TE Bvwg Erkenntnis 2019/9/12 W191 1408274-4

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Veröffentlicht am 12.09.2019
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Entscheidungsdatum

12.09.2019

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §6
AsylG 2005 §8
BFA-VG §18
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55

Spruch

W191 1408274-4/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Rosenauer als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.07.2019, Zahl 461379903-180592535, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird gemäß §§ 3, 6, 8, 10 und 57 Asylgesetz 2005, §§ 9 und 18 BFA-VG sowie §§ 46, 52, 53 und 55 Fremdenpolizeigesetz 2005 als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

1. Verfahrensgang:

1.1. Vorverfahren:

1.1.1. Der Beschwerdeführer (in der Folge BF), ein indischer Staatsangehöriger, Angehöriger der Glaubensgemeinschaft der Sikhs und verheiratet, reiste nach seinen Angaben am 20.07.2008 irregulär und schlepperunterstützt in Österreich ein und stellte am 21.07.2008 einen (ersten) Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 Asylgesetz 2005 (in der Folge AsylG).

Als Fluchtgrund gab er an, Gegner des Religionsführers Gurmit Ram Rahmi zu sein und aus Angst vor dessen Gefolgsleuten Indien verlassen zu haben.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes (in der Folge BAA) vom 18.11.2008 wurde der Antrag des BF, nachdem hervorgekommen war, dass er sich zuvor bereits seit 2005 in Deutschland aufgehalten hatte, aufgrund des Dublin-Übereinkommens betreffend die Zuständigkeit für das Asylverfahren des BF gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutzes der Mitgliedstaat Deutschland zuständig sei. Der BF wurde nach Deutschland ausgewiesen. Er war in der Folge unbekannten Aufenthalts, und erwuchs dieser Bescheid am 04.12.2008 in Rechtskraft.

1.1.2. Am 21.11.2008 wurde der BF von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes wegen des Verdachts der Urkundenfälschung (gefälschter Führerschein) bei der Staatsanwaltschaft angezeigt.

1.1.3. Am 05.06.2009 wurde der BF in Schubhaft genommen und stellte unmittelbar darauf am selben Tag einen (zweiten) Antrag auf internationalen Schutz. Im Rahmen der Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab er an, er habe seit der letzten Asylantragstellung Österreich nicht verlassen. Den neuen Asylantrag stelle er, weil er jetzt niemals nach Indien zurückkehren könne, da er dort umgebracht werden würde.

An die Angaben in seinem letzten Asylverfahren könne er sich nicht mehr erinnern. Es gebe neue Gründe, da er verdächtigt werde, ein Attentäter [gemeint: das Sikh-Attentat im Tempel am 24.05.2009 in Wien] zu sein, und in Indien gesucht werde. Seinen letzten Asylantrag habe er nicht weiter betrieben, weil er angenommen habe, dass er nach Deutschland geschickt werde. Er sei im Zuge des Vorfalls betreffend die Tötung eines indischen Gurus verhaftet worden, obwohl er unschuldig sei. Bei einer Rückkehr nach Indien würde ihn die indische Polizei sofort verhaften, und er werde entweder im Gefängnis umgebracht oder von den Anhängern des Gurus getötet. Sein Foto und seine Adresse seien in Indien veröffentlicht worden. Die Leute in Indien würden sich an ihm rächen wollen. Er sei in Indien nunmehr eine "wanted person" und könne auch kein faires Verfahren dort erwarten, da die Regierung auf den Druck der Leute reagiere.

Mit Bescheid vom 19.06.2009 wies das BAA diesen (zweiten) Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 05.06.2009 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 21.08.2009 wurde die Beschwerde gegen diesen Bescheid als unbegründet abgewiesen.

1.1.4. Am 24.06.2009 wurde der BF aus der Schubhaft entlassen und anschließend aufgrund eines Haftbefehls der Staatsanwaltschaft Wien nach den Bestimmungen der Strafprozessordnung (StPO) festgenommen.

1.1.5. Am 16.12.2009 stellte der BF einen weiteren (dritten) Antrag auf internationalen Schutz. Dabei gab er an, dass seine Gründe, welche er im letzten Asylverfahren angegeben habe, noch aufrecht seien und er keine neuen Gründe habe

("Die Gründe, welche ich im letzten Asylverfahren angegeben habe, sind noch immer aufrecht.

Gibt es neue Gründe?

Nein. Es sind die gleichen Gründe. Mein Leben ist in Indien in Gefahr.")

Mit Bescheid des BAA vom 30.12.2009 wurde auch dieser (dritte) Antrag auf internationalen Schutz vom 16.12.2009 gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen.

Auch die gegen diesen Bescheid eingebrachte Beschwerde wies der Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 04.08.2010 als unbegründet ab.

1.1.6. Mit Urteil des Landesgerichts Wien vom 28.09.2010, Zahl 601 Hv 2/10w, wurde der BF wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beitragstäter (aus religiösem Fanatismus) - gemeinsam mit Mitangeklagten - nach §§ 12, 15 und 75 Strafgesetzbuch (StGB) zu einer Freiheitsstrafe von 18 Jahren verurteilt. Dem dagegen eingebrachten Rechtsmittel der Berufung gab das Oberlandesgericht Wien mit Urteil vom 28.07.2011, 23 Bs 216/11z, nicht Folge.

1.2. Gegenständliches Verfahren:

1.2.1. Mit Schreiben seines damaligen anwaltlichen Vertreters vom 14.06.2018 stellte der BF (gemeinsam mit einem Mithäftling) aus dem Stande der Strafhaft einen neuerlichen (vierten, gegenständlichen) Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.2. Der BF wurde am 25.06.2018 durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 26.02.2019 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA), jeweils im Beisein eines Dolmetsch für die Sprache Punjabi, niederschriftlich einvernommen.

Der BF gab an, er habe Indien im Jahr 2003 verlassen und sei dann fast zwei Jahre lang in Kirgistan, zwei Jahre in Deutschland und drei Jahre in Spanien aufhältig gewesen, bis er in Österreich um Asyl angesucht habe. Eltern, Schwester, Ehefrau und Tochter würden in Indien, zwei Brüder in Afghanistan leben.

Zum Fluchtgrund befragt gab der BF an (Auszug aus der Erstbefragungsniederschrift, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"Ich gehöre zur Sikh Religion. Wir werden seit mehreren Jahren von der indischen Regierung ermordet und unterdrückt. Am 24.05.2009 war ich bei dem Mordanschlag im Sikh-Tempel in Wien dabei. Ich wurde verhaftet und verurteilt. Gleich nach unserer Festnahme wollte die indische Regierung uns nach Indien bringen. Wir haben dem Gericht gesagt, sie sollen das nicht erlauben, weil in Indien wir zu Tode verurteilt werden."

Bei seiner Einvernahme vor dem BFA wurde der BF ausführlich zu seiner Person, zu seinen Lebensumständen in Indien sowie zu seinem angegebenen Fluchtgrund befragt.

1.2.3. Mit Schreiben vom 13.07.2018 ersuchte das Sikh Council (UK) das BFA um ernsthafte Prüfung des Asylantrages, da das Klima in Indien für diese Personen, wenn sie jemals zurückgeschickt werden, extrem unsicher sei.

1.2.4. Auch im Hinblick auf weitere vorgelegte Schriftstücke aus Indien stellte das BFA mehrere Anfragen an die Staatendokumentation bezüglich der Gefahren für den BF im Falle seiner Rückkehr nach Indien.

1.2.5. Das Bundesministerium für Verfassung, Reformen, Deregulierung und Justiz teilte auf Anfrage dem BFA mit Schreiben vom 16.07.2019 mit, dass dortamts kein Auslieferungsersuchen der indischen Behörden bezüglich des BF bekannt sei.

