TE OGH 2019/5/28 4Ob66/19p

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Veröffentlicht am 28.05.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Vogel als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Schwarzenbacher, Hon.-Prof. Dr. Brenn, Priv.-Doz. Dr. Rassi und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** P*****, vertreten durch Dr. Erich Kafka und Dr. Manfred Palkovits, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei L***** P*****, vertreten durch Dr. Gerhard Deinhofer und Dr. Friedrich Petri, Rechtsanwälte in Wien, wegen 64.450 EUR sA und Räumung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 16. Jänner 2019, GZ 40 R 204/18y-31, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Döbling vom 11. April 2018, GZ 9 C 440/16s-27, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

I. Das angefochtene Urteil ist im Umfang der in der Revisionsbeantwortung erfolgten Klagseinschränkung um das Räumungsbegehren wirkungslos.

II. Im Übrigen wird die Revision zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.359,80 EUR (darin enthalten 393,30 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Der Beklagte war aufgrund des Mietvertrags vom 22. 12. 2006 ab 1. 1. 2007 Mieter des Hauses 2 auf einer Liegenschaft in Wien; der vereinbarte Bruttomietzins belief sich auf monatlich 4.290 EUR. Das Mietverhältnis war zunächst bis 31. 10. 2010 befristet; in der Folge wurde es bis zum 31. 10. 2016 verlängert.

Die Liegenschaft steht jeweils im Hälfteeigentum des Klägers und seines Bruders. Das Benützungs- und Verwertungsrecht am Haus 2 steht aufgrund einer Benützungsregelung dem Kläger alleine zu. Darüber hinaus erklärte der Bruder des Klägers sein ausdrückliches Einverständnis zur Vermietung des Hauses 2 durch den Kläger sowie zur Wahrnehmung aller damit verbundenen Rechte und Verpflichtungen durch diesen.

Im vorliegenden Verfahren begehrte der Kläger die Zahlung des offenen Mietzinses für Oktober 2016 sowie der Benützungsentgelte ab November 2016 in Höhe von insgesamt 64.450 EUR sA. Gleichzeitig erklärte er die Auflösung des Mietverhältnisses gemäß § 1118 ABGB und begehrte, den Beklagten schuldig zu erkennen, ihm das Bestandobjekt binnen 14 Tagen geräumt zu übergeben. Das Mietverhältnis habe vereinbarungsgemäß am 31. 10. 2016 geendet. Der Beklagte habe das Bestandobjekt allerdings nicht zurückgestellt. Außerdem habe dieser trotz Mahnung den ausständigen Mietzins sowie das dem Kläger zustehende Benützungsentgelt nicht gezahlt, weshalb der Beklagte auch zur Räumung zu verpflichten sei.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung mit 36.679,50 EUR sA als zu Recht bestehend, die eingewendete Gegenforderung (Rückforderung in der Vergangenheit angeblich zu viel gezahlter Mietzinse) – bis zur Höhe der Klagsforderung – hingegen als nicht zu Recht bestehend fest und verurteilte den Beklagten daher zur Zahlung von 36.679,50 EUR sA; das Mehrbegehren in Höhe von 27.770,50 EUR sA wies es ab. Gleichzeitig verpflichtete das Erstgericht den Beklagten, das in Rede stehende Bestandobjekt binnen 14 Tagen geräumt von eigenen Fahrnissen dem Kläger zu übergeben. Der Hälfteeigentümer könne auch im eigenen Namen einen Mietvertrag aufkündigen, wenn die von der Auflösungserklärung erteilte Zustimmung der Miteigentümergemeinschaft im Auflösungsprozess nachgewiesen werde. Die vom Beklagten (für die Vergangenheit) geltend gemachte Zinsminderung sei ausgeschlossen, wenn der Mieter – wie hier – in Kenntnis der Mängel vorbehaltlos den Vertrag abschließe bzw das Mietobjekt übernehme, oder wenn er trotz Kenntnis der Befreiungsgründe vorbehaltlos einen bestimmten Mietzins vereinbare oder zahle. Minderungsansprüche stünden dem Beklagten daher nur für den Zeitraum November 2016 bis Juli 2017 zu. Da sich die Gebrauchsbeeinträchtigung aber nur auf das Heißwasser in einem Badezimmer (von mehreren) und das Schloss der Eingangstüre beziehe, sei eine Zinsminderung von 5 % angemessen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der (aktuellen) Rechtsprechung sei der Minderheitseigentümer jedenfalls dann alleine zur Räumungsklage nach § 1118 ABGB berechtigt, wenn er im Zuge des Kündigungsverfahrens die Zustimmung jener Miteigentümer nachweise, denen mit ihm zusammen die Mehrheit der Anteile gehöre. Auch die vom Erstgericht ermittelte Mietzinsminderung sei angemessen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil zu der hier fraglichen Aktivlegitimation für eine Räumungsklage eines (aufgrund einer Benützungsvereinbarung) alleine zur Vermietung berechtigten Miteigentümers divergierende Judikaturlinien bestünden.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

In seiner Revisionsbeantwortung führt der Kläger zunächst aus, dass ihm zwischenzeitlich die höchstgerichtliche Entscheidung zu 4 Ob 100/18m im Parallelverfahren zugestellt worden sei und er damit hinsichtlich des in Rede stehenden Bestandobjekts über einen rechtskräftigen Räumungstitel verfüge. Aus diesem Grund schränke er das Klagebegehren um das Räumungsbegehren ein. Im Übrigen beantragt er, die Revision des Beklagten zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

