TE Vwgh Erkenntnis 1999/3/4 96/16/0221

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Veröffentlicht am 04.03.1999
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

BAO §20;
BAO §207;
BAO §208;
BAO §236;
BAO §237 Abs1;
BAO §6;
B-VG Art130 Abs2;
GrEStG 1955 §16 Abs1;
GrEStG 1955 §17 Z4;
GrEStG 1955 §18 Abs3 Z5;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z1 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs1 Z2 lita;
GrEStG 1955 §4 Abs2;
VwRallg;

Beachte

Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 96/16/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerden der EY in G, vertreten durch Dr. Gisela Eigner-Fuchs und Dr. Peter Wasserbauer, Rechtsanwälte in Weiz, Kernstockgasse 1, gegen die Bescheide der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 26. Juli 1996, GZ. B A2-6/95 und GZ. B A3-6/95, betreffend Entlassung aus der Gesamtschuld in einer Grunderwerbsteuersteuersache, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 8.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der belangten Behörde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Mit Kaufvertrag vom 8. Mai 1984 veräußerte die Beschwerdeführerin das neu vermessene Flurstück Nr. 283, EZ 513, KG St. Peter, im Ausmaß von 1.437 m2 um S 800.000,-- an die Ehegatten H. und I. M..

Punkt 12 dieses Kaufvertrages lautete:

"Die Käufer beabsichtigen, auf dem gekauften Grundstück eine Arbeiterwohnstätte zu errichten, weshalb sie die Steuerbefreiung im Sinne des § 4 Abs. 2 Ziff. 2a 'Grundwertsteuergesetz' beantragen."

In der Abgabenerklärung der Erwerber vom 10. Mai 1984 wurde die Grunderwerbsteuerbefreiung wegen "Arbeiterwohnstättenbau" begehrt. Darauf hielt das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern Graz (im folgenden: Finanzamt) den Erwerbern mit Schreiben vom 3. August 1994 insbesondere vor, daß das Grundstück ein Ausmaß von 1437 m2 hätte; sie wurden aufgefordert, anhand eines detaillierten Fragebogens bekanntzugeben, ob der Erwerb eines mehr als 1000 m2 großen Grundstückes durch besondere im Einzelfall gegebene Umstände erforderlich gewesen sei.

Diesen Vorhalt beantworteten die Erwerber unter Vorlage einer Bestätigung des Baupolizeiamtes Graz vom 28. Februar 1984 insbesondere dahingehend, daß das lange und schmale Grundstück, welches eine steile Hanglage aufweise, nicht teilbar sei, weil für einen abgetrennten Teil keine Zufahrtsmöglichkeit bestünden.

Darauf forderte das Finanzamt die Erwerber mit Schreiben vom 29. August 1984 auf, das Finanzamt von der Fertigstellung zu verständigen und bekanntzugeben, falls durch entgeltliche oder unentgeltliche Weitergabe, durch Aufgabe der seinerzeitigen Bauabsicht oder durch Schaffung eines Wohnhauses mit einer Nutzfläche von mehr als 130 m2 der begünstigte Zweck aufgegeben werde. Eine derartige Bekanntgabe erfolgte nicht.

Aufgrund einer Anfrage des Finanzamtes erklärten die Erwerber mit einem bei der Behörde am 27. Juli 1992 eingelangten Schreiben, daß sie das Grundstück samt Wohnhaus mit Kaufvertrag vom 3. April 1990 an H.K. verkauft hätten. Sie gaben an, daß sie ein Zweifamilienwohnhaus errichtet hätten, wobei die Wohnung im Erdgeschoß unter Einschluß einer gedeckten Terrasse von 16,8 m2 ein Flächenausmaß von 137 m2, die Wohnung im Dachgeschoß ein solches von 112,6 m2 aufgewiesen habe. Sie gaben auch an, daß ihnen der neue Grundstückeigentümer mitgeteilt hätte, daß ein "Grunderwerbsteuerbefreiungsbescheid" erteilt worden sei. Weiters gaben sie an, daß sie aufgrund finanzieller Schwierigkeiten die Liegenschaft frühzeitig zwangsweise verkauft hätten.

