TE Vwgh Erkenntnis 1998/10/21 96/09/0209

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Veröffentlicht am 21.10.1998
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Index

25/01 Strafprozess;
40/01 Verwaltungsverfahren;
63/01 Beamten-Dienstrechtsgesetz;

Norm

AVG §59 Abs1;
BDG 1979 §111 Abs1;
BDG 1979 §115;
BDG 1979 §118 Abs1 Z1;
BDG 1979 §118 Abs1 Z2;
BDG 1979 §118 Abs1 Z3;
BDG 1979 §126 Abs2;
BDG 1979 §128;
BDG 1979 §95 Abs3;
StPO 1975 §259;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Enzlberger, über die Beschwerde des D E in E, vertreten durch Dr. Herbert Duma, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Salzgries 17 gegen den Bescheid der Disziplinaroberkommission beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 17. Mai 1996, Zl. VI/2-D-1/3-1996 betreffend Disziplinarstrafe der Geldbuße, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt I wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der angefochtene Bescheid wird in seinem Spruchpunkt II, soweit darin die Punkte 1 und 2 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses in der Schuldfrage bestätigt werden, sowie im Strafausspruch wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Im übrigen wird die Beschwerde, soweit sie sich gegen die Bestätigung des Schuldspruches zu Punkt 4 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses richtet, als unbegründet abgewiesen.

Das Land Burgenland hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer steht als stellvertretender Leiter des Straßenbauamtes E in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Land Burgenland.

Mit Disziplinarerkenntnis der Disziplinarkommission für Landesbeamte beim Amt der Burgenländischen Landesregierung vom 15. November 1995 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe

1. es im Zeitraum vom 2.8.1991 bis 13.12.1991 entgegen der Dienstanweisung der vorgesetzten Dienststelle, Abteilung xy, vom 2.3.1989, Zl.: XIII/2-723-3/256-1989, unterlassen, die vorschriftsmäßigen Eintragungen im Fahrtenbuch für das Lenken des Dienstkraftfahrzeuges mit dem Kennzeichen E, welches ihm zur Benützung zur Verfügung stand, vorzunehmen;

2. es im Zeitraum vom 2.8.1991 bis 13.12.1991 entgegen der Dienstanweisung der vorgesetzten Dienststelle, Abteilung xy, vom 2.3.1989, Zl.: XIII/2-723-3/256-1989, unterlassen, regelmäßig das Fahrtenbuch für das Dienstkraftfahrzeug mit dem Kennzeichen E dem hiefür vorgesehenen Bediensteten vorzulegen;

3. am 2.10.1991 beim Ausbau der Seezufahrt im M, Seezufahrt, das Fällen von ca. 10 Bäumen am Straßenrand durch die ihm unterstehenden Arbeiter entgegen der mit Dienstzettel vom 12.9.1991 erteilten Anweisung der vorgesetzten Dienststelle, Abteilung xy, vom 12.9.1991, Zl.: XIII/2316-2/4-91, und entgegen den Bestimmungen des Naturschutz- und Landschaftspflegegesetzes, LGBl. Nr. 27/1991 und der Natur- und Landschaftsschutzverordnung Neusiedler See, LGBl. Nr. 22/1980, veranlaßt;

4. am 21.4.1992 gegen 10.00 Uhr auf die Dauer von ca. einer halben Stunde und gegen 15.00 Uhr auf die Dauer von ca. einer halben Stunde bis zu einer ganzen Stunde, ohne vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend zu sein, keinen Dienst in seiner Dienststelle versehen und somit die ihm vorgeschriebene Dienstzeit nicht eingehalten, sondern am Flugplatz T im Bereich des Hangars mit der Aufschrift "M" Anweisungen bei der Wartung eines Flugzeugs gegeben.

