TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/29 L529 2212144-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 29.01.2019
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Entscheidungsdatum

29.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §15b Abs1
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs3
BFA-VG §18 Abs1 Z1
BFA-VG §19
BFA-VG §21 Abs7
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §50 Abs1
FPG §50 Abs2
FPG §50 Abs3
FPG §52 Abs2 Z3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1a
VwGVG §24
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L529 2212144-1/9E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. M. EGGINGER als Einzelrichter über die Beschwerde vonXXXX, geb. XXXX, StA. der Republik Armenien, vertreten durch RA Mag. Dr. Bernhard ROSENKRANZ, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Asyl- und Fremdenwesen vom 19.12.2018, Zl.XXXX, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG, Bundesgesetz über

das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz), BGBl I 33/2013 idgF, § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 und § 15b Abs. 1 AsylG 2005 idgF iVm § 9, 18 (1) BFA-VG, BGBl I Nr. 87/2012 idgF sowie § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005, BGBl 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die Beschwerdeführerin (in weiterer Folge kurz als "BF" bezeichnet), ist Staatsangehörige der Republik Armenien und stellte nach rechtswidriger Einreise nach Österreich am 14.11.2018 bei der belangten Behörde (in weiterer Folge "bB") einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. Zum bisherigen Verfahren bzw. Vorbringen der BF im Verwaltungsverfahren wird grundsätzlich auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen.

Zusammengefasst hatte die BF als Fluchtgrund angegeben, dass Kriminelle von ihr und ihrer Mutter Schulden ihres Cousins, der bei ihnen vorübergehend gewohnt hätte, hätten eintreiben wollen. Die Kriminellen hätten bei Besuchen in der Wohnung der BF und ihrer Mutter Gegenstände zerstört und gedroht, die BF bei Nichtbezahlen der Schulden zu entführen. Als die BF und ihre Mutter Anzeige bei der Polizei erstatten wollten, hätten sie dort einen der uniformierten Beamten als einen der kriminellen Besucher in ihrer Wohnung wiedererkannt.

Sie sei vorerst mittels Visum in die Ukraine gereist und auch nach Ablauf des Visums dort verblieben. Dadurch, dass es nicht mehr möglich gewesen sei in der Ukraine zu bleiben, weil diese Leute sie immer wieder besucht hätten und Sachen kaputt gemacht und gedroht hätten, hätten sie beschlossen, dass sie Richtung Europa auswandere. In der Ukraine sei es für sie nicht mehr sicher gewesen.

I.3. Der Antrag der BF auf internationalen Schutz wurde folglich mit im Spruch genannten Bescheid der bB gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status einer Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG wurde der Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig ist (Spruchpunkt V.). Eine Frist zur freiwilligen Ausreise wurde gemäß § 55 FPG nicht eingeräumt (Spruchpunkt VI.). Einer Beschwerde wurde gem. § 18 Abs. 1 Z 1 die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VII.) und der BF gemäß § 15b Abs. 1 AsylG aufgetragen in einem bestimmten Quartier Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkt VIII.).

I.3.1. Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte im Wesentlichen aus, dass die BF die Fluchtgründe nicht nur allgemeingehalten, undetailliert und emotionslos geschildert habe, sondern auch ohne nachprüfbare Daten und Fakten. Selbst auf Nachfrage zum genauen Datum des fluchtauslösenden Ereignisses habe sie lediglich ausgeführt, dass die Leute Anfang Juli gekommen seien - dies obwohl es sich hierbei um ein ihr gesamtes weiteres Leben und letztlich gegenständliche Flucht auslösendes Ereignis gehandelt haben solle. Beweismittel oder Identitätsdokumente habe sie ebenfalls nicht vorgelegt. Eine gegen ihre Person gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe habe von ihr nicht vorgebracht werden können.

Zur Glaubwürdigkeit ihrer Person an sich sei anzuführen dass sie sich zur gegenständlichen Reise einer kriminellen Schleppung bedient habe und den Schlepper mit 5000,-- USD entlohnt habe. Zum Reiseweg befragt habe sie ausgeführt, sie könne nichts sagen, sie seien am 13.11.2018 raus und sie sei noch nie in Europa außer in Russland und der Ukraine gewesen, weil sie sich nicht auskenne und die Autofenster seien mit Vorhang geschützt gewesen. So habe beispielsweise der Asylgerichtshof in einem Erkenntnis angeführt, dass auf Grund der äußerst vagen und oberflächlichen Angaben des Asylwerbers über die konkrete Reisebewegung nach menschlichem Ermessen es ausgeschlossen sei, dass ein Asylwerber über seine Reisebewegungen nichts vorbringen könne, da vor dem Hintergrund der Bezahlung einer hohen Geldsumme man sich auch darüber informiere, über welche Länder die konkrete Reiseroute verlaufe und welches Land das Zielland wäre, es somit zu erwarten wäre, dass der Asylwerber diesbezüglich insgesamt viel konkretere Angaben hätte machen können. Auch Identitätsdokumente habe die BF nicht vorgelegt, dies obwohl sie im Besitz eines Reisepasses gewesen sei, den sie beim Schlepper belassen habe. Hier sei klar der Versuch der Verschleierung entscheidungsrelevanter Tatsachen hinsichtlich der DUBLIN III - VO zu erkennen. Auch weitere Beweismittel habe sie nicht vorgelegt und seien von ihr trotz Aufforderung auch nicht nachgereicht worden, sie verweise aber auf ihre Geburtsurkunde und Diplome.

