TE Bvwg Erkenntnis 2019/8/12 W234 2212334-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 12.08.2019
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Entscheidungsdatum

12.08.2019

Norm

BFA-VG §18 Abs1 Z6
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs3

Spruch

W234 1310400-6/13Z

W234 1310399-6/12Z

W234 1400635-4/8Z

W234 1412795-4/8Z

W234 1434283-4/8Z

W234 2164403-2/9Z

W234 2212334-1/10Z

TEILERKENNTNIS:

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Thomas HORVATH als Einzelrichter über die Beschwerden von

1) XXXX geb. XXXX ,

2) XXXX geb. XXXX ,

3) XXXX geb. XXXX ,

4) XXXX geb. XXXX ,

5) XXXX geb. XXXX ,

6) XXXX , geb. XXXX , und

7) XXXX , geb. XXXX ,

alle StA. Russische Föderation, alle vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen die Bescheide des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl

1) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

2) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

3) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

4) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

5) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

6) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

7) vom 24.11.2018, Zl. XXXX ,

zu Recht:

A)

I. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der jeweilige Spruchpunkt VII der an

1) XXXX geb. XXXX , und

2) XXXX , geb. XXXX ,

andressierten Bescheide ersatzlos aufgehoben.

II. Der Beschwerde wird Folge gegeben und der jeweilige Spruchpunkt VI der an die übrigen Beschwerdeführer adressierten Bescheide ersatzlos aufgehoben.

III. Die Anträge der Beschwerdeführer auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung werden als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Mit den hier angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden Bundesamt) wurden die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer vom 07.11.2018 für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I) und subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (jeweils Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 werden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III) und gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen erlassen (jeweils Spruchpunkt IV). Unter einem wird festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V).

Gegen XXXX (im Folgenden Erstbeschwerdeführer) wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG 2005 ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Gegen XXXX (im Folgenden Zweitbeschwerdeführerin) wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Beschwerden gegen sämtliche Bescheide wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG aberkannt (Spruchpunkt VII der Bescheide von Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie Spruchpunkt VI der Bescheide der übrigen Beschwerdeführer) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt VIII. der Bescheide von Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie Spruchpunkt VII der Bescheide der übrigen Beschwerdeführer).

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Es werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

1.1. Zum Verfahrensgang:

1.1.1. Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin reisten am 20.01.2007 in das österreichische Bundesgebiet ein und stellten am selben Tag ihren ersten Antrag auf internationalen Schutz.

Diesen Antrag begründete der Erstbeschwerdeführer - nach zum Teil wesentlichen Änderungen seines Vorbringens - letztlich unter anderem damit, dass für ihn im Herkunftsstaat aus religiösen Gründen Lebensgefahr bestehe, weil er seine Religion nicht so ausüben könne, wie er wolle. Denn man werde gezwungen, den Sufisten zu folgen. Der Erstbeschwerdeführer wolle aber dem "richtigen" Islam folgen, den Sunniten, den Vorschriften des Korans und des Propheten Mohammed. Deswegen würde er von der tschetschenischen Regierung verfolgt werden. Es herrsche Religionszwang; bei seiner Rückkehr müsse er sich entweder dem tschetschenischen Widerstand anschließen oder der tschetschenischen Regierung. Auch die Zweitbeschwerdeführerin begründete diesen Asylantrag - ebenso nach umfangreichen Modifikationen ihres ursprünglichen Vorbringens - letztlich unter anderem auch damit, dass sie dem "richtigen" Islam folgen wolle, was in Tschetschenien verboten sei, weswegen sie dort Repressionen erwarte.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 20.02.2007 wurden die Anträge des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und festgestellt, dass für die Prüfung der Anträge Polen zuständig sei; unter einem wurden sie nach Polen ausgewiesen.

Mit Bescheid des Unabhängigen Bundesasylsenats (im Folgenden UBAS) vom 16.03.2007 wurde den Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie der Zweitbeschwerdeführerin stattgegeben und die Angelegenheiten zur Durchführung des materiellen Verfahrens zurückverwiesen.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 12.11.2007 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Mit Bescheiden des UBAS vom 18.02.2008 wurde der gegen diese Bescheide erhobenen Berufungen des Erstbeschwerdeführers wie der Zweitbeschwerdeführerin stattgegeben, die bekämpften Bescheide behoben und die Angelegenheit an das Bundesasylamt zurückverwiesen.

Am XXXX wurde XXXX (im Folgenden Drittbeschwerdeführerin) im Bundesgebiet geboren. Am 12.03.2008 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Für sie wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern geltend gemacht.

Mit Bescheiden des Bundesasylamtes vom 04.07.2008 wurden die Anträge auf internationalen Schutz des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin für den Status von Asyl- wie subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf die Russische Föderation abgewiesen und sie aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde XXXX (im Folgenden Viertbeschwerdeführer) im Bundesgebiet geboren. Am 05.10.2009 wurde für ihn ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Zur Begründung wurde auf das Fluchtvorbringen seiner Mutter sowie darauf verwiesen, dass die Säuglingssterblichkeit im Herkunftsstaat hoch wäre. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 30.03.2010 für den Status des Asyl- wie des subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde der Viertbeschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen.

