsten vorgenommen. Das Karama Projekt sieht monatliche Geldleistungen im Umfang von 40-80 USD an die Ärmsten der Armen sowie an ältere Menschen und Behinderte vor. Das konditionierte Takaful Projekt zielt auf die finanzielle Unterstützung von Familien mit Kindern ab, vorausgesetzt diese besuchen regelmäßig eine Schule. Darüber hinaus existiert ein zwar in seiner Leistungsfähigkeit beschränktes, aber funktionierendes Sozialversicherungssystem, welches Arbeitslosen-, Kranken-, Renten- und Unfallversicherungselemente enthält und von Arbeitgebern und Arbeitnehmern gemeinsam bezahlt wird. Die größten Probleme ergeben sich hier aus relativ geringen tatsächlichen Auszahlungen und der Nichterfassung der großen Anzahl an Personen ohne formelle Erwerbsaktivitäten (informeller Sektor) bzw. solche die arbeitslos sind. Einen erheblichen Beitrag zur sozialen Sicherung leisten karitative Einrichtungen, vornehmlich auf religiöser Basis und finanziert aus Spenden und wohltätigen Stiftungen. Insbesondere in den letzten zehn Jahren intensivieren nichtstaatliche Organisationen - oft mit internationaler Unterstützung - Unterstützungsmaßnahmen in allen Bereichen der Gesellschaft. Formale staatliche Institutionen für die Aufnahme von Rückkehrern sind hier nicht bekannt. Steigende Inflation und Subventionsabbau drohen die wirtschaftliche Situation vor allem der armen Segmente der Gesellschaft derzeit erheblich zu verschlechtern. Ob es gelingt, dem Unmut der Bevölkerung durch den Ausbau staatlicher Sozialhilfeprogramme entgegenzuwirken ist derzeit fraglich. Es zeichnet sich ab, dass Militär und auch Sicherheitsdienste in sozialen Bereichen, beispielsweise in der Verteilung von Lebensmitteln, einspringen und staatliche Aufgaben verstärkt substituieren.

Ägypten ist das nach Südafrika am stärksten industrialisierte Land Afrikas. Außerhalb der Ballungsgebiete spielt insbesondere die Landwirtschaft eine erhebliche Rolle. Der große informelle Sektor (v.a. Dienstleistungen; Schätzungen gehen von 30% des BIP aus) nimmt zudem einen Großteil der Arbeitskräfte auf. Bei einem Netto-Bevölkerungswachstum von jährlich rund zwei Millionen Menschen ist die Arbeitslosigkeit und insbesondere Jugendarbeitslosigkeit besonders hoch (offiziell wird die Jugendarbeitslosigkeit mit 28% angegeben, Schätzungen gehen von höheren Zahlen aus). Ägypten hat ein großes Interesse an ausländischen Direktinvestitionen und fördert diese gezielt. Zahlreiche Handelshemmnisse und Bürokratie schrecken potentielle Investoren jedoch ab. Staatliche Unternehmen sowie das ägyptische Militär spielen im Wirtschaftsleben eine starke Rolle. Jeder dritte Ägypter ist in der Landwirtschaft beschäftigt. Die landwirtschaftliche Nutzfläche erstreckt sich vor allem entlang des Nils sowie im Nildelta, macht aber nur rund vier Prozent der Gesamtfläche des Landes aus. Aufgrund der starken Parzellierung können viele Landwirte lediglich Subsistenzwirtschaft betreiben.