1.2.6. Mit Bescheid vom 20.07.2019 wies das BFA diesen (vierten) - gegenständlichen - Antrag des BF auf internationalen Schutz vom 14.06.2018 gemäß § 3 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG und § 6 Abs. 1 AsylG ab (Spruchpunkt I.), erkannte ihm den Status eines Asylberechtigten ebenso wie gemäß § 8 Abs. 1 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG den Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zu (Spruchpunkt II.) und verband diese Entscheidung in Spruchpunkt IV. gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG in Verbindung mit § 9 BFA-VG mit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 Fremdenpolizeigesetz (in der Folge FPG). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde ihm nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des BF nach Indien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.).

In Spruchpunkt VI. wurde gegen den BF gemäß § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 5 FPG ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise des BF (Spruchpunkt VII.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde in Spruchpunkt VIII. gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des BF und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Er habe nicht glaubhaft gemacht, dass er Indien aus asylrelevanten Gründen habe verlassen müssen. Es sei ein Nachfluchtgrund aufgrund seiner Beteiligung an einem Attentat in einem Sikh-Tempel in Wien im Jahr 2009 geltend gemacht worden, es hätte aber nicht festgestellt werden können, dass dem BF im Falle einer Rückkehr Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (in der Folge GFK) drohe. Ebenso würde er bei einer Rückkehr nicht in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werden oder den Verlust seiner Lebensgrundlage erleiden.

Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung liege ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor.

Die Erlassung der Rückkehrentscheidung sei in Abwägung der zu berücksichtigenden öffentlichen und privaten Interessen angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des BF geboten.

Die Erlassung des unbefristeten Einreiseverbotes stützte das BFA auf § 53 Abs. 1 in Verbindung mit Abs. 3 Z 5 FPG.

Die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen diesen Bescheid stützte das BFA auf § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG.

Beweiswürdigend führte das BFA zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaats und zur Situation im Fall der Rückkehr des BF aus (Auszug aus der Bescheidbegründung, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"Sie brachten im gegenständlichen Verfahren keine Gründe für das Verlassen Ihres Herkunftsstaates in Vorlage.

Ihre Fluchtgründe basieren auf einem Nachfluchtgrund, der sich aus Ihrer Teilnahme an dem Sikh-Tempel Attentat am 24.05.2019 ergibt.

[...]

Sie gaben im Zuge Ihrer Erstbefragung am 25.06.2018 an, dass Sie zur Sikh Religion gehören. Sie - Anm. die Sikhs - würden seit mehreren Jahren von der indischen Regierung unterdrückt werden. Sie wären am Attentat in einem Sikh Tempel am 24.05.2009 beteiligt gewesen. Die indische Regierung hätte gleich nach Ihrer Festnahme in Wien versucht, Sie wieder nach Indien zu bringen.

Im Falle einer Rückkehr nach Indien hätten Sie Angst um Ihr Leben.

Bei Ihrer niederschriftlichen Einvernahme am 26.02.2019 in der JA [Justizanstalt] Stein gaben Sie gleichlautend zu Ihrer Erstbefragung an, dass Sie im Falle einer Rückkehr befürchten, gleich bei der Ankunft am Flughafen von den Sicherheitsbehörden festgenommen und getötet zu werden.

Ihre Aussage, dass die Rückführung Ihrer Person einem Todesurteil gleichkommen würde, konnte von der Behörde nicht nachvollzogen werden. Es mangelt Ihrem Vorbringen an konkreten Hinweisen dafür, dass die Anhänger des getöteten bzw. verwundeten Sikh-Gurus tatsächlich und mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit über derart großen Einfluss verfügen, sodass Sie von den indischen Sicherheitsbehörden nicht geschützt werden würden oder sogar von den indischen Sicherheitsbehörden an sich etwas zu befürchten hätten.

Sie wiederholten ebenfalls, dass bereits im Jahr 2009 versucht worden wäre, dass Sie von indischen Beamten nach Indien gebracht werden.

Hierzu ist jedoch anzumerken, dass dem Justizministerium keinerlei Ansuchen des indischen Staates bekannt sind. Daher wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Ihrer Furcht vor Verfolgung - seitens der indischen Regierung - aufgrund des Mangels an Beweisen keinerlei Glaubhaftigkeit zukommen kann. Dem Bundesamt liegen keinerlei nachvollziehbaren Informationen vor, wonach Sie von der indischen Regierung gesucht werden würden. Ein Antrag auf Auslieferung Ihrer Person wurde seitens der indischen Regierung nie gestellt. (Siehe Schreiben des BMVRDJ vom 16.07.2019 betreffend Auslieferungsansuchen - GZ: BMVRDJ-4037180/0001-IV 4/2019)

Ihre weiteren Befürchtungen im Falle einer Rückkehr beschränken sich auf die allgemeine Situation der Sikhs in Indien. Es liegen der erkennenden Behörde jedoch keinerlei Berichte vor, wonach davon auszugehen wäre, dass es im gegenwärtigen säkularen Staat Indien zu systematischer GFK relevanter Verletzung der Rechte von Sikhs kommen würde.

Soweit Sie im Rahmen Ihres Verfahrens auf Artikel verweisen, stammen diese aus dem Jahr 2009, sodass diese keineswegs die aktuelle Lage der Sikhs widerspiegeln. Aufgrund des Mangels an aktuellen Berichten zu Ihrer Rückkehrsituation ist darüber hinaus ebenfalls davon auszugehen, dass sich Ihre persönliche Rückkehrsituation in den letzten 10 Jahren maßgeblich gebessert hat.

Die durchgeführten Anfragebeantwortungen konnten - speziell in Anbetracht der Frage auf eine mögliche Doppelbestrafung oder weitere behördliche Verfolgung - ebenso nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit belegen, dass Sie im Falle einer Rückkehr von den indischen Sicherheitsbehörden oder von der indischen Justiz etwas zu befürchten hätten.

Die Vorlage des Schreibens des "sikh-council-uk - a united voice" konnte die Behörde ebenfalls nicht davon überzeugen, dass eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit vorliegende und tatsächlich bestehende Verfolgungsgefahr, ausgehend von den Anhängern des getöteten Gurus, in Indien gegen Ihre Person existiert. Darüber hinaus spricht selbst das "sikh-council-uk - a united voice" davon, dass diese Gefahr lediglich in der Region Punjab und in den umliegenden Bundesstaaten im Norden Indiens bestehen würde.

Zu dem Schreiben des "sikh-council-uk - a united voice" muss darüber hinaus angemerkt werden, dass dieses Schreiben als Gefälligkeitsschreiben gewertet werden muss, zumal davon auszugehen ist, dass gerade die Organisation "sikh-council-uk - a united voice" Ihre Taten höchstwahrscheinlich wertgeschätzt hat. Eine objektive Darstellung der Umstände in Ihrem Herkunftsland Indien von dieser Organisation kann daher nicht angenommen werden.

Aufgrund dieser Tatsache geht die Behörde überdies davon aus, dass Ihnen eine innerstaatliche Fluchtalternative - im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien - offen stehen würde.

Aufgrund der vorliegenden Länderfeststellungen und der eingeholten Anfragebeantwortungen konnte die Behörde ebenfalls nicht erkennen, dass Sie im Falle einer Rückkehr von einer mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit bestehenden Verfolgungsgefahr betroffen wären. Indien besitzt eine Bevölkerung von ca. 1,3 Milliarden Menschen, wobei die 20 größten urbanen Zentren, nämlich die Städte Mumbai (ca. 18 Millionen Einwohner), Neu-Delhi (ca. 16 Millionen Einwohner), Kalkutta (ca. 14 Millionen Einwohner) bis zur 20. Stadt Thrissur (1,8 Millionen Einwohner) weit über eine Million Einwohner zählen. Die Behörde kann daher nicht davon ausgehen, dass Sie in der augenscheinlichen unendlichen Masse an Menschen als Individual - Person wahrgenommen werden könnten und daher von einer gezielt gegen Sie gerichteten Verfolgungsgefahr betroffen sein könnten.

