TE Vwgh Erkenntnis 2002/11/20 2002/17/0155

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Veröffentlicht am 20.11.2002
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Index

L37163 Kanalabgabe Niederösterreich;
L82303 Abwasser Kanalisation Niederösterreich;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);

Norm

B-VG Art7;
KanalG NÖ 1977 §1a Z7;
KanalG NÖ 1977 §5 Abs3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des MS in N, vertreten durch Dr. Peter Kolb, Rechtsanwalt in 3430 Tulln, Hauptplatz 3/2/20, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 21. März 2002, Zl. IVW3-BE-3192601/008-2002, betreffend Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Neulengbach, 3040 Neulengbach, Kirchenplatz 82), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Abgabenbescheid vom 19. Oktober 2001 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dem Beschwerdeführer gemäß § 5 NÖ Kanalgesetz, LGBl. 8230 in der geltenden Fassung, und der Kanalabgabenordnung der mitbeteiligten Stadtgemeinde für eine näher bezeichnete Liegenschaft eine jährliche Kanalbenützungsgebühr für die Benützung des öffentlichen Schmutzwasserkanals ausgehend von einer Berechnungsfläche von 558,56 m2 und dem Einheitssatz von S 33,-- pro m2 den Jahresbetrag von S 18.432,48 vor.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung bekämpfte der Beschwerdeführer die Berechnungsgrundlagen mit dem Argument, im ersten Stock befinde sich ein Lagerraum von ca. 100 m2, der nicht in die Bemessungsgrundlage miteinzubeziehen sei.

Mit Bescheid vom 28. Jänner 2002 gab der Stadtrat der mitbeteiligten Stadtgemeinde der Berufung Folge und änderte ausgehend von einer Berechnungsfläche von 525,56 m2 und dem Einheitssatz von 2,40 EUR die Vorschreibung der Kanalbenützungsgebühr auf EUR 1.261,34 ab. Dies mit der Begründung, mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 16. Oktober 2000 sei der Anschluss der Liegenschaft des Beschwerdeführers an den öffentlichen Schmutzwasserkanal aufgetragen worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Gemäß § 5 Abs. 1 NÖ Kanalgesetz 1977 sei für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten. Die Kanalbenützungsgebühr errechne sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz. Die Berechnungsfläche ergebe sich gemäß § 5 Abs. 3 NÖ Kanalgesetz aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßflächen angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile würden nicht berücksichtigt. Die Flächen gewerblich genutzter Lagerräume würden dann nicht der Berechnungsfläche zugerechnet, wenn sie als ein Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht an die öffentliche Kanalanlage angeschlossen seien. Die gewerblichen Lagerräume seien mit Bescheid vom 30. März 1993 baubehördlich bewilligt worden (Zu- und Umbau) und seien fertig gestellt. Der Zubau bestehe aus vier Geschoßen und weise im Kellergeschoß gewerbliche Lagerräume, im Erdgeschoß den Verkaufsraum, eine Werkstätte, das Stiegenhaus mit Vorraum und Aufzug, im ersten Obergeschoß gewerbliche Lagerräume mit Stiegenhaus und Aufzug und im zweiten Obergeschoß zwei privat genutzte Zimmer auf. Da der Zubau neben den gewerblichen Lagerräumen noch andere Nutzungen aufweise, könne nicht von einem Gebäudeteil im Sinne des Kanalgesetzes gesprochen werden. Die Geschoßfläche des ersten Obergeschoßes sei um die Fläche der Terrasse reduziert worden.