Der Dienstleistungssektor ist der größte Wirtschaftssektor. Er bietet rund 50% der ägyptischen Arbeitskräfte eine Beschäftigung und trägt mit rund 49% etwa die Hälfte zum BIP bei. Mehr als 54 Millionen Ägypter sind im arbeitsfähigen Alter. Davon sind nach Angaben der ägyptischen Statistikbehörde CAPMAS knapp 27 Millionen auf dem Arbeitsmarkt, was einer Erwerbsquote von 49,5% entspricht. Die Erwerbsquote von Frauen ist mit rund 23% die niedrigste unter vergleichbaren arabischen Ländern, was v.a. mit der Arbeitsmarktstruktur, den niedrigen Löhnen, den langen Wartezeiten auf die von Frauen bevorzugten Jobs im öffentlichen Sektor sowie kulturellen Vorstellungen zu tun hat. Der ägyptische Arbeitsmarkt ist jung. 38% der ägyptischen Arbeitskräfte sind zwischen 15 und 29 Jahre alt. In den letzten Jahren drängten jährlich etwa 800.000 Ägypter neu auf den Arbeitsmarkt, was einer Wachstumsrate von ca. 3% entspricht. Die offizielle Arbeitslosenrate schwankte in den letzten zehn Jahren zwischen 9 und 10.5%. Unabhängige Schätzungen gehen jedoch von bis zu 30% Arbeitslosen aus da viele Arbeitswillige aus der engen Definition der Arbeitssuchenden herausfallen. Grundsätzlich gilt für Ägypten, dass Armut nicht mit Arbeitslosigkeit gleichgesetzt werden kann. Anders als die Nicht-Armen, die bei Arbeitslosigkeit auf die Unterstützung ihrer Familien zählen können, können es sich die Armen nicht leisten, über einen längeren Zeitraum kein wenn auch noch so niedriges Einkommen zu haben.

Medizinische Versorgung:

Das grundlegend funktionierende Sozialversicherungssystem mit Elementen der Kranken- und Unfallversicherung ist eingeschränkt leistungsfähig. Eine minimale kostenlose Grund-versorgung ist gegeben. Notfälle werden behandelt; die Grundversorgung chronischer Krankheiten ist minimal und oft nur mit Zuzahlungen gegeben. Es gibt im Großraum Kairo über 100 staatliche Krankenhäuser, u. a. die Unikliniken Kasr El Aini und Ain Shams. Die Versorgung mit Medikamenten im örtlichen Markt ist ausreichend. Importe werden staatlich kontrolliert.

Mit fast 30 Ärzten pro 10.000 Einwohner (regionaler Schnitt 10/10.000) hat Ägypten eine vergleichsweise gute medizinische Versorgung. Die Möglichkeit der ambulanten Versorgung in privaten Kliniken oder Praxen ist in Kairo vielfältig. Etliche in Europa oder den USA ausgebildete Fachärzte und Professoren bieten oft nach ihrer Tätigkeit in den überlaufenen staatlichen Universitätskrankenhäusern nachmittags oder abends private Konsultationen an. Die Ausstattung der Praxen ist oft einfach, die Hygiene meistens nicht mit europäischen Verhältnissen vergleichbar und der Verkehrsstau vor dem Erreichen der Sprechstunde die Regel, so dass die ambulante Versorgung für einen Patienten sehr anstrengend sein kann. Das Fehlen der Allgemeinmedizin, des "praktischen Hausarztes" kann unter Umständen zur Überdiagnostik beim Facharzt führen, die ganzheitliche Versorgung des Kranken kann dabei zu kurz kommen. Eine Vielzahl von privaten Belegkrankenhäusern finden sich verteilt über die einzelnen Stadtteile der Millionenmetropole. Einige der renommierteren Privatkliniken haben über hundert Belegärzte, die meisten von ihnen sind an mehreren Häusern tätig. Fachabteilungen im eigentlichen Sinn (Chefarzt, Oberärzte, Assistenten) sind nicht vorhanden, das Pflegepersonal arbeitet täglich mit einer großen Anzahl unterschiedlicher Fachärzte zusammen. Gezielte Eingriffe sind durchaus möglich, die Ausstattung mit modernen medizinischen Geräten ist gut, Hygiene und pflegerische Versorgung aber oft nicht auf europäischem Niveau. Deshalb sollte auch grundsätzlich überlegt werden, ob selektive Eingriffe, bei denen man den Zeitpunkt selber bestimmen kann, in Kairo durchgeführt werden müssen. Die fachärztliche Kompetenz ist in den meisten Fällen gegeben, die Infrastruktur der privaten Belegkrankenhäuser lässt oftmals zu wünschen übrig. Das staatliche Rettungswesen, unter der Telefonnummer 123 zu erreichen, ist recht zuverlässig. Die Verständigung erfolgt auf Arabisch, eine ärztliche Begleitung wird nur auf begründeten Wunsch gewährt. Durch Stationierung an strategisch wichtigen Punkten der Stadt sind Krankenwagen trotz dichtem Verkehr oft erstaunlich schnell zur Stelle. Die akute Notfallversorgung wird im zuerst erreichbaren Krankenhaus erfolgen, wenn genügend Zeit zu Verfügung steht, kann auch eine andere Klinik angefahren werden, das muss gesondert bezahlt werden. Beste intensivmedizinische Versorgung findet sich je nach Wohngebiet der Entsandten im Dar El Fuad Hospital (6th of October), Misr International (Dokki, Zamalek, Mohandessin), Air Force Specialist Hospital (New Cairo), Saudi German Hospital (Heliopolis) und As Salam International (Maadi). Diese Krankenhäuser haben auch eigene, besser ausgestattete Ambulanzfahrzeuge zu Verfügung.