Zu Ihrer Rückkehrbefürchtung ist jedenfalls nochmals auszuführen, dass nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit festgestellt werden konnte, dass Sie im Falle einer Rückkehr gezielt von den Angehörigen des getöteten Sikh-Gurus verfolgt oder bedroht werden würden. Aufgrund des durchgeführten Ermittlungsverfahren ist es für die Behörde als erwiesen anzusehen, dass Sie in Indien [von] keiner - mit maßgeblichen Wahrscheinlichkeit - bestehenden Verfolgungsgefahr im Falle einer Rückkehr ausgesetzt wären.

Da Ihnen wie bereits erörtert im Herkunftsstaat auch keine Verfolgung droht und Sie Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat haben, geht die Behörde davon aus, dass Ihnen im Herkunftsstaat auch keine Gefahren drohen, die eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden.

Sie verfügen im Heimatland über soziale Anknüpfungspunkte und finden auch Unterstützungs- und Unterkunftsmöglichkeiten vor.

Aufgrund Ihrer Arbeitsfähigkeit ist der Lebensunterhalt gewährleistet.

In Ihrem Verfahren ergaben sich keine Anhaltspunkte, dass Sie selbst bei Ihrer Rückkehr Ihren Lebensunterhalt nicht durch berufliche Tätigkeiten bestreiten könnten. Sie sind ein gesunder, erwachsener, arbeitsfähiger Mann mit Schulbildung, und es wäre Ihnen auch zumutbar, anfänglich mit Gelegenheitsjobs Ihren Unterhalt zu bestreiten. Ferner ist ebenso in Betracht zu ziehen, dass Sie den Großteil Ihres Lebens dort verbrachten und auch über Freunde und Bekannte sowie Ihre Familie und Verwandte verfügen, welche Sie unterstützen könnten. Sie könnten auch Unterstützungen von NGO's in Anspruch nehmen.

Wenn auch in Ihrem Heimatland eine wirtschaftlich schwierigere Situation als in Österreich besteht, so ist in einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung Ihrer individuellen Situation festzuhalten, dass von einer lebensbedrohenden Notlage im Herkunftsstaat, welche bei einer Rückkehr die reale Gefahr einer unmenschlichen Behandlung iSd. Art. 3 EMRK indizieren würde, aus Sicht des Bundesamtes nicht gesprochen werden kann.

Im vorliegenden Fall wird darauf hingewiesen, dass Sie im Falle Ihrer Rückkehr nach Indien nicht um Ihr Leben fürchten müssen. Auch liegen keine Informationen vor, wonach abgelehnte Asylbewerber bei Rückkehr nach Indien allein wegen der Beantragung von Asyl mit staatlichen Repressionen zu rechnen haben."

1.2.7. Gegen diesen Bescheid brachte der BF mit Schreiben seines nunmehr zur Vertretung bevollmächtigten Rechtsberaters vom 13.08.2019 das Rechtsmittel der Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht (in der Folge BVwG) wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften ein.

In der Beschwerdebegründung wurde im Wesentlichen ganz allgemein moniert, dass das BFA den Sachverhalt nicht hinreichend ermittelt habe. In Indien bestünden Rechtsschutzdefizite, dem BF drohe bei einer Rückkehr eine Doppelbestrafung.

Dem BF sei bekannt, dass es konkrete Versuche seitens der indischen Behörden gegeben habe, ihn nach Indien zu bringen, das Bundesamt habe dies in der Beweiswürdigung völlig ignoriert.

Ein Asylausschlussgrund bestehe nicht, da (Zitat): "Es ist jedoch nicht anzunehmen, dass der BF weitere derartige Straftaten verüben wird, da er bereits mit seinem Attentat im Jahr 2009 seine Intention, den Glaubensführer zu töten, umzusetzen im Stande war". Er sei daher keine Gefahr für die Gemeinschaft.

Die Dauer des verhängten Einreiseverbots sei "völlig unverhältnismäßig".

Der BF stellte unter anderem den Antrag, eine mündliche Beschwerdeverhandlung anzuberaumen.

1.2.8. Das BFA legte mit Schreiben vom 16.08.2019, bei der zuständigen Gerichtsabteilung eingelangt am 20.08.2019, diese Beschwerde samt Verwaltungsakt vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

2. Beweisaufnahme:

Zur Feststellung des für die Entscheidung maßgeblichen Sachverhaltes wurde im Rahmen des Ermittlungsverfahrens Beweis erhoben durch:

* Einsicht in den dem BVwG vorliegenden Verwaltungsakt samt Vorakten des BFA, beinhaltend die Niederschriften der Erstbefragung am 25.06.2018 und der Einvernahme vor dem BFA am 26.02.2019, die vom BF vorgelegten Schriftstücke, die eingeholten Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation sowie die Beschwerde vom 13.08.2019

* Einsicht in Dokumentationsquellen betreffend den Herkunftsstaat des BF im erstbehördlichen Verfahren (offenbar Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Aktenseiten 421 bis 444)

Der BF hat nach wie vor (seit seinem Auftreten in Österreich im Jahr 2008) keine Dokumente für seine angegebene Identität vorgelegt.

3. Ermittlungsergebnis (Sachverhaltsfeststellungen):

Das BVwG geht auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens von folgendem für die Entscheidung maßgeblichen, glaubhaft gemachten Sachverhalt aus:

3.1. Zur Person des BF:

Der BF führt den Namen XXXX , geboren am XXXX alias XXXX , alias XXXX , geboren am XXXX , ist indischer Staatsangehöriger, stammt aus Panipat (Bundesstaat Haryana), ist Angehöriger der Volksgruppe der Punjabi, der Kaste der Jat und der Glaubensgemeinschaft der Sikhs, ist verheiratet und hat eine Tochter. Er hat zehn Jahre die Schule besucht und als Landwirt sowie als Maurer gearbeitet.

Zu Hause leben weiterhin seine Eltern, seine Schwestern sowie seine Ehefrau und seine Tochter.

3.2. Zu den Fluchtgründen des BF:

3.2.1. Der BF hat nicht glaubhaft gemacht, dass er (im Jahr 2003) Indien aus asylrelevanten Gründen habe verlassen müssen.

3.2.2. Der BF hat einen Nachfluchtgrund aufgrund seiner Beteiligung an einem Attentat in einem Sikh-Tempel in Wien im Jahr 2009 geltend gemacht, er hat jedoch nicht glaubhaft gemacht, dass ihm im Falle einer Rückkehr Verfolgungsgefahr im Sinne der GFK drohe.

3.2.3. Der BF hat nicht glaubhaft macht, dass er bei einer Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage gedrängt werden oder den Verlust seiner Lebensgrundlage erleiden würde.

3.2.4. Aufgrund seiner strafgerichtlichen Verurteilung liegt bezüglich des BF ein Asylausschlussgrund gemäß § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG vor.

3.3. Innerstaatliche Flucht- bzw. Schutzalternative:

Für den Fall der Wahrunterstellung seines Vorbringens steht dem BF eine zumutbare Flucht- bzw. Schutzalternative zur Verfügung.

