TE Bvwg Beschluss 2019/3/14 I411 2016549-2

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Veröffentlicht am 14.03.2019
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Entscheidungsdatum

14.03.2019

Norm

AVG §62 Abs4
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §60 Abs1
FPG §60 Abs2
FPG §69 Abs2
VwGVG §17
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

I411 2016549-2/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Robert POLLANZ als Einzelrichter über den Antrag von XXXX (alias XXXX alias XXXX), geb. XXXX (alias XXXX alias XXXX), StA. Nigeria (alias Sierra Leone alias Vereinigtes Königreich), vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2017, GZ I411 2016549-1, zu berichtigen, beschlossen:

A)

Der Antrag wird gemäß § 17 VwGVG iVm § 62 Abs. 4 AVG als unzulässig zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 02.02.2009, Zl. XXXX, wurde gegen den Antragsteller unter den Namen XXXX gemäß

§ 60 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 und Z 9 FPG 2005 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen. Dieser Bescheid blieb unbekämpft und erwuchs am 25.02.2009 in Rechtskraft.

2. Am 05.06.2009 stellte der Antragsteller - vertreten durch seinen damaligen Rechtsanwalt - den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots. Dieser Antrag wurde mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 03.08.2009, Zl. XXXX, abgewiesen.

3. Mit dem per Fax am 28.08.2013 bei der Landespolizeidirektion Wien eingelangten Schriftsatz beantragte der Antragsteller unter dem Namen XXXX, nunmehr vertreten durch Rechtsanwältin Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER, den Antrag auf Aufhebung des gegen ihn am 02.02.2009 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbots.

4. Mit Bescheid des Bundesamtes vom 03.12.2014, Zl. IFA XXXX + VZ XXXX, wurde der Antrag des Antragstellers vom 27.08.2013 auf Aufhebung des gegen ihn mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 02.02.2009 zu Zl. XXXX erlassenen Aufenthaltsverbots gemäß § 69 Abs. 2 FPG 2005 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde am 05.12.2014 der Rechtsanwältin des Antragstellers zugestellt.

5. Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller, vertreten durch seine Rechtsanwältin, mit Schriftsatz vom 19.12.2014, bei der belangten Behörde eingelangt

am 24.12.2014, fristgerecht Beschwerde.

6. Mit Schreiben vom 05.05.2015 teilte der Antragsteller dem Bundesverwaltungsgericht die Vollmachtsauflösung mit Rechtsanwältin Dr. Martina SCHWEIGER-APFELTHALER mit.

7. Mit dem auf den 04.05.2017 datierten und am 08.05.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangten Schriftsatz brachte der Antragsteller, nunmehr vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, Lerchenfelder Gürtel 45/11, 1160 Wien, einen Fristsetzungsantrag beim Bundesverwaltungsgericht ein.

8. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2017, GZ I411 2016549-1, wurde die Beschwerde als unbegründet abgewiesen und dem Rechtsvertreter nachweislich am 27.07.2017 im elektronischen Rechtsverkehr zugestellt. Es wurde keine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof und keine Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben.

9. Mit Schriftsatz vom 28.01.2019 beantragte der Antragsteller, vertreten durch Rechtsanwalt Edward W. DAIGNEAULT, die Berichtigung des Erkenntnisses vom 26.07.2017 und begründete dies wie folgt:

"Mit Erkenntnis vom 26.7.2017 hat das Bundesverwaltungsgericht meine Beschwerde gegen den Bescheid der Behörde vom 3.12.2014, mit welchem mein Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots abgewiesen wurde, abgewiesen, das Aufenthaltsverbot wurde daher nicht aufgehoben.

Das Aufenthaltsverbot soll am 25.2.2019 auslaufen.