Das Vorbringen sei in keinster Weise geeignet, Basis und Grundlage einer Entscheidungsabänderung zu sein. In Gesamtschau und Abwägung sei ihr Vorbringen als unglaubwürdig zu qualifizieren.

Betreffend die Feststellungen zu ihrer Situation im Fall ihrer Rückkehr würdigte das BFA, dass die BF jung, gesund und arbeitsfähig sei. Sie habe eine sehr gute Schulbildung, verweise auf 10 Jahre Volksschule und Gymnasium und eine Berufsausbildung als Krankenschwester. Es sei dabei auszugehen, dass sie bei einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat wieder in ihr Berufsleben einsteigen könne. Es könne somit ausgeschlossen werden, dass ihr im Heimatland die Lebensgrundlage gänzlich entzogen sei.

Auch stehe ihr Vorbringen klar im Widerspruch zu den amtlichen, unbedenklichen Länderfeststellungen der Staatendokumentation des BFA, welche ihr auch zur Kenntnis gebracht worden seien.

Es habe unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden können, dass sie im Falle ihrer Rückkehr nach Armenien dort einer realen Gefahr des Todes, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Bestrafung oder Behandlung oder der Gefahr der Folter ausgesetzt sei bzw. ihr Leben auf sonstige Weise gefährdet wäre.

I.3.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen gehe hervor, dass in Armenien bzw. der Herkunftsregion der BF von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen und der armenische Staat grundsätzlich gewillt und befähigt sei, auf seinem Territorium befindliche Menschen vor Repressalien Dritter wirksam zu schützen. Ebenso sei in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich diese zwar in manchen Bereichen als verbesserungswürdig darstellen, sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergebe, zumal die BF von diesen Problempunkten nicht betroffen sei. Darüber hinaus sei davon auszugehen, dass in der Republik Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert sei, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau bestehe, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet sei, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen hätten und in die Gesellschaft integriert werden.

I.3.3. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorgekommen sei. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Die BF sei am 14.11.2018 ins Bundesgebiet der Republik Österreich eingereist, der Aufenthalt hier sei daher zu kurz, als dass ein Eingriff in das Recht auf Privatleben angenommen werden könne. Die BF sei alleine in Österreich, sie habe keine Familienmitglieder hier; die Rückkehrentscheidung sei daher zulässig.

Die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde sei aberkannt worden, weil die BF aus einem sicheren Herkunftsstaat stamme.

I.4. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben. Der Bescheid wurde seinem gesamten Umfange nach wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und aufgrund der Verletzung von Verfahrensvorschriften angefochten.

Im angefochtenen Bescheid (Seite 19) werde ausgeführt, dass Anwälte glaubhaft über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze berichten. Die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter werde durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und verbreitete Korruption konterkariert. Den Gerichten werde weiterhin seitens der Bevölkerung wenig Vertrauen entgegengebracht. Daraus folge, dass das Justizsystem in Armenien nicht in der Lage sei Recht und Gerechtigkeit zu gewährleisten. Auf Seite 23 werde von grassierender Korruption berichtet, auf Seite 35 f werde von der Benachteiligung der Frauen berichtet. Häusliche Gewalt sei weit verbreitet.

Die Beweiswürdigung der bB sei unrichtig. Die BF habe vorgebracht, dass von ihr und ihrer Mutter von kriminellen Personen die Bezahlung von Schulden, zu deren Bezahlung sich der Neffe verpflichtet habe, verlangt werde. Die BF habe Angst vor Entführung durch diese kriminellen Personen und dass sie von diesen Personen - eventuell bei Nichtbezahlung der Schulden - zwangsweise werde arbeiten müssen oder auf sonstige willkürliche Weise in ihrer persönlichen körperlichen Integrität schwer verletzt werde. Sie habe auf einer Polizeistation eine Anzeige erstattet, doch sei sie dort auf einen Polizisten getroffen, der sie als Mitglied der kriminellen Organisation, zu Hause aufgesucht habe. Sie habe erkannt, dass der armenische Staat nicht in der Lage sei, sie vor Gewalt und Übergriffen zu schützen.

Der BF sei daher zumindest subsidiärer Rechtsschutz zu gewähren, weil sei im Falle einer Rückkehr mit unmenschlicher Behandlung durch eine kriminelle Vereinigung zu rechnen habe und der armenische Staat nicht in der Lage sei, sie vor Übergriffen durch eine kriminelle Bande zu schützen.

Auf das Beschwerdevorbringen im Detail wird in den entsprechenden Stellen des gegenständlichen Erkenntnisses eingegangen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die Beschwerdeführerin

Bei der BF handelt es sich um eine im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenierin, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammt und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums (orthodox) bekennt.

Die BF besuchte im Herkunftsland 10 Jahre Volksschule und Gymnasium und wurde als Krankenschwester ausgebildet. Bei der BF handelt es sich um eine junge, gesunde, arbeitsfähige Frau mit bestehenden familiären Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer - wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich - gesicherten Existenzgrundlage.

Familienangehörige (Mutter und Schwester) leben nach wie vor in Armenien. Der Vater der BF ist im Jahr 2013 verstorben.

Die BF hat in Österreich keine Verwandten und lebt auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen. Sie möchte offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten und hält sich seit ihrer Einreise und anschließenden Antragstellung im Bundesgebiet auf. Sie reiste rechtswidrig in das Bundesgebiet ein und lebte von der Grundversorgung.