Mit Bescheiden vom 15. März 1993 wurde den Erwerbern Grunderwerbsteuer gemäß § 4 Abs. 2 GrEStG 1955 wegen Überschreitung der zulässigen Nutzfläche von 130 m2 vorgeschrieben. Am 18. November 1994 berichtete die Einbringungsstelle des Finanzamtes, daß bei den Erwerbern eine Einbringungsmöglichkeit nicht gegeben sei. Sie besäßen nichts, Frau I.M. beziehe ein Mindesteinkommen, Herr H.M. befinde sich in Persien. Beide hätten ein Nachsichtansuchen eingebracht. Darauf erließ das Finanzamt am 4. Jänner 1995 hinsichtlich beider Erwerber gegen die Beschwerdeführerin jeweils einen auf § 14 GrEStG 1955 in Verbindung mit § 6 Abs. 1 BAO begründeten Solidarschuldbescheid. Diese Solidarschuldbescheide bekämpfte die Beschwerdeführerin einerseits mit Berufung; andererseits stellte sie in ihrer Berufung den hier gegenständlichen Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld. Die Berufung wurde in der Folge mit Bescheiden der belangten Behörde vom 26. Juni 1996 als unbegründet abgewiesen, dagegen erhobene Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof wurden mit hg. Beschlüssen vom 14. November 1996, Zlen. 96/16/0219 und 96/16/0220, zurückgewiesen.

Den oben genannten Antrag auf Entlassung aus der Gesamtschuld begründete die Beschwerdeführerin damit, daß das Grundstück schon 1984 veräußert worden sei, dass aufgrund der verstrichenen Zeit mit der Festsetzung nicht mehr gerechnet worden sei und dass entsprechende Ersparnisse für diesen Zweck nicht zurückgelegt worden seien, sodass sie nunmehr Kredite aufnehmen bzw. eine Kontenüberziehung erwirken müsse, um die Gesamtforderung auf einmal begleichen zu können. Die von der Behörde herangezogene Ausmaßüberschreitung sei nicht vorgelegen, weil derartige Terrassen nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht in die Wohnnutzfläche einzubeziehen seien. Die Unbilligkeit der Einhebung ihr gegenüber liege auch darin, daß ein Regress wegen Zahlungsunfähigkeit der Erwerber ergebnislos verlaufen würde.

Diesen Antrag wies das Finanzamt mit Bescheid vom 26. April 1995 ab. Eine Unbilligkeit, die etwa aus der gesetzlich normierten Heranziehung als Steuerschuldner abgeleitet werde, reiche für eine Maßnahme nach § 237 BAO nicht aus. Die Beschwerdeführerin hätte Umstände, auf die eine Entlassung aus der Gesamtschuld gestützt werden könnten, nicht vorgebracht.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, das Finanzamt hätte schon anläßlich der Abgabenerklärung erkennen müssen, daß wegen des Grundstücksausmaßes von mehr als 1000 m2 die Befreiungsvoraussetzungen nicht vorgelegen seien. Damals hätte die Beschwerdeführerin Vorsorge durch Rückstellung dafür treffen können, dass sie als Gesamtschuldnerin herangezogen werde. Die Beschwerdeführerin selbst sei aus Gründen des Verfahrensrechts beim seinerzeitigen Erwerbsvorgang nicht in der Lage gewesen, Nachforschungen anzustellen, ob das Flächenausmaß als ungewöhnlich anzusehen gewesen wäre. Durch mehr als zehn Jahre hindurch hätte die Behörde eine Überprüfung dahingehend unterlassen, ob die Voraussetzung für die Grunderwerbsteuerbefreiung nachträglich weggefallen sei; bei einer früheren Überprüfung wäre die Einbringlichkeit bei den Hauptschuldnern gegeben gewesen. Zu einem früheren Zeitpunkt wäre die Geltendmachung von Regressansprüchen erfolgreich gewesen und hätte auch ein Pfandrecht auf der Liegenschaft erworben werden können. Da an der späteren Uneinbringlichkeit der Abgabe beim Erstschuldner die Behörde eine entscheidende Mitschuld treffe, sei die spätere Verweigerung der Entlassung eines Gesamtschuldners unbillig.

Nach abweisender Berufungsvorentscheidung durch das Finanzamt und Stellung eines Vorlageantrages durch die Beschwerdeführerin wies die belangte Behörde die Berufung mit den hier angefochtenen Bescheiden als unbegründet ab. Behauptet werde nur eine Unbilligkeit aufgrund der Abgabenfestsetzung; eine Unbilligkeit der Einhebung aufgrund der wirtschaftlichen Verhältnisse der Beschwerdeführerin werde nicht geltend gemacht. Der Einwand, die Behörde treffe ein Mitverschulden, weil sie die Voraussetzungen der Befreiung im Hinblick auf die Größe des verkauften Grundstückes nicht zeitnah überprüft habe, sei durch die durchgeführten Erhebungen widerlegt, sodaß ein Verschulden des Finanzamtes nicht gegeben sei. Daß es erst Jahre später zur Geltendmachung des Abgabenanspruches gekommen sei, liege daran, daß die Erwerber, die die Absicht bekundeten, den begünstigten Zweck zu erfüllen, ihrer Verpflichtung, die Aufgabe dieses Zweckes der Abgabenbehörde anzuzeigen, nicht nachgekommen seien. Die Behörde habe erst nach Kenntnis des relevanten Sachverhaltes die Abgabenfestsetzung durchführen können.

Die Beschwerdeführerin sei Gesamtschuldnerin gemäß § 17 GrEStG 1955. Die Heranziehung des Verkäufers zur Bezahlung der Grunderwerbsteuer für den Fall, daß diese beim Käufer, auch wenn er sich zur Übernahme vertraglich verpflichtet hat, uneinbringlich geworden ist, werde vom Gesetzgeber nicht nur in Kauf genommen, sondern sei sogar beabsichtigt, weil in diesem Fall ein Ermessensspielraum für die Abgabenbehörde nicht mehr bestehe. Daß die Erwerber den begünstigen Zweck aufgegeben und ihre Anzeigepflicht verletzt hätten, könne nicht zu Lasten der Behörde gehen. Die Beschwerdeführerin hätte sich gegen eine allfällige Uneinbringlichkeit durch eine Sicherstellung gegen mögliche Regreßforderungen oder durch die Bestellung einer Kautionshypothek absichern können. Wenn sie dies unterlassen habe, dann sei eine Unbilligkeit der Einhebung nach der Lage des Falles auszuschließen.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der dagegen erhobenen, ursprünglich an ihn gerichteten Beschwerden mit Beschlüssen vom 24. September 1996 abgelehnt und die Beschwerden dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten. In ihren Beschwerdeergänzungen erachtet sich die Beschwerdeführerin - aus dem Vorbringen erkennbar - in ihrem Recht auf Entlassung aus der Gesamtschuld verletzt. Sie begehrt die Aufhebung der angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die Gegenschriften der belangten Behörde vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat die beiden Beschwerden wegen ihres sachlichen und persönlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:

Gemäß § 12 Abs. 2 erster Satz GrEStG 1987 sind auf vor dem 1. Juli 1987 verwirklichte Erwerbsvorgänge die bis zum Inkrafttreten dieses Gesetzes in Geltung stehenden gesetzlichen Vorschriften anzuwenden, somit im vorliegenden Fall das GrEStG 1955 (im Folgenden: GrEStG).

Gemäß § 17 Z. 4 GrEStG sind u.a. bei einem Kaufvertrag die am Erwerbsvorgang beteiligten Personen Steuerschuldner. Die Auswahl der zur Leistung der Abgabenschuld heranzuziehenden Gesamtschuldner, die Belastung der einzelnen mit der Gesamtschuld oder nur einem Teil davon, die Bestimmung des Zeitpunktes und der Reihenfolge der Heranziehung der einzelnen Gesamtschuldner liegt im Ermessen der Behörde. Die Ermessensentscheidung ist nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen (hg. Erkenntnis vom 19. März 1997, Zl. 95/16/0142).