Im Zuge der Aktenbearbeitung des Vertreters fiel auf, dass das Bundesverwaltungsgericht eine Vielzahl von Straf-Verurteilungen feststellte, die mir zu Unrecht zugerechnet werden. Eine nunmehr erfolgte Akteneinsicht in den fremdenpolizeilichen Akt (dieser liegt derzeit dem BVwG zu Zl. W117 2210815-1 vor) brachte das Ergebnis, dass mir nur folgende Verurteilungen bzw die dazu geführt habenden Straftaten zuzurechnen sind:

1) Verurteilung vom 20.4.2007 des LGXXXX zu XXXX wegen § 27 SMG zu 9 Monaten Freiheitsstrafe, davon 6 Monate bedingt nachgesehen auf drei Jahre

2) Verurteilung vom 11.8.2014 des LGXXXX zu Zl XXXX wegen § 241e Abs 3 StGB zu 6 Wochen Freiheitsstrafe, bedingt nachgesehen auf drei Jahre

Sämtliche andere im o.a. Erkenntnis aufgelistete Verurteilungen (LG XXXX vom 20.12.2001, Jugendgerichtshof Wien vom 25.4.2002 und vom 27.1.2003, BG XXXX vom 19.2.2007, LGXXXX vom 5.5.2008 und 19.6.2008) sind nicht mir zuzurechnen.

Mein Fremdenpolizeiakt ist umfangreich, es besteht die Gefahr, dass im Falle zukünftiger fremdenpolizeilicher Maßnahmen der zuständige Referent nur aufgrund der Feststellungen zu den zahlreichen, mir überwiegend nicht zurechenbaren Urteilen im o.a. Erkenntnis zu einer negativen Einschätzung in Bezug auf eine zukünftig von mir ausgehende Gefahr für die Sicherheit und Ordnung Österreichs kommen könnte. Ich habe daher ein Interesse an einer inhaltlichen Berichtigung des Erkenntnisses."

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

Zu A)

Gemäß § 17 VwGVG iVm § 62 Abs. 4 AVG kann das Bundesverwaltungsgericht jederzeit von Amts wegen Schreib- und Rechenfehler oder diesen gleichzuhaltende, offenbar auf einem Versehen oder offenbar ausschließlich auf technisch mangelhaftem Betrieb einer automationsunterstützten Datenverarbeitungsanlage beruhende Unrichtigkeiten in seinen Entscheidungen berichtigen.

Neben der Berichtigung von Schreib- oder Rechenfehlern ermächtigt § 62 Abs. 4 AVG auch die Berichtigung von offenkundigen, auf einem Versehen beruhenden Unrichtigkeiten. Eine solche Unrichtigkeit liegt dann vor, wenn in der ursprünglichen Entscheidung der Wille der Behörde unrichtig wiedergegeben wurde (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 62, Rz 35 und Rz 46 mit Verweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Eine Unrichtigkeit ist erst dann offenkundig, wenn sie jene Personen, für die der Bescheid bestimmt ist, klar erkennen können (VwGH 19.01.1990, 89/18/0183; 27.02.2004, 2003/02/0144; 25.05.2004, 2002/11/0026). Diese Voraussetzung ist dann gegeben, wenn das Erkennen des Versehens kein längeres Nachdenken und keine Nachschau im Gesetz erfordert, wobei vom Maßstab eines mit der zu behandelnden Materie vertrauten Durchschnittsbetrachters auszugehen ist (VwGH 13.09.1991, 90/18/0248; 19.11.2002, 2002/12/0140). Außerdem setzt die Offenkundigkeit voraus, dass die Behörde bei entsprechender Aufmerksamkeit den Fehler bereits bei Erlassung des Bescheides hätte vermeiden können, weil ein späteres Hervorkommen von Unrichtigkeiten nach den Bestimmungen über die Wiederaufnahme des Verfahrens zu behandeln sei (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 62, Rz 47 mit Verweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Durch die Berichtigung eines Bescheides darf der Inhalt dieses Bescheides, sei es in rechtlicher oder tatsächlicher Hinsicht nicht nachträglich verändert werden. § 62 Abs. 4 AVG bietet weder eine Handhabe für eine inhaltlich berichtigende oder erklärende Auslegung des Spruchs oder der Begründung eines Bescheides, noch kann auf Grund dieser Gesetzesstelle eine unrichtige rechtliche Beurteilung (unrichtige Gesetzesanwendung bzw. Auslegung des Gesetzes) eines richtig angenommenen Sachverhalts oder ein unrichtig angenommener Sachverhalt oder ein Fehler der Beweiswürdigung berichtigt werden (vgl. Hengstschläger-Leeb, AVG § 62, Rz 49 mit Verweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes).

