TE Bvwg Erkenntnis 2019/5/13 L521 2213120-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.05.2019
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

13.05.2019

Norm

ASVG §67 Abs10
B-VG Art.133 Abs4

Spruch

L521 2213120-1/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Mathias Kopf, LL.M. über die Beschwerde des XXXX in 4614 Marchtrenk, XXXX vertreten durch Mag. Dr. Reinhard Selendi Rechtsanwalts KG in 4600 Wels, Freiung 14, gegen den Bescheid der Oberösterreichische Gebietskrankenkasse vom 28.11.2017, 14-2017-BE-VER10-0002X, betreffend Haftung für Beiträge zur Sozialversicherung gemäß § 67 Abs. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer war vom 10.12.2014 bis zum 24.10.2017 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX (nunmehr XXXX in Liquidation) mit Sitz in Marchtrenk, XXXX des Landesgerichtes Wels, und auch im Ausmaß von 50% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt.

Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 10.06.2016 zu XXXX wurde über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und Mag. Martin Edelmann zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 10.06.2016 wurde die Gesellschaft aufgelöst (§ 84 Abs. 1 Z. 4 GmbHG).

Nach Schlussverteilung wurde das Konkursverfahren mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 22.09.2017 aufgehoben. Der Beschwerdeführer vertritt die XXXX in Liquidation seither als Abwickler. Die Firma wurde am 12.12.2017 wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

2. Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens und Gewährung rechtlichen Gehörs wurde der Beschwerdeführer mit dem hier angefochtenen Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 28.11.2017, 14-2017-BE-VER10-0002X, als vertretungsbefugtes Organ der XXXX verpflichtet, Beitragsrückstände dieser Gesellschaft zur Sozialversicherung samt Nebengebühren und Verzugszinsen im Betrag von EUR 6.742,34 der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse zu bezahlen.

3. Gegen den vorstehend angeführten, dem Beschwerdeführer am 04.12.2017 im Wege der Hinterlegung zugestellten Bescheid der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse richtet sich die fristgerecht im Wege der nunmehrigen rechtsfreundlichen Vertretung eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht, in welcher die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides und eventualiter die Zurückverweisung der Rechtssache an die Behörde erster Instanz zur Ergänzung des Ermittlungsverfahrens beantragt wird.

In der Sache bringt der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX gewesen und habe das Konkursverfahren vor dem Landesgericht Wels mit einer Schlussverteilungsquote von 24.6093 % abgeschlossen werden können. Aus dem bezughabenden Akt des Landesgerichtes Wels ergebe sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund der vorhandenen liquiden Mittel und ausgefallener Aufträge nicht in der Lage gewesen sei, die offenen Verbindlichkeiten zu begleichen. Ein Verschulden des Beschwerdeführers könne daraus jedoch nicht abgeleitet werden.

Die besondere Behauptungs- und Beweislast der Behörde könne im gegebenen Zusammenhang nicht dermaßen überspannt werden, dass die Behörde von jeder Ermittlungspflicht entbunden wäre. Diese Ermittlungspflicht sei im gegenständlichen Fall verletzt worden und hätte bereits die Einsichtnahme in den Konkursakt des Landesgerichtes Wels ergeben, dass ein schuldhaftes Verhalten des Beschwerdeführers nicht vorliegen würde.

4. Die Beschwerdevorlage der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse wurde am 15.01.2019 zur Post gegeben und langte am 17.01.2019 beim Bundesverwaltungsgericht ein. Die Rechtssache wurde in weiterer Folge der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

5. Mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 28.01.2019 wurde die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse zur Vorlage fehlender Aktenteile aufgefordert. Der Aufforderung wurde fristgerecht entsprochen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer XXXX , geb. XXXX , vom 10.12.2014 bis zum 24.10.2017 alleiniger handelsrechtlicher Geschäftsführer der XXXX (nunmehr XXXX ) mit Sitz in der politischen Gemeinde Marchtrenk, XXXX des Landesgerichtes Wels, und auch im Ausmaß von 50% am Stammkapital der Gesellschaft beteiligt.