Am XXXX wurde XXXX (im Folgenden Fünftbeschwerdeführerin) im Bundesgebiet geboren. Am 27.11.2012 wurde für sie ein erster Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesasylamts vom 19.03.2010 für den Status der Asylwie der subsidiär Schutzberechtigen in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation abgewiesen; unter einem wurde die Fünftbeschwerdeführer in die Russische Föderation ausgewiesen.

Sämtliche Beschwerdeführer mit Ausnahme der damals noch nicht XXXX (im Folgenden Sechstbeschwerdeführer) und XXXX (im Folgenden Siebtbeschwerdeführer) erhoben gegen die jeweils an sie adressierten Bescheide des Bundesasyl-amts, mit welchen ihnen weder der Status von Asyl- noch von subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt und sie in die Russische Föderation ausgewiesen worden waren, Beschwerden. Die Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 14.05.2013 gemäß §§ 3, 8 und 10 AsylG 2005 aF als unbegründet abgewiesen. Diese Erkenntnisse erwuchsen am 19.06.2013 in Rechtskraft.

1.1.2. Am 14.10.2013 stellten sämtliche Beschwerdeführer (mit Ausnahme der damals noch nicht geborenen Sechst- und Siebtbeschwerdeführer) neuerliche Anträge auf internationalen Schutz in Österreich.

Der Erstbeschwerdeführer begründete seinen Folgeantrag im Wesentlichen damit, dass er und die übrigen Beschwerdeführer im Herkunftsstaat Repressionen ausgesetzt wären, weil er kein Sufist wäre und deswegen nicht über einen Vermittler, sondern direkt zu Gott beten würde. Wegen seiner religiösen Überzeugung habe er im Herkunftsstaat staatliche Repressionen, insbesondere auch seitens des Bruders seines Schwiegervaters, welcher der tschetschenischen Regierung angehöre, zu erwarten. Auch wegen der Politik und weil der Erstbeschwerdeführer dort kein Recht auf eine eigene Meinung hätte, könne er nicht in die Russische Föderation zurückkehren. Auch die Zweitbeschwerdeführerin behauptete im Wesentlichen, sie und ihre Familie hätte Repressionen der tschetschenischen Regierung - motiviert vor allem durch ihren Onkel, der für diese tätig wäre und über das Asylverfahren in Österreich und dessen Ausgangsbescheid wissen würde - zu erwarten. Denn sie würde sich nicht zu der in Tschetschenien vorherrschenden Richtung des Islam bekennen, weil diese Heiligenverehrung einschließe; sie bekenne sich zu einer anderen Richtung des Islam. Auch dürfte sich die Zweitbeschwerdeführerin im Herkunftsstaat nicht wie in Österreich verschleiern.

Für die minderjährigen Beschwerdeführer wurden ausschließlich die Fluchtvorbringen ihrer Eltern ins Treffen geführt.

Diese Folgeanträge vom 14.10.2013 wurden mit Bescheiden des Bundesasylamts vom 09.11.2013 gemäß § 68 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen und der Erstbeschwerdeführer, die Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie der Viertbeschwerdeführer und die Fünftbeschwerdeführerin aus dem österreichischen Bundesgebiet in die Russische Föderation ausgewiesen.

Die gegen diese Bescheide erhobenen Beschwerden des Erstbeschwerdeführers, der Zweit- und Drittbeschwerdeführerin, des Viertbeschwerdeführers und der Fünftbeschwerdeführerin wurden durch den Asylgerichtshof mit Erkenntnissen vom 06.12.2013 als unbegründet abgewiesen. Denn es seien keine Vorbringen erstattet worden, die neue Rechtssachen hätten entstehen lassen; über die gesamten Vorbringen zu den Anträgen auf internationalen Schutz vom 14.10.2013 sei schon zuvor mit Erkenntnissen des Asylgerichtshofes vom 14.05.2013 abgesprochen worden. Ferner würden weder die Integration der Beschwerdeführer in Österreich noch Rückkehrhindernisse im Herkunftsstaat ihrer Ausweisung entgegenstehen. Unter einem wurde die Durchführung der Ausweisungen der Beschwerdeführer bis 07.05.2014 aufgeschoben, weil die Zweitbeschwerdeführerin schwanger war und sich nach ihrer Niederkunft bis zum 07.05.2014 erholen würde müssen, um Schäden an ihrer Gesundheit infolge der Abschiebung zu vermeiden. Diese Erkenntnisse erwuchsen in Rechtskraft.

Am 06.02.2014 wurde der Sechstbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren. Für ihn wurde zunächst kein Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

1.1.3.1. Am 17.02.2017 stellten Erst- bis Sechstbeschwerdeführer Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 AsylG 2005. Konkret beantragten sie die Erteilung von Aufenthaltsberechtigungen plus gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005, weil sie Modul 1 der Integrationsvereinbarung erfüllen würden.

