TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/3 G314 2217308-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

03.05.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
BFA-VG §9
B-VG Art. 133 Abs4
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G314 2217308-1/2E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des XXXX, geboren am XXXX, kosovarischer Staatsangehöriger, vertreten durch den Rechtsanwalt XXXX, gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 11.03.2019, Zl.: XXXX, betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 28.12.2018 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art 8 EMRK gemäß § 55 Abs 1 AsylG, konkret einer "Aufenthaltsberechtigung plus". Am 06.03.2019 wurde er dazu vor dem BFA vernommen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gegen den BF gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 3 FPG erlassen (Spruchpunkt II.), gemäß § 52 Abs 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung in den Kosovo zulässig ist (Spruchpunkt III.) sowie gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG eine 14-tägige Frist zur freiwilligen Ausreise festgelegt (Spruchpunkt IV.).

Dagegen richtet sich die Beschwerde mit den Anträgen, eine Beschwerdeverhandlung durchzuführen und dem BF die beantragte Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Hilfsweise stellt er einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Die Beschwerde und die Verwaltungsakte wurden dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vorgelegt, wo sie am 11.04.2019 einlangten.

Feststellungen:

Die BF wurde am XXXX in XXXX, einem Vorort der Stadt XXXX im heutigen Kosovo geboren. Er ist kosovarischer Staatsangehöriger und verfügt über einen Bachelorabschluss.

Der BF hält sich seit September 2014 kontinuierlich im Bundesgebiet auf. Er ist seither durchgehend an verschiedenen Adressen in der Steiermark mit Hauptwohnsitz gemeldet. Er besitzt einen am 11.09.2012 ausgestellten und bis 10.09.2022 gültigen kosovarischen Reisepass. Zwischen September 2014 bis September 2018 verfügte er jeweils über Aufenthaltsbewilligungen als Studierender. Sein letzter Verlängerungsantrag vom 12.09.2018 wurde mit dem seit 27.12.2018 rechtskräftigen Bescheid abgewiesen, weil er den erforderlichen Studienerfolg nicht erreichte. Obwohl er seither keine Aufenthaltsgenehmigung mehr hat, verließ er Österreich nicht.

Der BF besuchte im Bundesgebiet zunächst den Vorstudienlehrgang der XXXX Universitäten und Hochschulen, um Deutsch zu lernen. Am 01.03.2016 legte er eine Ergänzungsprüfung aus dem Fach Deutsch für das Sprachniveau C1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfolgreich ab. Im August 2016 wurde er daraufhin als ordentlicher Studierender zum Masterstudium XXXX an der Universität XXXX zugelassen. In den Studienjahren 2013/14 bis 2018/19 erreichte er insgesamt 32 ECTS-Punkte.

Der BF verfügte zwischen Oktober 2014 und März 2015 im Bundesgebiet über eine Selbstversicherung nach § 16 Abs 2 ASVG. Von Ende Oktober 2014 bis Ende Dezember 2018 arbeitete er mit Unterbrechungen in verschiedenen Gastronomiebetrieben. Zwischen 30.10.2014 und 31.01.2015 war er geringfügig beschäftigt. Von März 2015 bis Mai 2016 war er vollversichert erwerbstätig, danach bezog er bis Ende Juni 2016 Arbeitslosengeld. Von 01. bis 10.07.2016 war er wieder erwerbstätig und bezog anschließend bis August 2016 Arbeitslosengeld. Zwischen August 2016 und Jänner 2017 folgte eine vollversicherte Beschäftigung; danach bezog der BF bis Ende Februar 2017 Arbeitslosen- bzw. Krankengeld. Zwischen 01.03.2017 und 11.10.2018 war er wieder als Arbeiter erwerbstätig, danach bezog er bis 31.12.2018 Arbeitslosengeld. Seither geht er im Bundesgebiet keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und lebt von seinen Ersparnissen und von der finanziellen Unterstützung seiner Schwester. Er hat eine Vollzeitbeschäftigung als Cateringmitarbeiter bei einem Unternehmen in XXXX in Aussicht, wenn ihm eine entsprechende Bewilligung erteilt wird. Seit 07.03.2019 besteht eine Selbstversicherung in der Krankenversicherung gemäß § 16 ASVG. Wenn ihm die beantragte Aufenthaltsberechtigung erteilt werden sollte, hat er in erster Linie vor, zu arbeiten; wenn dann noch Zeit bleibt, möchte er auch das Studium nebenbei fortsetzen.

