TE Vfgh Erkenntnis 1997/2/24 B3216/95

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Veröffentlicht am 24.02.1997
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Index

41 Innere Angelegenheiten
41/03 Personenstandsrecht

Norm

B-VG Art83 Abs2
AVG §8
NamensänderungsG §8
NamensrechtsänderungsG
ABGB §154 Abs2
ABGB §178 Abs1

Leitsatz

Verletzung im Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter durch die Versagung der Parteistellung für den geschiedenen Vater im Verfahren zur Namensänderung seiner ehelichen minderjährigen Tochter; Rechtsanspruch des Beschwerdeführers auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seiner Tochter aufgrund der zivilrechtlichen Regelungen des Kindschaftsrechts

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines bevollmächtigten Vertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Der minderjährige Sohn des Beschwerdeführers beantragte, vertreten durch seine Mutter als alleinige gesetzliche Vertreterin, beim Magistrat der Stadt Wien die Änderung seines Vornamens. Der Beschwerdeführer ist der eheliche Vater des Antragstellers.

In der Amtsbestätigung des Bezirksgerichtes Fünfhaus vom 16. April 1993, Zl. P 132/92, wurde festgehalten, daß die gesetzliche Vertretung nur der Kindesmutter zusteht (§281 AußerstreitG). Das Magistrat der Stadt Wien bewilligte mit Bescheid vom 9.5.1995, Zl. MA 61/II-M 78/94, die Änderung des Vornamens. Dieser Bescheid wurde auch dem Beschwerdeführer zugestellt.

Die Berufung des Kindesvaters gegen den oben zitierten Bescheid wurde vom Wiener Landeshauptmann mit Bescheid vom 29. August 1995, Zl. MD-VfR-M 14/95, mangels Parteistellung zurückgewiesen. Dieser Bescheid stützt sich auf §8 Abs1 des Namensänderungsgesetzes 1988 (im folgenden: NÄG 1988) idF BGBl. 25/1995.

2. Gegen diesen Berufungsbescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt wird.

3. Der Landeshauptmann von Wien als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet. Auch der Sohn des Beschwerdeführers, vertreten durch die Kindesmutter, gab als beteiligte Partei eine Äußerung ab.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), indem sie etwa zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985).

2. Da für die Berufungsbehörde jene Rechtslage maßgeblich ist, die im Zeitpunkt der Entscheidung gilt, hat die belangten Behörde entsprechend der Übergangsbestimmung in der Novelle zum NÄG, BGBl. 25/1995, (§10 Abs2a) zu Recht das NÄG 1988 idF BGBl. 25/1995 angewendet.

Die für den vorliegenden Fall wesentliche Bestimmung im NÄG 1988 idF BGBl. 25/1995 lautet:

"Parteien

§8. (1) Die Stellung einer Partei kommt in einem Verfahren auf Änderung des Familiennamens oder Vornamens jedenfalls zu

1. dem Antragsteller;

2. der Person, die im Sinne des §3 Abs1 Z3 in ihren berechtigten Interessen berührt ist.

(2) Lassen sich Parteien nach Abs1 Z2 nicht nach §5 ermitteln, ist eine mündliche Verhandlung anzuberaumen und im Sinne des §41 AVG bekanntzumachen."

Die für den vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmungen des ABGB lauten wie folgt:

"Rechtsverhältnisse zwischen Eltern und ehelichen Kindern

§139. ...

...

§154. (1) ...

(2) Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils, die die Änderung des Vornamens oder des Familiennamens, ... betreffen, bedürfen zu ihrer Rechtswirksamkeit der Zustimmung des anderen Elternteils. ..."

(3) ...

Mindestrechte der Eltern

§178. (1) Soweit einem Elternteil die Obsorge nicht zukommt, hat er, außer dem Recht auf persönlichen Verkehr, das Recht, von außergewöhnlichen Umständen, die die Person des Kindes betreffen, und von beabsichtigten Maßnahmen zu den im §154 Abs2 und 3 genannten Angelegenheiten von demjenigen, dem die Obsorge zukommt, rechtzeitig verständigt zu werden und sich zu diesen, wie auch zu anderen wichtigen Maßnahmen, in angemessener Frist zu Dußern; dem Vater eines unehelichen Kindes, dem die Obsorge nie zugekommen ist, steht dieses Recht nur bezüglich wichtiger Maßnahmen der Pflege und Erziehung zu. Diese Äußerung ist zu berücksichtigen, wenn der darin ausgedrückte Wunsch dem Wohl des Kindes besser entspricht.

(2) ..."

Der Verfassungsgerichtshof hat sich bereits im Erkenntnis vom 4. Dezember 1996, B1481/96, und vom 23. Jänner 1997 1996, B3036/95, ausführlich mit der Frage der Parteistellung im Verfahren auf Änderung des Familiennamens aufgrund des durch die Novelle BGBl. 25/1995 geänderten §8 NÄG auseinandergesetzt:

"Nach dem Wortlaut des §8 Abs1 NÄG und insbesondere am Wort 'jedenfalls' zeigt sich, daß die Aufzählung der Parteien in §8 Abs1 NÄG durch den Gesetzgeber nicht erschöpfend erfolgt ist (so bereits die Erläuternden Bemerkungen zu §8 NÄG aF RV 467,

17. GP, 11). Da den Eltern eines minderjährigen Kindes im Gegensatz zum NÄG aF nunmehr Parteistellung nicht mehr explizit zukommt, ist daher unter Anwendung des §8 AVG zu prüfen, ob dem Beschwerdeführer im Namensänderungsverfahren seiner minderjährigen Tochter 'vermöge eines Rechtsanspruches oder eines rechtlichen Interesses' Parteistellung zukommt. §8 AVG enthält selbst keine Bestimmung darüber, wann ein Rechtsanspruch oder ein rechtliches Interesse besteht. Es ist daher bei der Beurteilung dieser Frage nicht nur von den Bestimmungen des NÄG, sondern von der Rechtsordnung insgesamt einschließlich des Privatrechtes auszugehen, soweit diese Rechtsvorschriften in einer Beziehung zur konkreten Angelegenheit stehen.

So judizierte der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung zum NÄG aF, daß dem Elternteil, dem die Obsorge für das Kind nicht zukommt, aus §178 Abs1 iVm §154 Abs2 ABGB ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren erfließt und hat die Parteistellung, die diesem Elternteil nach dem NÄG aF bereits explizit aus dem Gesetz erwuchs, in dem durch §178 Abs1 ABGB eingeschränkten Umfang verstanden (s. zB VwGH 21.9.1994, 93/01/1289 und 15.12.1993, 93/01/0876).

Da §178 Abs1 iVm §154 Abs2 ABGB durch das Namensrechtsänderungsgesetz, BGBl. 25/1995, keine Änderung erfahren hat, steht dem Beschwerdeführer, dem aufgrund dieser Bestimmung sohin ein Rechtsanspruch auf Äußerung im Namensänderungsverfahren seiner minderjährigen Tochter erwächst, gemäß §8 Abs1 NÄG iVm §8 AVG Parteistellung im Rahmen des §178 Abs1 ABGB zu. Auf den Vorwurf, daß der Entfall der Parteistellung Art8 EMRK widerspreche, braucht bei diesem Ergebnis nicht eingegangen zu werden."

Da die Regelung des §8 NÄG hinsichtlich der Parteistellung sowohl im Verfahren auf Änderung des Familiennamens als auch im Verfahren auf Änderung des Vornamens gilt, ergibt sich aufgrund der zuvor geschilderten Judikatur für den vorliegenden Fall, daß dem Beschwerdeführer gemäß §8 Abs1 NÄG iVm §8 AVG Parteistellung im Rahmen des §178 Abs1 ABGB im Verfahren auf Änderung des Vornamens seines Sohnes zukommt.

3. Da die belangte Behörde sohin dem Beschwerdeführer zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert hat, wurde dieser im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt. Der Bescheid war daher aufzuheben.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z2 VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.

Schlagworte

Namensrecht, Verwaltungsverfahren, Parteistellung Namensrecht, Kindschaftsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1997:B3216.1995

Dokumentnummer

JFT_10029776_95B03216_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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