Die BF ist seit 14.01.2019 aus der BS-West abgängig und unbekannten Aufenthaltes.

Die Identität des BF steht nicht fest.

Die BF ist strafrechtlich unbescholten.

II.1.2. Die Lage im Herkunftsstaat Armenien

II.1.2.1. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien schließt sich das ho. Gericht den schlüssigen und nachvollziehbaren Feststellungen der belangten Behörde an und wird konkret auf die insoweit relevanten Abschnitte hingewiesen:

"....

4. Rechtsschutz / Justizwesen

Es gibt immer wieder glaubhafte Berichte von Anwälten über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze durch Gerichte: die Unschuldsvermutung werde nicht eingehalten, rechtliches Gehör nicht gewährt, Verweigerungsrechte von Zeugen nicht beachtet und Verteidiger oft ohne Rechtsgrundlage abgelehnt. Die Unabhängigkeit der Gerichte und der Richter wird weiterhin durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und weit verbreitete Korruption konterkariert, auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte, insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind. Die neue Verfassung hat die bisher weitreichenden Kompetenzen des Staatspräsidenten bei der Ernennung von Richtern reduziert. Es ist bekannt, dass einige Beamte in leitenden Funktionen der Justiz keine juristische Ausbildung haben. Verfahrensgrundrechte wie rechtliches Gehör, faires Gerichtsverfahren und Rechtshilfe werden laut Verfassung gewährt. Das Prinzip der "Telefonjustiz" - Machthaber nehmen Einfluss auf laufende Verfahren - soll in politisch heiklen Fällen nach wie vor verbreitet sein. In Bezug auf den Zugang zur Justiz gab es hingegen insoweit Fortschritte, als die Zahl der Pflichtverteidiger erhöht wurde und einer breiteren Bevölkerung als bisher kostenlose Rechtshilfe zuteil wird (AA 22.3.2016).

Die Gerichte hören weiterhin zu den Institutionen, denen seitens der Bevölkerung ein geringes Vertrauen entgegengebracht wird. Die Verfassungsreform sieht die Schaffung des Obersten Justizrates vor, um die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter zu gewährleisten. 2016 gab es jedoch keine Entwürfe oder Konzepte im Justizbereich, die mit der Öffentlichkeit geteilt oder diskutiert wurden. Positiv war 2016 die Reform des Bewährungssystems, das einen alternativen Strafvollzug vorsah, was angesichts der oft inadäquaten Verhältnisse in den Haftanstalten wichtig ist (FH 29.3.2017).

Die Gerichtsbarkeit zeigt keine umfassende Unabhängigkeit. Die Verwaltungsgerichte sind hingegen verglichen zu den anderen Gerichten unabhängiger. Berichten zufolge nimmt das Kassationsgericht eine dominante Stellung ein. Es diktiert den Ausgang aller wichtigen Fälle der niederen Gerichtsbarkeit. Diese Kontrolle seitens des Kassationsgerichts bleibt das dominante Problem, das die Unabhängigkeit der Justiz beeinflusst. Selbst der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte stellt in einem Urteil vom 27.10.2016 fest, dass es dem Vorsitzenden des Kassationsgerichts an der notwendigen Distanz gemäß des richterlichen Neutralitätsgebotes mangelte (USDOS 3.3.2017).

Richter unterliegen weiterhin des politischen Drucks von allen Ebenen der Exekutive, speziell

seitens der Rechtsvollzugsorgane sowie der Hierarchie innerhalb der Justiz. Richter haben keine lebenslange Amtszeit, wodurch sie der Kündigung ausgesetzt sind und keine wirksamen Rechtsmittel besitzen, falls die Exekutive, die Legislative oder hochrangige Vertreter der Gerichtsbarkeit entscheiden, sie zu bestrafen. Vormalige Entlassungen von Richtern wegen ihrer unabhängigen Entscheidungen haben immer noch eine einschüchternde Wirkung auf die Justiz als Ganzes (USDOS 3.3.2017).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in

der Republik Armenien

-

FH - Freedom House (29.3.2017): Nations in Transit 2017 - Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/338542/481545_de.html, Zugriff 3.5.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

-

Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

5. Sicherheitsbehörden

Die Polizei ist, ebenso wie der Nationale Sicherheitsdienst (NSD), direkt der Regierung unterstellt. Allein der Präsident hat die Befugnis, die Leiter beider Behörden zu ernennen. Die Aufgaben beider Organe sind voneinander abgegrenzt. Für die Wahrung der nationalen Sicherheit sowie für Nachrichtendienst und Grenzschutz ist der Nationale Sicherheitsdienst zuständig, dessen Beamte auch Verhaftungen durchführen dürfen. Der Polizeichef füllt in Personalunion die Funktion des Innenministers aus. Ein Innenministerium gibt es nicht mehr. Das Fehlen der politischen Instanz wird damit begründet, dass damit eine "Politisierung" der Sicherheitsorgane verhindert werden soll (AA 22.3.2016).

Straffreiheit ist ein Problem und es gibt keine unabhängige Institution, die ausschließlich Polizeiübergriffe untersucht. Laut NGOs sehen sich die Gesetzesvollzugsorgane eher als Verteidiger der Autorität denn als Diener des Gesetzes und der Öffentlichkeit. Der Verteidigungsminister bemüht sich, die Disziplin auch durch den Einsatz von Lehroffizieren für Menschenrechte zu verbessern, wozu auch die Bereitstellung sozialer, psychologischer und Rechtskurse im Rahmen des Wehrdienstes dienen sollen. Im November 2015 wurde seitens des Verteidigungsministeriums das Zentrum für Menschenrechte und Integritätsbildung errichtet, mit dem Mandat, u.a. die Menschenrechte zu schützen, Ethik zu fördern und eine Anti-Korruptions-Politik einzuführen (USDOS 3.3.2017).