1.2. Der erste und gleichzeitig letzte für die XXXX eingereichte Jahresabschluss betrifft das Geschäftsjahr 2014. Der Jahresabschluss weist einen Bilanzverlust von EUR 4.240,45 aus.

1.3. Mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 10.06.2016 zu XXXX wurde aufgrund eines Antrages der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse über das Vermögen der Gesellschaft das Konkursverfahren eröffnet und Mag. Martin Edelmann zum Insolvenzverwalter bestellt. Mit dem Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses vom 10.06.2016 wurde die Gesellschaft aufgelöst (§ 84 Abs. 1 Z. 4 GmbHG).

1.4. Mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 22.09.2017 wurde das Konkursverfahren Schlussverteilung gemäß § 139 IO aufgehoben. Der Beschwerdeführer vertritt die XXXX seither als Abwickler. Die Firma wurde am 12.12.2017 wegen Vermögenslosigkeit amtswegig gelöscht.

1.5. Die XXXX hat fällige Sozialversicherungsbeiträge für die Monate Juni 2015, September 2015, Oktober 2015, November 2015, Dezember 2015 und Januar 2016 betreffend nicht entrichtet. Nach Abzug der Zahlungen im Insolvenzverfahren haften für diesen Zeitraum restliche und bei der XXXX uneinbringliche Beiträge laut Rückstandsausweis vom 28.11.2017 im Gesamtbetrag von € 6.742,34 zuzüglich Verzugszinsen zugunsten der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse aus.

1.6. Der Beschwerdeführer hat im verwaltungsbehördlichen Verfahren trotz Aufforderung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse kein entsprechendes (rechtlich relevantes) Vorbringen erstattet und keine Beweise dahingehend vorgelegt, dass er im fraglichen Zeitraum über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet hat bzw. dass er zwar über Mittel verfügt hat, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten nicht oder nur zum Teil beglichen und die Oberösterreichische Gebietskrankenkasse somit nicht benachteiligt hat.

Es kann somit nicht festgestellt werden, dass es im Hinblick auf die nicht entrichteten Beiträge zur Sozialversicherung zu einer Gläubigergleichbehandlung gekommen ist.

1.6. Der weitere Verfahrensgang gestaltete sich wie unter Punkt I. dieser Erledigung dargestellt.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Die vorstehend getroffenen Feststellungen beruhen auf dem Inhalt der seitens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vorgelegten Akten des verwaltungsbehördlichen Verfahrens.

2.2. Die Feststellungen zu den gesellschaftsrechtlichen Vorgängen sowie zum Insolvenzverfahren betreffend die XXXX gründen sich auf die bezughabenden Eintragungen im offenen Firmenbuch. Die organschaftliche Stellung des Beschwerdeführers wurde von diesem selbst nicht bestritten.

2.3. Die von der XXXX nicht beglichenen Beiträge zur Sozialversicherung ergeben sich aus dem im Verwaltungsakt aufliegenden Rückstandsausweisen vom 08.11.2017 bzw. vom 28.11.2016, wobei die Höhe des Beitragsrückstandes in der Beschwerde nicht bestritten wird.

Der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zufolge ist ein Rückstandsausweis eine öffentliche Urkunde und begründet gemäß § 292 ZPO vollen Beweis über seinen Inhalt, also die Abgabenschuld; die gegenständliche Aufschlüsselung entsprach zudem den Vorgaben des § 64 Abs. 2 ASVG, wonach der rückständige Betrag, die Art des Rückstands samt Nebengebühren, der Zeitraum, auf den die rückständigen Beiträge entfallen, allenfalls vorgeschriebene Verzugszinsen, Beitragszuschläge und sonstige Nebengebühren anzuführen sind (VwGH 12.01.2016, Ra 2014/08/0028). Schon deshalb war die unter Punkt 1.5. angeführte Feststellung zu treffen.