Der Beschwerdeführer habe dadurch

zu 1. und 2.: gegen die Dienstpflicht nach § 44 Abs. 1 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 (BDG 1979), nämlich gegen Weisungen der Vorgesetzten, soweit verfassungsgesetzlich nicht anderes bestimmt ist, verstoßen;

zu 3.: gegen die allgemeine Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979, nämlich die dienstlichen Aufgaben treu und gewissenhaft zu erfüllen und das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zu erhalten, sowie gegen seine Dienstpflichten gegenüber Vorgesetzten nach § 44 Abs. 1 BDG 1979, verstoßen;

zu 4.: gegen die allgemeine Dienstpflicht gemäß § 43 Abs. 1 BDG 1979, sowie gegen die Dienstpflicht nach § 48 Abs. 1 BDG 1979, nämlich die im Dienstplan vorgesehenen Dienststunden einzuhalten, verstoßen.

Dadurch habe er Dienstpflichtverletzungen gem. § 91 BDG 1979 i. V.m. § 2 Abs. 1 Landes-Beamtengesetz 1985 begangen.

Gemäß § 126 Abs. 2 i.V.m. § 92 Abs. 1 Z. 3 und § 93 BDG 1979 i. V.m. § 2 Abs. 1 Landesbeamtengesetz 1985 wurde über den Beschuldigten eine Geldbuße von S 5.000,-- verhängt.

Gegen dieses Disziplinarerkenntnis erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Disziplinarerkenntnis der belangten Behörde wurde dieser Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit §§ 105 und 125a BDG 1979 und § 2 des Landesbeamtengesetzes 1985 LGBl. Nr. 48/1985 i.d.g.F. I. hinsichtlich des Punktes 3 des bekämpften Disziplinarerkenntnisses Folge gegeben und das Disziplinarerkenntnis (erg.: der Disziplinarkommission) in diesem Punkt behoben und das Verfahren gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 eingestellt; II. zu den Punkten 1, 2 und 4 des bekämpften erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses keine Folge gegeben und dieses mit der Maßgabe bestätigt, daß über den Berufungswerber gemäß § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 92 Abs. 1 Z. 3 und 93 BDG 1979 in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Landesbeamtengesetz 1985 eine Geldbuße von S 3.000,-- verhängt wurde.

Nach Darlegung des Verfahrensganges, insbesondere der Begründung des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses führte die belangte

Behörde begründend wie folgt aus:

Zu Punkten 1 und 2 des erstinstanzlichen

Disziplinarerkenntnisses:

Mit Erlaß der Abteilung xy werde die Benützung von Dienstkraftfahrzeugen durch Bedienstete dieser Abteilung näher geregelt. Gemäß Punkt 5 dieser Dienstanweisung sei ein Fahrtenbuch zu führen und es seien darin alle wesentlichen, für eine spätere Kontrolle erforderlichen Daten zu vermerken. So z.B. Dienstreiseziel, Dienstreiseauftrag, zurückgelegte Kilometer, durchgeführtes Tanken oder Ölaufnahme, alle Reparatur- und Wartungsarbeiten udgl. Der Beschwerdeführer habe es in der Zeit vom 2. August 1991 bis 13. Dezember 1991 unterlassen, die vorschriftsmäßigen Eintragungen im Fahrtenbuch für den ihm zur Verfügung stehenden PKW vorzunehmen. Er habe sich damit verantwortet, er wisse zwar von dieser Dienstanweisung, sei aber arbeitsmäßig sehr überlastet gewesen. Er habe hiezu auf den Personalmangel in der Straßenbauabteilung verwiesen. Da er auch Bezieher einer Reisegebührenpauschale gewesen sei, habe er keinen unbedingten Zwang zur Führung dieses Fahrtenbuches gesehen. Die belangte Behörde schließe sich aber den zu diesem Punkte ergangenen Ausführungen der Behörde erster Instanz vollinhaltlich an. Möge auch die Abgeltung der Reisegebühren in Form eines Reisegebührenpauschales erfolgen und die Führung eines Fahrtenbuches hiefür nicht erforderlich sein, so liege doch die pünktliche und vollständige Führung des Fahrtenbuches eines dem Bediensteten anvertrauten Dienstfahrzeuges im besonderen Interesse des Dienstgebers. Die ordnungsgemäße Führung des Fahrtenbuches solle es diesem einerseits ermöglichen, nachzuprüfen, ob die Dienstreisen tatsächlich im Rahmen des Dienstreiseauftrages absolviert worden seien, andererseits solle daraus auch zu ersehen sein, ob irgendwelche Funktionsstörungen aufgetreten seien und wann ein Service durch eine KFZ-Werkstätte fällig werde. Es sei insbesondere ein wesentliches Kontrollinstrument des Dienstgebers, um die ordnungsgemäße Absolvierung des Außendienstes durch den Bediensteten zu überprüfen. Durch die Außerachtlassung der Pflicht zur Führung des Fahrtenbuches habe der Beschwerdeführer dem Dienstgeber diese Kontrolle über den zeitlichen Umfang seiner Dienstleistung unmöglich gemacht. Gerade in seiner Position als stellvertretender Leiter des Straßenbauamtes E müsse vom Beschwerdeführer erwartet werden, daß er seinen Dienstpflichten besonders gewissenhaft und beispielhaft nachkomme, zumal auch die Führung dieses Fahrtenbuches keinen überaus großen Arbeitsaufwand bedeutet.

