TE Vwgh Beschluss 2019/9/18 Ra 2019/02/0142

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Veröffentlicht am 18.09.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren
90/01 Straßenverkehrsordnung
90/02 Kraftfahrgesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
KFG 1967 §102 Abs1
KFG 1967 §4 Abs2
StVO 1960
VStG §5 Abs2
VwGG §34 Abs1
VwGVG 2014 §38

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Beck sowie den Hofrat Mag. Dr. Köller und die Hofrätin Mag. Dr. Maurer-Kober als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Friedwagner, über die Revision des Dr. R in W, vertreten durch Dr. Angela Lenzi, Rechtsanwältin in 1080 Wien, Florianigasse 61/3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 13. Mai 2019, Zl. 405- 4/2531/1/8-2019, betreffend Übertretung des KFG (Partei gemäß § 21 Abs. 1 Z 2 VwGG: Landespolizeidirektion Salzburg), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Mit dem im Instanzenzug ergangenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht), wurde der Revisionswerber schuldig erkannt, er habe sich am 1. August 2018 an einem näher genannten Ort als Lenker eines konkret bezeichneten Kraftfahrzeuges vor Antritt der Fahrt im Rahmen des Zumutbaren nicht davon überzeugt, dass das von ihm verwendete Kraftfahrzeug den Vorschriften des Kraftfahrgesetzes (KFG) entspreche, weil anlässlich einer Überprüfung in einer näher genannten Kfz-Prüfstelle festgestellt worden sei, dass der Kotflügel rechts vorne starke Rostschäden aufgewiesen habe und die Roststelle teilweise scharfkantig ausgebrochen gewesen sei, sodass im Falle einer Streifung die Gefahr einer Verletzung von Personen bestanden habe. Der Revisionswerber habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 102 Abs. 1 KFG iVm § 4 Abs. 2 KFG begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe von EUR 100,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 24 Stunden) verhängt. Die Verwaltungsstrafverfahren wegen einer defekten Verriegelung der Motorhaube und einer aufleuchtenden Airbag-Kontrollleuchte stellte das Verwaltungsgericht hingegen gemäß § 45 Abs. 1 Z 1 VStG ein. Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.

2 Den - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - festgestellten Sachverhalt stützte das Verwaltungsgericht beweiswürdigend darauf, dass der Mangel am Fahrzeug von einem kraftfahrtechnischen Amtssachverständigen der Kfz-Prüfstelle im Rahmen der damaligen Kontrolle festgestellt, als schwer eingestuft und vom Revisionswerber nicht in Abrede gestellt worden sei. Der Sachverständige habe ausgeführt, dass der Rostschaden für den Lenker erkennbar gewesen sei. Die Rechtfertigung des Revisionswerbers, wonach er die Reparatur des Fahrzeuges schon vorher in Auftrag gegeben habe, diese aber nicht abgeschlossen habe werden können, weil einige Ersatzteile (insbesondere ein neuer Kotflügel) noch nicht lieferbar gewesen seien, erscheine glaubwürdig. Auch dass die Werkstätte das "OK" für die Benützung des Fahrzeuges bis zur Lieferung der Teile gegeben habe, werde nicht in Abrede gestellt.

3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht mit näherer Begründung aus, der Revisionswerber habe das ihm angelastete Tatbild erfüllt, weil er das Fahrzeug trotz Kenntnis des Mangels in Betrieb genommen habe. Die starke Verrostung am rechten vorderen Kotflügel mit einem zum Teil scharfkantigen Ausbruch des Blechs an den Rändern habe zweifelsfrei der Verpflichtung widersprochen, dass andere Straßenbenützer nicht gefährdet werden und keine vermeidbaren Teile und Kanten vorhanden sein dürften, die bei Verkehrsunfällen schwere körperliche Verletzungen erwarten ließen. Der Revisionswerber habe die Tat auch in subjektiver Sicht zu verantworten. Er habe keine Umstände geltend gemacht, die ein mangelndes Verschulden indizierten. Der Revisionswerber habe eingestanden, dass er schon vorher in Kenntnis des schweren Rostschadens gewesen sei. In weiterer Folge begründete das Verwaltungsgericht die Höhe der verhängten Strafe. 4 Gegen dieses Erkenntnis - ausgenommen gegen die Einstellung hinsichtlich des Tatvorwurfs der defekten Verriegelung der Motorhaube und der aufleuchtenden Airbag-Kontrollleuchte - wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision, mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof möge der außerordentlichen Revision Folge geben und das angefochtene Erkenntnis dahingehend abändern, dass der Beschwerde des Revisionswerbers gänzlich Folge gegeben, der erstinstanzliche Bescheid ersatzlos behoben und das Verwaltungsstrafverfahren zur Gänze eingestellt werde, in eventu das angefochtene Erkenntnis aufheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Verwaltungsgericht zurückverweisen sowie dem Revisionswerber Kostenersatz zusprechen.

