TE Lvwg Erkenntnis 2019/6/24 LVwG-AV-578/001-2019

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Veröffentlicht am 24.06.2019
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Entscheidungsdatum

24.06.2019

Norm

BAO §1
KanalG NÖ 1977 §1a Z7
KanalG NÖ 1977 §2 Abs1
KanalG NÖ 1977 §2 Abs3
KanalG NÖ 1977 §3

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch seinen
Richter Mag. Hubmayr über die Beschwerde der A und des B, beide vertreten durch die C Rechtsanwälte OG in ***, vom 28. Februar 2019 gegen den Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 29. Jänner 2019, Zahl ***, mit welchem einer Berufung gegen einen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 8. Oktober 2018, EDV-Nr.: ***, betreffend die Vorschreibung einer Kanaleinmündungsabgabe für die Liegenschaft *** in ***, keine Folge gegeben wurde, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht:

1.   Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

2.   Eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist nicht zulässig.

Rechtsgrundlagen:

§§ 2, 3 NÖ Kanalgesetz 1977

§ 279 Bundesabgabenordnung – BAO

§ 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG

Entscheidungsgründe:

1. Sachverhalt und bisheriges Verfahren:

Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 8. Oktober 2018, EDV-Nr.: ***, wurde A und B (in der Folge: Beschwerdeführer) für den Anschluss ihrer Liegenschaft *** in ***, *** (Grundstück Nr. ***, EZ ***, KG ***) an den öffentlichen Schmutzwasserkanal eine Kanaleinmündungsabgabe im Betrag von € 5.939,28 (zuzüglich 10 % Umsatzsteuer) vorgeschrieben. Der Vorschreibung wurden eine Berechnungsfläche von 393,33 m² sowie ein Einheitssatz von € 15,10 zugrunde gelegt.

In der Begründung wurde die Ermittlung der Berechnungsfläche von 393,33 m² dargestellt (Bebaute Fläche Wohnhaus mit angebauter Garage 212,22 m² mit 2 angeschlossenen Geschoßen, 75 m² Anteil der unbebauten Fläche).

Gegen diesen Abgabenbescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde *** vom 8. Oktober 2018 erhoben die nunmehrigen Beschwerdeführer durch ihre ausgewiesene Rechtsvertretung mit Schriftsatz vom 2. November 2018 fristgerecht das Rechtsmittel der Berufung. Im Wesentlichen wurde vorgebracht, dass die Berechnungsfläche falsch ermittelt worden sei. Bei der Garage handle es sich um ein selbständiges, nicht an den Kanal angeschlossenes Gebäude. Sollte wider Erwarten davon auszugehen sein, dass die Garage kein eigenes Gebäude sei, so handle es sich dabei zumindest um einen Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z.7 NÖ Kanalgesetz. Zur Ermittlung der Berechnungsfläche sei ausschließlich die Fläche des Wohnhauses ohne die Garage heranzuziehen. Beantragt wurde die Abänderung des angefochtenen Bescheides.

Mit dem nunmehr angefochtenen Berufungsbescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde *** vom 29. Jänner 2019, Zahl ***, wurde der Berufung keine Folge gegeben und der angefochtene Bescheid bestätigt. In der umfangreichen Begründung wurde zusammengefasst ausgeführt, dass die Garage deshalb in die Berechnungsfläche einzubeziehen sei, da sie mit dem Wohnhaus durch eine Tür direkt verbunden sei.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die gegenständliche Beschwerde vom 28. Februar 2019. Begründend wurde abermals dargelegt, dass die Berechnungsfläche unrichtig ermittelt worden sei. Die nicht an den Kanal angeschlossene Garage sei als selbständiges Gebäude bzw. zumindest als nicht angeschlossener Gebäudeteil zur unbebauten Fläche zu zählen.

Mit der Frage, ob bei der Garage ein eigenes Gebäude vorliege, setze sich der Berufungsbescheid in keiner Weise auseinander. Schließlich liege bei der Garage keine angeschlossene Fläche vor, die zu einer Belastung des Kanalsystems führen könne. Beantragt wurden die Durchführung einer mündlichen Beschwerdeverhandlung, die Aufhebung des angefochtenen Bescheides samt Zurückverweisung zur Verfahrensergänzung bzw. die Abänderung des angefochtenen Bescheides.

Die Beschwerde samt den bezughabenden Akten der Abgaben- und Baubehörden wurde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich am 21. Mai 2019 zur Entscheidung vorgelegt.