Der BF ist alleinstehend und kinderlos. Seit ungefähr einem Jahr lebt er mit zwei Mitbewohnerinnen in einer Wohngemeinschaft in Graz. Er engagiert sich seit Jänner 2019 ehrenamtlich als freiwilliger Mitarbeiter im XXXX der Caritas in XXXX. Seit Juni 2018 ist er Mitglied bei einem XXXX Fitnessstudio. Seit Oktober 2014 hielt er sich nur mehr anlässlich von kurzen Besuchen in seinem Herkunftsstaat auf, wo seine Eltern und sein Bruder nach wie vor leben. Er kann im Kosovo im Haus seiner Eltern wohnen.

Die Schwester des BF ist mit einem albanischen Staatsangehörigen verheiratet. Das Paar lebt mit seinen vier Kindern seit vielen Jahren in Österreich. Im Inland leben keine weiteren Angehörigen des BF.

Der BF ist gesund und arbeitsfähig und in strafrechtlicher Hinsicht unbescholten. Er hat in Österreich einen (durch Empfehlungsschreiben dokumentierten) Freundes- und Bekanntenkreis.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und der Gerichtsakten des BVwG.

Die Feststellungen beruhen vorwiegend auf den Angaben des BF in seinem ursprünglichen Antrag und bei der Einvernahme vor dem BFA sowie auf den von ihm vorgelegten Unterlagen.

Die Identität des BF wird durch den (dem BVwG in Kopie vorliegenden) unbedenklichen Reisepass belegt. Auch seine Geburtsurkunde liegt vor. Der vor dem nunmehrigen Aufenthalt im Bundesgebiet erworbene Bachelorabschluss ergibt sich aus den Angaben de BF vor dem BFA und dem Umstand, dass er in Österreich zum Masterstudium zugelassen wurde.

Der Inlandsaufenthalt des BF ergibt sich aus seiner Aussage und den Wohnsitzmeldungen laut dem Zentralen Melderegister (ZMR). Die ihm erteilten Aufenthaltsbewilligungen sind im Fremdenregister dokumentiert. Die Abweisung des letzten Verlängerungsantrags geht aus der aktenkundigen Bescheidausfertigung hervor.

Das Zeugnis über die Deutschprüfung vom 01.03.2016 wurde vorgelegt. Entsprechende Deutschkenntnisse des BF sind plausibel, zumal er vor dem BFA ohne Dolmetsch vernommen werden konnte. Die Zulassung zum Masterstudium und der Studienerfolg werden anhand der Bestätigung der Universität XXXX vom 28.02.2019 vorgelegt. Die Zeiten der Sozialversicherung und Erwerbstätigkeit des BF ergeben sich aus dem Versicherungsdatenauszug. Ein Arbeitsvorvertrag sowie ein Bescheid über die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung für den BF für eine Teilzeitbeschäftigung als Cateringmitarbeiter für die Zeit von 07.12.2018 bis 06.12.2019 wurden vorgelegt.

Die Feststellungen zu den familiären Verhältnissen des BF beruhen auf seinen Angaben gegenüber dem BFA. Seine Wohnverhältnisse können auch anhand der Schreiben seiner Mitbewohnerinnen festgestellt werden. Sein Freundeskreis in Österreich ist aufgrund seines mehrjährigen Aufenthalts, des Studiums und der Erwerbstätigkeit nachvollziehbar und wird durch die vorgelegten Empfehlungsschreiben belegt. Das ehrenamtliche Engagement des BF wird insbesondere durch das Schreiben vom 21.12.2018 belegt. Der Vertrag mit dem Fitnessstudio wurde vorgelegt. Es ist aufgrund der vorangegangenen Erwerbstätigkeit des BF glaubhaft, dass er derzeit von seinen Ersparnissen und von Zuwendungen seiner in Österreich lebenden Schwester lebt, zumal er nach dem vorgelegten KSV-Infopass in geordneten finanziellen Verhältnissen lebt und lediglich ein Abstattungskredit über einen vergleichsweise geringen Betrag (EUR 898) bestand.

Die Unbescholtenheit des BF geht aus dem Strafregister hervor. Im Verfahren sind keine Hinweise für gesundheitliche Probleme oder Einschränkungen seiner Arbeitsfähigkeit hervorgekommen.