Gemäß Punkt 6 der Dienstanweisung über die Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen der Abteilung xy habe der zuständige Referatsleiter in der Regel einmal im Monat die bisherigen Eintragungen auf ihre Richtigkeit und Einhaltung der Dienstanweisung zu überprüfen und dies durch seine Unterschrift zu bestätigen. Der Beschwerdeführer habe es in der Zeit vom 2. August bis 13. Dezember 1991 unterlassen, regelmäßig monatlich das Fahrtenbuch für den von ihm benützten PKW dem vom zuständigen Referatsleiter mit der Überprüfung und Vidierung der Fahrtenbücher delegierten Bediensteten vorzulegen. Aus dem Revisionsbericht gehe hervor, daß die Überprüfung der Fahrtenbücher des Straßenbauamtes anstandslos funktioniert habe, mit Ausnahme beim Beschwerdeführer, der sein Fahrtenbuch nicht vorgelegt habe. Dies sei auch zum Anlaß einer dienstlichen Meldung an den Bauamtsleiter genommen worden. Es sei dem Beschwerdeführer auch bekannt gewesen, daß die Überprüfung und Vidierung vom Referatsleiter an einen namentlich genannten Bediensteten delegiert worden sei. Der Beschwerdeführer habe sich damit gerechtfertigt, daß laut Dienstanweisung keine Verpflichtung bestanden hätte, die Fahrtenbücher diesem Bediensteten vorzulegen. Dazu werde festgestellt, daß ein Vorgesetzter durchaus berechtigt sei, ihm obliegende Aufgaben an Bedienstete zu delegieren. Der namentlich genannte Bedienstete sei Leiter des Fuhrparkes des Straßenbauamtes E und besitze die hiefür erforderliche Verläßlichkeit und Fachkunde jedenfalls. Wenn auch laut Dienstanweisung der zuständige Referatsleiter die Fahrtenbücher zu kontrollieren gehabt hätte, so habe doch intern die Weisung der Überprüfung dieser Bücher durch den Fuhrparksleiter bestanden, was dem Beschwerdeführer auch bekannt gewesen sei. Gemäß § 44 Abs. 1 erster Satz BDG 1979 habe der Beamte seine Vorgesetzten zu unterstützen und ihre Weisungen, soweit verfassungsgesetzlich nichts anderes bestimmt ist, zu befolgen. Die Dienstanweisung der Abteilung xy des Amtes der Burgenländischen Landesregierung betreffend die Benutzung von Dienstkraftfahrzeugen stelle eine generelle Weisung eines Vorgesetzten dar. Durch die Nichtbefolgung dieser Weisung habe der Beschwerdeführer eine Dienstpflichtverletzung im Sinne des § 44 Abs. 1 BDG 1979 begangen. In diesem Zusammenhang erwähnt die belangte Behörde ergänzend, der Beschwerdeführer habe bereits im Jahre 1989 wegen der unvollständigen Führung des Fahrtenbuches eine Belehrung und Ermahnung im Sinne des § 109 Abs. 2 BDG 1979 erhalten, was ihn jedoch offensichtlich nicht zu einer sorgfältigeren Führung des Fahrtenbuches bewogen habe.