Diese Anträge auf Erteilung von Aufenthaltstiteln aus Gründen des Art. 8 EMRK wurden durch das Bundesamt mit aus dem Juni 2017 datierten Bescheiden gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen. Unter einem wurden gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs. 3 FPG 2005 gegen die Beschwerdeführer lassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG 2005 wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation gemäß § 46 FPG 2005 zulässig sei. Die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführer betrage gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2005 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

1.1.3.2. Gegen diese Bescheide führten der Erst- bis Sechstbeschwerdeführer Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht.

Diese wurden nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 09.05.2018 durch die auch hier zuständige Gerichtabteilung des Bundesverwaltungsgerichts mit Erkenntnis vom 10.09.2018 als unbegründet abgewiesen. Dies begründete das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen damit, dass Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 den Beschwerdeführern nicht zu erteilen seien, weil dies zur Aufrechterhaltung ihres Privat- und Familienlebens gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG iVm Art. 8 EMRK nicht geboten erscheinen würde. Denn sämtliche Familienmitglieder wären von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme im selben Umfang betroffen, sodass diese in ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens gemäß Art. 8 MRK nicht eingreife. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung erscheine auch mit Blick auf das Recht auf Achtung des Privatlebens gemäß Art. 8 EMRK für den Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin trotz ihrer Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet von mehr als zehn Jahren, ihrer guten Deutschkenntnisse, ihrer freundschaftlichen Beziehungen im Bundesgebiet, ihrer ehrenamtlichen Betätigung und der zwar nicht existenzsichernden, aber doch vorhandenen Erwerbstätigkeit des Erstbeschwerdeführers wegen ihrer strafgerichtlichen Verurteilungen, der Herstellung ihrer Aufenthaltsdauer durch das wiederholte Stellen von Anträgen auf internationalen Schutz, des Umstandes, dass sie nie über ein anderes Aufenthaltsrecht abseits ihres Status von Asylwerbern verfügten, ihres langjährigen rechtswidrigen Aufenthalts im Bundesgebiet, ihrer nicht vorhandenen erlaubten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet, ihres langjährigen Bezugs von Leistungen der Grundversorgung und ihrer nach wie vor vorhandenen Bindungen zum Herkunftsstaat als nach wie vor rechtmäßig. Auch für die minderjährigen Beschwerdeführer erscheine die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit ihren Rechten gemäß Art. 8 EMRK als vereinbar. Auch die minderjährigen Beschwerdeführer würden sich lange im Bundesgebiet aufhalten, etwa die Drittbeschwerdeführerin über zehn Jahre, der Viertbeschwerdeführer etwa neun Jahre, die Fünftbeschwerdeführerin knapp sechs Jahre und der Sechstbeschwerdeführer vier Jahre und sechs Monate und hätten sich in Österreich intensiv integriert. Sie würden hier die Schule bzw. den Kindergarten besuchen, intensiv freundschaftliche Beziehungen pflegen und Deutsch auf muttersprachlichem Niveau beherrschen bzw. Deutsch als Muttersprache erlernen. Dennoch würden sich sämtliche minderjährige Beschwerdeführer - so auch die Drittbeschwerdeführerin und der Viertbeschwerdeführer - in einem noch anpassungsfähigen Alter befinden. Zudem würden sie auch die tschetschenische Sprache auf muttersprachlichem Niveau beherrschen; zudem beherrsche die Drittbeschwerdeführerin auf schlechtem Niveau die russische Sprache nur in gesprochener Form. Auch würden die minderjährigen Beschwerdeführer nach wie vor Bindungen zum Herkunftsstaat aufweisen. Sie seien in einem tschetschenischen Haushalt aufgewachsen, sodass davon auszugehen sei, dass sie mit den kulturellen Gegebenheiten ihres Heimatlandes vertraut gemacht wurden. Zudem würden sich im Herkunftsstaat noch eine Reihe von Familienmitgliedern befinden, zu welchen auch die minderjährigen Beschwerdeführer laufend per Video- oder herkömmlicher Telefonie in Kontakt stehen und mit diesen auf Tschetschenisch kommunizieren würden; diese Verwandtschaft sei ihnen also keineswegs unbekannt. Schließlich hätten sämtliche Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr keine finanziellen Probleme mit Blick auf zur Verfügung stehende Unterstützungsleistungen durch die Mutter des Erstbeschwerdeführers und Arbeitsleistungen von Erstbeschwerdeführer und Zweitbeschwerdeführerin zu erwarten. Daher gehe das Bundesverwaltungsgericht auch für die minderjährigen Beschwerdeführer - einschließlich der Drittbeschwerdeführerin - davon aus, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung mit ihrem Recht auf Achtung ihres Privatlebens gemäß Art. 8 MRK in Einklang stehe.

Da das Bundesverwaltungsgerichts auch keine Hindernisse für die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 50 FPG 2005 erkannte, wies es die Beschwerden als unbegründet ab.

1.1.3.3. Mit Beschluss vom 06.11.2018 bewilligte der Verwaltungsgerichtshof den Erst- bis Sechstbeschwerdeführern Verfahrenshilfe zur Erhebung einer außerordentlichen Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2018.

