TE Vwgh Erkenntnis 1998/11/26 98/20/0368

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Veröffentlicht am 26.11.1998
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Index

25/01 Strafprozess;
25/02 Strafvollzug;

Norm

StPO 1975 §183 Abs1;
StPO 1975 §184;
StPO 1975 §186 Abs3;
StPO 1975 §186 Abs4;
StVG §20;
StVG §24 idF 1993/799;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des AK in Wien, vertreten durch Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Ebendorferstraße 7, gegen den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 21. April 1998, Zl. Jv 1277-16a/98, betreffend "Nichtgewährung der Vergünstigung der Benützung eines eigenen Fernsehapparates", zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesministerium für Justiz) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist als Untersuchungshäftling in der Justizanstalt Wien-Josefstadt untergebracht. Am 25. September 1997 wurde ihm "im Hinblick auf seine gute Arbeitsleistung als Vergünstigung der Ankauf - über Vermittlung der Anstalt - und der Betrieb eines Netz-Fernsehgerätes ... bewilligt". Am 14. November 1997 und am 18. November 1997 beging er (jeweils durch ungebührliches Benehmen gegenüber Justizwachebeamten) Ordnungswidrigkeiten, wofür mit zwei Straferkenntnissen vom 1. Dezember 1997 die Ordnungsstrafe des einfachen Hausarrestes in der Dauer von sechs Tagen und die Ordnungsstrafe des einfachen Hausarrestes in der Dauer von 14 Tagen - unter Aufrechterhaltung einzelner Rechte gemäß § 114 Abs. 2 zweiter Satz StVG - über ihn verhängt wurden. Schon am 19. November 1997 wurde ihm das Fernsehgerät abgenommen und "der Entzug der Vergünstigung" (nach dem darüber angelegten Vermerk: "gemäß § 24 Abs. 4" StVG) mündlich zur Kenntnis gebracht.

Am 23. Februar 1998 (nach seiner eigenen Darstellung in der Administrativbeschwerde: am 17. Februar 1998) ersuchte der Beschwerdeführer um die Ausfolgung des Gerätes aus dem Depot, was ihm (auch nach seinen Angaben) am 23. Februar 1998 nicht bewilligt wurde. Hiegegen erhob er am 25. Februar 1998 die Administrativbeschwerde an die belangte Behörde.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Beschwerde nicht Folge. Die Begründung hiefür lautet - nach einer einleitenden Darstellung des Verfahrensganges und des Vorbringens in der Administrativbeschwerde - wie folgt:

"Gemäß § 24 Absatz 4 StVG können Vergünstigungen, welche mißbraucht werden oder die Voraussetzungen, unter denen sie gewährt worden sind, nachträglich wieder wegfallen, beschränkt oder entzogen werden. Vergünstigungen können im Sinne des § 24 Absatz 1 StVG einem Strafgefangenen (Untersuchungshäftling) dann gewährt werden, wenn er erkennen läßt, daß er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt.

Über A.K. wurden zwei Straferkenntnisse wegen Ordnungswidrigkeiten nach § 107 Absatz 1 Ziffer 9 StVG verhängt, welche beide in Rechtskraft erwachsen sind. Diese gründen sich darauf, daß der Untersuchungshäftling in der Beamtenküche beschäftigt war, jedoch abgelöst werden mußte, da er mehrmals durch ungebührliches Benehmen auffiel und Bedienstete beschimpft hatte.

Da somit das Verhalten des Untersuchungshäftlings A.K. nicht den Erfordernissen des § 24 Absatz 1 StVG entsprechen, war seitens der Justizanstalt Wien-Josefstadt A.K. korrekterweise die Vergünstigung gemäß § 24 Absatz 4 StVG entzogen worden."

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die belangte Behörde hat die Akten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat darüber in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Nach § 24 Abs. 1 StVG in der seit dem 1. Jänner 1994 anzuwendenden Fassung der Novelle BGBl. Nr. 799/1993 sind geeignete Vergünstigungen (dazu gehört gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG u.a. die Benutzung eines eigenen Fernsehapparates) einem "Strafgefangenen" auf sein Ansuchen zu gewähren, wenn er "erkennen läßt, daß er an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges mitwirkt".

Gemäß § 183 Abs. 1 StPO sind auf die Anhaltung in Untersuchungshaft die Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes über den Vollzug von Freiheitsstrafen, deren Strafzeit ein Jahr nicht übersteigt, dem Sinne nach anzuwenden, es sei denn, daß in der Strafprozeßordnung etwas Besonderes bestimmt ist.

§ 186 Abs. 3 StPO bestimmt u.a., daß Untersuchungshäftlingen auf ihr Ansuchen zu gestatten ist, daß ihnen auch andere als die in § 33 Abs. 2 StVG genannten eigenen Gegenstände (zu denen Fernsehapparate gemäß § 132 Abs. 2 StVG in Verbindung mit § 24 Abs. 3 StVG nicht gehören) in ihren Gewahrsam überlassen werden, soweit kein Mißbrauch zu befürchten ist und die erforderliche Überwachung ohne Beeinträchtigung des Dienstes und der Ordnung in der Anstalt möglich ist.

Gemäß § 186 Abs. 4 StPO dürfen sich Untersuchungshäftlinge u. a. Bequemlichkeiten und Beschäftigungen auf ihre Kosten verschaffen, insofern sie mit dem Zwecke der Haft vereinbar sind und weder die Ordnung des Hauses stören noch die Sicherheit gefährden.

Vor der Entscheidung ist eine Äußerung des Untersuchungsrichters einzuholen (§ 188 Abs. 3 zweiter Satz StPO).

Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde sich nach Einlangen der Administrativbeschwerde zunächst vom Leiter der Justizanstalt berichten lassen, "ob gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG eine Genehmigung des Bundesministeriums für Justiz vorliegt und weiters, wann dem Untersuchungshäftling A.K. der Entzug der Vergünstigung mitgeteilt worden war, da aus den Unterlagen nicht ersichtlich ist, ob die Beschwerde des A.K. rechtzeitig eingebracht worden ist".

Handelte es sich bei der Bezugnahme auf eine Genehmigung "gemäß § 24 Abs. 3 Z. 3 StVG" um ein Mißverständnis des Gesetzestextes (wonach es für die dort angeführten Vergünstigungen einer Genehmigung des Justizministers gerade nicht bedarf), welches in der Erledigung selbst nicht mehr Ausdruck findet, so kommt das Verständnis der Administrativbeschwerde als einer solchen gegen den Entzug der "Vergünstigung" trotz des Umstandes, daß die Beschwerde schließlich nicht als verspätet behandelt wurde, im angefochtenen Bescheid noch dadurch zum Ausdruck, daß die entscheidende Rechtsfrage darin gesehen wird, ob "korrekterweise die Vergünstigung gemäß § 24 Abs. 4 StVG entzogen worden" war. Mit dem tatsächlichen Gegenstand der angefochtenen Entscheidung - Erledigung des im Februar 1998 gestellten Antrages - läßt sich dies nur unter der Annahme in Verbindung bringen, die belangte Behörde habe mit der Wahl der Gegenwartsform für die Feststellung über "das Verhalten" des Beschwerdeführers, wonach dieses "nicht den Erfordernissen des § 24 Abs. 1 StVG entsprechen" (gemeint: entspricht), ohne nähere Begründung zum Ausdruck bringen wollen, hieran habe sich nichts geändert.

Zur Deutung der von ihr herangezogenen Vorschrift des § 24 Abs. 1 StVG meint die belangte Behörde in der Gegenschrift, von einem Untersuchungshäftling könne zwar nicht gefordert werden, an der "Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges" mitzuwirken, wohl aber "analog der (gemeint wohl: an der) Aufrechterhaltung eines geordneten Vollzugsbetriebes, wobei für ihn auch die allgemeinen Pflichten der Strafgefangenen des § 26 StVG gelten, wo in Abs. 2 normiert ist, sich so zu benehmen, wie es der Anstand gebietet".

Dem ist entgegenzuhalten, daß die belangte Behörde die angefochtene Entscheidung ausdrücklich darauf gestützt hat, auch einem Untersuchungshäftling seien Vergünstigungen nur zu gewähren, wenn er eine Mitwirkung "an der Erreichung der Zwecke des Strafvollzuges" erkennen lasse, und der Beschwerdeführer erfülle diese Voraussetzung nicht. Daß an die Stelle einer Bezugnahme auf die in § 20 StVG normierten Zwecke des Strafvollzuges bei einem Untersuchungshäftling in sinngemäßer Anwendung gemäß § 183 Abs. 1 StPO die Maßstäbe des § 184 StPO zu treten hätten, wird aber auch in der Gegenschrift nicht erkannt.

Eine nähere Auseinandersetzung damit erübrigt sich, weil die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter völliger Übergehung der für Untersuchungshäftlinge geltenden Sonderbestimmungen auch insoweit wie einen Strafgefangenen behandelt hat, als sie davon ausging, der Gebrauch eines eigenen Fernsehapparates stehe ihm nur als Vergünstigung und somit im Rahmen der durch § 24 StVG eingeräumten Möglichkeiten zu. Daß dies aufgrund des § 186 Abs. 3 und 4 StPO bei einem Untersuchungshäftling nicht der Fall ist, wurde schon in den Erkenntnissen des Verwaltungsgerichtshofes vom 13. Februar 1985, Zlen. 85/01/0021, 0022, und vom 29. Jänner 1986, Zl. 85/01/0180, hervorgehoben.

Der angefochtene Bescheid war schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil die Gebühr von S 2.500,-- aufgrund der gewährten Verfahrenshilfe nicht zu entrichten war (und im übrigen auch tatsächlich nicht entrichtet wurde).

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 26. November 1998

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1998:1998200368.X00

Im RIS seit

05.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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