2.4. Was die unter Punkt 1.6. getroffene Feststellung anbelangt wird aufgrund des diesbezüglich engeren Zusammenhangs auf die Ausführungen im Rahmen der rechtlichen Beurteilung verwiesen und ergibt sich ferner in diesem Zusammenhang aus dem Akteninhalt eindeutig, dass der Beschwerdeführer auf die ihm nachweislich zugestellte Aufforderung der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 08.11.2017 zur Vorlage von Beweismitteln zur Prüfung der Gläubigergleichbehandlung nicht reagierte. Der Beschwerde waren ebenfalls keine Unterlagen zur Prüfung der Gläubigergleichbehandlung beigefügt, obwohl der Beschwerdeführer nach wie vor als Abwickler der Gesellschaft ausgewiesen und im Beschwerdeverfahren rechtsanwaltlich vertreten ist.

Der Beschwerdeführer rügt in seinem Rechtsmittel im Ergebnis lediglich die unterbliebene Einsichtnahme in den Insolvenzakt betreffend die XXXX . Aus den Akten des Landesgerichtes Wels ergebe sich, dass der Beschwerdeführer aufgrund der vorhandenen liquiden Mittel und ausgefallener Aufträge nicht in der Lage gewesen sei, die offenen Verbindlichkeiten zu begleichen.

Aufgrund dieses Vorbringens wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichtes der Insolvenzakt des Landesgerichtes Wels zu XXXX beigeschafft. Daraus ergibt sich zunächst, dass die XXXX nach ihrer Gründung für die XXXX aufgrund eines XXXX Transporte durchführte und dazu von einer Autovermietung gemietete Klein-LKW genutzt wurden. Zunächst beschäftigte die XXXX drei Mitarbeiter, dann vier Mitarbeiter. Mit Schreiben vom 23.11.2015 sei der XXXX seitens der überraschend und entgegen anderslautender mündlicher Zusagen im Vorfeld zum 31.12.2015 gekündigt worden und damit die Geschäftsgrundlage weggefallen. Der Beschwerdeführer habe daraufhin die Dienstnehmer gekündigt, die Fahrzeuge zurück- und die Geschäftstätigkeit eingestellt. Aus einer Saldenliste des Jahres 2015 ergebe sich, dass bereits im ersten Jahr der Geschäftstätigkeit ein Verlust von ca. EUR 8.100,00 entstanden sei. Zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe die Gesellschaft über keine Dienstnehmer verfügt, da diese bereits zuvor aufgelöst wurden. Betriebsmittel wären ebenfalls keine vorhanden und die angemieteten Klein-LKW bereits zurückgestellt worden (ON 6 des Insolvenzaktes).

Bis zur Prüfungstagsatzung wurden an Forderungen seitens der Allgemeinen Sparkasse Oberösterreich eine Forderung von EUR 1.045,40 aufgrund eines überzogenen Girokontos (samt Zinsen und Spesen), seitens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse eine Forderung von EUR 15.834,81 an offenen Beiträgen zur Sozialversicherung (samt Zinsen und Zuschlägen) und seitens der Republik Österreich (Finanzamt Grieskirchen Wels) eine Abgabenforderung von EUR 13.262,16 angemeldet. Sämtliche Forderungen wurden anerkannt. Weitere Forderungen wurden in der Folge nicht angemeldet (ON 14 des Insolvenzaktes).

Vom Masseverwalter konnten EUR 1.000,00 von der XXXX und (in Gestalt eines Prämienvergleichs) EUR 10.000,00 von den Gesellschaftern an aushaftenden Stammeinlagen einbringlich gemacht werden, sodass nach Abzug der Kosten des Verfahrens an die Gläubiger schließlich ein restliches Massevermögen von EUR 7.416,00 ausgeschüttet werden konnte. Das entspricht einer Quote von 24,609353% (ON 15 des Insolvenzaktes).