Die Polizei ist mangels Meldewesens und Ausweispflicht nicht in der Lage, eine Person, die in Indien verzieht, zu finden, wenn es sich nicht um einen landesweit gesuchten Kriminellen handelt. Die Fahndung nach Menschen wird durch das Fehlen eines obligatorischen indienweiten Meldesystems und durch das Fehlen einer Ausweispflicht erheblich erschwert. Umso weniger besteht eine reale Gefahr, dass eine Privatperson ihren indienweit verzogenen Feind finden kann.

Diese Tatsache begünstigt die Niederlassung in einem anderen Landesteil (selbst) im Falle von Verfolgung oder strafrechtlicher Verfolgung, ohne dass die Person ihre Identität verbergen muss, und je nachdem, wie die individuellen Fähigkeiten wie z.B. Sprache, Kenntnisse und die körperliche Verfassung sind.

Da der BF - er ist im erwerbsfähigen Alter, männlich, bei guter Gesundheit und arbeitsfähig, verfügt über eine zehnjährige Schulbildung und Berufserfahrung - in Indien jedenfalls ein Fortkommen hat, ist es ihm auch zumutbar, einer allfälligen Verfolgung durch die Inanspruchnahme einer innerstaatlichen Flucht- bzw. Schutzalternative zu entgehen.

3.4. Zur Integration des BF in Österreich:

Der BF ist seit 2008 in Österreich aufhältig. Ihm steht in Österreich kein Aufenthaltsrecht außerhalb des Asylrechtes zu, und er hatte niemals ein anderes als das - auch nur kurzzeitig (ca. acht Monate von 2008 bis 2009) bestehende - vorübergehende Aufenthaltsrecht als Asylwerber in Österreich.

Der BF hat keine hinsichtlich Art. 8 EMRK relevanten Familienangehörigen oder Verwandten in Österreich. Allfällige freundschaftliche Beziehungen in Österreich sind erst zu einem Zeitpunkt entstanden, an dem er sich seiner unsicheren aufenthaltsrechtlichen Stellung bewusst sein musste.

Der BF ist irregulär in das Bundesgebiet eingereist.

Er verbüßt aufgrund einer Verurteilung wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Mordes als Beitragstäter (aus religiösem Fanatismus) in Wien im Jahr 2009 eine achtzehnjährige Freiheitsstrafe.

Irgendwelche soziale, kulturelle, sportliche oder sonstige Integrationsbemühungen hat der BF weder angegeben noch belegt.

Eine Integration des BF in Österreich in besonderem Ausmaß liegt nicht vor.

3.5. Zur Lage im Herkunftsstaat des BF:

3.5.1. Auf Grund der Erkenntnisquellen zum Herkunftsstaat des BF steht fest, dass es in diesem Staat die Todesstrafe gibt. Dass der BF einem diesbezüglich real bestehenden Risiko unterliegen würde, hat sich jedoch auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens nicht ergeben.

3.5.2. Zur allgemeinen Lage in Indien (Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA vom 04.02.2019, Schreibfehler teilweise korrigiert):

"[...] 2. Politische Lage

Indien ist mit über 1,3 Milliarden Menschen und einer multireligiösen und multiethnischen Gesellschaft die bevölkerungsreichste Demokratie der Welt (CIA Factbook 23.01.2019; vgl. AA 18.09.2018). Die Zentralregierung hat im indischen Föderalsystem deutlich größere Kompetenzen als die Regierungen der Bundesstaaten. Indien verfügt über 29 Bundesstaaten und sechs Unionsterritorien (AA 11.2018a). Im Einklang mit der Verfassung haben die Bundesstaaten und Unionsterritorien ein hohes Maß an Autonomie und tragen die Hauptverantwortung für Recht und Ordnung (USDOS 20.04.2018). Die Hauptstadt New Delhi hat einen besonderen Rechtsstatus (AA 11.2018a).

Die Gewaltenteilung zwischen Parlament und Regierung entspricht britischem Muster (AA 18.09.2018, der Grundsatz der Gewaltenteilung von Legislative, Exekutive und Judikative ist durchgesetzt (AA 11.2018a). Die Unabhängigkeit der Gerichtsbarkeit, die über einen dreistufigen Instanzenzug verfügt, ist verfassungsmäßig garantiert (AA 18.09.2018). Das oberste Gericht (Supreme Court) in New Delhi steht an der Spitze der Judikative und wird gefolgt von den High Courts auf Länderebene (GIZ 3.2018a). Die Pressefreiheit ist von der Verfassung verbürgt, jedoch immer wieder Anfechtungen ausgesetzt (AA 9.2018a). Indien hat zudem eine lebendige Zivilgesellschaft (AA 11.2018a).

Indien ist eine parlamentarische Demokratie und verfügt über ein Mehrparteiensystem und ein Zweikammerparlament (USDOS 20.04.2018). Darüber hinaus gibt es Parlamente auf Bundesstaatsebene (AA 18.09.2018).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von einem Wahlausschuss gewählt, während der Premierminister Leiter der Regierung ist (USDOS 20.04.2018). Das Präsidentenamt bringt vor allem repräsentative Aufgaben mit sich, im Krisenfall verfügt der Präsident aber über weitreichende Befugnisse. Seit Juli 2017 ist Präsident Ram Nath Kovind indisches Staatsoberhaupt (AA 11.2018a). Das wichtigste Amt innerhalb der Exekutive bekleidet aber der Premierminister (GIZ 3.2018a).

Wahlen zum Unterhaus finden nach einfachem Mehrheitswahlrecht ("first-past-the-post") alle fünf Jahre statt, zuletzt im April/Mai 2014 mit knapp 830 Millionen Wahlberechtigten (AA 18.09.2018). Dabei standen sich drei große Parteienbündnisse gegenüber: Die United Progressive Alliance (UPA) unter Führung der Kongresspartei, die National Democratic Alliance (NDA) unter Führung der Bharatiya Janata Party (BJP - Indische Volkspartei) und die sogenannte Dritte Front, die aus elf Regional- und Linksparteien besteht, sowie die aus einem Teil der India-Against-Corruption-Bewegung hervorgegangene Aam Aadmi Party (AAP) (GIZ 3.2018a; vgl. FAZ 16.05.2014). Abgesehen von kleineren Störungen verliefen die Wahlen korrekt und frei (AA 18.09.2018). Als deutlicher Sieger mit 336 von 543 Sitzen löste das Parteienbündnis "National Democratic Alliance" (NDA) mit der "Bharatiya Janata Party" (BJP) als stärkste Partei (282 Sitze) die Kongress-Partei an der Regierung ab (AA 18.09.2018). Die BJP holte sie nicht nur die absolute Mehrheit, sie ließ auch den bislang regierenden Indian National Congress (INC) weit hinter sich. Der INC kam nur noch auf 46 Sitze und erlitt die schlimmste Niederlage seit der Staatsgründung 1947. Wie es mit dem INC mit oder ohne die Familie Gandhi weitergeht, wird abzuwarten sein. Die Gewinne der Wahlen im Punjab, Goa und Manipur sowie das relativ gute Abschneiden in Gujarat sind jedenfalls Hoffnungsschimmer, dass die Zeit der Kongresspartei noch nicht vorbei ist (GIZ 13.2018a). Die Anti-Korruptionspartei (AAP), die 2013 bei der Wahl in Delhi 28 von 70 Sitzen erringen konnte, errang 2014 landesweit nur vier Sitze (GIZ 3.2018; vgl. FAZ 16.05.2014). Der BJP-Spitzenkandidat, der bisherige Ministerpräsident von Gujarat, Narendra Modi, wurde zum Premierminister gewählt und steht seither einem 26-köpfigen Kabinett (mit zusätzlichen 37 Staatsministern) vor (AA 18.09.2018).