Zu Punkt 3 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses führte die belangte Behörde aus, am 2. Oktober 1991 habe der Beschwerdeführer auf der Seezufahrt in M als verantwortlicher Bauleiter für den Ausbau der Seezufahrt das Fällen von ca. 10 Bäumen am Straßenrand durch die ihm unterstellten Arbeiter veranlaßt, obwohl laut Dienstzettel der Abteilung xy vom 12. September 1991 an das Straßenbauamt E die Dienstanweisung ergangen sei, daß die bestehenden Bäume nicht hätten beseitigt werden dürfen. Der Beschwerdeführer habe sein Vorgehen damit gerechtfertigt, daß am selben Tage infolge eines starken Sturmes zwei morsche Bäume umgeworfen worden seien. Da Gefahr bestanden habe, daß noch weitere Bäume umgeworfen würden, habe er mittels Radlader die Standfestigkeit von ca. 40 Bäumen geprüft, wobei 10 Bäume dieser Überprüfung nicht standgehalten hätten und zur Vermeidung von Sach- und Personenschaden gefällt worden seien. Über den Gesundheitszustand und die Standfestigkeit der Bäume entlang der Seezufahrtsstraße in M lägen fachliche Stellungnahmen des sachverständigen Bediensteten der Forstabteilung des Amtes der Burgenländischen Landesregierung, der biologischen Station I sowie des Stationsleiters Univ.Doz. Dr. H. vor, die übereinstimmend zum Ergebnis gekommen seien, daß die nordseitig der Straße gepflanzten Pappeln in ihrer Vitalität schwer beeinträchtigt gewesen seien. Die belangte Behörde sei sohin zur Ansicht gelangt, daß die Verantwortung des Beschwerdeführers glaubhaft erscheine, daß von ihm Gefahr in Verzug wegen der mangelnden Standfestigkeit der Bäume angenommen habe werden können. Zur Verhinderung der Gefährdung der Straßenbenützer sowie zur Gewährleistung der Sicherheit, Leichtigkeit und Flüssigkeit des Verkehrs habe er daher der berechtigten Auffassung sein dürfen, daß eine Entfernung der Bäume notwendig erschiene. Diese Annahme habe sich in der Folge tatsächlich auch als berechtigt erwiesen, da seitens der Straßenverwaltung sämtliche Bäume entlang der Seezufahrtsstraße beseitigt hätten werden müssen. Das Krankheitsbild und die Vermorschungen seien nach vorliegenden fachkundigen Stellungnahmen auf den falschen Standort der Bäume zurückzuführen gewesen. Der Beschwerdeführer habe daher zu Recht mit der Möglichkeit rechnen können, daß durch den starken Sturm weitere Bäume umstürzen könnten. Wenngleich er zwar objektiv gegen dienstliche Aufträge verstoßen habe, so habe er dies jedenfalls nicht mutwillig und in Schädigungsabsicht gegenüber dem Dienstgeber oder Dritten getan, sondern sich in einer durchaus glaubhaften Notstandssituation befunden, ausgelöst durch das Spannungsverhältnis zwischen dem dienstlichen Auftrag auf Belassung der Bäume einerseits und der von ihm unter dem Eindruck der durch einen Sturm umgeworfenen zwei Bäume befürchteten Gefährdung der Verkehrsteilnehmer andererseits. Er scheine in seinem Vorgehen auch gerechtfertigt, auch wenn er sich nur in einem Irrtum über die Notstandssituation befunden hätte, weil ein solcher Irrtum von ihm weder veranlaßt gewesen sei, noch seine Handlungsweise mit den Grundsätzen der Logik im Widerspruch gestanden sei.