Der Großteil der ägyptischen Bevölkerung ist über den Staat versichert. Problematisch ist, dass diese Versicherung an Ausbildung oder Arbeitsplatz gekoppelt ist, und Arbeitslose oder Arme daher ausschließt. Wegen der teils gravierenden Qualitätsmängel in der staatlichen Versorgung - mangelnde Hygiene oder vernachlässigte Wartung von Geräten ebenso wie unterbezahltes Personal - meidet, wer kann, die großen Krankenhäuser ohnehin zugunsten privater Kliniken.

Aktuell sind Rückkehr- und Reintegrationsprojekte nicht bekannt. Es gibt keine gesonderten Aufnahmeeinrichtungen. Zur Situation von Rückkehrern liegen keine Erkenntnisse vor. Staatliche Maßnahmen als Reaktion auf Asylanträge im Ausland sind nicht bekannt.

Zusammengefasst wird festgestellt, dass eine Rückführung des Beschwerdeführers nach Ägypten für diesen weder eine reale Gefahr einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK (ZPERMRK) bedeuten würde, noch für ihn als Zivilpersonen eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.

Es wird weiters festgestellt, dass in Ägypten für die Masse der Bevölkerung nicht im gesamten Staatsgebiet jene gemäß der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte geforderte Exzeptionalität der Umstände vorliegt, welche die Rückkehr eines Fremden automatisch im Widerspruch zu Art. 2 oder Art. 3 EMRK erscheinen lässt (vgl. dazu VwGH vom 21. August 2001, 2000/01/0043). Wie sich aus den Länderfeststellungen ergibt, wird eine nach Ägypten abgeschobene Person, bei welcher keine besonders berücksichtigungswürdigen Umstände vorliegen, durch eine Rückkehr nicht automatisch in eine "unmenschliche Lage" versetzt. Es wird weiters festgestellt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr keiner lebensbedrohenden Situation überantwortet wird, er selbst hat hinsichtlich einer ihm drohenden Gefährdung in seinem Herkunftsstaat auch kein substantiiertes Vorbringen erstattet und haben sich auch amtswegig keine Anhaltspunkte dafür ergeben.

Im Verfahren sind auch sonst keine Umstände hervorgekommen, die einer Abschiebung des Beschwerdeführers in seinen Heimatstaat Ägypten entgegenstünden.

Es wird weiters festgestellt, dass der junge und arbeitsfähige Beschwerdeführer, auch wenn ihm kein privater Familienverband soziale Sicherheit bieten sollte, seinen Lebensunterhalt aus eigener Kraft bestreiten kann.

2. Beweiswürdigung

Der erkennende Einzelrichter des Bundesverwaltungsgerichtes hat nach dem Grundsatz der freien Beweiswürdigung über die Beschwerde folgende Erwägungen getroffen:

2.1. Zum Sachverhalt:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgebenden Sachverhaltes wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweise erhoben durch die Einsichtnahme in den Akt der belangten Behörde unter zentraler Berücksichtigung der Angaben des Beschwerdeführers vor dieser, in den bekämpften Bescheid und in den Beschwerdeschriftsatz sowie in das "Länderinformationsblatt der Staatendokumentation" zu Ägypten. Auszüge aus dem Zentralen Melderegister, dem Zentralen Fremdenregister, dem Strafregister, dem Schengener Informationssystem und dem Betreuungsinformationssystem wurden ergänzend eingeholt.

Die belangte Behörde hat ein mängelfreies, ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren durchgeführt und in der Begründung des angefochtenen Bescheides die Ergebnisse dieses Verfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammengefasst. Das Bundesverwaltungsgericht verweist daher zunächst auf diese schlüssigen und nachvollziehbaren beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid.