Obwohl das Gesetz von den Gesetzesvollzugsorganen die Erlangung eines Haftbefehls verlangt oder zumindest das Vorliegen eines begründeten Verdachts für die Festnahme, nahmen die Behörden gelegentlich Verdächtige fest oder sperrten diese ein, ohne dass ein Haftbefehl oder ein begründeter Verdacht vorlag. Nach 72 Stunden muss die Freilassung oder ein richterlicher Haftbefehl erwirkt werden. Richter verweigern der Polizei ebenso selten einen Haftbefehl, wie sie kaum das Verhalten der Polizei während der Arrestzeit überprüfen (USDOS 3.3.2017).

....

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in

der Republik Armenien

-

FAVL - Foundation Against the Violation of Law" (7.2016):

Statement And Call For Action,

http://www.favl.am/blog/2016/07/23/statement-and-call-for-action/, Zugriff 3.5.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

-

Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

7. Korruption

Zu den gravierenden Demokratiedefiziten kommt die grassierende Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit. Die Korruption wird, neben dem Oligarchentum, als größtes Hindernis für die wirtschaftliche Entwicklung und den Aufbau einer Zivilgesellschaft Armeniens gesehen. Armenien hat trotz von Regierungsseite seit Jahren angekündigten Verbesserungen und verabschiedeten Antikorruptionsstrategien in den letzten Jahren nur geringe Fortschritte in der Korruptionsbekämpfung gemacht (AA 22.3.2016).

Der Kampf gegen Korruption ist seit Jahren an der Spitze der politischen Agenda in Armenien, evident durch mehrere Rechtsreformen in Bezug auf Korruption, Integrität und Stärkung der Justiz. Nichtsdestotrotz sind sich Beobachter weitgehend einig, dass Korruption weiterhin ein wichtiges Problem für die armenische Gesellschaft darstellt. Die Justiz wird als besonders der Korruption zugeneigt angesehen (CoE-GRECO 25.6.2016).

Das Gesetz sieht zwar strafrechtliche Sanktionen für Korruptionsdelikte von Beamten vor, doch setzt die Regierung das Gesetz nicht effektiv um, sodass viele Beamte, die sich korrupter Praktiken bedienen, straffrei gehen. Es bestehen zahlreiche Anschuldigungen hinsichtlich Korruption in Regierungskreisen. Obwohl es die Verfassung verbietet, dass Geschäftsleute gleichzeitig öffentliche Positionen einnehmen, besetzen Oligarchen und Firmenleiter Sitze in der Nationalversammlung. Auch benützen zahlreiche Regierungsmitarbeiter ihre Ämter, um ihre privaten Geschäftsinteressen voranzutreiben. Oligarchen, die in Verbindung zur Regierung stehen oder selbst Regierungsposten einnehmen, monopolisieren die Wirtschaft. Überdies ignorieren die Behörden Medienberichte, aus denen hervorgeht, dass Regierungsvertreter in korrupte Machenschaften verstrickt sind (USDOS 3.3.2017).

Das GAN Business Anti-Corruption Portal sah 2016 ein hohes Korruptionsrisiko bei der Führung oder Investitionsplanung von Geschäften. Zwar wurde ein gewisser Fortschritt im Kampf gegen die allgegenwärtige Korruption verzeichnet, doch gab das enge Verhältnis zwischen Oligarchen, Politik- und Wirtschaftskreisen Anlass zur Sorge über Vetternwirtschaft und Einflussnahme. Im Justizwesen werden Schmier- und Bestechungsgelder oft bezahlt, um günstige Gerichtsurteile zu erlangen. Auch die Polizei stellt für Geschäftsaktivitäten ein hohes Korruptionsrisiko dar. In der öffentlichen Verwaltung besteht für Geschäftstätigkeiten ein moderates Korruptionsrisiko. Allerdings besteht im Umgang mit der Zoll- oder Steueradministration sowie mit dem öffentlichen Beschaffungswesen ein hohes derartiges Risiko (GAN 7.2016).

Laut einer von Transparency International in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1.527 ArmernierInnen waren 2016 lediglich 14% der Meinung, dass die Regierung den Kampf gegen Korruption ziemlich oder sehr gut führt, um 7% weniger als 2013. Fast Zwei-Drittel betrachteten die Regierungspolitik als sehr schlecht oder schlecht. Hierbei sahen die Befragten die Vertreter von Regierungsinstitutionen als am meisten in Korruption verwickelt. 77% der ArmenierInnen gaben an, dass die Anzeige von Korruption gesellschaftlich nicht akzeptiert ist (der höchste Wert unter den 42 Ländern der Region) (TI 2017). Auf dem Korruptionswahrnehmungsindex 2016 belegte Armenien Platz 113 (2014: 94) von insgesamt 176 untersuchten Staaten (TI 2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in

der Republik Armenien

-

CoE-GRECO - Council of Europe - Group of States against Corruption (25.2.2016): Fourth Evaluation Round, Corruption prevention in respect of members of parliament, judges and prosecutors , Evaluation Report Armenia [Greco Eval IV Rep (2015) 1E],

https://rm.coe.int/CoERMPublicCommonSearchServices/DisplayDCTMContent?documentId=09000016806c2bd8, Zugriff 3.5.2017