Die Beschwerdeführerin wurde in ihrer Eigenschaft als Verkäuferin zur Leistung der anläßlich des gegeständlichen Erwerbsvorganges entstandenen Abgabenschuld herangezogen. Sie begehrt die Entlassung aus dieser Gesamtschuld gemäß § 237 Abs. 1 BAO. Diese Bestimmung lautet:

"Auf Antrag eines Gesamtschuldners kann dieser aus der Gesamtschuld ganz oder zum Teil entlassen werden, wenn die Einhebung der Abgabenschuld bei diesem nach der Lage des Falles unbillig wäre. Durch diese Verfügung wird der Abgabenanspruch gegen die übrigen Gesamtschuldner nicht berührt."

Da das Gesetz ausdrücklich verlangt, die Unbilligkeit müsse in der "Einhebung", also im Inkasso oder in der Vollstreckung der Abgabenforderung liegen, reicht eine Unbilligkeit, die etwa aus der gesetzlich normierten Einrichtung der Gesamtschuld, der Zusammenveranlagung oder der Haftung als solcher abgeleitet werden könnte, für Maßnahmen nach § 237 BAO nicht aus, denn eine allgemein gültige Rechtsvorschrift für sich allein vermag keine Unbilligkeit im Sinne der §§ 236 und 237 BAO zu begründen (Stoll, BAO-Kommentar, III, 2451). Eine Unbilligkeit kann also weder aus der im Gesetz (§ 17 Abs. 4 GrEStG) normierten Gesamtschuldnerschaft der Vertragspartner, noch aus der späteren Heranziehung der Beschwerdeführerin abgeleitet werden: Bei den in § 4 Abs. 1 Z. 1 lit. a und Z. 2 lit. a GrEStG angeführten Erwerbsvorgängen entsteht ja die Steuerschuld grundsätzlich erst mit der Aufgabe des begünstigten Zweckes oder mit Ablauf von acht Jahren nach dem Erwerbsvorgang, soferne innerhalb dieser Zeit der begünstigte Zweck nicht erfüllt wurde, und beginnt daher auch dann die in den §§ 207 und 208 BAO normierte Verjährungsfrist zu laufen (Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern II, Grunderwerbsteuer, zu § 16 GrEStG, Ergänzung E, 3 E, Jänner 1986). Schon aufgrund der Gesetzeslage muß der Verkäufer daher damit rechnen, in diesem (langen) Zeitraum allenfalls als Gesamtschuldner herangezogen zu werden. Da der Verkäufer des Grundstückes im Falle der nachträglichen Vorschreibung der Grunderwerbsteuer nach § 4 Abs. 2 GrEStG Steuerschuldner bleibt, muß er, auch wenn er keinen (weiteren) Einfluß auf die Erfüllung des Befreiungstatbestandes (hier die Schaffung der Arbeiterwohnstätte) hat, bei Abschluß des Kaufvertrages diesem Umstand Rechnung tragen und um eine entsprechende Sicherstellung seiner allfälligen Regreßforderungen gegenüber dem Erwerber bemüht sein (Fellner aaO zu § 17 GrEStG, Ergänzung H, 4 H, Jänner 1987). Jeder Liegenschaftsverkäufer mußte nach der hier geltenden Rechtslage damit rechnen, daß der Erwerber den begünstigten Zweck letztlich nicht verwirklichen und der Veräußerer auch nach längerer Zeit als Gesamtschuldner heranzogen wird. Eine besondere Unbilligkeit, wie dies die Beschwerdeführerin dartun möchte, ist darin keinesfallls gelegen.

Auf eine persönliche Unbilligkeit stützt sich die Beschwerdeführerin nicht. Die sachliche Unbilligkeit muß, wie im Falle der Nachsicht gemäß § 236 BAO, eine Unbilligkeit der Einhebung und nicht eine Unbilligkeit der Festsetzung sein. Erscheint schon die Vorschreibung unbillig, etwa zufolge unzutreffender Abgabenbescheide, kann gegen die Einhebung nicht mit einem Antrag nach § 236 BAO vorgegangen werden; dies würde nämlich im Ergebnis auf eine unzulässige Durchbrechung der Rechtskraft hinauslaufen (Stoll, aaO, 2436 f). Die Beschwerdeführerin kann daher die Frage, ob zu Unrecht die Terrasse bei Berechnung der Wohnungsgröße berücksichtigt wurde, im Verfahren zur Entlassung aus der Gesamtschuld nicht neuerlich aufrollen.

Mit ihrem Vorbringen, es wäre von Anfang an die Befreiungsvoraussetzungen nicht vorgelegen bzw. hätte die Behörde schon früher erkennen müssen, daß der begünstigte Zweck nicht verwirklicht werde, macht die Beschwerdeführerin letztlich eine Mitschuld der Behörde an der späteren Uneinbringlichkeit der Abgabe beim Erstschuldner geltend. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 12. April 1984, Zl. 83/16/0082, Slg. Nr. 5887/F, ausgesprochen, daß bei Vorliegen einer diesbezüglichen Sorgfaltspflichtverletzung der zuständigen Abgabenbehörde eine Unbilligkeit nach Lage der Sache nicht von vornherein in Abrede zu stellen ist. Eine derartig schuldhafte Vorgangsweise der Abgabenbehörde läßt sich aus dem gegebenen Sachverhalt allerdings nicht entnehmen:

Völlig ohne Belang war es zunächst, daß sich die Käufer als "Kaufmann" bzw. "Kauffrau" in der Abgabenerklärung bezeichneten. Der (im Zusammenhang mit dem Vertragstext) geltend gemachte Befreiungstatbestand des § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG 1955 stellt auf die Berufe der Erwerber nicht ab. Auch wegen der Größe des Bauplatzes bestand kein Anlaß für die Behörde, sofort entgegen dem Befreiungsantrag die Grunderwerbsteuer festzusetzen. Die Beschwerdeführerin kann sich selbst nicht auf eine gesetzliche Bestimmung stützen, wonach die Befreiung nur bei Grundstücken unter 1000 m2 Größe hätte angewendet werden dürfen; der Verwaltungsgerichtshof hat etwa bei Grundstücken mit einer Gesamtfläche von 1136 m2 oder auch 1411 m2 ausgesprochen, daß eine solche Größe keineswegs ohne weiteres eine Ausnahme von der Besteuerung gemäß § 4 Abs. 1 Z. 2 lit. a GrEStG hindere (siehe die Nachweise bei Fellner, aaO zu § 4 Abs. 1 Z. 2 GrEStG, Ergänzung D, 19 D, Juni 1985). Gerade diesen Umstand hat das Finanzamt den Erwerbern ausdrücklich vorgehalten und von ihnen die Auskunft bekommen, daß es sich um eine lange schmale Parzelle in sehr steiler Hanglage handle, die wegen der Zufahrtsmöglichkeit nicht teilbar sei.

Überhaupt war die Vorhaltsbeantwortung der Käufer, die vom Baupolizeiamt des Magistrates Graz bestätigt wurde, durchaus geeignet, die vorläufige Befreiung von der Entrichtung der Grunderwerbsteuer anzunehmen. Die Behörde hat daraufhin die Erwerber auf ihre Meldepflichten gemäß § 18 Abs. 3 Z. 5 GrEStG ausdrücklich hingewiesen. Wenn sie davon ausging, daß sich die Erwerber normgerecht verhalten würden und daher erst kurz nach Ablauf der 8-Jahresfrist weitere Erhebungsschritte setzte, ist ihr eine Sorgfaltsverletzung keineswegs anzulasten.

Mit dem erstmals in der Beschwerde erstatteten Vorbringen, der Weiterverkauf der Liegenschaft durch die Käufer im April 1990 hätte Anlaß einer früheren Steuervorschreibung sein müssen, verkennt die Beschwerdeführerin das aus § 41 Abs. 1 VwGG abgeleitete Neuerungsverbot. Im übrigen fand dieser Weiterverkauf im gegenständlichen Abgabenakt bis zur Vorhaltsbeantwortung vom 27. Juli 1992 keinen Niederschlag.

Zusammenfassend läßt sich eine Unbilligkeit bei der Einhebung der Abgabenschuld nach der Lage des gegenständlichen Falles nicht erkennen. Die Beschwerde erwies sich daher insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Der Aufwandersatz für Aktenvorlage war nur einfach zuzusprechen. Wien, am 4. März 1999

Schlagworte

Ermessen Ermessen VwRallg8

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1996160221.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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