In der als Einspruch bezeichneten Vorstellung machte der Beschwerdeführer geltend, 250 m2 des Hauses würden "begünstigungskonform" benützt und dürften daher in die Berechnung der Kanalbenützungsgebühr nicht miteinbezogen werden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Vorstellung als unbegründet ab. In der Begründung heißt es zur Höhe der Abgabenbemessung, der Zubau verfüge über vier benutzbare Geschoße. Im Bereich des Kellergeschoßes bestehe eine Nutzung als gewerblicher Lagerraum. In seinem Erdgeschoß seien ein Verkaufs- oder Ausstellungsraum, eine Werkstätte, ein Vorraum und ein Aufzug untergebracht. Für das erste Obergeschoß seien zwei gewerbliche Lagerräume ausgewiesen. Im zweiten Obergeschoß seien zwei privat genutzte Zimmer untergebracht. Dieser viergeschoßige "Trakt" sei kein Gebäudeteil im Sinne des NÖ Kanalgesetzes. Dies schon deshalb nicht, da im zweiten Obergeschoß die dort befindlichen Räume als Wohnräume Verwendung fänden und somit die erforderliche durchgehende privilegierte Nutzung nicht vorliege. Nur der Vollständigkeit halber sei festzustellen, dass auch eine Nutzung als Werkstätte im Erdgeschoß begünstigungsschädlich sei, da gewerblich genutzte Produktionsräume keine vom Gesetz geforderte Nutzung darstellten. Es sei daher festzuhalten, dass der Zubau neben begünstigten auch "begünstigungsschädliche" Nutzungsarten aufweise, weshalb von einem privilegierten Gebäudeteil im Sinne des NÖ Kanalgesetzes 1977 nicht gesprochen werden könne. Die Festsetzung der Kanalbenützungsgebühr sei daher dem Grunde und der Höhe nach nicht zu beanstanden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und in eventu Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr mit einer 303 m2 übersteigenden Berechnungsfläche als Bemessungsgrundlage verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Beschwerdefall ist das Ausmaß der von der belangten Behörde für die Bemessungsgrundlage der Kanalbenützungsgebühr herangezogenen Geschoßflächen strittig. Der Beschwerdeführer vertritt die Ansicht, dass bestimme Teile des durch einen Zubau erweiterten Gebäudes, nämlich die Lager-, Ausstellungs- und Verkaufsräume, nicht in die Bemessungsgrundlagen einzubeziehen seien.

§ 5 NÖ Kanalgesetz 1977, LGBl. 8230-6, lautet auszugsweise:

"§ 5 Kanalbenützungsgebühr

(1) Für die Möglichkeit der Benützung der öffentlichen Kanalanlage ist eine jährliche Kanalbenützungsgebühr zu entrichten, wenn der Gemeinderat die Einhebung einer solchen Gebühr beschlossen hat.

(2) Die Kanalbenützungsgebühr errechnet sich aus dem Produkt der Berechnungsfläche und dem Einheitssatz zuzüglich eines schmutzfrachtbezogenen Gebührenanteiles....

(3) Die Berechnungsfläche ergibt sich aus der Summe aller an die Kanalanlage angeschlossenen Geschoßflächen. Die Geschoßfläche angeschlossener Kellergeschoße und nicht angeschlossener Gebäudeteile wird nicht berücksichtigt. Angeschlossene Kellergeschoße werden jedoch dann berücksichtigt, wenn eine gewerbliche Nutzung vorliegt, ausgenommen Lagerräume, die mit einem Unternehmen im selben Gebäude in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen..."

Nach § 5 Abs. 1 der Kanalabgabenordnung des Gemeinderates der mitbeteiligten Stadtgemeinde sind die Kanalbenützungsgebühren nach den Bestimmungen des § 5 des NÖ Kanalgesetzes 1977 zu berechnen.

Der Begriff "Gebäudeteil" wird nach § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 wie folgt umschrieben:

"Gebäudeteil:

Ein Gebäudeteil ist ein vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennter Teil mit einer Nutzung als Garage, als gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke. Räume innerhalb eines Gebäudeteils gelten auch dann als eigener Gebäudeteil, wenn bis zur obersten Decke durchgehende Wände nicht vorhanden sind."

Von einem Gebäudeteil im Sinne der zitierten Bestimmung kann ungeachtet der weiteren Voraussetzungen nur dann gesprochen werden, wenn es sich um einen vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand getrennten Teil handelt. Von der Beschwerde bleibt unbestritten, dass eine solche durchgehende Wand nicht vorliegt.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1983, Zl. 81/17/0208) ist in erster Linie die bauliche Gestaltung für die Lösung der Frage entscheidend, ob von einem einheitlichen Gebäude ausgegangen werden muss oder ob ein Gebäudeteil vorliegt. Voraussetzung für das Vorliegen eines Gebäudeteils ist dessen Trennung vom übrigen Gebäude durch eine bis zu seiner obersten Decke durchgehende Wand. Vorhandene Durchgänge zwischen zwei Gebäudetrakten schließen das Vorliegen eines Gebäudeteils im Verständnis des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz aus (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. April 2000, Zl. 99/17/0262, und vom 25. Juni 2002, Zl. 2002/17/0048).