1.1.3.4. Mit Schriftsätzen vom 13.12.2018 erhoben Erst- bis Sechstbeschwerdeführer außerordentliche Revision gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2018 und erachteten sich in ihren Rechten auf Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß Art. 55 AsylG 2005, in ihren auch einfachgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens sowie in ihren Rechten, nicht mit Rückkehrentscheidungen belegt zu werden, verletzt. Dazu rügten Sie inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie die Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2018. Inhaltlich rügten die Beschwerdeführer im Wesentlichen, dass das Bundesverwaltungsgericht im angefochtenen Erkenntnis dem erreichten hohen Grad der Integration und Schutzwürdigkeit des Privatlebens der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer nicht jenes Gewicht beigemessen hätte, wie es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geboten gewesen wäre. Dies treffe insbesondere auf die Drittbeschwerdeführerin zu, die sich ihr gesamtes Leben von mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten habe, sodass für sie trotz ihres noch anpassungsfähigen Alters von einem Überwiegen ihrer privaten Interessen an einem Verbleiben Österreich auszugehen gewesen wäre. Demgemäß sei das Bundesverwaltungsgericht von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, sodass die Revision zulässig erscheine. Zudem fehle es an Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Rechtmäßigkeit der Aufenthaltsbeendigung von Familien mit minderjährigen Kindern im anpassungsfähigen Alter mit einem mehr als zehnjährigen Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Frage, wie lange man bei Kindern von einem anpassungsfähigen Alter auszugehen habe; beides spreche ebenso für die Zulässigkeit der Revision. Mit Blick auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hätte das Bundesverwaltungsgericht jedenfalls der Drittbeschwerdeführerin den begehrten Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wegen einer sonstigen Verletzung ihres Rechts auf Achtung ihres Privatlebens gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK zuerkennen müssen; zudem wäre auch den übrigen Beschwerdeführern mit Blick auf ihre Integrationsleistungen in Österreich der begehrte Aufenthaltstitel zuzuerkennen gewesen.

Im Revisionsschriftsatz beantragten der Erst- bis Sechstbeschwerdeführer ferner, ihrer außerordentlichen Revision gemäß § 30 Abs. 2 VwGG aufschiebende Wirkung zuzuerkennen. Denn diese sei das einzige taugliche Mittel, um die Außerlandesbringung der Beschwerdeführer während des Revisionsverfahrens hintanzuhalten. Ihrer Revision sei die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, weil durch die Außerlandesbringung jene Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 8 EMRK eintreten würde, die sie durch Erhebung der Revision hintanzuhalten suchten. Durch ihre Abschiebung während des Revisionsverfahrens würde ein Schaden eintreten, der nicht mehr gutzumachen wäre. Öffentliche Interessen, welche der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstehen würden, seien nicht erkennbar.

1.1.3.5. Mit Beschluss vom 17.12.2018 erkannte der Verwaltungsgerichtshof den Revisionen von Erst- bis Sechstbeschwerdeführer betreffend Aufenthaltstitel und Rückkehrentscheidungen die aufschiebende Wirkung gemäß § 30 Abs. 2 VwGG zu. Denn mit dem Vollzug des angefochtenen Erkenntnisses wäre für die Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden und zwingende öffentliche Interessen würden der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegenstehen.

1.1.3.6. Mit Erkenntnis vom 25.04.2019 hob der Verwaltungsgerichtshof das angefochtene Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 10.09.2018 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts für Erst- bis Sechstbeschwerdeführer auf. Dies begründete der Verwaltungsgerichtshof zunächst mit dem mehr als zehnjährigen Aufenthalt der minderjährigen Drittbeschwerdeführerin im Bundesgebiet, die während dieser Zeit eine Reihe von integrationsbegründenden Leistungen (intensiv und regelmäßig gepflegte freundschaftlichen Beziehungen zu österreichischen Staatsbürgern und dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, den Schulbesuch samt intensiver Integration und sehr guten Benotungen, die Beherrschung der deutschen Sprache auf muttersprachlichem Niveau sowie das Zubringen des gesamten Lebens im Bundesgebiet) erbracht habe. Deshalb sei von einem Überwiegen ihrer persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich auszugehen. Auch erschiene ein Eingriff in das Privatleben der Drittbeschwerdeführerin durch die Verpflichtung zur gemeinsamen Ausreise jedenfalls hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin nicht rechtmäßig. Die strafgerichtliche Verurteilung der Zweitbeschwerdeführerin ändere, auch unter Berücksichtigung ihrer zweimaligen Asylantragstellung sowie ihres bislang unsicheren Aufenthalts nichts daran, dass die gut integrierte Drittbeschwerdeführerin einen Eingriff in ihr Privatleben durch eine gemeinsame Ausreise mit ihrer Mutter nicht in Kauf nehmen müsse. Diese Erwägungen seien auf die im Wesentlichen vergleichbare Situation des Viertbeschwerdeführers zu übertragen. Das Bundesverwaltungsgericht habe seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass kein Eingriff in das Recht auf Achtung des Familienlebens der Beschwerdeführer erfolge, weil gegen alle Mitglieder ihrer Kernfamilie (nämlich gegen Erst- bis Sechstbeschwerdeführer sowie den damals keine Verfahrenspartei darstellenden Siebtbeschwerdeführer) eine aufenthaltsbeendende Maßnahme erlassen worden sei. Deswegen schlage die Rechtswidrigkeit der Entscheidung hinsichtlich der Drittbeschwerdeführerin und des Viertbeschwerdeführers auch auf die übrigen Beschwerdeführer (mit Ausnahme des damals nicht am Verfahren teilnehmenden Siebtbeschwerdeführers) durch, weil die zugrunde gelegte Prämisse, gegenüber allen Familienmitgliedern sei eine Rückkehrentscheidung erlassen worden, nicht mehr zutraf, sodass hinsichtlich der weiteren Beschwerdeführeer die Zulässigkeit eines Eingriffs in das Familienleben infolge der Trennung der Familie bei Erlassung von Rückkehrentscheidungen geprüft werden müsste. Daher erstrecke sich die Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses auf Erst- bis Sechstbeschwerdeführer, sodass es zur Gänze aufzuheben sei. Dies gelte auch für den Erstbeschwerdeführer, für den hinsichtlich der Zulässigkeit eines Eingriffs in das Familienleben allenfalls zu prüfen wäre, ob eine Trennung im Hinblick auf das (durch dessen Strafbarkeit gesteigerte) öffentliche Interesse hinzunehmen wäre.

