TE OGH 2019/4/30 1Ob49/19s

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Veröffentlicht am 30.04.2019
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ.-Prof. Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin D*****, vertreten durch Mag. Martin

Divitschek und andere, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, wider den Antragsgegner DI E*****, vertreten durch Mag. Volker Flick und Mag. Eva Flick, Rechtsanwälte in Graz,

wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 7. Februar 2019, GZ 1 R 6/19p-56, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Deutschlandsberg vom 23. November 2018, GZ 6 Fam 65/16t-52, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben und dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die am 19. 5. 2001 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 10. 6. 2016 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 17. 2. 2016 aufgelöst.

         Die Frau begehrt die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, wobei dem Mann die im Miteigentum stehende Ehewohnung (Einfamilienhaus) gegen Übernahme der damit zusammenhängenden Verbindlichkeiten sowie gegen eine Ausgleichszahlung von 142.105,45 EUR zugewiesen werden soll.

Der Mann wendet sich gegen die begehrte Ausgleichszahlung und begründet dies im Wesentlichen (soweit im Revisionsrekursverfahren relevant) damit, dass ihm in die Ehe eingebrachtes und von dritter Seite geschenktes Vermögen, welches er für den gemeinsamen Hausbau aufgewendet habe, (wertmäßig) vorweg zuzuweisen sei.

Das Erstgericht übertrug den Miteigentumsanteil der Frau an dem als Ehewohnung genutzten Einfamilienhaus dem Mann, verpflichtete ihn zur Übernahme der zur Finanzierung des Hausbaus aufgenommenen Kredite, sprach aus, dass der Mann hinsichtlich der gemeinsamen Kredite Hauptschuldner und die Frau Ausfallsbürgin sei, wies die Verfügungsberechtigung über den Krediten zugrundeliegende Tilgungsträger dem Mann zu und verpflichtete ihn zu einer Ausgleichszahlung von 35.000 EUR. Das Mehrbegehren, dem Mann eine weitere Ausgleichszahlung von 107.105,45 EUR aufzuerlegen, wies es ab. Das Erstgericht berücksichtigte, dass der für die Errichtung des Hauses erforderliche Baugrund teilweise (nämlich im Umfang von 41.700 EUR) mit finanziellen Zuwendungen der Eltern des Mannes an diesen finanziert wurde, und wies diesen Betrag, soweit er im festge-stellten – unter dem seinerzeitigen Kaufpreis liegenden – Grundwert anteilig vorhanden war, vorweg dem Mann zu. Zu darüber hinausgehenden vom Mann eingebrachten und ihm von Dritten zugewendeten Vermögenswerten nahm es hingegen keine solche „Vorwegzuweisung“ vor, sondern bemaß auf Grundlage der außer Streit gestellten Aufteilungsquote (1:1) und des aufzuteilenden Vermögens einen („Ausgleichs“-)Betrag von rund 65.000 EUR, wovon es dem Mann – aufgrund des von ihm in weitaus größerem Umfang „zur Errichtung der Ehewohnung und Ersparnisbildung eingebrachten Vermögens“ – aber nur 35.000 EUR als Ausgleichszahlung auferlegte.

Das Rekursgericht änderte den angefochtenen Beschluss ab und legte die Ausgleichszahlung mit 65.000 EUR fest. Es verstand die erstinstanzlichen Feststellungen dahin, dass der Mann nur den geschenkten Geldbetrag von rund 41.700 EUR, hingegen keine sonstigen ihm von Dritten zugewendeten oder in die Ehe eingebrachten Mittel für den Hausbau verwendete, weshalb keine weitere wertverfolgende Berücksichtigung eines solchen der Aufteilung entzogenen Vermögens zu erfolgen habe. Der Frau stehe – entsprechend der unstrittigen Aufteilungsquote – die ungekürzte Hälfte der unter Abzug der konnexen Schulden ermittelten Aufteilungsmasse zu. Der ordentliche Revisionsrekurs sei nicht zulässig, weil das Rekursgericht „zu den wesentlichen Punkten“ der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs gefolgt sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Mannes ist zulässig und im Sinne des hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags berechtigt.

1. Der Revisionsrekurswerber argumentiert im Wesentlichen, dass das Rekursgericht die unterschiedliche Höhe des in die Ehe eingebrachten und von Dritten geschenkten Vermögens bei der Bemessung der Ausgleichszahlung berücksichtigen und die Aufteilung daher nicht auf Basis eines gleichteiligen Aufteilungsschlüssels (1:1) vornehmen hätte dürfen. Wenngleich dieser Argumentation, soweit ganz generell eine geänderte Aufteilungsquote angestrebt wird, nicht gefolgt werden kann, so zeigt er damit doch auf, dass die bisherigen Verfahrensergebnisse für eine abschließende Beurteilung der in dritter Instanz allein strittigen Frage, ob und in welchem Umfang das gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht der Aufteilung unterliegende Vermögen für die Aufteilungsentscheidung (wertverfolgend) zu berücksichtigen ist, nicht ausreichen.