Der Inhalt des Insolvenzaktes des Landesgerichtes Wels zu XXXX lässt somit - in Ermangelung näherer Informationen über die Gebarung der XXXX bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens - entgegen dem Vorbringen in der Beschwerde nicht erkennen, dass es im Hinblick auf die nicht entrichteten Beiträge zur Sozialversicherung zu einer Gläubigergleichbehandlung gekommen ist. Ausgehend davon kann in Ermangelung eines konkreten sachverhaltsbezogenen Vorbringens und vorliegender geeigneter Beweismittel nicht festgestellt werden, dass es zu einer Gläubigergleichbehandlung gekommen ist. Aus diesem Grund war der Beschwerdeführer auch nicht zu einer (weiteren) Konkretisierung seins Vorbringens aufzufordern.

Wiewohl mangels eines konkreten sachverhaltsbezogenen Vorbringens nicht entscheidungswesentlich ist ergänzend festzuhalten, dass die Berichterstattung des Masseverwalters und die Tatsache, dass wesentliche Insolvenzforderungen lediglich von der Sozialversicherung und der Abgabenverwaltung angemeldet wurden, nahelegt, dass keine Gläubigergleichbehandlung stattgefunden hat. Die XXXX verfügte nämlich über zumindest vier Dienstnehmer und gemietete Klein-LKW zur Durchführung der beauftragten Transporte aufgrund des XXXX bis zu dessen Ende am 31.12.2015. Nach dem Auslaufen des XXXX wurden die Dienstverhältnisse seitens der XXXX aufgelöst und die Klein-LKW zurückgestellt. Im Rahmen des Insolvenzverfahrens wurden keine Forderungen aus Dienstverhältnissen, keine Forderungen aus Lieferungen und Leistungen und insbesondere keine Forderungen aufgrund der Anmietung von Klein-LKW angemeldet. Dies lässt nur den Schluss zu, dass die Entgelte der Dienstnehmer bzw. die Forderungen der Autovermietung bedient wurden, während die XXXX der Sozialversicherung und auch der Abgabenverwaltung bereits im Juni bzw. im September 2015 fällige Beträge schuldig blieb. Eine Gläubigergleichbehandlung lässt der Inhalt des Insolvenzaktes des Landesgerichtes Wels zu XXXX somit jedenfalls nicht erkennen.

Der Insolvenzakt des Landesgerichtes Wels lässt schließlich erkennen, dass der Beschwerdeführer bei der Prüfungstagsatzung vor dem Landesgericht Wels am 01.09.2016 und bei der Schlussverteilungstagsatzung am 07.09.2016 jeweils persönlich anwesend war, der vorstehend angesprochene Bericht des Masseverwalters und die angemeldeten Forderungen sind ihm daher bekannt, sodass der Inhalt des Insolvenzaktes des Landesgerichtes Wels schon aus diesem Grund nicht zu Gehör gebracht werden musste. Keine Verpflichtung zur Vorhaltung eines Beweisergebnisses an die Partei besteht nämlich hinsichtlich der eigenen Angaben der Partei oder Beweismitteln, die sie selbst vorgelegt oder auf die sich die Partei selbst berufen hat (VwGH 25.09.2014, Zl. 2011/07/0006 mwN).

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Gemäß § 67 Abs. 10 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955 idF BGBl. I Nr. 23/2019, haften die zur Vertretung juristischer Personen oder Personenhandelsgesellschaften (offene Gesellschaft, Kommanditgesellschaft) berufenen Personen und die gesetzlichen Vertreter natürlicher Personen im Rahmen ihrer Vertretungsmacht neben den durch sie vertretenen Beitragsschuldnern für die von diesen zu entrichtenden Beiträge insoweit, als die Beiträge infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können. Vermögensverwalter haften, soweit ihre Verwaltung reicht, entsprechend.

Gemäß § 56 Abs. 5 ASVG haben VertreterInnen juristischer Personen, die gesetzlichen VertreterInnen natürlicher Personen und die VermögensverwalterInnen (§ 80 BAO) alle Pflichten zu erfüllen, die den von ihnen Vertretenen obliegen, und sind befugt, die diesen zustehenden Rechte wahrzunehmen. Sie haben insbesondere dafür zu sorgen, dass die Beiträge jeweils bei Fälligkeit aus den Mitteln, die sie verwalten, entrichtet werden.

Durch das SRÄG 2010 wurde der Anwendungsbereich des § 67 Abs. 10 ASVG dahingehend erweitert, dass durch die Einfügung des § 58 Abs. 5 ASVG den dort angeführten Vertretern die Erfüllung der sozialversicherungsrechtlichen Verpflichtungen der von ihnen Vertretenen übertragen wurde. Eine Verletzung der diesbezüglichen Pflichten ist daher nunmehr Anknüpfungspunkt der Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG (VwGH 15.11.2017, Ro 2017/08/0001).

3.2. Die Haftung des Geschäftsführers nach § 67 Abs. 10 ASVG ist der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zufolge ihrem Wesen nach eine dem Schadenersatzrecht nachgebildete Verschuldenshaftung, die den Geschäftsführer deshalb trifft, weil er seine gesetzliche Verpflichtung zur rechtzeitigen Entrichtung von Beiträgen schuldhaft (leichte Fahrlässigkeit genügt) verletzt hat. Eine solche Pflichtverletzung kann darin liegen, dass der Geschäftsführer die fälligen Beiträge ohne rechtliche Grundlage insoweit schlechter behandelt als sonstige Gesellschaftsschulden, als er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt, bzw. - im Falle des Fehlens ausreichender Mittel - nicht für eine zumindest anteilige Befriedigung auch der Forderungen der Sozialversicherungsanstalt Sorge trägt. Der Geschäftsführer wäre nur dann exkulpiert, wenn er entweder nachweist, im fraglichen Zeitraum, in dem die Beiträge fällig geworden sind, insgesamt über keine Mittel verfügt und daher keine Zahlungen geleistet zu haben, oder zwar über Mittel verfügt zu haben, aber wegen der gebotenen Gleichbehandlung mit anderen Gläubigern die Beitragsschuldigkeiten - ebenso wie die Forderungen aller anderen Gläubiger - nicht oder nur zum Teil beglichen zu haben, die Beitragsschuldigkeiten also nicht in Benachteiligung der Gebietskrankenkasse in einem geringeren Ausmaß beglichen zu haben als die Forderungen anderer Gläubiger (VwGH 20.06.2018, Ra 2018/08/0039 mwN).

Die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG setzt die Uneinbringlichkeit der Beiträge, die Stellung des Haftenden als Vertreter, eine Pflichtverletzung des Vertreters und dessen Verschulden an der Pflichtverletzung, deren Ursächlichkeit für die Uneinbringlichkeit sowie den Rechtswidrigkeitszusammenhang voraus (VwGH 11.04.2018, Ra 2015/08/0038 mwN).

Eine die Haftung begründende Pflichtverletzung kann insbesondere darin bestehen, dass der Vertreter die fälligen Beitragsschulden (ohne rechtliche Grundlage) schlechter behandelt als sonstige Verbindlichkeiten, indem er diese bedient, jene aber unberichtigt lässt bzw. im Fall des Fehlens ausreichender Mittel nicht für eine zumindest anteilsmäßige Befriedigung Sorge trägt (VwGH 07.10.2015, Ra 2015/08/0040). In subjektiver Hinsicht reicht für die Haftung nach § 67 Abs. 10 ASVG leichte Fahrlässigkeit aus (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070).