Auch der Beschwerde vermag das Bundesverwaltungsgericht keine neuen Sachverhaltselemente zu entnehmen, welche geeignet wären, die von der erstinstanzlichen Behörde getroffenen Entscheidungen in Frage zu stellen. Der Beschwerdeführer bestreitet den von der belangten Behörde festgestellten Sachverhalt nicht substantiiert und erstattete in der Beschwerde auch kein konkretes sachverhaltsbezogenes Vorbringen, sodass das Bundesverwaltungsgericht den maßgeblichen Sachverhalt als ausreichend ermittelt und somit entscheidungsreif ansieht und sich der von der belangten Behörde vorgenommenen, nachvollziehbaren Beweiswürdigung vollumfänglich anschließt.

2.2. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die Feststellung, dass die Identität des Beschwerdeführers nicht feststeht, ergibt sich aus dem Umstand, dass der Beschwerdeführer nicht Willens war, den österreichischen Behörden identitätsbezeugende Dokumente, insbesondere seinen gültigen Reisepass vorzulegen. Wenn dazu in der Beschwerde ausgeführt wird, dass er eine Geburtsurkunde vorgelegt habe, so ist dem entgegenzuhalten, dass eine Geburtsurkunde eine Personenstandsurkunde ist und lediglich den aktuellen Inhalt der Eintragung im Zentralen Personenstandsregister wiederspiegelt und schon deshalb nicht den Anforderungen (kein Lichtbild) als Identitätsnachweis (Reisepass, Personalausweis) genügt. Dass der Beschwerdeführer zudem seinen Reisepass bewusst den Behörden im Original nicht vorlegen wollte, erschließt sich aus seinen diesbezüglichen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde, wo er wörtlich dazu ausführte: "Ich habe ihn bei einer Freundin gelassen. Sie wohnt in Klagenfurt und heißt XXXX. Ich habe Angst vor einer Abschiebung."

Ausweisen würde er sich mit seinem Meldezettel, seinem Antrag auf § 55 AsylG und seiner Servicekarte der Unfallversicherung.

Die Feststellung zu seiner Volljährigkeit, seinem Gesundheitszustand, seiner Arbeitsfähigkeit und seinem Familienstand gründen sich auf die diesbezüglichen glaubhaften Angaben des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde. Es ist im Verfahren nichts hervorgekommen, dass Zweifel an der Richtigkeit dieser Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers aufkommen lässt.

Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers im österreichischen Bundesgebiet, ergeben sich unbestritten aus dem Verwaltungsakt seines Antrages auf internationalen Schutz, den aktuellen Auszügen aus dem ZMR und seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme.

Dass der Beschwerdeführer seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen ist, seit der rechtskräftigen negativen Entscheidung des Asylgerichtshofes über kein Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet verfügt und illegal im Bundesgebiet aufhältig ist, ergibt sich aus dem Verwaltungsakt und seinen eigenen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme.

Die Feststellungen zu seiner Schul- und Berufsausbildung, sowie zu seiner Berufstätigkeit in Ägypten ergeben sich aus seinen gleichlautenden Angaben vor den Behörden, ebenso die Feststellungen zu seinen in Ägypten lebenden Familienangehörigen.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer in Österreich lebende Verwandte seiner Mutter hat und Kontakt zu diesen besteht, sowie dass er von seinem Onkel finanziell unterstützt wird, erschließt sich auch aus seinen eigenen Angaben vor der belangten Behörde.

Die Feststellung, dass der Beschwerdeführer keine Grundversorgung bezieht, ergibt sich aus einem am 08.05.2019 abgefragten Speicherauszug aus dem Betreuungsinformationssystem, sowie seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme. Es ist in diesem Zusammenhang festzuhalten, dass der Beschwerdeführer nicht in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenem zu bestreiten, sodass nicht von einer dauerhaften Selbsterhaltungsfähigkeit ausgegangen werden kann und demnach auch die zukünftige Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgeschlossen werden kann.