1.1.4. Am 09.03.2018 war der Siebtbeschwerdeführer im Bundesgebiet geboren worden. Für ihn war zunächst weder ein Antrag auf internationalen Schutz gestellt noch ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG 2005 beantragt worden.

Mit von Amts wegen erlassenem Bescheid des Bundesamtes vom 26.06.2018 war dem Siebtbeschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und unter einem eine Rückkehrentscheidung gegen ihn erlassen und festgestellt worden, dass seine Abschiebung in die Russische Föderation zulässig gewesen war. Eine Frist für seine freiwillige Ausreise war nicht gewährt worden; einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung war die aufschiebende Wirkung aberkannt worden. Dieser Bescheid war in Rechtskraft erwachsen.

1.1.5. Am 10.11.2018 stellten die Beschwerdeführer die durch die hier angefochtenen Bescheide erledigten Anträge auf internationalen Schutz. Diese begründen die erwachsenen Beschwerdeführer im Wesentlichen damit, dass sie nunmehr Übergriffe der tschetschenischen Behörden gegenüber sämtlichen Familienmitgliedern zu befürchten hätten. Zudem wollten sie, dass ihre Kinder ihr Leben in Österreich wie bisher fortsetzen können.

Mit den hier angefochtenen Bescheiden des Bundesamtes werden die Anträge auf internationalen Schutz der Beschwerdeführer vom 07.11.2018 für die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten (jeweils Spruchpunkt I) und subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Russische Föderation (jeweils Spruchpunkt II) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG 2005 werden Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (jeweils Spruchpunkt III) und gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen erlassen (jeweils Spruchpunkt IV). Unter einem wird festgestellt, dass ihre Abschiebung in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V).

Gegen den Erstbeschwerdeführer wird zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 9 FPG 2005 ein unbefristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Gegen die Zweitbeschwerdeführerin wird zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 FPG 2005 ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).

Beschwerden gegen sämtliche Bescheide wird die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 Z 6 BFA-VG aberkannt (jeweils Spruchpunkt VII der Bescheide von Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie jeweils Spruchpunkt VI der Bescheide der übrigen Beschwerdeführer) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (jeweils Spruchpunkt VIII der Bescheide von Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin sowie jeweils Spruchpunkt VII der Bescheide der übrigen Beschwerdeführer).

Diese Bescheide wurden den Beschwerdeführern am 03.12.2018 zugestellt.

Gegen diese Bescheide richten sich die hier teilweise zu erledigenden Beschwerden, welche am 28.12.2018 per E-Mail beim Bundesamt einlangten.

1.2. Zu den Beschwerdeführern:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind Eheleute und die Eltern der übrigen Beschwerdeführer. Sämtliche Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und Angehörige der tschetschenischen Volksgruppe und weisen die im Spruch dieses Erkenntnisses bezeichneten Identitäten auf. Im Herkunftsstaat lebten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin vor ihrer Ausreise zuletzt in XXXX in Tschetschenien.

Der Erst- und die Zweitbeschwerdeführerin halten sich seit dem 20.01.2007 durchgehend im Bundesgebiet auf; die übrigen Beschwerdeführer wurden bereits im Bundesgebiet geboren und haben dieses noch nie verlassen.

Im Herkunftsstaat halten sich nach wie vor der Vater, die Mutter, der Bruder, zwei Schwestern, sieben Tanten und ein Onkel des Erstbeschwerdeführers auf. Zu seinen Eltern, seinem Bruder und seiner Schwester steht der Erstbeschwerdeführer täglich per Skype oder WhatsApp in Kontakt. Die minderjährigen Beschwerdeführer haben zu diesen Verwandten ebenso per Videotelefonie Kontakt und unterhalten sich mit ihnen auf Tschetschenisch.