I. Zur Einschränkung des Klagebegehrens:

1.1 Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist eine Klagseinschränkung im Rechtsmittelverfahren – solange eine gänzliche Klagsrücknahme zulässig ist – unter denselben Voraussetzungen wie im Verfahren erster Instanz zulässig, wobei die Einschränkung des Klagebegehrens nicht an die Voraussetzungen der Klagsrücknahme gebunden ist (RIS-Justiz RS0039644). Dies gilt auch im Revisionsverfahren, wobei die Klagseinschränkung auch in der Revisionsbeantwortung erfolgen kann (2 Ob 275/05p; 6 Ob 19/16m). Ein solcher Fall der Klagseinschränkung liegt auch dann vor, wenn – wie hier – das zunächst erhobene Mietzins- und Räumungsbegehrens nur um das Räumungsbegehren eingeschränkt wird, weil in diesem Fall weiterhin über ein Sachbegehren zu entscheiden ist. Die Rechtsprechung, wonach eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz im Revisionsstadium ausgeschlossen ist, wird unter Hinweis auf § 528 ZPO damit begründet, dass in diesem Fall das Rechtsmittel nur mehr den Kostenpunkt beträfe (RS0039247). Eine Einschränkung des Klagebegehrens auf Kostenersatz liegt aber nur dann vor, wenn nur mehr eine reine Kostenentscheidung zu treffen ist und dementsprechend das gesamte Klagebegehren in der Hauptsache fallen gelassen wird (vgl 10 ObS 151/13y; 8 Ob 62/15y). Dies ist hier nicht der Fall.

1.2 Im Hinblick auf die vom Kläger in den Revisionsverfahren vorgenommene Klagseinschränkung war gemäß §§ 483 Abs 3, 513 ZPO auszusprechen, dass die angefochtene Entscheidung im Umfang der Klagseinschränkung wirkungslos ist.

II. Zur Mietzinsminderung:

2.1 Die Ausführungen in der Revision betreffen hauptsächlich die Frage der Aktivlegitimation für das Räumungsbegehren, das aber nicht mehr Gegenstand des Revisionsverfahrens ist (vgl 8 Ob 34/17h).

Zur Frage der Mietzinsminderung verweist die Revision zunächst auf die „gesicherte Judikatur“, wonach ein Bestandnehmer, der Zweifel an der Bestandzinsschuld hat, gezahlte Bestandzinse nur dann zurückfordern kann, wenn er dazu einen Vorbehalt erklärt hat (RS0033612). Im Anschluss daran argumentiert der Beklagte, dass im Anlassfall keine vorbehaltlose Zahlung der Mietzinse für die Vergangenheit vorliege, weil er mit seinem in englischer Sprache verfassten Schreiben vom 13. 3. 2013 mit ausreichender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht habe, dass er den Mietzins nur unter dem Vorbehalt der Rückforderung leisten wolle; bei der Beurteilung sei zu berücksichtigen, dass er der deutschen Sprache nicht kundig sei.

2.2 Nach § 1096 Abs 1 zweiter Satz ABGB wird der Bestandnehmer für die Dauer und in dem Maße der Unbrauchbarkeit des Bestandobjekts von der Entrichtung des Mietzinses befreit, wenn das Bestandobjekt bei der Übergabe derart mangelhaft ist oder es während der Bestandzeit ohne Beitrag des Übernehmers derart mangelhaft wird, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt. Der Anspruch besteht ab Beginn der Unbrauchbarkeit bzw Gebrauchsbeeinträchtigung bis zu deren Behebung. Das Ausmaß der Zinsminderung richtet sich dabei nach Grad und Dauer der Beeinträchtigung, wobei der Vertragszweck im Vordergrund steht. Keine Mietzinsminderung steht allerdings dann zu, wenn die Gebrauchsbeeinträchtigung vom Bestandnehmer zu vertreten ist, soweit er den Mangel selbst verursacht hat; in diesem Fall ist sein Anteil an der Gebrauchsminderung entsprechend zu berücksichtigen (8 Ob 34/17h mwN).

2.3 Abgesehen davon, dass die Frage, ob und in welchem Ausmaß eine Mietzinsminderung berechtigt ist, von den konkreten Umständen des Einzelfalls abhängig ist und daher grundsätzlich keine erhebliche Rechtsfrage begründet (RS0021324 [T3]), lässt sich der Revision nicht entnehmen, welche Rechtsfolgen der Beklagte aus seinen Argumenten ableitet, konkret, aufgrund welcher Mängel er welche Mietzinsminderung für welche Perioden in Anspruch nehmen will. Damit lässt sich die Entscheidung des Berufungsgerichts anhand der Ausführungen in der Revision nicht überprüfen, weshalb die Rechtsrüge nicht dem Gesetz entsprechend ausgeführt ist (vgl RS0043605). Dies führt zur Zurückweisung der Revision.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Der Kläger hat in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen. Angemerkt wird, dass nach den Ausführungen in den Rechtsmittelschriftsätzen beider Parteien der Grund für die Einschränkung des Klagebegehrens um das Räumungsbegehren in der Klaglosstellung des Klägers nach Zustellung der Entscheidung zu 4 Ob 100/18m liegt.

Textnummer

E125379

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0040OB00066.19P.0528.000

Im RIS seit

03.07.2019

Zuletzt aktualisiert am

20.02.2020
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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