Am 12. Juni 2019 fand in der gegenständlichen Sache eine mündliche Verhandlung beim Landesverwaltungsgericht Niederösterreich im Beisein des Herrn B als Beschwerdeführer bzw. Rechtsvertreter beider Beschwerdeführer sowie eines Vertreters der belangten Behörde statt.

Dabei wurde vom Beschwerdeführer ausgeführt, dass die Abgabenvorschreibung dem Grunde nach nicht strittig sei, sondern nur die Höhe der Vorschreibung bestritten werde. Es sei ausschließlich die Rechtsfrage der Einbeziehung der Garage in die Berechnungsfläche des Wohngebäudes (bebaute Fläche für Kanaleinmündungsabgabe) strittig. Das tatsächliche Ausmaß der vorhandenen Flächen sei unbestritten und aus den vorliegenden und baubehördlich bewilligten Bestandsplänen ersichtlich. Im Wohnhaus seien zwei angeschlossene Geschoße vorhanden. Das Kellergeschoß sei nicht an den öffentlichen Kanal angeschlossen. Die Niederschlagswässer würden auf Eigengrund versickert, der öffentliche Kanal sei ein Schmutzwasserkanal. Es werde beantragt, die Vorschreibung dahingehend abzuändern, dass die Fläche der angebauten Garage für die Kanaleinmündungsabgabe zur unbebauten Fläche gerechnet werde.

2. Feststellungen:

Aufgrund der im Zuge der Verhandlung erfolgten Vernehmung des Beschwerdeführers, aufgrund der von der belangten Behörde vorgelegten unbedenklichen und ins Beweisverfahren einbezogenen Abgaben- und Bauakte, aufgrund des im Bauakt vorhandenen Einreichplanes sowie aufgrund des Beschwerdevorbringens konnte Folgendes festgestellt werden:

Auf der gegenständlichen Liegenschaft befindet sich ein zweigeschossiges Gebäude mit einer bebauten Fläche von 143,72 m², welches im Erd- und Obergeschoß an den öffentlichen Schmutzwasserkanal angeschlossen ist. Vom Erdgeschoss gelangt man durch eine Tür in die angebaute Garage.

Die Garage hat ein eigenes, unabhängig vom Wohngebäude bestehendes Fundament, ist im Gegensatz zum Wohngebäude nicht unterkellert. Das Fundament der Garage befindet sich auf einem anderen Niveau als jenes des Wohngebäudes. Die Garage hat eigene tragende Wände, die an das Wohnhaus angebaute Garagenwand ist nicht mit dem Wohnhaus verbunden und trägt selbständig das Garagenflachdach (mit Kiesschüttung). Auch das Garagenflachdach ist mit dem Wohnhaus nicht verbunden. Das Wohnhaus hat ein Walmdach. Das Garagengebäude umfasst zwei Räume, wovon der größere als KFZ Abstellraum bewilligt und genutzt ist. Hinter der Garage befindet sich ein Abstellraum der über eine Brandschutztür von der Garage aus erreichbar ist. Zwischen Garage und Wohngebäude befindet sich eine Türöffnung mit Brandschutztür. Von der Garage gelangt man durch diese Tür in den Hauswirtschaftsraum im Erdgeschoß. Im gesamten Garagenbereich befinden sich keine Anschlüsse an den Schmutzwasserkanal. Die bebaute Fläche der Garage beträgt 68,50 m². Die Garage ist auch von außen straßenseitig über das Garagentor von vorne und gartenseitig über eine Außentür begehbar. Eine Nutzung der Garage ist auch ohne Zugang über das Wohnhaus möglich.

Die Fertigstellungsmeldung erfolgte am 14. September 2017. Ab diesem Zeitpunkt war das Wohngebäude auch an den öffentlichen Schmutzwasserkanal angeschlossen mit zwei Geschoßen. Die Gesamtfläche der Liegenschaft beträgt 907 m².

3. Anzuwendende Rechtsvorschriften:

3.1. Bundesabgabenordnung (BAO):

§ 1. (1) Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten in Angelegenheiten der öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der Verwaltungsabgaben des Bundes, der Länder und der Gemeinden) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, soweit diese Abgaben durch Abgabenbehörden des Bundes, der Länder oder der Gemeinden zu erheben sind.

§ 2a. Die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes gelten sinngemäß in Verfahren vor den Verwaltungsgerichten, soweit sie im Verfahren vor der belangten Abgabenbehörde gelten. In solchen Verfahren ist das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) nicht anzuwenden. …

§ 279. (1) Außer in den Fällen des § 278 hat das Verwaltungsgericht immer in der Sache selbst mit Erkenntnis zu entscheiden. Es ist berechtigt, sowohl im Spruch als auch hinsichtlich der Begründung seine Anschauung an die Stelle jener der Abgabenbehörde zu setzen und demgemäß den angefochtenen Bescheid nach jeder Richtung abzuändern, aufzuheben oder die Bescheidbeschwerde als unbegründet abzuweisen.

§ 288. (1) Besteht ein zweistufiger Instanzenzug für Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinden, so gelten für das Berufungsverfahren die für Bescheidbeschwerden und für den Inhalt der Berufungsentscheidungen die für Beschwerdevorentscheidungen anzuwendenden Bestimmungen sinngemäß. Weiters sind die Beschwerden betreffenden Bestimmungen (insbesondere die §§ 76 Abs. 1 lit. d, 209a, 212 Abs. 4, 212a und 254) sowie § 93 Abs. 3 lit. b und Abs. 4 bis 6 sinngemäß anzuwenden.

3.2. NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230:

§ 1a Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes gelten als

1. bebaute Fläche:

Die bebaute Fläche ist diejenige Grundrißfläche, die von der lotrechten Projektion oberirdischer baulicher Anlagen begrenzt wird. (…)

7. Gebäudeteil:

ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

§ 2 Kanaleinmündungsabgabe, Ergänzungsabgabe

(1) Für den möglichen Anschluß an die öffentliche Kanalanlage ist eine Kanaleinmündungsabgabe zu entrichten.

§ 3

(1) Die Höhe der Kanaleinmündungsabgabe ergibt sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche (Abs. 2) mit dem Einheitssatz (Abs. 3).

(2) Die Berechnungsfläche wird in der Weise ermittelt, daß die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche. Wird die Liegenschaft trotz bestehender Anschlußverpflichtung nicht an die Kanalanlage angeschlossen, so ist die Berechnungsfläche so zu ermitteln, als ob die Liegenschaft an die Kanalanlage angeschlossen wäre.

3.3. Bundes-Verfassungsgesetz – B-VG:

Artikel 133.

(4) Gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes ist die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

3.4. Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 – VwGG:

§ 25a. (1) Das Verwaltungsgericht hat im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

4. Würdigung:

4.1. Zu Spruchpunkt 1:

Mit dem angefochtenen Berufungsbescheid wurde (in zweiter Instanz) den Beschwerdeführern eine Kanaleinmündungsabgabe für den Anschluss ihrer Liegenschaft an den öffentlichen Schmutzwasserkanal vorgeschrieben.

Im Beschwerdeverfahren ist das Bestehen einer Abgabenschuld der Beschwerdeführer nicht dem Grunde nach, sondern ausschließlich der Höhe nach strittig. Dabei ist auch das von den Abgabenbehörden angenommene Ausmaß der tatsächlichen Gebäudeflächen nicht strittig. Strittig ist die Frage, inwieweit der von den Abgabenbehörden in die Berechnung einbezogene Gebäudebereich der an das Wohnhaus angebauten Garage samt Abstellraum für die bebaute Fläche zu berücksichtigen bzw. allenfalls gesondert als eigenes – nicht angeschlossenes – Gebäude zu beurteilen wäre.

Gemäß § 2 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz 1977 wird die Berechnungsfläche für die Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe in der Weise ermittelt, dass die Hälfte der bebauten Fläche mit der um 1 erhöhten Zahl der an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoße multipliziert und das Produkt um 15 v.H. der unbebauten Fläche vermehrt wird. Nicht angeschlossene Gebäude oder Gebäudeteile zählen zur unbebauten Fläche.

Die vom Beschwerdeführer gewünschte getrennte Berechnung für das Wohnhaus und den daran angebauten eingeschoßigen Bereich der nicht angeschlossenen Garage wäre dann gerechtfertigt, wenn es sich dabei nicht um ein einheitliches Gebäude, sondern um zwei selbständige Gebäude handelte.

Die Frage, nach welchen Kriterien sich die Selbstständigkeit eines Gebäudes beurteilt, ist eine Rechtsfrage, die als solche nicht den Gegenstand eines Sachverständigenbeweises bildet. In den Erkenntnissen 81/17/0208 und 86/17/0026, hatte der Verwaltungsgerichtshof jeweils ausgesprochen, dass die bauliche Gestaltung dafür entscheidend ist, ob ein einheitliches Bauwerk oder zwei selbstständige Gebäude vorliegen. Ein einheitliches Gebäude ist nach dieser Rechtsprechung jedenfalls dann anzunehmen, wenn die einzelnen Teile durch gemeinsame Wände verbunden sind.

Der Verwaltungsgerichtshof hat zur Beurteilung der Frage, ob ein einheitliches Bauwerk oder zwei selbständige Gebäude vorliegen, ausgeführt, dass dies in erster Linie anhand der baulichen Gestaltung zu beurteilen ist. Bildet etwa eine Wand gleichzeitig den überwiegenden Teil einer seitlichen Begrenzung eines anderen Traktes und entsteht dadurch eine untrennbare bauliche Verbindung beider Trakte, sodass jeder für sich alleine baulich nicht bestehen könnte, liegt ein einheitliches Gebäude vor (vgl. VwGH 82/17/0038).

Wie im gegenständlichen Fall festgestellt werden konnte, verfügen Garage und Wohnhaus über jeweils eigene Außenwände, Fundamentierung und Dachkonstruktion. Von einer untrennbaren baulichen Verbindung kann keine Rede sein. Vielmehr liegen hier wohl zwei baulich voneinander getrennte, selbständige Gebäudebereiche, aus baurechtlicher Sicht wohl auch zwei getrennte Gebäude vor, die allerdings durch eine Verbindungstür miteinander verbunden sind.

Die in der Beschwerde angeführten Entscheidungen (2012/05/0210, 2003/06/0015, 93/05/0030), wonach der VwGH ausgesprochen habe, dass die bloße Verbindung zweier Gebäude durch Verbindungsgang oder Tür deren Selbständigkeit nicht ausschließe, sind allerdings nicht zum NÖ Kanalgesetz 1977 ergangen, sondern zur Oberösterreichischen Bauordnung, zur Steiermärkischen Bauordnung sowie zur Wiener Bauordnung und dementsprechend für das gegenständliche Verfahren auch nicht einschlägig.

Dessen ungeachtet geht der Verwaltungsgerichtshof in seinen Entscheidungen zum NÖ Kanalgesetz 1977 auch bei baulich jeweils selbständiger Gestaltung zweier Gebäudebereiche davon aus, dass die durch die Verbindungstüren zwischen diesen Trakten geschaffene funktionelle Einheit ausreicht, um die Beurteilung zu rechtfertigen, es liege ein einheitliches Gebäude vor (vgl. dazu VwGH 2002/17/0048, 2003/17/0224, Ra 2017/16/0064).

Neben der baulichen Gestaltung sind auch funktionelle und wirtschaftliche Kriterien maßgeblich. Ermöglichen insbesondere Verbindungen oder Öffnungen eine einheitliche private oder betriebliche Nutzung beider Trakte, so wird in der Beurteilung von einem Gebäude auszugehen sein (VwGH 81/17/0208, 86/17/0026).

Zwischen den beiden Gebäudebereichen „Wohnhaus“ und „Garage“ besteht ein Durchgang, sodass dadurch eine einheitliche private Nutzung im Sinne einer funktionellen Einheit ermöglicht wird. Das gegenständliche Objekt, bestehend aus den aneinander angebauten Gebäudebereichen Wohnhaus und Garage ist daher auf Grund seiner funktionellen Gestaltung als ein einziges einheitliches Gebäude (im erstinstanzlichen Bescheid bezeichnet als „Wohnhaus mit angebauter Garage“) zu betrachten.

Schon allein die zwischen Wohnhaus und Garage vorhandene Verbindungstür schließt deren Beurteilung als selbständige Gebäude jedenfalls aus.

Fraglich ist allerdings aufgrund der Beschwerde auch, welche Räume innerhalb dieses Gebäudes als Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z.7 NÖ Kanalgesetz 1977 gelten können.

Ob es sich bei der Garage um einen Gebäudeteil handelt, ist nach § 1a Z. 7 NÖ Kanalgesetz 1977 zu beurteilen. Nach dieser Bestimmung ist ein Gebäudeteil ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke.

Für die Qualifikation eines Gebäudeteiles im Sinne des § 1a Z. 7 NÖ Kanalgesetz 1977 maßgeblich ist daher zunächst die bauliche Gestaltung. Dafür ist eine bestimmte bauliche Trennung des Gebäudeteils erforderlich. Der Gebäudeteil muss vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennt sein.

Der Beurteilung einer Wand als "durchgehend" steht entgegen, wenn diese an einzelnen Stellen Öffnungen (Durchgänge, z.B. Türen, Fenster) aufweist.

Wie der Verwaltungsgerichtshof mehrfach ausgesprochen hat (vgl. VwGH 99/17/0262, 2002/17/0048) kann schon im Hinblick auf das Vorhandensein von Durchbrüchen in den Verbindungswänden nicht mehr vom Vorliegen einer durchgehenden Wand gesprochen werden.

Vorhandene Durchgänge zwischen zwei Gebäudetrakten schließen das Vorliegen eines Gebäudeteiles im Verständnis des § 1a Z 7 des NÖ Kanalgesetzes 1977 aus (vgl. abgesehen von den bereits oben zitierten Erkenntnissen auch VwGH 2002/17/0155, 2002/17/0276, 2003/17/0224, 2011/17/0284, sowie den Beschluss Ra 2015/16/0092).

Die im gegenständlichen Fall zwischen der Garage und dem im Erdgeschoß des Wohnhauses gelegenen Hauswirtschaftsraum vorhandene Verbindungstür, somit das Fehlen der erforderlichen baulichen Trennung, schließt daher auch eine Qualifikation der Garage als Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z.7 erster Satz NÖ Kanalgesetz 1977 von vorneherein aus, dies ungeachtet des Vorliegens einer begünstigten Nutzung.

Hinter der Garage befindet sich ein Abstellraum der über eine Brandschutztür von der Garage aus erreichbar ist. Für diesen Raum schließt neben der (aufgrund des vorhandenen Durchganges) fehlenden baulichen Trennung auch die fehlende begünstigte Nutzung die Qualifikation als Gebäudeteil aus.

Gemäß § 1a Z.7 zweiter Satz NÖ Kanalgesetz 1977 gelten Räume innerhalb eines Gebäudeteils auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind.

Solche Einbauten innerhalb eines Gebäudeteiles (baulich abgegrenzt, qualifiziert genutzt) gelten somit ex lege als Gebäudeteil. Enthalten solche Einbauten Anschlüsse oder fehlt dort eine qualifizierte Nutzung, so sind sie bei der Flächenberechnung zu berücksichtigen, der restliche Gebäudeteil, dem sie inneliegen, könnte jedoch unberücksichtigt bleiben, sofern dort kein Kanalanschluss vorhanden ist.

Mangels Vorliegen von Gebäudeteilen im gegenständlichen Fall stellt sich allerdings die in der Beschwerde aufgeworfene Frage nach dem Vorhandensein von Einbauten innerhalb eines Gebäudeteiles (ex-lege Gebäudeteile gemäß § 1a Z.7 zweiter Satz NÖ Kanalgesetz 1977, „Gebäudeteil im Gebäudeteil“) nicht mehr.

Soweit in der Beschwerde auf die VwGH-Entscheidungen 98/17/0329 bzw. 2003/17/0210 Bezug genommen wird, ist festzuhalten, dass sich diese Entscheidungen mit der Kanalbenützungsgebühr und hier mit der Frage der Einbeziehung nicht ausgebauter Teile eines Dachgeschoßes in die Geschoßfläche befassen. Für die Ermittlung der bebauten Fläche bzw. für die Kanaleinmündungsabgabe sind diese Entscheidungen nicht einschlägig.

Die Garage (samt Abstellraum) zählt daher zur Berechnungsfläche, d.h. zur bebauten Fläche. Dies auch dann, wenn sie nicht an den Kanal angeschlossen ist, weil es genügt, dass das Geschoß an den Kanal angeschlossen ist, und es nicht erforderlich ist, dass sämtliche Räume eines Geschoßes über einen Kanalanschluss verfügen (VwGH 99/17/0262).

Die Einbeziehung dieser Flächen in die bebaute Fläche des verbundenen Wohngebäudes entspricht daher im gegenständlichen Fall dem NÖ Kanalgesetz 1977. Auch sonst konnte keine Unrichtigkeit der von den Abgabenbehörden vorgenommenen Berechnung der Kanaleinmündungsabgabe erkannt werden.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

4.2. Zu Spruchpunkt 2 – Zulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß
Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Revision gegen ein Erkenntnis oder einen Beschluss des Verwaltungsgerichtes zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil die Entscheidung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Zur Rechtsfrage, ob ein einheitliche Gebäude bzw. ein Gebäudeteil vorliegt, folgt die Entscheidung der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Im Hinblick auf die obigen Ausführungen (siehe 4.1.) liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.

Schlagworte

Finanzrecht; Kanaleinmündungsabgabe; Garage; Gebäudeteil; einheitliches Gebäude;

Anmerkung

VwGH 09.10.2019, Ra 2019/16/0166 bis 0167-3, Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2019:LVwG.AV.578.001.2019

Zuletzt aktualisiert am

24.10.2019
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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