In Indien wird im Zeitraum zwischen April und Mai 2019 wiedergewählt. Der genaue Zeitplan ist jedoch noch unklar. In den Umfragen liegt der hindu-nationalistische Premier Narendra Modi mit seiner BJP vorne (DS 01.01.2019).

Die seit 2014 im Amt befindliche neue Regierung will nicht nur den marktwirtschaftlichen Kurs fortsetzen, sondern ihn noch intensivieren, indem bürokratische Hemmnisse beseitigt und der Protektionismus verringert werden soll. Ausländische Investoren sollen verstärkt aktiv werden (GIZ 3.2018b).

[...]

3. Sicherheitslage

Indien ist reich an Spannungen entlang von Ethnien, Religionen, Kasten und auch Lebensperspektiven, die sich oft in kommunal begrenzten Ausschreitungen entladen (GIZ 3.2018a). Terroristische Anschläge in den vergangenen Jahren (Dezember 2010 in Varanasi, Juli 2011 in Mumbai, September 2011 in New Delhi und Agra, April 2013 in Bangalore, Mai 2014 in Chennai und Dezember 2014 in Bangalore) und insbesondere die Anschläge in Mumbai im November 2008 haben die Regierung unter Druck gesetzt. Von den Anschlägen der letzten Jahre wurden nur wenige restlos aufgeklärt, und die als Reaktion auf diese Vorfälle angekündigten Reformvorhaben zur Verbesserung der indischen Sicherheitsarchitektur wurden nicht konsequent umgesetzt (AA 24.04.2015). Aber auch im Rest des Landes gab es Terroranschläge mit islamistischem Hintergrund. Im März 2017 platzierte eine Zelle des "Islamischen Staates" (IS) in der Hauptstadt des Bundesstaates Madhya Pradesh eine Bombe in einem Passagierzug. Die Terrorzelle soll laut Polizeiangaben auch einen Anschlag auf eine Kundgebung von Premierminister Modi geplant haben (BPB 12.12.2017).

Die Spannungen im Nordosten des Landes gehen genauso weiter wie die Auseinandersetzung mit den Naxaliten (GIZ 3.2018a). Das staatliche Gewaltmonopol wird gebietsweise von den Aktivitäten der "Naxaliten" in Frage gestellt (AA 18.09.2018).

Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 898 Todesopfer durch terrorismus-relevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 803 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 wurden 935 Menschen durch Terrorakte getötet. Bis zum 13.01.2019 wurden zwölf Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 13.01.2019).

Konfliktregionen sind Jammu und Kashmir, die nordöstlichen Regionen und der maoistische Gürtel. In Jharkhand und Bihar setzten sich die Angriffe von maoistischen Rebellen auf Sicherheitskräfte und Infrastruktur fort. In Punjab kam es bis zuletzt durch gewaltbereite Regierungsgegner immer wieder zu Ermordungen und Bombenanschlägen. Neben den islamistischen Terroristen tragen die Naxaliten (maoistische Untergrundkämpfer) zur Destabilisierung des Landes bei. Von Chattisgarh aus kämpfen sie in vielen Unionsstaaten (von Bihar im Norden bis Andrah Pradesh im Süden) mit Waffengewalt gegen staatliche Einrichtungen. Im Nordosten des Landes führen zahlreiche Separatistengruppen (United Liberation Front Assom, National Liberation Front Tripura, National Socialist Council Nagaland, Manipur People's Liberation Front etc.) einen Kampf gegen die Staatsgewalt und fordern entweder Unabhängigkeit oder mehr Autonomie. Der gegen Minderheiten wie Moslems und Christen gerichtete Hindu-Radikalismus wird selten von offizieller Seite in die Kategorie Terror eingestuft, sondern vielmehr als "communal violence" bezeichnet (ÖB 12/2018).

Gegen militante Gruppierungen, die meist für die Unabhängigkeit bestimmter Regionen eintreten und/oder radikalen Auffassungen anhängen, geht die Regierung mit großer Härte und Konsequenz vor. Sofern solche Gruppen der Gewalt abschwören, sind in der Regel Verhandlungen über ihre Forderungen möglich. Gewaltlose Unabhängigkeitsgruppen können sich politisch frei betätigen (AA 18.09.2018).

Pakistan und Indien

Pakistan erkennt weder den Beitritt Jammu und Kaschmirs zur indischen Union im Jahre 1947 noch die seit dem ersten Krieg im gleichen Jahr bestehende de-facto-Aufteilung der Region auf beide Staaten an. Indien hingegen vertritt den Standpunkt, dass die Zugehörigkeit Jammu und Kaschmirs in seiner Gesamtheit zu Indien nicht zur Disposition steht (AA 11.2018b). Seit 1947 gab es bereits drei Kriege aufgrund des umstrittenen Kaschmir-Gebiets (BBC 23.01.2018).

Nach dem friedlichen Unabhängigkeitskampf gegen die britische Kolonialherrschaft zeigte bereits die blutige Teilung Britisch-Indiens, die mit einer Massenflucht, schweren Gewaltausbrüchen und Pogromen einherging, wie schwierig es sein wird, die ethnisch, religiös, sprachlich und sozioökonomisch extrem heterogene Gesellschaft in einem Nationalstaat zusammenzuhalten. Die inter-religiöse Gewalt setzte sich auch nach der Teilung zwischen Indien und Pakistan fort (BPB 12.12.2017).

Indien wirft Pakistan vor, Infiltrationen von Terroristen auf indisches Staatsgebiet zumindest zu dulden, wenn nicht zu befördern. Größere Terroranschläge in Indien in den Jahren 2001 und 2008 und ein terroristischer Angriff auf eine Militärbasis im indischen Teil Kaschmirs im September 2016 hatten die Spannungen in den bilateralen Beziehungen erheblich verschärft. Gemäß Regierungserklärung reagierte Indien auf den Anschlag, bei dem 18 indische Soldaten ums Leben kamen, mit einer begrenzten Militäroperation ("surgical strike") im pakistanisch kontrollierten Teil Kaschmirs, die sich nach indischen Angaben gegen eine bevorstehende terroristische Infiltration richtete. Immer wieder kommt es zu Schusswechseln zwischen Truppenteilen Indiens und Pakistans an der Waffenstillstandslinie in Kaschmir. Indien sieht Pakistan in der Verantwortung für die terroristischen Bedrohungen an seiner Nordwestgrenze und erhöht den Druck auf den Nachbarn, um wirksame pakistanische Maßnahmen gegen den Terrorismus zu erreichen (AA 11.2018b).

Der von 2014-2015 Hoffnung gebende Dialogprozess zwischen beiden Seiten ist 2016 zum Stillstand gekommen. Aktuell sind die Beziehungen auf sehr niedrigem Niveau stabil (AA 11.2018b). [...]

3.2. Punjab

Laut Angaben des indischen Innenministeriums zu den Zahlen der Volkszählung im Jahr 2011 leben von den 21 Mio. Sikhs 16 Mio. im Punjab (MoHA o.D.).

Der Terrorismus im Punjab ist Ende der 1990er Jahre nahezu zum Erliegen gekommen. Die meisten hochkarätigen Mitglieder der verschiedenen militanten Gruppen haben den Punjab verlassen und operieren von anderen Unionsstaaten oder Pakistan aus. Finanzielle Unterstützung erhalten sie auch von Sikh-Exilgruppierungen im westlichen Ausland (ÖB 12.2018).