Auf dem in den Verwaltungsakten befindlichen Einreichplan für den Umbau des Geschäftshauses, bewilligt mit Bescheid vom 30. März 1993, sind Verbindungsdurchgänge (Stiegen) zwischen Alt- und Zubau eingezeichnet. Nach diesem Einreichplan kann von einer Trennung im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 nicht gesprochen werden.

Weitere Voraussetzung für das Vorliegen eines Gebäudeteils nach § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 ist die Nutzung des Teiles des Gebäudes als Garage, gewerblicher oder industrieller Lager- oder Ausstellungsraum oder mit einer Nutzung für land- und forstwirtschaftliche Zwecke.

Ein Gebäudeteil im Sinne des 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 liegt somit nur dann vor, wenn neben der dargestellten Trennung der Teil des getrennten Gebäudes zu den genannten Zwecken genutzt wird. Bei einer Nutzung dieses Teils für andere Zwecke liegt kein Gebäudeteil im Sinne der genannten Bestimmung vor. Besteht der Teil des getrennten Gebäudes aus mehreren Geschoßen oder Räumen, dann haben alle diese Einheiten die Voraussetzungen zu erfüllen, weil das Gesetz insofern keine Einschränkung normiert oder auf ein "Überwiegen" der begünstigten Nutzung der Einheiten abstellt. Werden daher Räume oder Geschoße zu begünstigungsschädlichen Zwecken genutzt, dann liegt kein Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 vor. In einem solchen Fall stellt sich dann die Frage, ob nach § 1a Z 7 zweiter Satz NÖ Kanalgesetz 1977 einzelne Räume als eigener Gebäudeteil gelten, nicht mehr, weil es sich nicht um Räume in einem solchen Gebäudeteil handelt.

Die belangte Behörde stellte fest, dass der viergeschoßige "Trakt" im zweiten Obergeschoß Wohnräume enthalte und im Erdgeschoß auch eine Nutzung als Werkstätte vorliege. Da auch "begünstigungsschädliche" Nutzungsarten gegeben seien, liege ein Gebäudeteil im Sinne des § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz nicht vor.

Mit dieser Auffassung ist die belangte Behörde im Recht, weil nach § 1a Z 7 NÖ Kanalgesetz 1977 eine Nutzung des gesamten "Traktes" zu den in dieser Bestimmung genannten Zwecken vorliegen müsste, um von einem Gebäudeteil sprechen zu können. Da dies unbestritten nicht der Fall ist, ist die belangte Behörde mit Recht vom Nichtvorliegen eines Gebäudeteiles ausgegangen.

Soweit der Beschwerdeführer Bedenken wegen "gleichheitswidriger Auslegung" des NÖ Kanalgesetzes 1977 äußert, besteht nach den vom Beschwerdeführer vorgebrachten Argumenten kein Anlass, den Verfassungsgerichtshof mit einem Antrag auf Gesetzesprüfung zu befassen. Die begünstigende Sonderregelung für die Einhebung der Kanalbenützungsgebühren für Gebäudeteile setzen die räumliche Trennung und die bestimmte Nutzungsverwendung voraus. Eine sachliche Rechtfertigung der zum Fall der Nichttrennung unterschiedlichen Regelung liegt eben insbesondere in der durch die Trennung des Gebäudes gegebenen unterschiedlichen Möglichkeiten der Kanalbenützung bei getrennten und nicht getrennten Teilen eines Gebäudes. Eine Verfassungswidrigkeit ist nicht schon dann gegeben, wenn bei der Durchschnittsbetrachtung im Fall einer Mischnutzung die gesamten Geschoßflächen in die Bemessungsgrundlage miteinbezogen werden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes entspricht es dem Gleichheitssatz, wenn der Gesetzgeber von einer Durchschnittsbetrachtung ausgeht (z.B. VfSlg. 3595/1959, 5318/1966, 8457/1978) und dabei auch eine pauschalierende Regelung trifft. Dass dabei Härtefälle entstehen, macht das Gesetz nicht gleichheitswidrig (z.B. VfSlg. 3568/1959, 9908/1983, 10276/1984).

Aus den dargelegten Erwägungen ergibt sich, dass die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten weder wegen der geltend gemachten noch wegen einer vom Verwaltungsgerichtshof aus eigenem aufzugreifenden Rechtswidrigkeit verletzt worden ist.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 20. November 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002170155.X00

Im RIS seit

01.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

04.12.2015
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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