Die Feststellungen zu seinem Familienleben in Österreich gründen sich auf seinen Angaben im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme, in Zusammenschau mit den Ausführungen seiner "Lebensgefährtin" im Schreiben betreffend der Mietvereinbarung und den Ausführungen der Mutter der "Lebensgefährtin" in ihrem Empfehlungsschreiben. Die dahingehend widersprüchlichen Angaben, so führt die "Lebensgefährtin" aus, dass er als Untermieter in ihrer Wohnung lebt und seine Verbrauchskosten durch Mithilfe im Haushalt und in der Kinderbetreuung begleicht, sowie dass diese Mietvereinbarung bis auf Widerruf gelten würde (AS 23). Dass es sich bei dem Beschwerdeführer um ihren Lebensgefährten handeln würde, wird mit keinem Wort erwähnt und ist dies auch aus der vorliegenden Textierung nicht zu entnehmen, wie auch die Mutter der "Lebensgefährtin" zwar angibt, dass dieser der Lebensgefährte ihrer Tochter gewesen sei, wobei sie davon in der Vergangenheitsform spricht, eine aktuelle Beziehung wird auch hier nicht erwähnt. Aus den eingeholten Auszügen aus dem ZMR ergibt sich zwar unbestritten derzeit ein gemeinsamer Wohnsitz besteht, dass darüberhinaus die Voraussetzungen an ein schützenswertes Familienleben vorliegen würden, kann aus einer Gesamtschau der vorliegenden Unterlagen nicht erkannt werden und sind auch die Ausführungen im Beschwerdeschriftsatz dahingehend nicht substantiiert bzw. wurde der Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht entgegengetreten und wurden diesbezüglich auch keine neuen Beweisanträge gestellt, sodass das Bundesverwaltungsgericht nicht von einer entscheidungsmaßgeblichen Änderung des Sachverhaltes seit Erlassung der erstinstanzlichen Entscheidung in Bezug auf sein Familienleben ausgeht.

Eine entscheidungsrelevante Intensität des Zusammenlebens kann unter Zugrundelegung der obigen Ausführungen, selbst unter Berücksichtigung seiner unsubstantiierten Ausführungen, dass er seine "Partnerin vielleicht heiraten möchte", jedoch nicht abgeleitet werden. Im gegenständlichen Fall liegt somit, wenn überhaupt ein Familienleben geringerer Intensität vor, da außer einer gemeinsamen Wohnsitznahme, keine Kriterien angeführt wurden, die ein schützenswertes Familienleben im Sinne des Art 8 EMRK ausmachen. Unter Berücksichtigung aller Umstände war sohin Feststellung zu treffen, dass kein den Anforderungen des Art. 8 EMRK entsprechendes schützenswertes Familienleben des Beschwerdeführers in Österreich besteht sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität.

Es darf dabei auch nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Beschwerdeführer Frau XXXX im Rahmen seiner Antragstellung, trotz anwaltlicher Vertretung, mit keinem Wort erwähnt hat und erstmals im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme, auf Vorhalt der belangten Behörde, dass es sich bei seinen Tätigkeiten um Schwarzarbeit handeln würde und Frau XXXX deswegen angezeigt werden könne, diese als seine Lebensgefährtin/Lebenspartner bezeichnet.

Es wird vom erkennenden Richter nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer integrative Schritte gesetzt hat, wie dies seine abgelegte Integrationsprüfung, seine Mitgliedschaft bei der Sportunion XXXX und der von ihm vorgelegte Arbeitsvorvertrag belegen. Es wird aber auch nicht verkannt, dass der Beschwerdeführer diese integrativen Schritte erst nach rechtskräftigem negativem Abschluss seines Verfahrens auf internationalen Schutz gesetzt hat und diese somit in den Zeitraum seines illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet fallen und somit hinsichtlich einer Entscheidungsrelevanz entsprechend zu relativieren sind.

Zu den vom Beschwerdeführer vorgelegten Empfehlungsschreiben ist darüberhinaus auszuführen, dass es sich mit Ausnahme von zwei personalisierten Schreiben, um Unterschriften unter einem allgemein gehaltenen vorgefertigten Text handelt, sodass dahingehend nicht von intensiven zwischenmenschlichen Kontakten/Beziehungen ausgegangen werden kann. Dies zeigt sich auch in seinen Angaben vor der belangten Behörde wo er befragt zu seinem Privatleben, wörtlich ausgeführt hat: "Ich bin beim Verein XXXX, ich bin Tormann. In Form interkulturellen Austausches bringe ich in der XXXX im Café XXXX arabische Tänze und den ägyptischen Stocktanz den Mitmenschen bei."

Ausführungen zu den seine soziale Integration belegenden Unterschriften bzw. den dahinterstehenden Personen blieb er jedoch schuldig.

Dementsprechend können die von ihm vorgebrachten privaten Kontakte, selbst wenn sie objektiv vorhanden und für Ihn subjektiv von Bedeutung sind, nicht die Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben und Familienleben im Sinne der EMRK erfüllen, sowohl in zeitlicher Hinsicht als auch in Bezug auf die erforderliche Intensität.