2. Wirken in einem an sich der Aufteilung unterliegenden Vermögensgegenstand Werte fort, die für sich nicht der Aufteilung unterliegen würden, weil sie etwa einem Ehegatten von einem Dritten geschenkt wurden oder eingebrachte Mittel darstellen (§ 

82 Abs 1 Z 1 EheG), ist dieser Wert allein dem betreffenden Ehegatten zuzuordnen und rechnerisch vor der Aufteilung des Vermögens abzuziehen und dem betreffenden Ehegatten (vorweg) zuzuweisen (RIS-Justiz RS0057478 [T4]; RS0057490 [T1, T4]). Die Berücksichtigung des eingebrachten oder von einem Dritten geschenkten Vermögens im Sinne einer solchen

„Vorwegzuweisung“ an den Einbringenden kommt grundsätzlich nur insoweit in Betracht, als dieses noch zumindest in der Form vorhanden ist, dass es in einem der Aufteilung unterliegenden Gegenstand klar abgrenzbar fortwirkt (RS0057478 [T1, T4, T5, T6]). Soweit ein § 82 Abs 1 Z 1 EheG unterliegendes Vermögensgut zur Anschaffung ehelichen Gebrauchsvermögens verwendet wird, geht zwar die besondere aufteilungsrechtliche Qualität iSd § 82 EheG verloren (vgl RS0057298&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">), allerdings ist es eben zugunsten des Einbringenden wertverfolgend zu berücksichtigen (RS0057490&SkipToDocumentPage=True&SucheNachRechtssatz=True&SucheNachText=False">). Es würde dem Grundgedanken der gerechten Verteilung des während der ehelichen Lebensgemeinschaft geschaffenen Vermögens widersprechen, einen Ehegatten (zumindest wertmäßig) auch an solchen Vermögensbestandteilen partizipieren zu lassen, die der andere iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG in die Ehe eingebracht hat (1 Ob 10/18d; 1 Ob 147/18a) oder die ihm als geschenkt oder geerbt allein zustehen.

3.1. Die Vorinstanzen haben diese Grundsätze zutreffend dargestellt und auf den dem Mann von seinen Eltern geschenkten Betrag von rund 41.700 EUR, mit dem er einen Teil des von den Ehegatten angeschafften Baugrundes finanzierte, richtig angewandt. Allerdings ist ihnen bei der Beurteilung der Frage, ob auch das weitere, vom Mann in die Ehe eingebrachte bzw ihm von Dritten geschenkte Vermögen aufgrund einer Verwendung für den Hausbau wertverfolgend zu berücksichtigen sei, ein Fehler unterlaufen.

3.2. Das Erstgericht stellte beim Mann (über die 41.700 EUR, die er von seinen Eltern geschenkt bekam, hinaus) weitere Zuwendungen der Eltern in Höhe von 56.000 EUR, eine von seinem Bruder geleistete „Pflichtteilsentfertigung“ von rund 15.000 EUR, ein in die Ehe eingebrachtes Sparguthaben von rund 15.000 EUR sowie Erlöse aus Verkäufen von vor der Ehe erworbenen Wertpapieren in Höhe von rund 20.000 EUR (sohin insgesamt ein [weiteres] in die Ehe eingebrachtes bzw geschenktes Vermögen von rund 106.000 EUR) fest.

Zum geschenkten Geldbetrag von 56.000 EUR stellte das Erstgericht zwar fest, dass dieser „keinen konkreten Zahlungen“ für die Ehewohnung zugeordnet werden könne, und traf auch zur vom Bruder des Mannes geleisteten „Pflichtteilsentfertigung“, zum Erlös aus dem Verkauf vorehelich erworbener Wertpapiere und zum vom Kläger in die Ehe eingebrachten Sparguthaben vergleichbare Negativfeststellungen. Wie sich diese (Negativ-)Feststellungen dazu verhalten, dass – wie das Erstgericht an anderer Stelle seines Beschlusses ausführt – keine Anhaltspunkte dafür vorlagen, dass der Mann „abseits des Bauvorhabens nicht offen gelegte Ersparnisse gebildet oder Gelder zweckwidrig verwendet habe“, ist jedoch unklar. In seiner rechtlichen Beurteilung geht das Erstgericht davon aus, dass die dem Mann geschenkten (weiteren) 56.000 EUR zur Finanzierung des gemeinsamen Hauses verwendet wurden und dass er (über den ohnehin wertverfolgend berücksichtigten Betrag von 41.700 EUR hinaus) in die Ehe eingebrachtes bzw ihm von Dritten geschenktes Vermögen in Höhe von rund 106.000 EUR „zur Errichtung der Ehewohnung und Ersparnisbildung eingebracht hat“.