Zu Punkt 4 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses führte die belangte Behörde weiters aus, gemäß § 48 Abs. 1 BDG 1979 habe der Beamte die im Dienstplan vorgesehenen Dienststunden einzuhalten, wenn er nicht vom Dienst befreit oder enthoben oder gerechtfertigt vom Dienst abwesend sei. Der Beschwerdeführer bestreite seinen zweimaligen Aufenthalt am Flugplatz T am 21. April 1992 nicht, rechtfertige sich jedoch damit, daß er einen Urlaubstag genommen habe, diesen jedoch überwiegend im Dienst versehen habe, da sein Vorgesetzter abwesend gewesen sei und er dienstrechtliche Schwierigkeiten habe vermeiden wollen. Er habe seine Urlaubsmeldung am 21. April 1992 in der Früh, bevor er zum ersten Mal nach T gefahren sei, selbst verfaßt und in der Kanzlei deponiert; andere Bedienstete habe er davon nicht informiert. Am 21. April 1992 sei von VB M.J. und am 22. April 1992 von T.A. - jedoch nur in der Zeit von 6.45 Uhr bis ca. 8.00 Uhr - die Urlaubskartei geführt worden. Letztere habe ausgesagt, sie habe bei ihrem Dienstantritt um 6.45 Uhr auf ihrem Schreibtisch das Urlaubsbuch und zwei Urlaubsmeldungen vorgefunden, die sie in der Urlaubskartei vermerkt habe, zu diesem Zeitpunkt sei ihr jedoch keine Urlaubsmeldung vom Beschwerdeführer vorgelegen, weder auf ihrem Schreibtisch, noch im Zimmer der urlaubsabwesenden, mit der Führung der Urlaubskartei normalerweise betrauten Bediensteten. Um 7.30 Uhr habe sie nochmals das Zimmer dieser Bediensteten aufgesucht und erst zu diesem Zeitpunkt darin die Urlaubsmeldung des Beschwerdeführers vorgefunden. Ab 7.30 Uhr dieses Tages habe M.J. die Führung der Urlaubskartei übernommen. Diese Aussage stimme inhaltlich mit dem Aktenvermerk der Landesamtsdirektion vom 4. Mai 1992 überein, aus welchem hervorgehe, daß M.J. am 21. April 1992 die Urlaubskartei geführt habe und in der Zeit seiner Anwesenheit von Dienstbeginn an bis 15.00 Uhr keine Urlaubsmeldung des Beschwerdeführers erhalten habe. Der Beschwerdeführer vertrete die Ansicht, für die Annahme der Behörde, die Urlaubsmeldung sei durch ihn erst nachträglich erfolgt, gebe es keine hinreichend gesicherten Beweisergebnisse. Dies gestand die belangte Behörde zwar dem Beschwerdeführer im Hinblick auf die Aussagen anläßlich der mündlichen Verhandlung zu, sie verwies jedoch in diesem Zusammenhang auf die Angaben der genannten Zeugen, die diese nur wenige Tage nach dem Vorfall getätigt hätten, also zu einem Zeitpunkt, an dem ihnen noch jedes Details noch genau in Erinnerung gewesen sei und an denen zu zweifeln kein Anlaß bestünde. Die belangte Behörde gelangte daher zur Überzeugung, daß der Beschwerdeführer die Urlaubsmeldung erst am 22. April 1992 in der Zeit von 6.50 Uhr bis 7.20 Uhr in der Kanzlei der Straßenbauabteilung (nachträglich) deponiert und somit versucht habe, sein pflichtwidriges Verhalten nachträglich zu legitimieren. Die gegenteilige Behauptung müsse als reine Schutzbehauptung qualifiziert werden. Dadurch habe aber der Beschwerdeführer gegen die allgemeine Dienstpflicht des § 43 Abs. 1 BDG 1979 verstoßen und eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 48 Abs. 1 leg. cit. begangen.

Im Rahmen der Darlegung ihrer Erwägungen zur Strafbemessung teilte die belangte Behörde die in der Berufung vertretene Rechtsansicht, die Wiederholung einer Dienstpflichtverletzung hinsichtlich der Führung der Fahrtenbücher könne nicht als erschwerend berücksichtigt werden, da es bei den einschlägigen Vorfällen im Jahr 1989 kein Disziplinarverfahren, keine Disziplinarverfügung und kein Disziplinarerkenntnis gegeben habe, sondern lediglich mit einer Ermahnung vorgegangen worden sei. Im Hinblick auf den zum Tatvorwurf im Punkt 3 des erstinstanzlichen Disziplinarerkenntnisses erfolgten "Freispruch" und dem Umstand, daß die Disziplinaroberkommission (offenbar gemeint: die Behörde erster Instanz) das Fällen der Bäume in M als

schwerste Dienstverletzung angesehen habe, wurde die ausgesprochene Strafe um 40 % vermindert.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie dessen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat unter Abstandnahme von der beantragten mündlichen Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z. 3 und 6 VwGG erwogen:

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof erachtet sich der Beschwerdeführer in dem Recht auf Freispruch von den wider ihn erhobenen Anschuldigungen sowie allenfalls in seinem Recht auf Einstellung des Disziplinarverfahrens gemäß § 118 Abs. 1 Z. 4 BDG 1979 wegen geringer Schuld sowie allenfalls in seinem Recht gemäß § 115 BDG 1979, daß im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werde, verletzt.

Gemäß § 2 Abs. 1 des burgenländischen Landesbeamtengesetzes 1985, LGBl. Nr.48, sind, soweit durch dieses Gesetz nicht anderes bestimmt wird, auf die Landesbeamten die für das Dienstrecht einschließlich des Besoldungs-, Disziplinar- und Pensionsrechtes der öffentlich-rechtlichen Bediensteten des Bundes maßgebenden Bundesgesetze sinngemäß anzuwenden, im vorliegenden Fall daher die Bestimmungen des BDG 1979.

Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides:

Nach § 126 Abs. 2 BDG 1979 hat das Disziplinarerkenntnis auf Schuldspruch oder Freispruch zu lauten und im Fall eines Schuldspruches, sofern nicht nach § 95 Abs. 3 oder § 115 BDG 1979 von einem Strafausspruch abgesehen wurde, die Strafe festzusetzen.

Für den Fall, daß der Beamte durch eine Tat oder durch mehrere selbständige Taten mehrere Dienstpflichtverletzungen begangen hat und über diese Dienstpflichtverletzungen gleichzeitig erkannt wird, ist nur eine Strafe zu verhängen, die nach der schwersten Dienstpflichtverletzung zu bemessen ist, wobei die weiteren Dienstpflichtverletzungen als Erschwerungsgrund zu werten sind (§ 93 Abs. 2 BDG 1979).

Da der Spruch des Disziplinarerkenntnisses die in Verhandlung stehende Angelegenheit (vgl. § 105 BDG 1979 in Verbindung mit den §§ 58 Abs. 1 und 59 Abs. 1 AVG 1950) "in der Regel zur Gänze zu erledigen hat", der Verhandlungsbeschluß, der nach § 124 Abs. 2 erster Satz BDG 1979 die Anschuldigungspunkte bestimmt anzuführen hat, den Verhandlungsgegenstand des Disziplinarverfahrens vor der Disziplinarkommission absteckt (vgl. dazu z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. April 1989, Zl. 86/09/0146 und die dort angeführte Vorjudikatur), bedeutet dies, daß sich der Schuld- oder Freispruch des Disziplinarerkenntnisses im Sinn des § 126 Abs. 2 BDG 1979 auf alle im Verhandlungsbeschluß näher umschriebenen Anschuldigungspunkte zu beziehen und jeden von ihnen gesondert zu erledigen hat. Ist der Beamte von einzelnen Anschuldigungspunkten freizusprechen, hingegen wegen anderer schuldig zu sprechen, so sind Schuld- und Freispruch in einem Disziplinarerkenntnis zu verbinden (so zutreffend Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarrecht der Beamten2, Seite 436). Dies gilt auch für das Berufungsverfahren.

Aus § 126 Abs. 2 BDG 1979 (arg.: "das Disziplinarerkenntnis hat auf Schuldspruch ODER Freispruch zu lauten .....") folgt ferner, daß der Beamte einen Rechtsanspruch auf Freispruch bezüglich einer ihm im Anschuldigungspunkt des Verhandlungsbeschlusses zur Last gelegten Tat hat, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen hiefür zutreffen. Diese vom Wortlaut nahegelegte Auslegung wird auch durch die Einrichtung der Selbstanzeige (§ 111 BDG 1979) untermauert, die dem Beamten die Möglichkeit eröffnet, die Einleitung des Disziplinarverfahrens selbst herbeizuführen, um den im Raum stehenden Vorwurf, er habe eine Dienstpflichtverletzung begangen, überprüfen zu lassen (vgl. zum Rechtsinstitut der Selbstanzeige näher die Ausführungen im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 90/09/0011).