3.3. In prozessualer Hinsicht trifft nach der ebenfalls ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ungeachtet der grundsätzlichen amtswegigen Ermittlungspflicht den Vertreter die besondere Verpflichtung darzutun, aus welchen Gründen ihm die Erfüllung der Verpflichtungen unmöglich war, widrigenfalls eine schuldhafte Pflichtverletzung angenommen werden kann. Stellt er dabei nicht bloß ganz allgemeine, sondern einigermaßen konkrete sachbezogene Behauptungen auf, so ist er zur weiteren Präzisierung und Konkretisierung des Vorbringens aufzufordern, wenn auf Grund dessen - nach allfälliger Durchführung eines danach erforderlichen Ermittlungsverfahrens - die Beurteilung des Bestehens einer Haftung möglich ist. Kommt er dieser Aufforderung nicht nach, so bleibt die Behörde zur Annahme berechtigt, dass er seiner Pflicht schuldhaft nicht entsprochen hat (VwGH 12.10.2017, Ra 2017/08/0070). Der Vertreter haftet dann für die Beitragsschulden zur Gänze, weil ohne entsprechende Mitwirkung auch der durch sein schuldhaftes Verhalten uneinbringlich gewordene Anteil nicht festgestellt werden kann (VwGH 21.09.1999, Zl. 99/08/0065; 11.04.2018, Ra 2015/08/0038).

3.4. Der Beschwerdeführer wurde im gegenständlichen Fall seitens der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse mit ihm nachweislich zugestellter Note vom 08.11.2017 nach Darlegung der gesetzlichen Bestimmungen und Übermittlung des bezughabenden Rückstandsausweises aufgefordert, zum Sachverhalt Stellung zu nehmen bzw. persönlich vorzusprechen.

Dieser Aufforderung kam der Beschwerdeführer nicht nach.

Im angefochtenen Bescheid vom 28.11.2017 wurden die zur Haftung des Beschwerdeführers führenden gesetzlichen Bestimmungen neuerlich dargelegt und explizit darauf hingewiesen, dass es eine Obliegenheit des Beschwerdeführers darstellen würde, die Gründe darzulegen, dass er ohne Verschulden an der Erfüllung seiner Pflichten als Geschäftsführer (wobei § 58 Abs. 5 ASVG erwähnt wird) gehindert war und ein solcher Nachweise (bislang) nicht erbracht wurde.

In der Beschwerde wird lediglich sinngemäß darauf hingewiesen, dass die Zahlungsunfähigkeit der XXXX infolge ausgefallener Aufträge eingetreten sei und mangels liquider Mittel "die offenen Verbindlichkeiten" nicht hätten bezahlt werden können. Ein Verschulden des Beschwerdeführers könne daraus nicht abgeleitet werden.

Dieses Vorbringen mag zutreffen, es erweist sich jedoch im gegebenen Kontext als nicht relevant. Haftungsbegründend ist die Ungleichbehandlung der Gläubiger zu Lasten der Sozialversicherung sowie die im gegenständlichen Verfahren ausweislich der zitierten Rechtsprechung bestehende Mitwirkungspflicht, zumindest konkrete sachbezogene Behauptungen aufzustellen. Die Frage, ob den Beschwerdeführer ein Verschulden an der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft trifft, ist nicht Gegenstand des Verfahrens, sondern geht es vielmehr darum, ob ihn ein Verschulden an der nicht ordnungsgemäßen (rechtzeitigen) Beitragsentrichtung vor Insolvenzeröffnung trifft. Es ist somit nicht die Schuldlosigkeit des Vertreters an den schlechten wirtschaftlichen Verhältnissen der Gesellschaft oder an der Eröffnung des Insolvenzverfahrens relevant, sondern die Gleichbehandlung der Sozialversicherungsbeiträge mit den anderen Verbindlichkeiten in Bezug auf ihre Bezahlung (vgl. Derntl in Sonntag [Hrsg.], ASVG9 § 67 Rz 80c). Konkrete sachbezogene Behauptungen etwa des Inhalts, dass ab einem gewissen Zeitpunkt fällige Forderungen nur mehr anteilsmäßig bedient wurden oder ab dem Monat Juni 2015 gar keine fälligen Forderungen mehr bedient wurden, lassen sich der Beschwerde nicht entnehmen. Der pauschale Verweis in der Beschwerde auf den Inhalt des Insolvenzaktes des Landesgerichtes Wels kann in diesem Zusammenhang nicht als konkrete sachbezogene Behauptung angesehen werden, zumal nicht ausgeführt wird, durch welche konkreten Maßnahmen der Beschwerdeführer eine Gläubigergleichbehandlung hergestellt hat (und sich solche Maßnahmen auch nicht aus dem Inhalt des Insolvenzaktes ergeben, der im Beschwerdeverfahren wie beantragt eingesehen wurde).