Anhaltspunkte für über die getroffenen Feststellungen hinausgehende Integrationsmomente oder Anbindungen des BF in Österreich sind nicht aktenkundig, sodass von deren Fehlen auszugehen ist.

Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

Der BF ist als Staatsangehöriger des Kosovo Drittstaatsangehöriger iSd § 2 Abs 4 Z 10 FPG.

Gemäß § 55 AsylG ist im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine Aufenthaltsberechtigung zu erteilen, wenn dies gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK geboten ist.

§ 58 AsylG regelt das Verfahren zur Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß §§ 55 ff AsylG. Gemäß § 58 Abs 5 AsylG sind Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG persönlich beim BFA zu stellen. Gemäß § 58 Abs 8 AsylG hat das BFA im verfahrensabschließenden Bescheid über die Zurück- oder Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG abzusprechen. Gemäß § 10 Abs 3 AsylG und § 52 Abs 3 FPG ist die Abweisung eines Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG grundsätzlich mit einer Rückkehrentscheidung zu verbinden. Gemäß § 52 Abs 9 FPG hat das BFA gleichzeitig mit einer Rückkehrentscheidung festzustellen, dass eine Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 FPG in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist, es sei denn, dass dies aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Bei der Beurteilung, ob die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist, ist eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten und familiären Interessen in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen, die auf alle Umstände des Einzelfalls Bedacht nimmt. Dabei muss ein Ausgleich zwischen dem Interesse des BF auf Fortsetzung seines Privat- und Familienlebens einerseits und dem staatlichen Interesse auf Verteidigung der öffentlichen Ordnung andererseits gefunden werden. In die gebotene Gesamtbeurteilung sind alle gemäß Art 8 EMRK relevanten Umstände seit seiner Einreise einzubeziehen.

Bei der vorzunehmenden Interessenabwägung ist hier gemäß § 9 Abs 2 Z 1 BFA-VG zu berücksichtigen, dass sich der BF seit ca. viereinhalb Jahren im Bundesgebiet aufhält. Der VwGH hat wiederholt ausgesprochen, dass einer Aufenthaltsdauer von weniger als fünf Jahren für sich betrachtet noch keine maßgebliche Bedeutung für die durchzuführende Interessenabwägung zukommt (vgl zuletzt VwGH 24.01.2019, Ra 2018/21/0191). Der Inlandsaufenthalt des BF war zunächst gut vier Jahre lang rechtmäßig, wobei ihm Aufenthaltsbewilligungen für einen vorübergehenden befristeten Aufenthalt im Bundesgebiet zum Zweck des Studiums iSd § 8 Abs 1 Z 12 NAG erteilt wurden und der Aufenthalt daher gemäß § 2 Abs 3 NAG nicht als Niederlassung gilt. Er konnte somit nicht von einer Zulässigkeit des dauerhaften Verbleibs im Bundesgebiet ausgehen. Seit Ende 2018 ist sein Aufenthalt nicht mehr rechtmäßig, weil er nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Aufenthaltstitels und der Abweisung des Verlängerungsantrags im Inland verblieb, obwohl ihm keine weitere Aufenthaltsgenehmigung erteilt wurde. Weder Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55 bis 57 AsylG noch die Beschwerde gegen die Entscheidung darüber begründen ein Aufenthalts- oder Bleiberecht (vgl §§ 58 Abs 13 AsylG, 16 Abs 5 BFA-VG).

Im Inland besteht kein gemäß § 9 Abs 2 Z 2 BFA-VG zu berücksichtigendes Familienleben des volljährigen, alleinstehenden und kinderlosen BF.

Unter Privatleben iSd Art 8 EMRK ist nach der Rechtsprechung des EGMR das Netzwerk persönlicher, sozialer und ökonomischer Beziehungen zu verstehen, die das Privatleben eines jeden Menschen ausmachen. Ein schutzwürdiges Privatleben ist nach § 9 Abs 2 Z 3 BFA-VG bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen, ebenso nach § 9 Abs 2 Z 4 BFA-VG der Grad der Integration, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schul- und Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert. Zugunsten des BF sind dabei neben der Beziehung zu seiner Schwester und deren Familie gute Deutschkenntnisse, die während des Aufenthalts im Inland geknüpften Sozialkontakte, insbesondere seine Freundschaften mit in Österreich lebenden Personen, die Anknüpfungen aufgrund seiner Erwerbstätigkeit und seines Engagements bei der Caritas sowie das hier begonnene Masterstudium zu berücksichtigen. Der Besuch eines Fitnessstudios fällt demgegenüber nicht maßgeblich ins Gewicht. Die integrationsbegründenden Umstände werden gemäß § 9 Abs 2 Z 8 BFA-VG dadurch relativiert, dass sie in Kenntnis des unsicheren Aufenthaltsstatus des BF entstanden, zumal er angesichts der Erteilung von Aufenthaltsbewilligungen (siehe oben) nicht von einer Erlaubnis zu einem nicht bloß vorübergehenden Verbleib im Bundesgebiet ausgehen durfte. Außerdem kann er den Kontakt zu seinen im Bundesgebiet lebenden Bezugspersonen auch ohne die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels durch wechselseitige Besuche in Österreich, im Kosovo oder in anderen Staaten sowie über diverse Kommunikationsmittel (Telefon, E-Mail, Internet) aufrecht halten.

Der Umstand, dass der BF nach dem vorgelegten Arbeitsvorvertrag einen Arbeitsplatz in Aussicht hat, ist ein Anhaltspunkt für Integrationsbemühungen (vgl VwGH 17.10.2016, Ro 2016/22/0005), belegt aber seine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit nicht, zumal er seit mehreren Monaten keiner Erwerbstätigkeit mehr nachgeht. Bislang gelang es ihm in Österreich nicht, neben seiner Erwerbstätigkeit das Masterstudium zielgerichtet zu verfolgen.

Der BF hat nach § 9 Abs 2 Z 5 BFA-VG zu berücksichtigende starke Bindungen zu seinem Heimatstaat, wo er einen erheblichen Teil seines Lebens verbrachte, zumal seine Eltern und sein Bruder dort leben und eine Wohnmöglichkeit in seinem Elternhaus besteht. Seine Schwester kann ihn im Kosovo von Österreich aus weiterhin finanziell unterstützen.

Die nach § 9 Abs 2 Z 6 BFA-VG maßgebliche strafrechtliche Unbescholtenheit des BF vermag weder sein persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen vom unrechtmäßigen Aufenthalt liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung iSd § 9 Abs 2 Z 7 BFA-VG vor; ebensowenig bestehen den Behörden zurechenbare überlange Verzögerungen iSd § 9 Abs 2 Z 9 BFA-VG.

Dem persönlichen Interesse des BF an einer Fortsetzung seines Privatlebens in Österreich steht das große öffentliche Interesse am geordneten Vollzug fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber. Dem öffentlichen Interesse an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Bestimmungen kommt dabei im Interesse des Schutzes der öffentlichen Ordnung (Art 8 Abs 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu.

Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt - insbesondere aufgrund der aufrechten Bindungen des BF zu seinem Herkunftsstaat und seinem unter fünfjährigen Inlandsaufenthalt - das öffentliche Interesse an einer Aufenthaltsbeendigung. Nach Maßgabe einer Interessensabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist das BFA daher zu Recht davon ausgegangen, dass die Erteilung des beantragten Aufenthaltstitels nicht zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens des BF geboten ist. Da er vor seinem nunmehrigen Aufenthalt in Österreich im Kosovo lebte, dort die Universität besuchte, über familiäre Anknüpfungspunkte verfügt und eine Wohnmöglichkeit in seinem Elternhaus hat, ist davon auszugehen, dass ihm keine großen Hindernisse bei der Wiedereingliederung begegnen werden, zumal er gesund und arbeitsfähig ist, über einen tertiären Bildungsabschluss und Berufserfahrung in der Gastronomie verfügt.

Die Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Aufenthaltsberechtigung liegen nicht vor, sodass gemäß § 10 Abs 3 AsylG iVm § 52 Abs 3 FPG eine Rückkehrentscheidung zu erlassen ist. Die Gründe, warum diese nicht auf Dauer unzulässig ist, decken sich mit den Überlegungen zur Abweisung des Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG.