5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 8 Die Revision macht zu ihrer Zulässigkeit geltend, die Beurteilung der Rechtsache sei von der Lösung der Rechtsfrage abhängig, inwieweit es einen Beschuldigten vom Vorwurf der Fahrlässigkeit exkulpiere, wenn er auf die Aussage eines Kfz-Mechanik-Betriebes - nämlich, dass er mit dem Fahrzeug trotz festgestelltem schweren Mangel weiterfahren dürfe - vertraue und vertrauen könne, wenn diese Aussage auch im Nachhinein vom Polizeibeamten und dem Amtssachverständigen insofern bestätigt werde, als auch diese eine Weiterfahrt ohne einschränkende Anordnung trotz festgestelltem Mangel erlaubten. In diesem Zusammenhang sei die Frage zu beurteilen, ob ein Rechtsirrtum vorliegen könne. Soweit erkennbar, gebe es keine bzw. keine einheitliche Judikatur zu diesen Rechtsfragen.

9 Mit diesem Vorbringen gelingt es dem Revisionswerber nicht, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG darzutun:

10 Der Revisionswerber wendet sich in der vorliegenden Revision nicht gegen den festgestellten Sachverhalt, wonach er trotz erkennbar scharfkantig ausgebrochenem Kotflügel das näher bezeichnete Kraftfahrzeug, welches somit nicht den Vorschriften des KFG entsprach, in Betrieb nahm und lenkte. Der Revisionswerber erblickt eine Rechtswidrigkeit vielmehr darin, dass er aufgrund der Auskunft der Werkstätte bzw. des Polizeibeamten und Amtssachverständigen einem entschuldigenden Rechtsirrtum unterlegen sei, was vom Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt worden wäre.

11 Gemäß § 5 Abs. 2 VStG entschuldigt die Unkenntnis der Verwaltungsvorschrift, der der Täter zuwidergehandelt hat, nur dann, wenn sie erwiesenermaßen unverschuldet ist und der Täter das Unerlaubte seines Verhaltens ohne Kenntnis der Verwaltungsvorschrift nicht einsehen konnte.

12 Zur Vorschrift des § 5 Abs. 2 VStG vertritt der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass auch eine irrige Gesetzesauslegung einen Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, der es unterlassen hat, Erkundigungen einzuholen, ob die von ihm zum vorliegenden Fragenkreis vertretene Rechtsansicht zutrifft. Solche Erkundigungen haben an der geeigneten Stelle zu erfolgen, worunter im Zweifelsfall die zur Entscheidung der Rechtsfrage zuständige Behörde zu verstehen ist. So kann etwa die von einem Organ der zuständigen Behörde erteilte Auskunft für das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums von Bedeutung sein, wenn auch die Unkenntnis oder irrige Auslegung von Bestimmungen der StVO und des KFG für "Lenker" von Kraftfahrzeugen grundsätzlich nicht als unverschuldet angesehen werden kann (vgl. VwGH 19.3.2018, Ra 2017/02/0184; 31.3.2006, 2005/02/0305; 19.12.1990; 90/02/0051, 0053, jeweils mwN).