-

GAN Business Anti-Corruption Portal (7.2016): Armenia Corruption Report,

http://www.business-anti-corruption.com/country-profiles/armenia, Zugriff 3.5.2017

-

TI - Transparency International (2016): Corruption Perceptions Index 2016, https://www.transparency.org/country/ARM, Zugriff 3.5.2017

-

TI - Transparency International (2017): Global Corruption Barometer (GCB) 2016, https://transparency.am/en/gcb, Zugriff 3.5.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

-

Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 3.5.2017

8. NGOs und Menschrechtsaktvisten

Aktuell sind zwar rund 9.000 NGOs in Armenien registriert, davon aber nur rund 1.000 tatsächlich aktiv. Es gibt keine Berichte über Ablehnungen der Registrierung einer Menschenrechts- oder einer politischen Organisation. Die Menschenrechtsorganisationen haben Zugang zu Medien, Behörden und Vertretern internationaler Organisationen. Die Arbeit der NGOs, die sich mit Themen wie Medien, Versammlungs- und Meinungsfreiheit oder Korruption beschäftigen, wird seitens der Exekutive nicht unterstützt, in der Regel aber auch nicht behindert (AA 22.3.2016).

Aufgrund des sowjetischen Erbes haben zivile Vereinigungen in Armenien keine tief verwurzelte Traditionen. Obgleich die armenische Gesellschaft von einem lebhaften sozialen Kapital gekennzeichnet ist, sind formale zivile Organisationen, im speziellen die Mitgliedschaft in zivilgesellschaftlichen Organisationen immer noch unpopulär. Das öffentliche Vertrauen in die Zivilgesellschaft bleibt markant niedrig, und NGOs werden oft mit politischen Akteuren in Verbindung gesetzt (BTI 2016).

Anlässlich einer Diskussionsrunde des "Policy Forum Armenia" im Oktober 2016, an dem mehrere NGOs und Rechtsexperten teilnahmen, wurde konstatiert, dass Armenien eine starke, aktive und gebildete Zivilgesellschaft habe, die willens ist, für ihre Rechte zu kämpfen und Veränderungen vorwärts zu treiben. Allerdings blieben die Aktionen wegen des mangels an technischer und materieller Unterstützung isoliert, welche, so vorhanden, die Bemühungen effektiver machen würde (Hetq 17.10.2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Armenien

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016; Armenia Country Report, http://www.btiproject.

org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Armenia.pdf, Zugriff 2.5.2017

-

Heqt-investigative journalists (17.10.2016): Armenia Human Rights Panel Concludes in Washington,

http://hetq.am/eng/news/71792/armenia-human-rights-panel-concludes-inwashington.html, Zugriff 2.5.2017

9. Ombudsmann

Das Büro des Ombudsmannes hat das Mandat, die Menschenrechte und grundlegende Freiheiten vor dem Missbrauch durch die Regierung zu schützen. Das Büro des Ombudsmannes dient als effektiver Anwalt durch die Veröffentlichung von Berichten zu Menschenrechtsproblemen. Im Speziellen richtet bzw. macht es die Regierung auf Menschenrechtsverletzungen, unrechtmäßige Festnahmen und Verfehlungen der Polizei bei der Auflösung von Protesten wie im Juli 2016 aufmerksam (USDOS 3.3.2017).

Der Ombudsmann muss einen schwierigen Spagat zwischen Exekutive und den Rechtsschutz suchenden Bürgern vollziehen. Mit Unterstützung der OSZE wurden drei regionale Zweigstellen des Ombudsmanns-Büros aufgebaut, was die Sichtbarkeit und Einsatzfähigkeit erhöht. Im armenischen Haushalt 2015 wurden insgesamt 481.300 Euro für die Arbeit des Menschenrechtsverteidigers eingeplant (2013: 440.000 Euro) (AA 22.3.2016).

Der Ombudsmann gilt allgemein als positive Ausnahme beim Umgang mit Problemen im Bereich der Menschen- und Bürgerrechte. Er hat aktiv die staatlichen Defizite beim Schutz der Rechte von Journalisten oder gar der Verletzung der zivilen Freiheiten sowie der Meinungsfreiheit angeprangert (BTI 2016).

Quellen:

-

AA - Auswärtiges Amt (22.3.2016): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in

der Republik Armenien

-

BTI - Bertelsmann Stiftung (2016): BTI 2016; Armenia Country Report, http://www.btiproject.

org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2016/pdf/BTI_2016_Armenia.pdf, Zugriff 2.5.2017

-

USDOS - US Department of State (3.3.2017): Country Report on Human Rights Practices 2016

-

Armenia, http://www.ecoi.net/local_link/337119/466879_en.html, Zugriff 2.5.2017

...."

II.1.2.2. Nunmehr ist der ehemalige Anführer der Protestbewegung in Armenien, Nikol Pashinjan, der Premierminister Armeniens und führt eine Minderheitsregierung an.

II.1.2.3. Bei der Republik Armenien handelt es sich um einen sicheren Herkunftsstaat iSd § 19 BFA-VG.

II.1.3. Behauptete Ausreisegründe aus dem bzw. Rückkehrhindernisse in den Herkunftsstaat

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF den von ihr behaupteten Gefährdungen und Verfolgungen ausgesetzt war bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt wäre und im Falle einer Rückkehr in eine lebens- bzw. existenzbedrohende Notlage geraten würde.