Aus den obgenannten Unterlagen und Ausführungen ergeben sich insgesamt durchaus integrative Schritte, aus denen jedoch keine entscheidungsmaßgebliche Teilnahme am kulturellen und sozialen Leben der Dorfgemeinschaft abgeleitet werden kann, sodass diese insgesamt nicht den Anforderungen an ein schützenswertes Privatleben im Sinne der EMRK entsprechen und zudem während seines illegalen Aufenthaltes im Bundesgebiet entstanden sind.

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus einer Abfrage des Strafregisters der Republik Österreich vom 08.05.2019.

2.3. Zum Herkunftsstaat:

Die Feststellungen zur Lage im Herkunftsstaat in Ägypten ergeben sich insbesondere aus den folgenden Meldungen und Berichten:

Quellen:

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AA - Auswärtiges Amt (15.12.2016): Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Ägypten, http://www.ecoi.net/file_upload/4598_1483948426_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschieberelevante-lage-in-aegypten-stand-dezember-2016-15-12-2016.pdf, Zugriff 26.04.2017

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AA - Auswärtiges Amt (03.2017b): Ägypten - Wirtschaft, http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Aussenpolitik/Laender/Laenderinfos/Aegypten/Wirtschaft_node.html, Zugriff 27.04.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (03.2017b): Liportal, Ägypten - Wirtschaft und Entwicklung, https://www.liportal.de/aegypten/wirtschaft-entwicklung/, Zugriff 02.05.2017

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DBK - Deutsche Botschaft Kairo (06.2016): Medizinische Hinweise - Kairo,

http://www.kairo.diplo.de/contentblob/3865926/Daten/3348611/regarzt_medizinische_hinweise.pdf, Zugriff 26.04.2017

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GIZ - Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit GmbH (03.2017b): Liportal, Ägypten - Gesellschaft, https://www.liportal.de/aegypten/gesellschaft/#c89356, Zugriff 02.05.2017

Angesichts der Seriosität und Plausibilität der angeführten Erkenntnisquellen sowie dem Umstand, dass diese Berichte auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängigen Quellen beruhen und dennoch ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ohne wissentliche Widersprüche darbieten, besteht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Zu den zur Feststellung, ausgewählten Quellen wird angeführt, dass es sich hierbei um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen, sowohl staatlichen als auch nichtstaatlichen Ursprungs handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Zur Aussagekraft der einzelnen Quellen wird angeführt, dass zwar in nationalen Quellen rechtsstaatlich-demokratisch strukturierter Staaten, von denen der Staat der Veröffentlichung davon ausgehen muss, dass sie den Behörden jenes Staates, über den berichtet wird, zur Kenntnis gelangen, diplomatische Zurückhaltung geübt wird, wenn es um kritische Sachverhalte geht, doch andererseits sind gerade diese Quellen aufgrund der nationalen Vorschriften vielfach zu besonderer Objektivität verpflichtet, weshalb diesen Quellen keine einseitige Parteinahme unterstellt werden kann. Zudem werden auch Quellen verschiedener Menschenrechtsorganisationen herangezogen, welche oftmals das gegenteilige Verhalten aufweisen und so gemeinsam mit den staatlich-diplomatischen Quellen ein abgerundetes Bild ergeben. Bei Berücksichtigung dieser Überlegungen hinsichtlich des Inhaltes der Quellen, ihrer Natur und der Intention der Verfasser handelt es sich nach Ansicht des erkennenden Richters bei den Feststellungen um ausreichend ausgewogenes und aktuelles Material (vgl. VwGH, 07.06.2000, Zl. 99/01/0210).

Der Beschwerdeführer trat den Quellen und deren Kernaussagen im Beschwerdeverfahren auch nicht substantiiert entgegen, weshalb die obgenannten Länderfeststellungen der gegenständlichen Entscheidung bedenkenlos zugrunde gelegt werden konnten.

3. Rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides:

3.1. Zur anzuwendenden Rechtslage:

Die maßgeblichen Bestimmungen der § 10 Abs. 3 und § 55, AsylG 2005, BGBl I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018, lauten:

Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme

§ 10. (3) Wird der Antrag eines Drittstaatsangehörigen auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 abgewiesen, so ist diese Entscheidung mit einer Rückkehrentscheidung gemäß dem 8. Hauptstück des FPG zu verbinden. Wird ein solcher Antrag zurückgewiesen, gilt dies nur insoweit, als dass kein Fall des § 58 Abs. 9 Z 1 bis 3 vorliegt.