Dem - im Beschwerdeverfahren rechtsanwaltlich vertretenen - Beschwerdeführer musste in Anbetracht der Ausführungen im Schreiben der Oberösterreichischen Gebietskrankenkasse vom 08.11.2017 und im angefochtenen Bescheid vom 27.11.2018 auch bewusst gewesen sein, auf welchen haftungsbegründenden Tatbestand die gegenständliche Inanspruchnahme gestützt wird. Einerseits ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als organschaftlicher Vertreter einer Kapitalgesellschaft die Vorschriften über seine Pflichten als Geschäftsführer kennen muss. Andererseits darf bei gerade bei der Inanspruchnahme einer rechtsanwaltlichen Vertretung davon ausgegangen werden, dass schon das Zitieren der gesetzlichen Grundlagen dem rechtsfreundlichen Vertreter eine eindeutige Einordnung des Sachverhaltes gestattet.

Da der Beschwerdeführer somit - trotz entsprechender Aufforderung und mehrfacher Gelegenheit - keinerlei Beweismittel betreffend Gläubigergleichbehandlung in Vorlage brachte und auch keine konkreten sachbezogenen Behauptungen aufgestellt hat, haftet er wie im bekämpften Bescheid zutreffend ausgesprochen für die von der Haftung betroffenen Beitragsschuldigkeiten zur Gänze. Dass die Haftung auch Beitragsrückstände umfasst, die im Monat vor der Bestellung zum Geschäftsführer fällig geworden sind, ist nicht rechtswidrig. Auch ein Vertreter, der dies erst zu einem Zeitpunkt wird, zu dem bereits Beitragsschulden bestehen, die ohne seine Mitwirkung zustande gekommen sind, hat sich ab dem Eintritt seiner Verantwortlichkeit um die Berichtigung dieser Beitragsschulden aus den vorhandenen Mitteln bzw. um die Gleichbehandlung dieser Verbindlichkeiten mit anderen Schulden entsprechend zu kümmern, widrigenfalls er auch für diese Verbindlichkeiten haftet (Müller in Mosler/Müller/Pfeil, Der SV-Komm § 67 ASVG Rz 125).

3.5. Der Beschwerde kommt aufgrund der vorstehenden Erwägungen keine Berechtigung zu, sodass diese gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG iVm § 67 Abs. 10 ASVG als unbegründet abzuweisen ist.

3.6. Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteienantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union entgegenstehen.

Im vorliegenden Fall ergibt sich der für die Entscheidung maßgebliche Sachverhalt eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und lässt die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten. Die Notwendigkeit der Durchführung einer Verhandlung ist auch im Hinblick auf Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 GRC nicht ersichtlich. Auch nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt unbestritten und die Rechtsfrage von keiner besonderen Komplexität ist (VfSlg. 17.597/2005; VfSlg. 17.855/2006; zuletzt etwa VfGH 18.6.2012, B 155/12).

Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich eindeutig aus den Akten des Verwaltungsverfahrens und dem beigeschafften Insolvenzakt des Landesgerichtes Wels, sodass von einer mündlichen Erörterung - die im Übrigen nicht beantragt wurde - keine weitere Klärung des Sachverhalts zu erwarten ist. Strittig sind lediglich Rechtsfragen, weshalb von einer mündlichen Verhandlung gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG Abstand genommen werden konnte.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen und vorstehend zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Haftung des Vertreters gemäß § 67 Abs. 10 ASVG, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Geschäftsführer, Gleichbehandlung, Haftung, Nachweismangel,
Uneinbringlichkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:L521.2213120.1.00

Zuletzt aktualisiert am

09.07.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten