TE Vwgh Beschluss 2019/6/25 Ra 2019/20/0249

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Veröffentlicht am 25.06.2019
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §6 Abs1 Z4
AsylG 2005 §7 Abs1 Z1
B-VG §133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

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Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bachler, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Schwarz als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kieslich, in der Rechtssache der Revision des U B, vertreten durch Brehm & Sahinol Rechtsanwälte OG in 1060 Wien, Linke Wienzeile 124/10, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. April 2019, Zl. W226 1411488- 3/2E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Russischen Föderation, stellte, vertreten durch seine Mutter, am 17. März 2004 den Antrag, ihm - bezugnehmend auf das Asylverfahren seines Vaters - Asyl durch Erstreckung zu gewähren. 2 Nach Abweisung seines Antrages mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 2. August 2004 gab der Asylgerichtshof seiner Beschwerde mit Erkenntnis vom 20. August 2010 statt, gewährte dem Revisionswerber gemäß § 10 iVm § 11 Abs. 1 Asylgesetz 1997 Asyl und stellte gemäß § 12 Asylgesetz 1997 fest, dass dem Revisionswerber kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt. 3 Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 16. November 2016 wurde der Revisionswerber rechtskräftig zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Wochen wegen des Vergehens des Diebstahls gemäß § 127 StGB als Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) verurteilt und Bewährungshilfe angeordnet.

4 Mit Urteil vom 24. März 2017 verurteilte das Landesgericht für Strafsachen Wien den Revisionswerber wegen des Vergehens des versuchten Diebstahls gemäß §§ 15, 127 StGB sowie des Verbrechens des schweren Raubes gemäß §§ 142 Abs. 1, 143 Abs. 1 zweiter Fall StGB als Jugendstraftaten (§ 5 Z 4 JGG) unter Anordnung von Bewährungshilfe rechtskräftig zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten, wobei der unbedingte Strafteil mit fünf Monaten festgesetzt wurde.

5 Weiters wurde der Revisionswerber mit Urteil des Bezirksgerichtes Favoriten vom 6. Dezember 2017 rechtskräftig zu einer Geldstrafe von 100 Tagsätzen zu je vier Euro wegen des Vergehens des unbefugten Waffenbesitzes gemäß § 50 Abs. 1 Z 3 WaffG als Jugendstraftat (§ 5 Z 4 JGG) verurteilt. 6 Schließlich erfolgte am 3. September 2018 eine Verurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten wegen der Verbrechen des räuberischen Diebstahls gemäß §§ 127, 131 StGB sowie des versuchten Raubes gemäß §§ 15, 142 Abs. 1 StGB als

Jugendstraftaten (§ 5 Z 4 JGG).

7 Mit Bescheid vom 26. Februar 2019 erkannte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) dem Revisionswerber den Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ab und stellte fest, dass ihm gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft nicht mehr zukomme. Es erkannte ihm den Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zu, erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers in die Russische Föderation zulässig sei, legte ein Frist von zwei Wochen für die freiwillige Ausreise des Revisionswerbers fest und erließ ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot.

8 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. April 2019 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers mit der Maßgabe als unbegründet ab, dass die Dauer des Einreiseverbotes mit sechs Jahren befristet werde. Weiters sprach das BVwG aus, dass eine Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

10 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in

nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. 12 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer

außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen. 13 Zunächst ist der Revisionswerber im Hinblick auf seine Begründung zur Zulässigkeit der vorliegenden Revision auf die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG nur im Rahmen der dafür in der Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG gesondert vorgebrachten Gründe zu überprüfen hat. Er ist weder verpflichtet, solche anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen. Dementsprechend erfolgt nach der Rechtsprechung die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision durch den Verwaltungsgerichtshof ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. In der gesonderten Zulassungsbegründung ist konkret darzulegen, in welchen Punkten die angefochtene Entscheidung von welcher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht bzw. konkret welche Rechtsfrage der Verwaltungsgerichtshof uneinheitlich oder noch gar nicht beantwortet hat. Lediglich pauschale Behauptungen erfüllen diese Voraussetzungen nicht (vgl. etwa VwGH 11.4.2019, Ra 2019/20/0142, mwN).

14 Mit der pauschalen Behauptung, das BVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen, in Verbindung mit der auszugsweisen Wiedergabe von hg. Judikatur, ohne - über allgemein gehaltenes Vorbringen hinausgehend - konkret Bezug auf den vorliegenden Fall zu nehmen, gelingt es dem Revisionswerber nicht darzulegen, in welchen Punkten das BVwG von der hg. Judikatur abgewichen wäre.

15 Weiters setzte sich das BVwG - entgegen dem Zulässigkeitsvorbringen der Revision - im Rahmen seiner Prüfung, ob die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes für die Anwendung des § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 festgelegten vier Voraussetzungen kumulativ vorliegen würden (vgl. VwGH 26.2.2019, Ra 2018/18/0493, mwN), mit der Frage auseinander, ob das Erfordernis der Gemeingefährlichkeit durch den Revisionswerber erfüllt werde, was vom BVwG bejaht wurde. Seine Entscheidung begründete das BVwG im Wesentlichen mit der mehrfachen Straffälligkeit des Revisionswerbers innerhalb eines Zeitraums von eineinhalb Jahren, dessen steigender krimineller Energie - verbunden mit seiner Gewaltbereitschaft - sowie der fehlenden Integration des Revisionswerbers am Arbeitsmarkt. Die Absolvierung eines Anti-Gewalttrainings und der Beginn einer Schlosserlehre in der Justizanstalt seien für eine positive Zukunftsprognose nicht ausreichend, zumal vorangehende Verurteilungen den Revisionswerber nicht davon abhalten hätten können, weitere Straftaten zu begehen. Dass die Gefährdungsprognose vom BVwG in einer unvertretbaren Weise vorgenommen worden wäre, legt die Revision nicht dar (vgl. VwGH 5.12.2017, Ra 2016/01/0166, mwN).

16 Sofern die Revision vorbringt, das BVwG habe nicht geprüft, ob die Tat subjektiv und objektiv besonders schwerwiegend sei, sondern sei davon ausgegangen, dass der schwere Raub abstrakt und per se ein schweres Verbrechen darstelle, übersieht der Revisionswerber, dass das BVwG nicht nur seine Verurteilung wegen schweren Raubes, sondern das gesamte strafgerichtliche Vorleben des Revisionswerbers - unter Berücksichtigung der herangezogenen Erschwerungs- und Milderungsgründe - in seine Entscheidung miteinbezog und die vom Revisionswerber verwirklichten Delikte insgesamt als "besonders schweres Verbrechen" qualifizierte (vgl. VwGH 18.10.2018, Ra 2017/19/0109).

17 Sodann rügt der Revisionswerber die Nichtberücksichtigung aktueller Länderberichte sowie die Nichteinholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens aus dem Fachbereich Psychologie und Psychiatrie als Verfahrensmängel. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes reicht es jedoch nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 15.4.2019, Ra 2019/01/0121, mwN). Die Revision zeigt nicht auf, inwiefern bei Vermeidung der Verfahrensmängel in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können (vgl. VwGH 4.3.2019, Ra 2018/20/0540, mwN).

18 Auch der im Zusammenhang mit dem Privat- und Familienleben des Revisionswerbers stehende Hinweis auf die Rechtsprechung des EGMR erweist sich nicht als zielführend, zumal sich der EGMR in den zitierten Entscheidungen mit der Frage, ob das gegen den Beschwerdeführer verhängte Aufenthaltsverbot als solches unverhältnismäßig sei und gar nicht verhängt hätte werden dürfen bzw. die Verhängung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes als zu strenge Maßnahme anzusehen sei, weil eine weniger schwer wiegende Reaktion, wie etwa ein befristetes Aufenthaltsverbot, ausgereicht hätte (EGMR, 23.6.2008, Maslov gegen Österreich, 1638/03; 22.4.2004, Radovanovic gegen Österreich, 42703/98), auseinandersetzte. Insofern ist der Verweis auf die Judikatur des EGMR nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit der Entscheidung des BVwG betreffend die Rückkehrentscheidung und das Aufenthaltsverbot in Zweifel zu ziehen.

19 Darüber hinaus unterscheidet sich der dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde liegende Sachverhalt entscheidungswesentlich von den Sachverhalten der zitierten Fälle. So wertete der EGMR in der Rechtssache Maslov gegen Österreich die dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Straftaten - nahezu ausschließlich Vermögensdelikte - als Ausdruck jugendlicher Delinquenz, wobei neben dem jungen Alter entscheidungswesentlich war, dass die Straftaten im Wesentlichen nicht gewalttätiger Natur gewesen seien. In der Rechtssache Radovanovic gegen Österreich beschränkte sich die Straffälligkeit des Beschwerdeführers auf eine rechtskräftige Verurteilung. Demgegenüber wurde der Revisionswerber mehrfach wegen (schweren) Raubes und räuberischen Diebstahls - somit mehrfach wegen Straftaten gewalttätiger Natur - verurteilt.

20 Im Übrigen gelingt es dem Revisionswerber im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung des BVwG auch mit dem darüber hinausgehenden allgemein gehaltenen Vorbringen zu seinem in Österreich bestehenden Privat- und Familienleben nicht, die Unvertretbarkeit der vom BVwG vorgenommenen Interessenabwägung aufzuzeigen (vgl. VwGH 11.2.2019, Ra 2019/20/0031-0034, mwN). 21 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. Juni 2019

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2019:RA2019200249.L00

Im RIS seit

13.08.2019

Zuletzt aktualisiert am

13.08.2019
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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