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine "Aufenthaltsberechtigung plus" zu erteilen, wenn

1. dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2. der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine "Aufenthaltsberechtigung" zu erteilen.

Die maßgebliche Bestimmung des § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl I Nr. 87/2012, in der Fassung BGBl I Nr. 56/2018, lautet:

Schutz des Privat- und Familienlebens

§ 9. (2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1. die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2. das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3. die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4. der Grad der Integration,

5. die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6. die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7. Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8. die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9. die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

Die maßgeblichen Bestimmungen der § 52 Abs. 3 und 9 und § 55 Abs. 1 bis 3 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, in der Fassung BGBl. I Nr. 56/2018, lauten:

Rückkehrentscheidung

§ 52. (3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) ...

Frist für die freiwillige Ausreise

§ 55. (1) Mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 wird zugleich eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt.

(1a) ...

(2) Die Frist für die freiwillige Ausreise beträgt 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheides, sofern nicht im Rahmen einer vom Bundesamt vorzunehmenden Abwägung festgestellt wurde, dass besondere Umstände, die der Drittstaatsangehörige bei der Regelung seiner persönlichen Verhältnisse zu berücksichtigen hat, die Gründe, die zur Erlassung der Rückkehrentscheidung geführt haben, überwiegen.

(3) Bei Überwiegen besonderer Umstände kann die Frist für die freiwillige Ausreise einmalig mit einem längeren Zeitraum als die vorgesehenen 14 Tage festgesetzt werden. Die besonderen Umstände sind vom Drittstaatsangehörigen nachzuweisen und hat er zugleich einen Termin für seine Ausreise bekanntzugeben. § 37 AVG gilt.

(4-5) ...".

Zu Spruchpunkt A)

3.2. Zur Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Zur Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Artikel 8 EMRK (Spruchpunkt I.) und zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt II.):

Eine Aufenthaltsberechtigung gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wäre gemäß § 55 Abs. 1 Ziffer 1 leg. cit. zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Artikel 8 EMRK geboten ist und der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. I Nr. 189/1955) erreicht wird.

Im vorliegenden Fall hat der Beschwerdeführer am 04.01.2019 die Integrationsprüfung abgelegt, sodass nunmehr zu prüfen ist, ob auch das zweite Erfordernis für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung "plus", nämlich ein schützenswertes Privat- und Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK, vorliegt.

Bei Beurteilung dieser Frage ist unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 12.11.2015, Ra 2015/21/0101).

Maßgeblich sind dabei etwa die Aufenthaltsdauer, das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens und dessen Intensität sowie die Schutzwürdigkeit des Privatlebens, weiters der Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert sowie die Bindungen zum Heimatstaat (vgl. VwGH 5.9.2016, Ra 2016/19/0074; VwGH 7.9.2016, Ra 2016/19/0168; VwGH 22.2.2017, Ra 2017/19/0043). Für den Aspekt des Privatlebens spielt zunächst die zeitliche Komponente im Aufenthaltsstaat eine zentrale Rolle, wobei die bisherige Rechtsprechung keine Jahresgrenze festlegt, sondern eine Interessenabwägung im speziellen Einzelfall vornimmt (vgl. dazu Chvosta, Die Ausweisung von Asylwerbern und Art. 8 MRK, in ÖJZ 2007, 852 ff.). Eine von Art. 8 EMRK geschützte Integration ist erst nach einigen Jahren im Aufenthaltsstaat anzunehmen (vgl. Thym, EuGRZ 2006, 541).