Im Herkunftsstaat hält sich ferner eine Reihe von Verwandten der Zweitbeschwerdeführerin, darunter ihre Mutter und ihr Bruder, auf. Zur Mutter steht die Zweitbeschwerdeführerin jeden zweiten Tag per Video- oder herkömmlicher Telefonie in Kontakt. Anlässlich dieser Kontaktaufnahmen der Zweitbeschwerdeführerin unterhalten sich auch die minderjährigen Beschwerdeführer mit ihrer Großmutter in tschetschenischer Sprache.

Der Erstbeschwerdeführer kann sich in der deutschen Sprache - von grammatikalischen Ungereimtheiten abgesehen - gut ausdrücken und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Er hat auch das "B1 Zertifikat Deutsch Österreich" des ÖSD erlangt. Die Zweitbeschwerdeführerin beherrscht Deutsch - abgesehen von vereinzelten fehlerhaften Satzstellungen - weitgehend fehlerfrei und versteht gesprochenes Deutsch ausnahmslos. Sie hat auch das Diplom "A2 Grundstufe Deutsch 2" des ÖSD erlangt. Der Erstbeschwerdeführer wie die Zweitbeschwerdeführerin beherrschen zudem die tschetschenische und die russische Sprache.

Die minderjährigen Beschwerdeführer beherrschen die tschetschenische und die deutsche Sprache auf muttersprachlichem Niveau bzw. erlernen sie diese Sprachen derzeit als Muttersprachen. Die Drittbeschwerdeführerin kann zudem auf schlechtem Niveau Russisch sprechen, jedoch nicht auf Russisch schreiben.

Sämtliche Beschwerdeführer beziehen Leistungen der Grundversorgung. Der Erstbeschwerdeführer ist zudem ohne Anmeldung erwerbstätig. Für den Fall, dass dies rechtlich möglich würde, würde der Erstbeschwerdeführer bei einem Unternehmen für Landschaftsgestaltung in Vollzeitbeschäftigung (40 h pro Woche) angestellt werden.

Im Bundesgebiet lebende sämtliche Beschwerdeführer als Ehepaar mit Kindern in einem Haushalt.

Im Bundesgebiet waren die Beschwerdeführer nie legal erwerbstätig.

Von 2007 bis 2009 arbeitete die Zweitbeschwerdeführerin ohne Anmeldung als Reinigungskraft.

Ehrenamtlich übersetzte die Zweitbeschwerdeführerin zudem in der Vergangenheit für Tschetschenen bei Krankenhaus- und Arztbesuchen sowie für einen Verein.

Die Drittbeschwerdeführerin hat die Volksschule in Österreich besucht und im Sommer 2018 abgeschlossen; der Viertbeschwerdeführer besucht in Österreich die Volkschule. Die Fünftbeschwerdeführerin und der Sechstbeschwerdeführer besuchen den Kindergarten. Drittbeschwerdeführerin und Viertbeschwerdeführer erzielten bislang in der Volksschule sehr gute Benotungen. Der Viertbeschwerdeführer ist in die Schulgemeinschaft der Volksschule intensiv integriert. Seit Beginn des Schuljahres 2018/19 besucht die Drittbeschwerdeführerin eine Allgemeinbildende Höheren Schule.

Sämtliche Beschwerdeführer unterhalten intensiv und regelmäßig gepflegte freundschaftliche Beziehungen zu dauerhaft in Österreich aufenthaltsberechtigten Personen, darunter auch österreichische Staatsangehörige und sonstige Unionsbürger.

Die Beschwerdeführer gehören keinen Vereinen oder sonstigen Organisationen in Österreich an.

Der Erstbeschwerdeführer weist folgende strafgerichtliche Verurteilungen auf:

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Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX Sechs Monate Freiheitsstrafe bedingt als junger Erwachsener gemäß § 83 Abs. 1 und § 84 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);

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Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX :

ein Jahr Freiheitsstrafe als junger Erwachsener gemäß § 142 Abs. 1 iVm § 12 3. Fall sowie § 143 2. Fall StGB (schwerer Raub);

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Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX :

acht Monate Freiheitsstrafe bedingt als junger Erwachsener gemäß § 84 Abs. 1 und § 83 Abs. 1 StGB (schwere Körperverletzung);

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Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX :

drei Monate Freiheitsstrafe gemäß § 107 Abs. 1 StGB (gefährliche Drohung).

Die Zweitbeschwerdeführerin weist folgende strafgerichtliche Verurteilung auf:

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Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen XXXX zu XXXX vom XXXX fünf Monate Freiheitsstrafe bedingt gemäß § 288 Abs. 1 StGB (falsche Beweisaussage).

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen ergeben sich aus den Verwaltungsakten des Bundesamts zu den aktuellen Anträgen auf internationalen Schutz wie aus den Gerichtsakten des betreffend die Anträge von Erst- bis Sechstbeschwerdeführer auf Zuerkennung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG 2005 vom 17.02.2017.

Die Feststellung der strafgerichtlichen Verurteilungen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin ergeben sich aus den jeweiligen Auszügen aus dem Strafregister der Republik Österreich vom XXXX .

3. Rechtliche Beurteilung:

Die angefochtenen Bescheide wurden den Beschwerdeführern durch persönliche Ausfolgung am 03.12.2018 zugestellt. Die am 28.12.2018 per Email beim Bundesamt eingelangten Beschwerden sind somit rechtzeitig.

Zu A) Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

§ 16 Abs. 4 und § 18 BFA-VG lauten:

"Beschwerdefrist und Wirkung von Beschwerden

§ 16. (1) - (3) [...]

(4) Kommt einer Beschwerde gegen eine Entscheidung, mit der ein Antrag auf internationalen Schutz zurückgewiesen oder abgewiesen wurde, oder mit der eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 Abs. 1 Z 2 FPG erlassen wurde, die aufschiebende Wirkung nicht zu, ist diese durchsetzbar. Mit der Durchführung der mit einer solchen Entscheidung verbundenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder der die bereits bestehende Rückkehrentscheidung umsetzenden Abschiebung ist bis zum Ende der Rechtsmittelfrist, wird ein Rechtsmittel ergriffen bis zum Ablauf des siebenten Tages ab Einlangen der Beschwerdevorlage, zuzuwarten. Das Bundesverwaltungsgericht hat das Bundesamt unverzüglich vom Einlangen der Beschwerdevorlage und von der Gewährung der aufschiebenden Wirkung in Kenntnis zu setzen.

(5) - (6) [...]

[...]

Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde

§ 18. (1) Einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz kann das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn

1. der Asylwerber aus einem sicheren Herkunftsstaat (§ 19) stammt,

2. schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt,

3. der Asylwerber das Bundesamt über seine wahre Identität, seine Staatsangehörigkeit oder die Echtheit seiner Dokumente trotz Belehrung über die Folgen zu täuschen versucht hat,

4. der Asylwerber Verfolgungsgründe nicht vorgebracht hat,

5. das Vorbringen des Asylwerbers zu seiner Bedrohungssituation offensichtlich nicht den Tatsachen entspricht,

6. gegen den Asylwerber vor Stellung des Antrags auf internationalen Schutz eine durchsetzbare Rückkehrentscheidung, eine durchsetzbare Ausweisung oder ein durchsetzbares Aufenthaltsverbot erlassen worden ist, oder

7. der Asylwerber sich weigert, trotz Verpflichtung seine Fingerabdrücke abnehmen zu lassen.

Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung nicht aberkannt, so ist Abs. 2 auf diese Fälle nicht anwendbar. Hat das Bundesamt die aufschiebende Wirkung aberkannt, gilt dies als Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen eine mit der abweisenden Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz verbundenen Rückkehrentscheidung.

(2) Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist vom Bundesamt abzuerkennen, wenn

1. die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist,

2. der Drittstaatsangehörige einem Einreiseverbot zuwider in das Bundesgebiet zurückgekehrt ist oder

3. Fluchtgefahr besteht.

[...]

(5) Das Bundesverwaltungsgericht hat der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen. § 38 VwGG gilt.

2. In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284 mwN, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei - als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG - nur so zu verstehen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheids des Bundesamts) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Neben diesem Rechtsschutz im Beschwerdeverfahren sei ein eigenes Provisorialverfahren betreffend eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG allerdings gesetzlich nicht vorgesehen und es könne dem Gesetzgeber auch nicht unterstellt werden, er habe im Hinblick auf die Frage der aufschiebenden Wirkung einen doppelgleisigen Rechtsschutz schaffen wollen. Ein (zusätzlicher) Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 5 BFA-VG sei somit unzulässig. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen (vgl. auch VwGH 19.06.2017, Fr 2017/19/0023; 13.09.2016, Fr 2016/01/0014). Nunmehr hat der Gesetzgeber entsprechend festgelegt, dass die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung unter den Voraussetzungen des § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche von Amts wegen zu erfolgen hat; der Beschwerdeführer kann eine Entscheidung (in beide Richtungen) aber nach Ablauf dieser Frist mittels eines Fristsetzungsantrags herbeiführen (vgl. § 18 Abs. 5 letzter Satz

BFA-VG).

3.3. Für die vorliegende Beschwerdesache bedeutet dies Folgendes:

3.3.1. Die Anträge, den Beschwerden aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, sind daher als unzulässig zurückzuweisen.

3.3.2. Nach dem Vorgesagten hat das Bundesverwaltungsgericht in Abspruch über die Beschwerde jedoch dennoch darüber zu entscheiden, ob eine Verletzung iSd § 18 Abs. 5 BFA-VG anzunehmen ist und die jeweiligen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung Bestand haben können. Die Beschwerdeführer treffen in ihrer Beschwerde Ausführungen zur Notwendigkeit der Zuerkennung aufschiebender Wirkung. Sie verweisen vor allem darauf, dass mit der Beendigung ihres Aufenthalts eine Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 8 EMRK einhergehen würde.