13 Soweit der Revisionswerber einen entschuldigenden Rechtsirrtum darin erblickt, dass er auf die Auskunft der Kfz-Werkstätte, er könne mit dem Kraftfahrzeug trotz des Mangels weiterfahren, vertraut hätte, vermag ihn diese Erkundigung nach der zitierten Rechtsprechung nicht zu entschuldigen, zumal die Werkstätte weder als "zuständige Behörde" anzusehen, noch zur Erteilung von Rechtsauskünften über die den Kraftfahrzeuglenker treffenden Verpflichtungen berufen ist (vgl. idS zu Auskünften seitens des Arbeitgebers, VwGH 10.1.2017, Ra 2016/02/0269, mwN). 14 Ebenso vermag jedoch auch die im Nachhinein - nämlich nach der Anhaltung am 1. August 2018 - erteilte "Erlaubnis" des Polizeibeamten und des Amtssachverständigen zur Weiterfahrt trotz des festgestellten Mangels den Revisionswerber nicht zu entschuldigen.

15 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes macht sich nicht nur derjenige, der sich vor der Inbetriebnahme des Kraftfahrzeuges von dessen rechtmäßigem Zustand nicht überzeugt, sondern jeder, der ein den in Betracht kommenden Vorschriften nicht entsprechendes Kraftfahrzeug in Betrieb nimmt und in der Folge lenkt, einer Übertretung des § 102 Abs. 1 KFG schuldig (vgl. VwGH 30.3.2007, 2007/02/0062, mwN). Tatort und Tatzeit einer Übertretung nach dieser Bestimmung sind jene des "Lenkens" des Kraftfahrzeuges (vgl. erneut VwGH 30.3.2007, 2007/02/0062; 4.6.2004, 2004/02/0078, jeweils mwN).

16 Zwar ist dem Revisionswerber zuzustimmen, dass die von einem Organ der zuständigen Behörde erteilte Auskunft für das Vorliegen eines entschuldbaren Rechtsirrtums von Bedeutung sein kann (vgl. erneut VwGH 19.3.2018, Ra 2017/02/0184; 19.12.1990, 90/02/0051, 0053, mwN). Der Revisionswerber übersieht jedoch, dass im vorliegenden Fall die "Erlaubnis" des Polizeibeamten und des Amtssachverständigen zur Weiterfahrt erst nach Verwirklichung der angelasteten Verwaltungsübertretung, nämlich des Lenkens des angeführten Kraftfahrzeuges zum angeführten Tatzeitpunkt, erteilt wurde. Dass das betreffende Kraftfahrzeug, welches nicht den Vorschriften des KFG entsprach, zum genannten Tatzeitpunkt vom Revisionswerber gelenkt wurde, wird nicht bestritten. Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits festgehalten, dass die Auskunft der zuständigen Behörde zu einem bestimmten Sachverhalt das Verschulden ausschließt, sofern der danach verwirklichte Sachverhalt in den relevanten Punkten mit dem angefragten übereinstimmt (vgl. erneut VwGH 19.3.2018, Ra 2017/02/0184, mwN). Die "Erlaubnis" des Polizeibeamten und des Amtssachverständigen zur Weiterfahrt nach der Anhaltung vermag den Revisionswerber somit für die ihm angelastete Tat nicht zu entschuldigen, hat der Revisionswerber doch zum Tatzeitpunkt nicht im Vertrauen auf die Auskunft des Organes der zuständigen Behörde, sondern lediglich im Vertrauen auf die Auskunft der Werkstätte gehandelt. Die nach der erteilten "Erlaubnis" erfolgte Weiterfahrt des Revisionswerbers ist hingegen nicht Gegenstand der hier maßgeblichen Verwaltungsübertretung. Ein entschuldigender Rechtsirrtum iSd § 5 Abs. 2 VStG scheidet im vorliegenden Fall nach der dargestellten hg. Judikatur somit aus.

17 Entgegen der Ansicht des Revisionswerbers kommt es damit auch auf die Frage der konkret erteilten "Erlaubnis" des Polizeibeamten, nämlich ob eine Weiterfahrt bis zur Werkstätte oder bis zur erfolgten Reparatur gestattet wurde, im Ergebnis nicht an.

18 Soweit die Revision ergänzend ausführt, es sei "davon auszugehen, dass dem Revisionswerber auch vor der Inbetriebnahme des KfZ von einem Beamten keine andere Auskunft erteilt worden wäre", ist dies rein spekulativ und vermag einen entschuldbaren Rechtsirrtum ebenso wenig darzutun.

19 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 18. September 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019020142.L00

Im RIS seit

14.11.2019

Zuletzt aktualisiert am

14.11.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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