Wann die gesetzlichen Voraussetzungen für einen Freispruch vorliegen, ist im BDG 1979 nicht ausdrücklich geregelt. Unter Berücksichtigung anderer Rechtsvorschriften, in denen die zum Freispruch führenden Gründe näher geregelt werden (vgl. z.B. § 259 StPO) geht der Verwaltungsgerichtshof unter Beachtung der rechtlichen Gestaltung und Ausformung des Disziplinarrechts im BDG 1979 davon aus, daß jedenfalls die (soweit die Klärung dieser Frage im Beschwerdefall von Bedeutung ist) im § 118 Abs. 1 Z. 1 bis 3 BDG 1979 geregelten Einstellungsgründe (unter Bedachtnahme auf die beiden im § 126 Abs. 2 BDG 1979 geregelten Fälle des Schuldspruches ohne Strafe) bei ihrem Vorliegen - im Verfahrensstadium nach Erlassung des Verhandlungsbeschlusses - zum Freispruch zu führen haben.

Die rechtliche Bedeutung des Freispruchs erschöpft sich nämlich nicht in der "strafvermindernden" Wirkung. Zwar ist mit dem Schuldspruch in der Regel, aber nicht zwingend, die Festsetzung einer Strafe verbunden (vgl. die Ausnahmen nach § 126 Abs. 2 in Verbindung mit § 95 Abs. 3 und § 115 BDG 1979). Da das BDG 1979 daher auch einen Schuldspruch ohne Strafe kennt, zu dem der Freispruch die gesetzlich gebotene Alternative sein kann, besteht ein Recht auf Freispruch unabhängig von der Auswirkung auf die verhängte Disziplinarstrafe (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200). Eine Rechtsverletzungsmöglichkeit ist in diesem Zusammenhang immer zu bejahen, wenn auf Grund der Beweisergebnisse davon auszugehen ist, daß der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Tat nicht begangen hat und dies aus dem Spruch des Disziplinarerkenntnisses nicht eindeutig hervorgeht. Das ist insbesondere dort der Fall, wo der Gesetzgeber eine Sanktion an zwei verschiedene Alternativvoraussetzungen knüpft. Gemäß dem im Beschwerdefall von der belangten Behörde angezogenen § 118 Abs. 1 Z. 1 BDG 1979 ist das Disziplinarverfahren mit Bescheid einzustellen, wenn der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Dienstpflichtverletzung nicht begangen hat ODER Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen. Eine Einstellung nach dieser Gesetzesbestimmung könnte daher zwei grundsätzlich verschiedene Ursachen haben. Zweifel daran, welchen dieser Gründe die Behörde für vorliegend erachtet hat, ließen sich nur unter Zuhilfenahme der Begründung des Disziplinarerkenntnisses beheben, welches - wie das Disziplinarverfahren selbst - lediglich einer eingeschränkten Öffentlichkeit unterliegt (Parteiöffentlichkeit, § 128 BDG 1979, vgl. dazu Kucsko-Stadlmayer, aaO 430, 442). Für jenen Bereich der Öffentlichkeit, der keinen Zugang zur Begründung des Disziplinarerkenntnisses hat, bleibt daher im Falle einer Einstellung gemäß § 118 Abs. 1 Z. 1 der Einstellungsgrund - für den Beschuldigten aber die Erledigung des gegen ihn erhobenen Tatvorwurfs - unklar. Diese Fallkonstellation liegt hier vor.