II.2. Beweiswürdigung

II.2.1. Das erkennende Gericht hat durch Einsicht in den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben. Der festgestellte Sachverhalt in Bezug auf den bisherigen Verfahrenshergang steht aufgrund der außer Zweifel stehenden Aktenlage fest und ist das ho. Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

II.2.2. Die Feststellungen zur Person der BF ergeben sich - vorbehaltlich der Feststellungen zur Identität - aus ihren in diesem Punkt nicht widerlegten Angaben sowie ihren Sprach- und Ortskenntnissen.

Aufgrund der im Verfahren unterlassenen Vorlage eines unbedenklichen nationalen Identitätsdokuments bzw. sonstigen Bescheinigungsmittels konnte die Identität der BF nicht festgestellt werden. Soweit diese namentlich genannt wird, legt das Gericht auf die Feststellung wert, dass dies lediglich der Identifizierung der BF als Verfahrenspartei dient, nicht jedoch eine Feststellung der Identität im Sinne einer Vorfragebeurteilung iSd § 38 AVG bedeutet.

Anzuführen ist, dass es der BF möglich wäre, ihre Identität bei entsprechender Mitwirkung im Verfahren zu bescheinigen. Der Umstand, dass die Identität bis dato nicht festgestellt werden konnte, ist letztlich auf die mangelnde Mitwirkung der BF an der Identitätsfeststellung zurückzuführen und sind alle daran anknüpfenden Konsequenzen daher von der BF zu vertreten.

Zudem hatte die BF gegenüber dem BFA angeboten, Dokumente zu besorgen und vorzulegen. Sie wurde insoweit aufgefordert, diese unverzüglich vorzulegen. Eine Vorlage solcher Dokumente erfolgte bis dato nicht.

Ein Grund, warum die BF nicht wieder in ihre vormaligen Wohnverhältnisse zurückkehren könnte, wurde von der BF nicht vorgebracht und ist auch nicht ersichtlich.

Die Feststellungen zum Gesundheitszustand und zur Arbeitsfähigkeit des BF ergeben sich aus ihren eigenen Angaben. Die BF gab im Verfahren an, dass sie gesund sei (AS 37).

II.2.3. Zu der getroffenen Auswahl der Quellen, welche zur Feststellung der asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Herkunftsstaat herangezogen wurden, ist anzuführen, dass es sich hierbei aus der Sicht des erkennenden Gerichts um eine ausgewogene Auswahl verschiedener Quellen -sowohl staatlichen, als auch nichtstaatlichen Ursprunges- handelt, welche es ermöglichen, sich ein möglichst umfassendes Bild von der Lage im Herkunftsstaat zu machen. Die getroffenen Feststellungen ergeben sich daher im Rahmen einer ausgewogenen Gesamtschau unter Berücksichtigung der Aktualität und der Autoren der einzelnen Quellen. Auch kommt den Quellen im Rahmen einer Gesamtschau Aktualität zu.

Die BF trat in der Beschwerde den Quellen und deren Kernaussagen nicht konkret und substantiiert entgegen, vielmehr wurden Teilaussagen daraus herausgelöst und in der Beschwerde zitiert.

II.2.4. In Bezug auf den weiteren festgestellten Sachverhalt ist anzuführen, dass die von der belangten Behörde vorgenommene freie Beweiswürdigung (VwGH 28.09.1978, Zahl 1013, 1015/76; Hauer/Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, 5. Auflage, § 45 AVG, E 50, Seite 305) im hier dargestellten Rahmen im Sinne der allgemeinen Denklogik und der Denkgesetze im Wesentlichen von ihrem objektiven Aussagekern her in sich schlüssig und stimmig ist.

Das BFA begründete seine Entscheidung damit, dass die BF die Fluchtgründe nicht nur allgemeingehalten, undetailliert und emotionslos geschildert habe, sondern auch ohne nachprüfbare Daten und Fakten. Selbst auf Nachfrage zum genauen Datum des fluchtauslösenden Ereignisses habe sie lediglich vage Angaben gemacht. Beweismittel oder Identitätsdokumente habe sie ebenfalls nicht vorgelegt. Zudem habe sie keinerlei Angaben zum Reiseweg machen können, was angesichts der enormen Summe für die Schleppung und daraus folgend dem Interesse am Verlauf der Reisebewegung völlig unerklärlich sei. Vielmehr sei klar der Versuch der Verschleierung entscheidungsrelevanter Tatsachen hinsichtlich der DUBLIN III - VO zu erkennen.

Auch stehe ihr Vorbringen klar im Widerspruch zu den amtlichen, unbedenklichen Länderfeststellungen der Staatendokumentation des BFA, welche ihr auch zur Kenntnis gebracht worden seien.

Der belangten Behörde ist zuzustimmen, wenn diese anführt, dass erhebliche Zweifel an der Glaubwürdigkeit des Fluchtvorbringens der BF in Bezug auf die behaupteten Vorfälle in Armenien bestehen. Dass die BF offenbar Umstände schildert, die nicht der Wahrheit entsprechen, wird - wie die belangte Behörde bereits zutreffend darlegte - dadurch erkennbar, wenn die Aussagen der BF in Bezug auf die in Armenien stattgefundenen Verfolgungshandlungen und damit im Zusammenhang stehende Details betrachtet werden. Die BF verblieb im Zuge ihrer Schilderung vor der belangten Behörde bei einer Rahmengeschichte ohne auch nur ansatzweise Details, Handlungsabläufe, Verhaltensweisen etc. von sich aus preiszugeben.