3.3.3. Wie den Feststellungen zu entnehmen ist, hat der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 25.04.2019, Zl. Ra 2018/22/0251 bis 0256-13, den Revisionen von Erst- bis Sechstbeschwerdeführer stattgegeben und ausgesprochen, dass Art. 8 EMRK jedenfalls einer Aufenthaltsbeendigung von Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie Viertbeschwerdeführer entgegensteht. Gemäß § 63 Abs. 1 VwGG sind sämtliche Verwaltungsgerichte und Verwaltungsbehörden verpflichtet, den dieser Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Dass sich seither eine Änderung der Sachlage ergeben hätte, die eine Bindung an diese Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes hätte enden lassen, ist nicht ersichtlich. Eine Aufenthaltsbeendigung von Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie Viertbeschwerdeführer ist also nicht nur mit einer "realen Gefahr" der Verletzung ihrer Rechte gemäß Art. 8 EMRK verbunden, sondern der Eintritt dieser Rechtsverletzung erscheint nahezu gewiss. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass eine Abschiebung von Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie Viertbeschwerdeführer als für auf Dauer unzulässig zu erklären sein wird und Aufenthaltstitel gemäß § 55 AsylG2005 zu erteilen sein werden, sodass ihre Aufenthaltsbeendigung dauerhaft ausscheidet.

Wie festgestellt, leben sämtliche Beschwerdeführer als Ehepaar mit Kindern in Österreich in einem Haushalt sammeln. Zweifellos führen sämtliche Beschwerdeführer zueinander ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK. Nach dem Vorgesagten kommt eine Aufenthaltsbeendigung nicht mehr für sämtliche Beschwerdeführer in Betracht, sondern erscheint für Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie Viertbeschwerdeführer mit Blick auf die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes als ausgeschlossen.

Damit müssen Abschiebungen der übrigen Beschwerdeführer sowie die dafür erforderlichen Rückkehrentscheidungen gegen sie jedenfalls in ihre Recht auf Achtung ihres Familienlebens gemäß gemäß Art. 8 EMRK eingreifen, würden sie doch von Zweit- und Drittbeschwerdeführerin sowie Viertbeschwerdeführer getrennt, die in Österreich verbleiben dürfen. Dabei würde es sich um einen sehr schweren Eingriff in das Recht auf Familienleben handeln: Die betroffenen noch minderjährigen Beschwerdeführer würden von ihrer Mutter und einem Teil ihrer Geschwister, der Erstbeschwerdeführer von seiner Gattin und einem Teil seiner Kinder getrennt werden. Zunächst erscheint ein solch schwerer Eingriff in ihr Recht auf Achtung ihres Familienlebens für die minderjährigen Beschwerdeführer nur schwer rechtfertigbar, sind ihnen die wiederholten (Asyl-)Antragstellungen doch nicht wie den erwachsenen Beschwerdeführern vorwerfbar. Im Übrigen haben sie ihr ganzes Leben in Österreich verbracht und nehmen nach dem bisherigen Ermittlungsstand altersadäquat am sozialen Leben in Österreich teil. Denn sie besuchen hier die Schule bzw. den Kindergarten, haben altersadäquate Deutschkenntnisse erlernt bzw erlernen diese und haben Freundschaften geschlossen. Ihre Abschiebung ließe also eine reale Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK erwarten. Selbst für den Erstbeschwerdeführer erscheint der schwere Eingriff in sein Recht auf Achtung seines Familienlebens durch Trennung von seinen Familienmitgliedern nicht unbedenklich. Zwar ist er wiederholt straffällig geworden, doch misst der Verwaltungsgerichtshof dem Eheband und der drohenden Trennung von Eltern und Kindern bei der Gewichtung der privaten Interessen, welche gemäß Art. 8 EMRK, für einen Verbleib eines Fremden sprechen, erhebliches Gewicht zu. Eine Trennung von Ehegatten und Eltern und Kindern durch Aufenthaltsbeendigung erscheint nur eingeschränkt gerechtfertigt. Im Übrigen hat der Erstbeschwerdeführer auch Integrationsleistungen erbracht, wie seine guten Deutschkenntnisse, sein langjähriger Aufenthalt, seine freundschaftlichen Beziehungen zu in Österreich dauerhaft aufenthaltsberechtigten Personen und seine Bemühungen am Arbeitsmarkt, die zu einer gewissen Erwerbstätigkeit und einer Einstellungszusage führten, zeigen. Die Beurteilung der Zulässigkeit seiner Abschiebung erfordert eine eingehende Prüfung, welche erst nach umfassenden Ermittlungen zu den für und gegen seinen Verbleib sprechenden Umständen möglich ist, sodass seine Abschiebung derzeit mit einer realen Gefahr der Verletzung von Art. 8 EMRK verbunden ist.

3.4. Im Ergebnis ist ihre (sofortige) Abschiebung für sämtliche Beschwerdeführer mit der realen Gefahr einer Verletzung von Art. 8 EMRK behaftet.

Die die aufschiebende Wirkung der Beschwerden aberkennenden Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide sind aus diesem Grund ersatzlos aufzuheben.

Den Beschwerden kommt damit gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG aufschiebende Wirkung zu.

3.6. Mit der hier verfügten Zuerkennung aufschiebender Wirkung scheidet eine Beendigung des Aufenthaltes der Beschwerdeführer im Bundesgebiet aus, bis das Bundesverwaltungsgericht auch über die Beschwerden gegen die übrigen Spruchpunkte der hier angefochtenen Bescheide entschieden hat und das betreffende Verfahren abgeschlossen ist.

4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG entfallen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung, Einreiseverbot, Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W234.2212334.1.00

Zuletzt aktualisiert am

17.10.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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