Indem die belangte Behörde dies verkannte und nicht mit Freispruch vorging, belastete sie ihren Bescheid in dem aufgezeigten Umfang mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb der Punkt I des angefochtenen Bescheides gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Zu Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides:

Bereits in der Berufung hat der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, daß die Unterlassung der ordnungsgemäßen Führung bzw. Vorlage der Fahrtenbücher im inkriminierten Zeitraum ihren Grund in eklatanter Arbeitsüberlastung gehabt habe und ein Schuldspruch ohne Verhängung einer Strafe im Sinn des § 115 BDG 1979 ausreichend gewesen wäre. Daß eine einschlägige Ermahnung aus dem Jahre 1989 als beim Strafausspruch mitzuberücksichtigendes Faktum außer Betracht zu bleiben hatte, hat die belangte Behörde - wie wohl sie auf Seite 10 ihres Erkenntnisses diesen Umstand nochmals ausdrücklich erwähnt - selbst festgestellt.

Gemäß § 115 BDG 1979 kann im Falle eines Schuldspruches von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden, wenn dies ohne Verletzung dienstlicher Interessen möglich ist und nach den Umständen des Falles und nach der Persönlichkeit des Beamten angenommen werden kann, daß ein Schuldspruch allein genügen wird, den Beamten von weiteren Verfehlungen abzuhalten. Ausgehend von den, vom Beschwerdeführer behaupteten speziellen Umständen, insbesondere der erheblichen Belastungssituation hätte die belangte Behörde zu begründen gehabt, weshalb sie dennoch vom Nichtvorliegen der in § 115 BDG genannten Voraussetzungen ausgegangen ist. Eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen in der Berufung und eine eingehendere Begründung der Nichtanwendung des § 115 BDG durch die belangte Behörde wäre daher geboten gewesen. Da die belangte Behörde in diesem Punkte daher ihren Bescheid nicht entsprechend der Bestimmung des § 60 AVG begründet hat, hat sie den Bescheid in diesem Umfange mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet, weshalb der angefochtene Bescheid in diesen Punkten - und damit auch zwangsläufig im Strafausspruch - (vgl. dazu auch das hg. Erkenntnis vom 31. Mai 1990, Zl. 86/09/0200) aufzuheben war, ohne daß darauf eingegangen werden muß, daß die belangte Behörde ihren Ausspruch über die Auferlegung einer Geldbuße auf § 92 Abs. 1 Z. 3 BDG 1979 (richtigerweise: Z. 2 leg. cit.) gestützt hat.

Hinsichtlich des Punktes 4 des erstinstanzlichen Straferkenntnisses macht der Beschwerdeführer im wesentlichen die unrichtige Beweiswürdigung durch die Behörde erster Instanz (bestätigt durch die belangte Behörde) geltend.

Diesen Ausführungen ist entgegenzuhalten, daß die Beweiswürdigung der überprüfenden Kontrolle des Verwaltungsgerichtshofes nur insofern unterliegt, als die Erwägungen dazu schlüssig dargelegt sind und auf einer Sachverhaltsgrundlage beruhen, die in einem mängelfreien Verfahren ausreichend erhoben wurde. Die Schlüssigkeit der Erwägungen innerhalb der Beweiswürdigung unterliegen daher der Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes, nicht aber deren konkrete Richtigkeit (vgl. dazu die in Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, Seite 549 ff abgedruckte hg. Judikatur). Das in dieser Hinsicht erstattete Beschwerdevorbringen ist im aufgezeigten Sinn aber nicht geeignet, Zweifel an der Nachvollziehbarkeit der von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid dargelegten Erwägungen aufkommen zu lassen. Auch der Vorwurf der Verletzung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes durch die belangte Behörde ist unzutreffend, da zwar die Aussage der Zeugin C.A. vom 4. Mai 1992 nicht, wohl aber der Aktenvermerk vom selben Tag gleichen Inhaltes im Disziplinarverfahren verlesen worden ist. Aus diesem ergeben sich aber die von der belangten Behörde gezogenen Rückschlüsse gleichermaßen .Insoweit sich die Beschwerde gegen den Schuldspruch auch in diesem Punkte wendet, kommt ihr daher keine vom Verwaltungsgerichtshof wahrzunehmende Berechtigung zu und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Anspruch auf Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Hinsichtlich der in diesem Erkenntnis zitierten nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Oktober 1998

Schlagworte

Inhalt des Spruches Allgemein Angewendete GesetzesbestimmungSpruch und Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1996090209.X00

Im RIS seit

05.04.2001

Zuletzt aktualisiert am

31.10.2016
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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