3.3. Damit ist das von den Vorinstanzen der Beurteilung der Frage, welcher Teil der vom Mann in die Ehe eingebrachten bzw ihm von dritter Seite geschenkten Vermögenswerte im gemeinsam errichteten Einfamilienhaus wertmäßig noch vorhanden ist, zugrundegelegte Tatsachensubstrat aber in wesentlichen Teilen unklar bzw widersprüchlich. Der Ansicht des Rekursgerichts, es lägen dazu klare (Negativ-)Feststellungen vor, ist nicht zu folgen. Ob und gegebenenfalls in welchem Umfang von der Aufteilung nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG ausgenommenes Vermögen vor Ermittlung der Ausgleichszahlung rechnerisch mit seinem noch vorhandenen (in einem der Aufteilung unterliegenden Vermögensgut fortwirkenden) Wert von der

Aufteilungsmasse abzuziehen und dem Mann vorweg zuzuweisen wäre, kann daher nicht abschließend beurteilt werden. Zur Klarstellung der Sachverhaltsgrundlage ist somit eine Aufhebung der Entscheidungen der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an die erste Instanz zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung erforderlich.

4.1. Für das weitere Verfahren wird zu beachten sein, dass es für die wertverfolgende Berücksichtigung des gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG nicht der Aufteilung unterliegenden Vermögens nicht darauf ankommt, ob das eingebrachte bzw geschenkte Vermögen – wie das Erstgericht offenbar meint – („akribisch“) konkreten Zahlungen für bestimmte (Bau-)Leistungen zugeordnet werden kann. Entscheidend für die wertverfolgende Berücksichtigung von nicht der Aufteilung unterliegendem Vermögen ist vielmehr (bloß), ob und mit welchem Wert dieses als Surrogat in einem der Aufteilung unterliegenden Vermögensgut vorhanden ist und darin fortwirkt (RS0057478 [T6]). Der Wert des von der Aufteilung ausgenommenen Vermögens des Mannes wäre hier bereits dann weiter verfolgbar, wenn im weiteren Verfahren (klar) hervor käme, dass und inwieweit damit der Erwerb und/oder die Errichtung des Hauses (irgendwie) finanziert wurde. Sollte sich hingegen herausstellen, dass mit dem gemäß § 82 Abs 1 Z 1 EheG von der Aufteilung ausgenommenen Vermögen des Mannes nicht der Hausbau finanziert, sondern dieses für die Lebensführung oder sonstige laufende Ausgaben verbraucht wurde, käme – mangels „Fortwirkens“ in einem aufzuteilenden Vermögensgut – weder eine wertverfolgende Berücksichtigung (vgl 1 Ob 19/18b), noch (entgegen der Ansicht des Revisionsrekurswerbers)
– mangels Beitrags zur Vermehrung der der Aufteilung unterliegenden ehelichen Errungenschaft – eine Auswirkung auf die (hier ohnehin außer Streit gestellte) Aufteilungsquote (1:1) in Betracht.

4.2. Im fortgesetzten Verfahren wird schließlich auch das von der Frau in die Ehe eingebrachte (Spar-)Vermögen in Höhe von rund 12.000 EUR zu berücksichtigen sein. Obwohl das Erstgericht dazu ausdrücklich feststellte, dass dieser Betrag „für diverse nicht im einzelnen konkret feststellbare Arbeiten beim Hausbau, insbesondere zur Bar-Bezahlung von Arbeiten und Material verwendet wurde“, blieb eine allfällige wertmäßige Fortwirkung dieses von der Aufteilung ausgenommenen Vermögens der Frau im gemeinsam errichteten Haus bisher unbeachtet.

5. Der Kostenvorbehalt beruht darauf, dass kein die Sache erledigender Beschluss im Sinn des § 78 Abs 1 Satz 1 AußStrG vorliegt (1 Ob 147/18a; 1 Ob 211/18p uva).

Textnummer

E125069

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0010OB00049.19S.0430.000

Im RIS seit

23.05.2019

Zuletzt aktualisiert am

21.11.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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