Abgesehen davon erscheint die Schilderung des konkreten Vorfalles äußerst vage. Die BF wurde diesbezüglich in der Einvernahme am 27.11.2018 befragt, was konkret passiert sei, worauf sie angab:

"....Der Neffe war dann auf der Straße und wollte ihm helfen und zu uns genommen damit er eine Zeit lang bei uns lebt, bis er wieder auf die Beine kommt. Erl lebte bei uns dann. Der Neffe hat sich in ein dubioses Milieu , eine sehr fragliche Gesellschaft mit irgendwelchen autoritären Personen begeben, die sich als Diebe im Gesetz betrachteten. 2013 ist mein Vater verstorben. Dann haben unsere richtigen Probleme angefangen. Die Freunde von diesem Neffen kamen zu uns nachhause und haben von uns die Schulden des Neffen von mir und meiner Mutter verlangt. Sie haben gesagt wenn meine Mutter diese Schulden nicht abzahlen kann, dann werden sie mich entführen."

In der weiteren Einvernahme am 12.12.2018 gab die BF an:

"F: Wann und weshalb waren sie bei der Polizei?

A: Weil es Probleme mit gewissen Leuten gab die uns zuhause gesucht haben, gedroht haben und unsere Gegenstände daheim kaputt gemacht haben, Deshalb haben wir uns an die Polizei gewendet, damit uns die Polizei vor diesen Kriminellen schützt.

F: Nennen sie bitte das genaue Datum des soeben beschriebenen Vorfall.

A: Meinen Sie als die Leute kamen oder als ich zur Polizei ging? Die Leute kamen Anfang Juli.

F: Gab es ansonsten Probleme oder Vorfälle?

A: Es gab davor keine Vorfälle. Nachdem der Cousin vom Vater Arthur untergetaucht ist, Anfang Mai hat alles angefangen davor gab es keine Vorfälle."

Anhand der Aussagen der BF zu diesem Ereignis wird deutlich, dass die BF eine Rahmengeschichte präsentierte, ohne nähere Details preiszugeben. Im konkreten Fall stellte die BF eine Bedrohung in den Raum, ohne nähere Umstände wie persönliche Empfindungen, Ängste, Begebenheiten oder den Hergang konkret zu beschreiben. Es wäre jedoch zweifelsohne zu erwarten gewesen, dass die BF - hätte sie Derartiges tatsächlich erlebt - detailliert die Vorgänge hätte beschreiben können. Derartiges blieb die BF jedoch schuldig zu erzählen.

Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist davon auszugehen, dass ein Asylwerber, der bemüht ist, in einem Land Aufnahme und Schutz zu finden, in der Regel bestrebt ist, alles diesem Bestreben Dienliche vorzubringen und zumindest die Kernfluchtgeschichte, die ihn persönlich betrifft, unverzüglich möglichst umfassend zu schildern, sodass der Behörde erkennbar ist, welchen massiven Bedrohungen er im Herkunftsland ausgesetzt sei.

Das oben angeführte Aussageverhalten der BF führt dazu, dass der Eindruck entstand, dass die BF zur Situation deshalb nicht mehr sagen konnte oder wollte, weil es sich um kein reales Erlebnis handelte. Diese Bestrebung ist wohl besonders ausgeprägt, wenn eine Person - wie im gegenständlichen Fall - unmissverständlich darauf hingewiesen wurde von sich aus Einzelheiten, wie ein konkretes Datum, zu nennen. Eine wie oben wiedergegebene Schilderung der Geschehnisse verdeutlicht, dass die BF offenbar nicht gewillt war von sich aus ihre Fluchtgründe schlüssig darzulegen. Hinsichtlich der konkreten Frage gab die BF lediglich an, dass die Leute Anfang Juli gekommen seien.

Diese knappen, vagen und inhaltsleeren Angaben der BF waren nicht geeignet, eine derart schwere Verfolgung glaubhaft zu machen, die die BF dazu getrieben hat, ihr Heimatland zu verlassen. Dass die BF sich offenbar bewusst war, dass sie mit derartigen Aussagen keine Schilderung präsentierte, die umfangreich und lebensnah ist, kann daraus geschlossen werden, dass es sich bei der BF um eine gesunde, gebildete Frau handelt, der die Konsequenzen und die Bedeutung ihrer Aussagen bewusst sind.

Die Ausführungen der bB sind daher geeignet, den Befund der Unglaubwürdigkeit zu tragen; das BVwG schließt sich dieser Wertung an.

II.2.5. Die Angaben der BF bezüglich ihrer familiären und wirtschaftlichen Lage wurden von der belangten Behörde aufgrund der schlüssigen und nachvollziehbaren Angaben als wahr und somit der rechtlichen Beurteilung zu Grunde gelegt; dem ist ebenso zuzustimmen.

II.2.6. Der Sachvortrag der BF bezüglich ihrer privaten und familiären Interessen in Österreich wird als den Tatsachen entsprechend angesehen, da diese Ausführungen einerseits mit den amtlich zur Verfügung stehenden Informationen, wie Einsicht in das Zentrale Melderegister (ZMR), das Strafregister der Republik Österreich (SA), das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR), sowie das Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich (GVS) im Einklang stehen und zudem keine Zweifel an den Angaben der BF aufkamen.