Vorab ist dahingehend festzuhalten, dass hinsichtlich der Dauer seines Aufenthaltes zunächst herauszustreichen ist, dass es in diesem Zusammenhang keinen Rechtserwerb allein durch Zeitablauf (im Sinne einer "Ersitzung") geben kann, zumal dafür keine gesetzliche Grundlage existiert. Vielmehr enthält § 9 Abs. 2 BFA-Verfahrensgesetz eine bloß demonstrative Aufzählung jene Umstände, die bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK zu berücksichtigen sind (arg: "insbesondere"). Die "Dauer des bisherigen Aufenthaltes" ist dabei nur einer von mehreren Aspekten, die zugunsten oder zuungunsten des Fremden ins Kalkül zu ziehen sind

Im Lichte des Art. 8 EMRK ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Beschwerdeführer abgesehen vom Aufenthalt während seines Verfahrens auf internationalen Schutz im Zeitraum vom 14.01.2013 bis 22.01.2013, erst ab 05.10.2015 im Bundesgebiet melderechtlich erfasst ist, sodass sein nachweislicher Aufenthalt im Bundesgebiet nunmehr 3 1/2 Jahre beträgt. Selbst wenn man davon ausgehen würde, dass sich der Beschwerdeführer seit seiner Asylantragstellung im Bundesgebiet, wenn auch ohne Meldeadresse, aufgehalten hat, stellt diese Zeitspanne von rd. 5 Jahren aber noch keinen solch langen Zeitraum dar, dessentwegen schon wegen der reinen Aufenthaltsdauer auf die Unzulässigkeit der Ausweisung zu erkennen wäre (vgl. dazu etwa das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom 8. April 2008, Nnyanzi gegen das Vereinigte Königreich, Nr. 21878/06, demzufolge der Gerichtshof es nicht erforderlich erachtete, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob während des fast zehnjährigen Aufenthalts des betreffenden Beschwerdeführers ein Privatleben iS von Art. 8 EMRK entstanden ist).

Zum Familienleben ist grundsätzlich auszuführen, dass das Recht auf Achtung des Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK das Zusammenleben der Familie schützt. Es umfasst jedenfalls alle durch Blutsverwandtschaft, Eheschließung oder Adoption verbundenen Familienmitglieder, die effektiv zusammenleben; das Verhältnis zwischen Eltern und minderjährigen Kindern auch dann, wenn es kein Zusammenleben gibt. Der Begriff des Familienlebens ist nicht auf Familien beschränkt, die sich auf eine Heirat gründen, sondern schließt auch andere de facto Beziehungen ein, sofern diese Beziehungen eine gewisse Intensität erreichen. Als Kriterium hiefür kommt etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Dauer der Beziehung, die Demonstration der Verbundenheit durch gemeinsame Kinder oder die Gewährung von Unterhaltsleistungen in Betracht (vgl. EGMR 13. 6. 1979, Marckx, EuGRZ 1979).

Was das "Familienleben" zwischen dem Beschwerdeführer und seiner "Lebensgefährtin/ Lebenspartnerin" betrifft ist auszuführen, dass die erforderliche Intensität, wie auch in der Beweiswürdigung dargelegt und von der belangten Behörde zu Recht festgestellt, nicht gegeben ist. Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer seit 08.12.2018 mit ihr in einer gemeinsamen Wohnung lebt, es ist aber auch unbestritten, dass die Angaben hinsichtlich der Beziehung widersprüchlich sind. Der erkennende Richter verkennt dabei auch nicht, dass der Beschwerdeführer diese Beziehung in seinem Antrag nicht erwähnt hat und erst im Rahmen der Einvernahme, mit rechtswidrigem Verhalten konfrontiert, angegeben hat, eine Beziehung mit seiner Unterkunftgeberin zu haben. Es lag und liegt also, wenn überhaupt ein Familienleben geringerer Intensität vor, das nicht geeignet ist, eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen zu lassen.

Nach der Rechtsprechung des EGMR garantiert die Konvention aber Fremden kein Recht auf Einreise und Aufenthalt in einem Staat. Unter gewissen Umständen können von den Staaten getroffene Entscheidungen auf dem Gebiet des Aufenthaltsrechts (z.B. eine Ausweisungsentscheidung) aber in das Privatleben eines Fremden eingreifen. Dies beispielsweise dann, wenn ein Fremder den größten Teil seines Lebens in dem Gastland zugebracht oder besonders ausgeprägte soziale oder wirtschaftliche Bindungen im Aufenthaltsstaat vorliegen, die sogar jene zum eigentlichen Herkunftsstaat an Intensität deutlich übersteigen (vgl. EGMR 8.3.2008, Nnyanzi v. The United Kingdom, Appl. 21.878/06; 4.10.2001, Fall Adam, Appl. 43.359/98, EuGRZ 2002, 582; 9.10.2003, Fall Slivenko, Appl. 48.321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.6.2005, Fall Sisojeva, Appl. 60.654/00, EuGRZ 2006, 554).

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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