Im gegenständlichen Fall liegt weder ein Schreib- oder Rechenfehler noch eine offenkundige Unrichtigkeit vor. Vom Bundesverwaltungsgericht wurde bei der Übermittlung der Beschwerde und des Verwaltungsaktes standardmäßig Einsicht in das Strafregister der Republik Österreich genommen und sämtliche Aliasidentitäten des Antragsellers abgefragt. Die im Strafregister aufscheinenden Verurteilungen wurden in weiterer Folge in das Erkenntnis übernommen und gab es für den erkennenden Richter keine Anhaltspunkte dafür, dass die Verurteilungen dem damaligen Beschwerdeführer nicht zuzurechnen gewesen wären. Sohin liegt kein berichtigungsfähiger Mangel vor.

Falls dem Antragsteller vom Bundesverwaltungsgericht tatsächlich fälschlicherweise strafgerichtliche Verurteilungen zugerechnet worden sind, wäre es ihm freigestanden und auch zumutbar gewesen, fristgerecht einen Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens zu stellen. Im Verfahrensgang des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichtes vom 26.07.2017, GZ I411 2016549-1, wurde die erste (vermeintlich zu Unrecht zugerechnete) strafgerichtliche Verurteilung bereits auf Seite 2 unter Ziffer 3 angeführt. Der nunmehrige Antrag auf Berichtigung wurde am 28.01.2019 gestellt und somit erst eineinhalb Jahre nach der Zustellung an den Rechtsvertreter am 27.07.2017. Es ist für das Bundesverwaltungsgericht nicht nachvollziehbar, wieso dem rechtsfreundlichen Vertreter und auch seinem Mandanten die nunmehr als zu Unrecht zugerechneten Strafurteile nicht sofort aufgefallen sind und zweckentsprechende Rechtsbehelfe ergriffen wurden.

Darüber hinaus kommt nach herrschender Ansicht der Partei auf die "von Amts wegen" vorzunehmende Berichtigung kein Rechtsanspruch zu (VwSlg 4472 A/1957; VwGH 11.3.1983, 82/04/0126; 19.12.1995, 93/05/0179; Hengstschläger Rz 469; Walter/Thienel AVG § 62 Anm 15; so im Ergebnis auch VwGH 30.5.1969, 1564/68). Es bleibe ihr allerdings unbenommen, eine amtswegige Berichtigung eines Bescheides nach § 62 Abs 4 AVG anzuregen. Wird dieser Anregung von der Behörde jedoch keine Folge gegeben, so ist die Partei hierdurch in keinem Recht verletzt (VwGH 12.11.1957, 846/57; 10.12.1991, 91/04/0289; 19.12.1995, 93/05/0179). Ein Antrag auf Berichtigung ist - durch verfahrensrechtlichen Bescheid (Fink, Zuständigkeit 628) - als unzulässig zurückzuweisen (VwGH 10.12.1991, 91/04/0289; ferner VwGH 12.11.1957, 846/57).

Zu B) (Un)Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Amtswegigkeit, Aufenthaltsverbot, Berichtigung, Berichtigung der
Entscheidung, Berichtigungsbescheid, Berichtigungsbeschluss,
offenkundige Unrichtigkeit, Offensichtlichkeit, Rechenfehler,
Rechtsanspruch, Rechtskraft der Entscheidung, Rechtskraftwirkung,
Schreibfehler, Straffälligkeit, strafrechtliche Verurteilung,
Suchtmitteldelikt, verfahrensrechtlicher Bescheid, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:I411.2016549.2.00

Zuletzt aktualisiert am

06.09.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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