Das BFA hat zudem eine ausführliche Befragung bzw. Ermittlungen bezüglich der privaten und familiären Verhältnisse der BF in Österreich durchgeführt, im Rahmen einer schlüssigen Beweiswürdigung Feststellungen dazu getroffen und eine Gegenüberstellung der von der BF in ihrem Herkunftsstaat vorzufindenden Verhältnisse mit jenen in Österreich im Rahmen einer Interessensabwägung vorgenommen. Das BFA kam nachvollziehbar zum Ergebnis, dass es zu keinem Überwiegen der privaten Interessen der BF am Verbleib in Österreich gegenüber den öffentlichen Interessen an einem Verlassen des Bundesgebietes gekommen ist.

II.2.7. Die BF beantragte in ihrer Beschwerdeschrift die Durchführung einer mündlichen Verhandlung. Hierbei wurde aber nicht angeführt, was bei einer weiteren - persönlichen Einvernahme im Asylverfahren - konkret an entscheidungsrelevantem und zu berücksichtigendem Sachverhalt noch hervorkommen hätte können. So argumentiert auch der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung, dass schon in der Beschwerde darzulegen ist, was eine ergänzende Einvernahme an vorliegenden Widersprüchen hätte ändern können bzw. welche wesentlichen Umstände (Relevanzdarstellung) dadurch hervorgekommen wären. Wird dies unterlassen, so besteht keine Verpflichtung zur neuerlichen Einvernahme, da damit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung, der sich das Bundesverwaltungsgericht anschließt, nicht substantiiert entgegengetreten wird.

II.2.8. Die Ausführungen in der Beschwerde sind nicht geeignet, zu einem anderen Ergebnis zu gelangen. Soweit die BF in der Beschwerde angibt, sie habe auf einer Polizeistation eine Anzeige erstattet, doch sei sie dort auf einen Polizisten getroffen, der sie als Mitglied der kriminellen Organisation zu Hause aufgesucht habe, so ist auch daraus nichts zu gewinnen, hatte sie doch beim BFA angegeben: "Wir haben natürlich Angst bekommen und sind auch zur Polizei gegangen, bei der Polizei haben wir verstanden im Vorraum zu warten, da habe ich einen erkannt, der zu uns nachhause gekommen ist. Dieser Mann hatte dort bei der Polizei an dem Tag eine Uniform getragen." Demgemäß hatte die BF dann offenbar keine Anzeige erstattet und widerspricht dies den Beschwerdeausführungen.

Richtig ist, wenn die Beschwerde ausführt, in den Länderberichten des angefochtenen Bescheides werde dargelegt, dass Anwälte glaubhaft über die Verletzung rechtsstaatlicher Grundsätze berichten und die Unabhängigkeit der Gerichte und Richter werde durch Nepotismus, finanzielle Abhängigkeiten und verbreitete Korruption konterkariert. Bei der letzten Aussage wurde allerdings die zweite Satzhälfte ("..., auch wenn durch Gesetzesänderungen im Rahmen der "Judicial Reforms Strategy 2012-2016" gewisse Fortschritte insbesondere bei der richterlichen Unabhängigkeit, zu verzeichnen sind.") weggelassen und dadurch die Grundaussage verkürzt.

Richtig sind auch die Beschwerdeausführungen, dass den Gerichten seitens der Bevölkerung wenig Vertrauen entgegengebracht werde und dass von grassierender Korruption berichtet werde. Daraus aber zu folgern, dass das Justizsystem in Armenien nicht in der Lage sei Recht und Gerechtigkeit zu gewährleisten, ist jedenfalls unzutreffend. Vielmehr ist aus den Berichten zu folgern, dass das Justizsystem grundsätzlich funktioniert, wenngleich in Einzelfällen erhebliche Mängel auftreten, insgesamt aber erhebliche Verbesserungen im Justizsystem festzustellen sind.

Wenn von grassierender Korruption, vor allem im staatlichen Gesundheitswesen, der öffentlichen Verwaltung und der Gerichtsbarkeit berichtet wird, so heißt das keinesfalls, dass alle staatlichen Organe korrupt wären.

Soweit in der Beschwerde ausgeführt wird, es werde von der Benachteiligung der Frauen berichtet, häusliche Gewalt sei weit verbreitet, so ist insoweit ein Zusammenhang mit dem konkreten Vorbringen der BF nicht erkennbar.

Aus den vorliegenden Berichten ist jedenfalls schlüssig ableitbar, dass der armenische Staat willens und fähig ist, die BF vor Übergriffen privater Personen zu schützen. Das ergibt sich auch aus dem Umstand, dass es sich bei Armenien um einen sicheren Herkunftsstaat handelt. Hinweise, dass diese Klassifizierung in rechtswidriger Weise erfolgt sei, sind nicht erkennbar (siehe auch die Ausführungen unten - II.3.1.3.). Ein substantiiertes Vorbringen der BF im Verfahren und in der Beschwerde, dass Armenien eben kein sicherer Herkunftsstaat sei, wurde nicht erstattet.

II.2.9. Der Umstand, dass Nikol Pashinjan nunmehr Premierminister Armeniens ist, ist für den BF als armenischen Staatsbürger und für die bB als Spezialbehörde als notorisch bekannt anzusehen und bedurfte daher keines Vorhaltes.

II.2. Rechtliche Beurteilung

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht, sicherer Herkunftsstaat

II.3.1.1. Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz - BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF) entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

II.3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesver-waltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz - BVwGG), BGBl I 10/2013 idgF entscheidet im gegenständlichen Fall der Einzelrichter.

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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