Der illegale Waffen- und Drogenhandel von Pakistan in den indischen Punjab hat sich in letzter Zeit verdreifacht. Im Mai 2007 wurden dem indischen Geheimdienst Pläne des pakistanischen Geheimdienstes, Inter-Services-Intelligence (ISI) bekannt, welcher gemeinsam mit der in Indien verbotenen Sikh-Gruppierung Babbar Khalasa International (BKI) und anderen militanten Sikh-Gruppierungen Anschläge auf Städte im Punjab (Jalandhar, Ludhiana, Pathankot) beabsichtigten. Die Sicherheitsbehörden im Punjab konnten bislang die aufkeimende Wiederbelebung der militanten Sikh-Bewegung erfolgreich neutralisieren (ÖB 12.2018). In Jammu und Kaschmir, im Punjab und in Manipur haben die Behörden besondere Befugnisse, ohne Haftbefehl Personen zu suchen und zu inhaftieren (USDOS 20.04.2018; vgl. BBC 20.10.2015). Menschenrechtsberichten zufolge kommt es im Punjab regelmäßig zu Fällen von Menschenrechtsverletzungen insbesondere der Sicherheitsbehörden (extralegale Tötungen, willkürliche Festnahmen, Folter in Polizeigewahrsam, Todesfolge von Folter etc.) (ÖB 12.2018).

Die Staatliche Menschenrechtskommission im Punjab hat in einer Reihe von schweren Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte interveniert. In vielen Fällen wurde die Behörde zu Kompensationszahlungen verpflichtet. Die Menschenrechtskommission erhält täglich 200-300 Beschwerden über Menschenrechtsverletzung und ist in ihrer Kapazität überfordert. Oft sind Unterkastige oder Kastenlose Opfer der polizeilichen Willkür (ÖB 12.2018).

Neben den angeführten Formen der Gewalt, stellen Ehrenmorde vor allem in den nördlichen Bundesstaaten Haryana und Punjab weiterhin ein Problem dar (USDOS 20.04.2018).

Die Zugehörigkeit zur Sikh-Religion ist kein Kriterium für polizeiliche Willkürakte. Die Sikhs, 60 Prozent der Bevölkerung des Punjabs, stellen dort einen erheblichen Teil der Beamten, Richter, Soldaten und Sicherheitskräfte. Auch hochrangige Positionen stehen ihnen offen (ÖB 10.2017).

In Indien ist die Bewegungs- und Niederlassungsfreiheit rechtlich garantiert und praktisch von den Behörden auch respektiert; in manchen Grenzgebieten sind allerdings Sonderaufenthaltsgenehmigungen notwendig. Sikhs aus dem Punjab haben die Möglichkeit, sich in anderen Landesteilen niederzulassen, Sikh-Gemeinden gibt es im ganzen Land verstreut. Sikhs können ihre Religion in allen Landesteilen ohne Einschränkung ausüben. Aktive Mitglieder von verbotenen militanten Sikh-Gruppierungen, wie Babbar Khalsa International, müssen mit polizeilicher Verfolgung rechnen (ÖB 10.2017). [...]

4. Rechtsschutz/Justizwesen

In Indien sind viele Grundrechte und -freiheiten verfassungsmäßig verbrieft, und die verfassungsmäßig garantierte unabhängige indische Justiz bleibt vielmals wichtiger Rechtegarant. Die häufig überlange Verfahrensdauer aufgrund überlasteter und unterbesetzter Gerichte sowie verbreitete Korruption, vor allem im Strafverfahren, schränken die Rechtssicherheit aber deutlich ein (AA 18.09.2018). Eine systematisch diskriminierende Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis lässt sich nicht feststellen, allerdings sind vor allem die unteren Instanzen nicht frei von Korruption. Vorurteile z.B. gegenüber Angehörigen niederer Kasten oder Indigenen dürften zudem eine nicht unerhebliche Rolle spielen (AA 18.09.2018).

Das Gerichtswesen ist von der Exekutive getrennt (FH 27.01.2018). Das Justizsystem gliedert sich in den Supreme Court, das Oberste Gericht mit Sitz in Delhi; das als Verfassungsgericht die Streitigkeiten zwischen Zentralstaat und Unionsstaaten regelt. Es ist auch Appellationsinstanz für bestimmte Kategorien von Urteilen wie etwa bei Todesurteilen. Der High Court bzw. das Obergericht besteht in jedem Unionsstaat. Es ist Kollegialgericht als Appellationsinstanz sowohl in Zivil- wie auch in Strafsachen und führt auch die Dienst- und Personalaufsicht über die Untergerichte des Staates aus, um so die Justiz von den Einflüssen der Exekutive abzuschirmen. Subordinate Civil and Criminal Courts sind untergeordnete Gerichtsinstanzen in den Distrikten der jeweiligen Unionsstaaten und nach Zivil- und Strafrecht aufgeteilt. Fälle werden durch Einzelrichter entschieden. Richter am District und Sessions Court entscheiden in Personalunion sowohl über zivilrechtliche als auch strafrechtliche Fälle (als District Judge über Zivilrechtsfälle, als Sessions Judge über Straffälle). Unterhalb des District Judge gibt es noch den Subordinate Judge, unter diesem den Munsif für Zivilsachen. Unter dem Sessions Judge fungiert der 1st Class Judicial Magistrate und unter diesem der 2nd Class Judicial Magistrate, jeweils für minder schwere Strafsachen (ÖB 12.2018).

Das Gerichtswesen ist auch weiterhin überlastet und verfügt nicht über moderne Systeme zur Fallbearbeitung. Der Rückstau bei Gericht führt zu langen Verzögerungen oder der Vorenthaltung von Rechtsprechung. Eine Analyse des Justizministeriums für 2015 bis 2016 ergab eine Vakanz von 43 Prozent der Richterstellen an den Obergerichten (USDOS 20.04.2018). Die Regeldauer eines Strafverfahrens (von der Anklage bis zum Urteil) beträgt mehrere Jahre; in einigen Fällen dauern Verfahren bis zu zehn Jahre. Auch der Zeugenschutz ist mangelhaft. Dies führt dazu, dass Zeugen vor Gericht häufig nicht frei aussagen, da sie bestochen oder bedroht worden sind (AA 18.09.2018).

Insbesondere auf unteren Ebenen der Justiz ist Korruption weit verbreitet, und die meisten Bürger haben große Schwierigkeiten, ihr Recht bei Gericht durchzusetzen. Das System ist rückständig und stark unterbesetzt, was zu langer Untersuchungshaft für eine große Zahl von Verdächtigen führt. Vielen von ihnen bleiben so länger im Gefängnis, als es der eigentliche Strafrahmen wäre (FH 27.01.2018). Die Dauer der Untersuchungshaft ist entsprechend zumeist exzessiv lang. Außer bei von Todstrafe bedrohten Delikten soll der Haftrichter nach Ablauf der Hälfte der drohenden Höchststrafe eine Haftprüfung und eine Freilassung auf Kaution anordnen. Allerdings nimmt der Betroffene mit einem solchen Antrag in Kauf, dass der Fall über lange Zeit gar nicht weiterverfolgt wird. Mittlerweile sind ca. 70 Prozent aller Gefangenen Untersuchungshäftlinge, viele wegen geringfügiger Taten, denen die Mittel für eine Kautionsstellung fehlen (AA 18.09.2018).

In der Verfassung verankerte rechtsstaatliche Garantien (z.B. das Recht auf ein faires Verfahren) werden durch eine Reihe von Sicherheitsgesetzen eingeschränkt. Diese Gesetze wurden nach den Terroranschlägen von Mumbai im November 2008 verschärft; u.a. wurde die Unschuldsvermutung für bestimmte Straftatbestände außer Kraft gesetzt (AA 18.09.2018).

Die Inhaftierung eines Verdächtigen durch die Polizei ohne Haftbefehl darf nach den allgemeinen Gesetzen nur 24 Stunden dauern. Eine Anklageerhebung soll bei Delikten mit bis zu zehn Jahren Strafandrohung innerhalb von 60, in Fällen mit höherer Strafandrohung innerhalb von 90 Tagen erfolgen. Diese Fristen werden regelmäßig überschritten.

Festnahmen erfolgen jedoch häufig aus Gründen der präventiven Gefahrenabwehr sowie im Rahmen der Sondergesetze zur inneren Sicherheit, z.B. aufgrund des Gesetzes über nationale Sicherheit ("National Security Act", 1956) oder des lokalen Gesetzes über öffentliche Sicherheit ("Jammu and Kashmir Public Safety Act", 1978). Festgenommene Personen können auf Grundlage dieser Gesetze bis zu einem Jahr ohne Anklage in Präventivhaft gehalten werden. Auch zur Zeugenvernehmung können gemäß Strafprozessordnung Personen über mehrere Tage festgehalten werden, sofern eine Fluchtgefahr besteht. Fälle von Sippenhaft sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt. (AA 18.09.2018).

Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass unerlaubte Ermittlungsmethoden angewendet werden, insbesondere um ein Geständnis zu erlangen. Das gilt insbesondere bei Fällen mit terroristischem oder politischen Hintergrund oder solchen mit besonderem öffentlichem Interesse. Es gibt Fälle, in denen Häftlinge misshandelt werden. Ein im Mai 2016 von der renommierten National Law University Delhi veröffentlichter empirischer Bericht zur Situation der Todesstrafe in Indien zeichnet ein düsteres Bild des indischen Strafjustizsystems. So haben bspw. 80 Prozent aller Todeskandidaten angegeben, in Haft gefoltert worden zu sein. Nach glaubwürdigen, vertraulichen Schätzungen des IKRK Internationales Komitee des Roten Kreuz) kommt es weiterhin zu systematischer Folter in den Verhörzentren in Jammu und Kaschmir (AA 18.09.2018).

Für Angeklagte gilt die Unschuldsvermutung, ausgenommen bei Anwendung des "Unlawful Activities (Prevention) Amendment Bill", und sie haben das Recht, ihren Anwalt frei zu wählen. Das Strafgesetz sieht öffentliche Verhandlungen vor, außer in Verfahren, in denen die Aussagen Staatsgeheimnisse oder die Staatssicherheit betreffen können. Es gibt kostenfreie Rechtsberatung für bedürftige Angeklagte, aber in der Praxis ist der Zugang zu kompetenter Beratung oft begrenzt (USDOS 20.04.2018). Gerichte sind verpflichtet, Urteile öffentlich zu verkünden, und es gibt effektive Wege der Berufung auf beinahe allen Ebenen der Justiz. Angeklagte haben das Recht, die Aussage zu verweigern und sich nicht schuldig zu bekennen (USDOS 20.04.2018).

Gerichtliche Ladungen in strafrechtlichen Angelegenheiten sind im Criminal Procedure Code 1973 (CrPC, Chapter 4, §§ 61-69), in zivilrechtlichen Angelegenheiten im Code of Civil Procedure 1908/2002 geregelt. Jede Ladung muss schriftlich, in zweifacher Ausführung ausgestellt, vom vorsitzenden Richter unterfertigt und mit Gerichtssiegel versehen sein. Ladungen werden gemäß CrPC prinzipiell durch einen Polizeibeamten oder durch einen Gerichtsbeamten an den Betroffenen persönlich zugestellt. Dieser hat den Erhalt zu bestätigen. In Abwesenheit kann die Ladung an ein erwachsenes männliches Mitglied der Familie übergeben werden, welches den Erhalt bestätigt. Falls die Ladung nicht zugestellt werden kann, wird eine Kopie der Ladung an die Residenz des Geladenen sichtbar angebracht. Danach entscheidet das Gericht, ob die Ladung rechtmäßig erfolgt ist oder ob eine neue Ladung erfolgen wird. Eine Kopie der Ladung kann zusätzlich per Post an die Heim- oder Arbeitsadresse des Betroffenen eingeschrieben geschickt werden. Falls dem Gericht bekannt wird, dass der Betroffene die Annahme der Ladung verweigert hat, gilt die Ladung dennoch als zugestellt. Gemäß Code of Civil Procedure kann die Ladung des Gerichtes auch über ein gerichtlich genehmigtes Kurierservice erfolgen (ÖB 12.2018).

Im ländlichen Indien gibt es auch informelle Ratssitzungen, deren Entscheidungen manchmal zu Gewalt gegen Personen führt, die soziale Regeln brechen - was besonders Frauen und Angehörige unterer Kasten betrifft (FH 27.01.2018).

5. Sicherheitsbehörden

Die indische Polizei (Indian Police Service) ist keine direkte Strafverfolgungs- oder Vollzugsbehörde (BICC 12.2018) und untersteht den Bundesstaaten (AA 18.09.2018). Sie fungiert vielmehr als Ausbildungs- und Rekrutierungsstelle für Führungsoffiziere der Polizei in den Bundesstaaten. Im Hinblick auf die föderalen Strukturen ist die Polizei dezentral in den einzelnen Bundesstaaten organisiert. Die einzelnen Einheiten haben jedoch angesichts eines nationalen Polizeigesetzes, zahlreichen nationalen Strafrechten und der zentralen Rekrutierungsstelle für Führungskräfte eine Reihe von Gemeinsamkeiten. Allgemein ist die Polizei mit der Strafverfolgung, Verbrechensprävention und -bekämpfung sowie der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung betraut und übt gleichzeitig eine teilweise Kontrolle über die verschiedenen Geheimdienste aus. Innerhalb der Polizei gibt es eine Kriminalpolizei (Criminal Investigation Department - CID), in die wiederum eine Sondereinheit (Special Branch) integriert ist. Während erstere mit nationalen und die Bundesstaaten übergreifenden Verbrechen betraut ist, hat die Sondereinheit Informationsbeschaffung und Überwachung jeglicher subversiver Elemente und Personen zur Aufgabe. In fast allen Bundesstaaten sind spezielle Polizeieinheiten aufgestellt worden, die sich mit Frauen und Kindern beschäftigen. Kontrolliert wird ein Großteil der Strafverfolgungsbehörden vom Innenministerium (Ministry of Home Affairs) (BICC 12.2018).

Ein Mangel an Vertrauen in die Zuverlässigkeit der Polizei entsteht neben den strukturellen Defiziten auch durch häufige Berichte über Menschenrechtsverletzungen wie Folter, außergerichtliche Tötungen und Drohungen, die mutmaßlich durch die Polizei verübt wurden (BICC 12.2018). Die Polizei bleibt weiterhin überlastet, unterbezahlt und politischem Druck ausgesetzt, was in einigen Fällen zu Korruption führt (USDOS 20.04.2018). Polizeireformen verzögerten sich 2017 erneut (HRW 18.01.2018).

Die Effektivität der Strafverfolgung und der Sicherheitskräfte ist im gesamten Land sehr unterschiedlich ausgeprägt. Während es einerseits Fälle von Polizisten/Beamten gibt, die auf allen Ebenen ungestraft handeln, so gab es andererseits auch Fälle, in denen Sicherheitsbeamte für ihre illegalen Handlungen zur Verantwortung gezogen wurden (USDOS 20.04.2018).

Das indische Militär ist der zivilen Verwaltung unterstellt und hat in der Vergangenheit wenig Interesse an einer politischen Rolle gezeigt. Der Oberbefehl obliegt dem Präsidenten. Ihrem Selbstverständnis nach ist die Armee zwar die "Beschützerin der Nation", aber nur im militärischen Sinne (BICC 12.2018). Das Militär kann im Inland eingesetzt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung der inneren Sicherheit notwendig ist (AA 18.09.2018; vgl. BICC 12.2018). Paramilitärischen Einheiten werden als Teil der Streitkräfte, vor allem bei internen Konflikten eingesetzt, so in Jammu und Kaschmir sowie in den nordöstlichen Bundesstaaten. Bei diesen Einsätzen kommt es oft zu erheblichen Menschenrechtsverletzungen (BICC 12.2018).

Für den Einsatz von Streitkräften - vor allem von Landstreitkräften - in Unruhegebieten und gegen Terroristen wird als Rechtsgrundlage der "Armed Forces Special Powers Act" (AFSPA) zur Aufrechterhaltung von "Recht und Ordnung" herangezogen (USDOS 20.04.2018). Der AFSPA gibt den Streitkräften weitgehende Befugnisse zum Gebrauch tödlicher Gewalt, zu Festnahmen ohne Haftbefehl und Durchsuchungen ohne Durchsuchungsbefehl. Bei ihren Aktionen genießen die Handelnden der Streitkräfte weitgehend Immunität vor Strafverfolgung. Der AFSPA kommt zur Anwendung, nachdem Regierungen der Bundesstaaten ihre Bundesstaaten oder nur Teile davon auf der Basis des "Disturbed Areas Act" zu "Unruhegebieten" erklären. Das umstrittene Sonderermächtigungsgesetz für die Streitkräfte (AFSPA) wurde am 23.04.2018 für den Bundesstaat Meghalaya nach 27 Jahren aufgehoben und im Bundesstaat Arunachal Pradesh auf acht Polizeidistrikte beschränkt. Unverändert in Kraft ist es in folgenden als Unruhegebiete geltenden Staaten: Assam, und Nagaland sowie in Teilen von Manipur. Für Jammu und Kaschmir existiert eine eigene Fassung (AA 18.09.2018).

Die unter anderem auch in den von linksextremistischen Gruppen (sog. Naxaliten) betroffenen Bundesstaaten Zentralindiens eingesetzten paramilitärischen Einheiten Indiens unterstehen zu weiten Teilen dem Innenministerium (AA 18.09.2018). Dazu zählen insbesondere die National Security Guard (Nationale Sicherheitspolizei NSG), aus Angehörigen des Heeres und der Polizei zusammengestellte Spezialtruppe für Personenschutz, auch als "Black Cat" bekannt, die Rashtriya Rifles, eine Spezialtruppe zum Schutz der Verkehrs- und Nachrichtenverbindungen bei inneren Unruhen und zur Bekämpfung von bewaffneten Rebellionen, die Central Reserve Police Force (CRPF) - die Bundesreservepolizei, eine militärisch ausgerüstete Polizeitruppe für Sondereinsätze - die Border Security Force (BSF - Bundesgrenzschutz) als größte und am besten ausgestattete Miliz zum Schutz der Grenzen zu Pakistan, Bangladesch und Myanmar. Sie wird aber auch zur Aufrechterhaltung der inneren Ordnung in anderen Landesteilen eingesetzt. Weiters zählen die Assam Rifles - zuständig für Grenzverteidigung im Nordosten - die Indo-Tibetan Border Force (ITBP) als Indo-Tibetische Grenzpolizei sowie die Küstenwache, die Railway Protective Force zum Schutz der nationalen Eisenbahn und die Central Industrial Security Force zum Werkschutz der Staatsbetriebe dazu (ÖB 12.2018). Besonders in Unruhegebieten haben die Sicherheitskräfte zur Bekämpfung sezessionistischer und terroristischer Gruppen weitreichende Befugnisse, die oft exzessiv genutzt werden (AA 18.09.2018).

Die Grenzspezialkräfte ("Special Frontier Force)" unterstehen dem Büro des Premierministers. Die sogenannten Grenzspezialkräfte sind eine Eliteeinheit, die an sensiblen Abschnitten im Grenzgebiet zu China eingesetzt werden. Sie agieren im Rahmen der Geheimdienste, des sogenannten Aufklärungsbüros ("Intelligence Bureau" - Inlandsgeheimdienst) und dem Forschungs- und Analyseflügel ("Research and Analysis Wing" - Auslandsgeheimdienst) (War Heros of India, 16.09.2018).

Das Gesetz erlaubt es den Behörden auch, Häftlinge bis zu 180 Tage lang ohne Anklage in Gerichtsgewahrsam zu nehmen (einschließlich der 30 Tage in Polizeigewahrsam). Das Gesetz zur Verhinderung ungesetzlicher Aktivitäten (UAPA) gibt den Behörden die Möglichkeit, Personen in Fällen im Zusammenhang mit Aufständen oder Terrorismus festzuhalten (USDOS 20.04.2018).

6. Folter und unmenschliche Behandlung

Indien hat im Jahr 1997 das VN-Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe unterzeichnet. jedoch bisher nicht ratifiziert (AA 18.09.2018). Es sind außerdem keine für die Ratifizierung notwendigen Änderungen der nationalen Gesetzgebung eingeleitet worden (BICC 12.2018). Ein Gesetzentwurf zur Bekämpfung der Folter (Bill on the Prevention of Torture), welcher innerstaatliche Voraussetzung der Ratifizierung der VN Anti-Folterkonvention ist, wurde vom Parlament bisher nicht verabschiedet (AA 18.09.2018).

Folter ist in Indien jedoch verboten (AA 18.09.2018), und der indische Staat verfolgt Folterer grundsätzlich und veranstaltet Kampagnen zur Bewusstseinserhöhung der Sicherheitskräfte, doch bleiben Menschenrechtsverletzungen von Polizeibeamten und paramilitärischen Einheiten häufig ungeahndet und führen nicht einmal zu Ermittlungsverfahren. Besonders gefährdet sind Angehörige unterer Kasten und andere sozial benachteiligte Bevölkerungsschichten (ÖB 12.2018). Aufgrund von Folter erlangte Aussagen sind vor Gericht nicht zur Verwertung zugelassen (AA 18.09.2018). Das Gesetz verbietet somit Folter, aber es gibt Berichte von NGOs, dass solche Praktiken verbreitet sind, speziell in Konfliktgegenden (USDOS 20.04.2018). Folter durch Polizeibeamte, Armee und paramilitärische Einheiten bleibt häufig ungeahndet, weil die Opfer ihre Rechte nicht kennen, eingeschüchtert werden oder die Folter nicht überleben (AA 18.09.2018). Menschenrechtsexperten zufolge versuchte die Regierung auch weiterhin, Personen festzunehmen und ihnen einen Verstoß nach dem - aufgehobenen - Gesetz zur Bekämpfung von Terrorismus, terroristischer Akte und zerstörenden Handlungen anzulasten. Dieses Gesetz besagte, dass Geständnisse, die vor einem Polizisten abgelegt wurden, als zulässige Beweise im Gericht behandelt werden (USDOS 20.04.2018).

7. Korruption

Korruption ist weit verbreitet (USDOS 20.04.2018). Indien scheint im Korruptionswahrnehmungsindex (Corruption Perceptions Index) von Transparency International (TI) für das Jahr 2018 mit einer Bewertung von 41 (von 100) (0 sehr korrupt, 100 kaum korrupt) auf dem 78. Rang von 180 Staaten auf (TI 2018). 2017 wurde Indien mit 40 Punkten (Rang 81 von 180 Staaten) bewertet (TI 2018). Im Jahr 2016 wurde Indien ebenfalls mit 40 Punkten bewertet. Das entspricht dem

79. Rang von 176 gelisteten Staaten (TI 2017).

NGOs berichten, dass üblicherweise Bestechungsgelder bezahlt werden, um Dienstleistungen wie Polizeischutz, Schuleinschreibung, Zugang zu Wasserversorgung oder Beih

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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