Der BF kann für einen neuerlichen Aufenthalt in Österreich, z.B. zur Fortsetzung des Studiums, von seinem Heimatstaat aus einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG stellen. Es ist ihm zumutbar, einen allfälligen neuerlichen Aufenthalt im Bundesgebiet nach den gesetzlichen Vorgaben des NAG von dort aus zu legalisieren. Der Umstand, dass eine solche Antragstellung allenfalls nachweis-, gebühren- und quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern.

Für die gemäß § 52 Abs 9 FPG von Amts wegen gleichzeitig mit der Erlassung einer Rückkehrentscheidung vorzunehmende Feststellung der Zulässigkeit einer Abschiebung gilt der Maßstab des § 50 FPG (siehe VwGH 05.10.2017, Ra 2017/21/0157). Demnach ist die Abschiebung unzulässig, wenn dadurch Art 2 oder Art 3 EMRK oder das Protokoll Nr. 6 oder Nr. 13 zur EMRK verletzt würde oder für den Betreffenden als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts verbunden wäre (Abs 1), wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort das Leben oder die Freiheit aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Ansichten bedroht wäre (Abs 2) oder solange die Empfehlung einer vorläufigen Maßnahme durch den EGMR entgegensteht (Abs 3).

Da keine dieser Voraussetzungen hier zutrifft, ist die Abschiebung des BF in den Kosovo zulässig. Es liegen unter Berücksichtigung der stabilen Situation dort und der Lebensumstände des gesunden und arbeitsfähigen BF, der eine abgeschlossene Ausbildung und Berufserfahrung hat und dessen Eltern dort leben, keine konkreten Gründe vor, die eine Abschiebung unzulässig machen würden. Der BF wird in der Lage sein, in seiner Heimat, wo er auch Zugang zu den vorhandenen (wenn auch allenfalls bescheidenen) öffentlichen Leistungen und zur Gesundheitsversorgung hat, wieder für seinen Lebensunterhalt aufzukommen, ohne in eine existenzbedrohende Notlage zu geraten, unter Umständen auch mit Hilfe seiner dort verbliebenen Angehörigen. Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen könnte, liegt aktuell im Kosovo - auch bei Berücksichtigung der vom BF hervorgehobenen schwierigen wirtschaftlichen Lage dort - jedenfalls nicht vor.

Gemäß § 55 FPG wird zugleich mit einer Rückkehrentscheidung eine Frist für die freiwillige Ausreise festgelegt. Diese beträgt - abgesehen von Fällen, in denen besondere Umstände vorliegen, die hier aber nicht behauptet wurden - 14 Tage ab Rechtskraft des Bescheids. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids ist vor diesem gesetzlichen Hintergrund nicht zu beanstanden.

Im Ergebnis ist der angefochtene Bescheid daher nicht korrekturbedürftig; die Beschwerde ist als unbegründet abzuweisen.

Zum Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Nach § 21 Abs 7 BFA-VG kann bei Vorliegen der dort umschriebenen Voraussetzungen - trotz Vorliegens eines Antrags - von der Durchführung einer Verhandlung abgesehen werden. Von einem geklärten Sachverhalt iSd § 21 Abs 7 BFA-VG bei der Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen kann allerdings im Allgemeinen nur in eindeutigen Fällen ausgegangen werden, in denen bei Berücksichtigung aller zugunsten des oder der Fremden sprechenden Fakten auch dann kein günstigeres Ergebnis zu erwarten ist, wenn sich das BVwG von ihm oder ihr einen persönlichen Eindruck verschafft (vgl. zuletzt VwGH 16.01.2019, Ra 2018/18/0272).

Da hier ein eindeutiger Fall vorliegt, der Sachverhalt anhand der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine andere Entscheidung denkbar ist, kann eine Beschwerdeverhandlung unterbleiben. Von deren Durchführung ist keine weitere Klärung der Rechtssache zu erwarten, zumal in der Beschwerde keine ergänzend zu berücksichtigenden Tatsachen vorgebracht wurden und keine entscheidungserheblichen Widersprüche in den Beweisergebnissen bestehen.

Zu Spruchteil B):

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung nach Art 133 Abs 4 B-VG nicht zu lösen waren. Bei der Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK, die das Schwergewicht der Beschwerde bildet, handelt es sich um eine typische Einzelfallbeurteilung.

Schlagworte

Interessenabwägung, öffentliche Interessen, Resozialisierung,
Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:G314.2217308.1.00

Zuletzt aktualisiert am

27.08.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten