TE Bvwg Erkenntnis 2019/4/2 W171 2215673-1

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Veröffentlicht am 02.04.2019
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Entscheidungsdatum

02.04.2019

Norm

BFA-VG §7 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
FPG §76
VwGVG §35 Abs3

Spruch

W171 2215673-1/10E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA Serbien, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl:

XXXX zu Recht erkannt:

A)

I. Der Beschwerde wird gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattgegeben und der angefochtene Bescheid vom 05.03.2019 sowie die Anhaltung in Schubhaft von 05.03.2019, 13:30 Uhr bis 12.03.2019, 09:30 Uhr für rechtswidrig erklärt.

II. Gemäß § 35 VwGVG iVm der Aufwandersatzverordnung hat der Bund (Bundesminister für Inneres) dem Beschwerdeführer Aufwendungen in Höhe von € 737,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

III. Der Antrag des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl auf Kostenersatz wird gemäß § 35 Abs. 3 VwGVG abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1.1. Der Beschwerdeführer ist serbischer Staatsangehöriger. Er reiste zuletzt am 26.05.2018 in das Bundesgebiet ein.

Er wurde am 05.03.2019 im Zuge einer Fahrzeugkontrolle angehalten und wegen Fahrens unter Drogeneinfluss angezeigt. Da er den sichtvermerksfreien Zeitraum überschritten hatte, wurde er festgenommen und in ein Polizeianhaltezentrum eingeliefert.

1.2. Am 05.03.2019 wurde der Beschwerdeführer zur beabsichtigten Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Verbindung mit einem Einreiseverbot und zur Verhängung der Schubhaft einvernommen. Dabei gab dieser an, vor zwei Monaten wegen seiner Freundin nach Österreich gekommen zu sein. Diese sei Serbin und habe in Österreich einen Aufenthaltstitel. Er lebe derzeit bei seiner Mutter, die ebenfalls über einen Aufenthaltstitel verfüge. Er sei mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet, habe aber die Scheidung eingereicht. Er habe regelmäßigen Kontakt zu seiner Frau. Er sei über seine Frau versichert, einer Beschäftigung sei er in Österreich nicht nachgegangen.

1.3. Mit Mandatsbescheid vom 05.03.2019 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die gegenständliche Schubhaft zur Sicherung der Abschiebung verhängt. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer illegal in Österreich aufhältig sei. Er sei in Österreich nicht gemeldet und sei nicht im Besitz von ausreichenden Barmitteln. Die Mutter, der Bruder und die Ehefrau des Beschwerdeführers, von der er sich scheiden lasse, lebten in Österreich. Er habe weder ausreichende familiäre noch private Bindungen. Es bestehe kein schützenswertes Privatleben. Im gegenständlichen Fall seien § 76 Abs. 3 Z 1 und Z 9 erfüllt. Der Beschwerdeführer sie seit 18.07.2018 nicht aufrecht gemeldet. Er habe angegeben, bei seiner Mutter zu wohnen, könne aber die Adresse nicht angeben und sei nicht im Besitz eines Wohnungsschlüssels. Er habe den sichtvermerksfreien Aufenthalt weit überschritten und sei wegen Fahrens unter Drogeneinfluss angezeigt worden. Er sei für die Behörde nicht greifbar und bestehe die Gefahr, dass er untertauchen und sich dem Verfahren entziehen werde. Er habe kein schützenswertes Privatleben angegeben und verfüge über keine ausreichenden familiären oder sozialen Beziehungen im Bundesgebiet. Der Beschwerdeführer habe sich aufgrund des oben angeführten Vorverhaltens als nicht vertrauenswürdig erwiesen. Es liege somit begründete Fluchtgefahr vor. Die Prüfung der Verhältnismäßigkeit ergebe daher, dass die privaten Interessen an der Schonung der persönlichen Freiheit den Interessen des Staates hintenanzustellen seien. Insofern sei eine ultima-ratio-Situation gegeben und sei auch die Anordnung eines gelinderen Mittels nicht zweckdienlich. Die Verhängung der gegenständlichen Schubhaft sei daher notwendig und rechtskonform erfolgt.

1.4. Mit Beschwerde vom 07.03.2019 gegen den gegenständlichen Schubhaftbescheid führte die Rechtsvertretung im Wesentlichen aus, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, da keine Fluchtgefahr vorliege. Der Beschwerdeführer sei zwar im Bundesgebiet nicht gemeldet, habe aber auch nicht vor, sich hier niederzulassen, sondern nach Serbien zurückzukehren. Es könne ihm daher nicht unterstellt werden, dass er sich dem Verfahren entziehen habe wollen. Die belangte Behörde habe zur sozialen Verankerung nur unzureichend Ermittlungen angestellt und sei davon ausgegangen worden, dass er über keine Anknüpfungspunkte verfüge, obwohl der Beschwerdeführer vier Personen angeben konnte, mit denen er einen engen Kontakt pflege. Vor allen habe die Behörde die Mutter des Beschwerdeführers nicht telefonisch kontaktiert, um die genaue Wohnadresse zu ermitteln. Es werde daher ihre Einvernahme als Zeugin in einer mündlichen Verhandlung beantragt. Der Beschwerdeführer verfüge über eine relevante soziale Verankerung und Wohnmöglichkeit, er sei daher für die Behörde greifbar und es bestehe keine Fluchtgefahr. In eventu sei die Anwendung gelinderer Mittel zur Sicherung der Abschiebung ausreichend.

Weiters beantragt wurde der Ersatz sämtlicher Kommissionsgebühren und Barauslagen sowie der Aufwandersatz als Ersatz des Schriftsatzaufwandes des Beschwerdeführers als obsiegende Partei.

1.5. Das BFA legte dem Gericht am 08.03.2018 die verfahrensgegenständliche Beschwerde vor.

1.6. In einer Stellungnahme vom 09.03.2019 brachte das BFA vor, dass der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Familienangehöriger abgewiesen worden sei. Er sei von 23.02.2017 bis 18.07.2018 bei seiner Mutter gemeldet gewesen. Durch die Abmeldung am 18.07.2018, zwei Monate nach seiner erneuten Einreise, seien konkrete Schritte gesetzt worden, den Aufenthalt im Verborgenen fortzusetzen. Der rechtswidrige Aufenthalt sei den Behörden nur durch eine zufällige Fahrzeugkontrolle bekannt geworden. Aufgrund der unklaren Wohnverhältnisse in Zusammenschau mit den melderechtlichen Vorgängen sei für die Behörde Sicherungsbedarf erkennbar gewesen. Die Anwendung eines gelinderen Mittels stelle kein geeignetes Mittel dar, die Greifbarkeit des Beschwerdeführers zu sichern. Der Beschwerdeführer weise zwar keine strafrechtliche Verurteilung im Bundesgebiet auf, jedoch sei das Fahren unter Drogeneinfluss als erwiesen anzusehen. Von dem Beschwerdeführer gehe daher eine eklatante Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit aus.

Die Mutter des Beschwerdeführers sei bereits früher als Unterkunftgeberin aufgetreten, habe jedoch niemals die Pflichten eines Unterkunftgebers eingehalten und habe sich somit als nicht vertrauenswürdig und ungeeignet erwiesen, dem Beschwerdeführer verfahrenssichernd Unterkunft zu gewähren.

Das BFA beantragte die Abweisung der Beschwerde, den Ausspruch, dass die Voraussetzungen für eine weitere Anhaltung vorlägen, und den Ersatz von Vorlageaufwand und Schriftsatzaufwand.

1.7. Mit Schreiben des BFA vom 12.03.2019 wurde mitgeteilt, dass der Beschwerdeführer am 12.03.2019 um 09:30 zwecks freiwilliger Ausreise am selben Tag aus der Schubhaft entlassen worden sei. Die für 14.03.2019 anberaumte Verhandlung wurde daher abberaumt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

A. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Serbien und besitzt nicht die österreichische Staatsbürgerschaft. Der Beschwerdeführer ist somit Fremder im Sinne des § 2 Abs. 4 Z 1 FPG. Seine Identität steht fest.

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 08.11.2016 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels "Familienangehöriger" wurde mit Bescheid der Magistratsabteilung XXXX vom 13.07.2017 abgewiesen.

Der Beschwerdeführer war von 18.08.2009 bis 27.08.2009, von 21.02.2013 bis 30.07.2013, von 05.10.2016 bis 21.11.2016 und zuletzt von 23.02.2017 bis 18.07.2018 im Bundesgebiet gemeldet. Er reiste zuletzt am 26.05.2018 nach Österreich ein und hielt sich bis 12.03.2019 durchgehend im Bundesgebiet auf. Er hatte daher den sichtvermerksfreien Aufenthalt von 90 Tagen überschritten und befand sich illegal im Bundesgebiet.

Gemäß elektronischem Auskunftsportal wurde der Beschwerdeführer am 05.03.2019, 02:55 Uhr im Polizeianhaltezentrum aufgenommen und am 12.03.2019, 09:30 Uhr aus der verhängten Schubhaft zwecks freiwilliger Ausreise entlassen.

Festgestellt wird, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren hinsichtlich der familiären und privaten Bindungen des Beschwerdeführers durchzuführen. Der Beschwerdeführer gab an, mit einer in Österreich aufhältigen serbischen Staatsbürgerin eine Beziehung zu führen, mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet zu sein, aber in Scheidung zu leben, und bei seiner Mutter Unterkunft zu nehmen. Weiters lebe sein minderjähriger Bruder ebenfalls in Österreich. Die Behörde stellte jedoch fest, dass der Beschwerdeführer in Österreich keine ausreichenden familiären oder privaten Bindungen habe und kein schützenswertes Privatleben bestehe.

B. Beweiswürdigung:

2.1. Die Identität des Beschwerdeführers konnte aufgrund seines serbsichen Reisepasses festgestellt werden.

Der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung eines Aufenthaltstitels ergibt sich aus dem im Akt aufliegenden Bescheid der MA XXXX .

Die Wohnsitzmeldungen des Beschwerdeführers ergeben sich aus einer Abfrage des zentralen Melderegisters. Die Einreise des Beschwerdeführers am 26.05.2018 ergibt sich aus der Feststellung im angefochtenen Bescheid, dass der Reisepass des Beschwerdeführers einen entsprechenden Einreisestempel, aber keinen Ausreisestempel aufweise. Diese Feststellung wurde vom Beschwerdeführer nicht bestritten und auch keine Ausreise aus dem Schengenraum von 26.05.2018 bis 05.03.2019 behauptet. Der Beschwerdeführer hatte daher am 05.03.2019 den sichtvermerksfreien Aufenthalt von 90 Tagen eindeutig überschritten und befand sich illegal im Bundesgebiet.

Die Feststellungen zur Festnahme, zur weiteren Anhaltung und zur Entlassung ergeben sich aus dem Akteninhalt und der Einsicht in die Anhaltedatei-Vollzugsverwaltung.

Die Feststellung, dass es die belangte Behörde unterlassen hat, ein ordentliches Ermittlungsverfahren durchzuführen, ergibt sich aus dem Akteninhalt sowie dem angefochtenen Bescheid.

C. Rechtliche Beurteilung

1. Zu Spruchpunkt I.:

1.1. Gesetzliche Grundlage:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 FPG idgF lautet:

Der mit "Schubhaft" betitelte § 76 des Fremdenpolizeigesetzes 2005 (FPG), lautet:

"(1) Fremde können festgenommen und angehalten werden (Schubhaft), sofern der Zweck der Schubhaft nicht durch ein gelinderes Mittel (§ 77) erreicht werden kann. Unmündige Minderjährige dürfen nicht in Schubhaft angehalten werden.

(2) Die Schubhaft darf nur angeordnet werden, wenn

1. dies zur Sicherung des Verfahrens über einen Antrag auf internationalen Schutz im Hinblick auf die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme notwendig ist, sofern der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gemäß § 67 gefährdet, Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist,

2. dies zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme nach dem 8. Hauptstück oder der Abschiebung notwendig ist, sofern jeweils Fluchtgefahr vorliegt und die Schubhaft verhältnismäßig ist, oder

3. die Voraussetzungen des Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung vorliegen.

Bedarf es der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme deshalb nicht, weil bereits eine aufrechte rechtskräftige Rückkehrentscheidung vorliegt (§ 59 Abs. 5), so steht dies der Anwendung der Z 1 nicht entgegen. In den Fällen des § 40 Abs. 5 BFA-VG gilt Z 1 mit der Maßgabe, dass die Anordnung der Schubhaft eine vom Aufenthalt des Fremden ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit nicht voraussetzt.

(2a) Im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung (Abs. 2 und Art. 28 Abs. 1 und 2 Dublin-Verordnung) ist auch ein allfälliges strafrechtlich relevantes Fehlverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen, insbesondere ob unter Berücksichtigung der Schwere der Straftaten das öffentliche Interesse an einer baldigen Durchsetzung einer Abschiebung den Schutz der persönlichen Freiheit des Fremden überwiegt.

(3) Eine Fluchtgefahr im Sinne des Abs. 2 Z 1 oder 2 oder im Sinne des Art. 2 lit n Dublin-Verordnung liegt vor, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass sich der Fremde dem Verfahren oder der Abschiebung entziehen wird oder dass der Fremde die Abschiebung wesentlich erschweren wird. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen,

1. ob der Fremde an dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme mitwirkt oder die Rückkehr oder Abschiebung umgeht oder behindert;

1a. ob der Fremde eine Verpflichtung gemäß § 46 Abs. 2 oder 2a verletzt hat, insbesondere, wenn ihm diese Verpflichtung mit Bescheid gemäß § 46 Abs. 2b auferlegt worden ist, er diesem Bescheid nicht Folge geleistet hat und deshalb gegen ihn Zwangsstrafen (§ 3 Abs. 3 BFA-VG) angeordnet worden sind;

2. ob der Fremde entgegen einem aufrechten Einreiseverbot, einem aufrechten Aufenthaltsverbot oder während einer aufrechten Anordnung zur Außerlandesbringung neuerlich in das Bundesgebiet eingereist ist;

3. ob eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme besteht oder der Fremde sich dem Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme oder über einen Antrag auf internationalen Schutz bereits entzogen hat;

4. ob der faktische Abschiebeschutz bei einem Folgeantrag (§ 2 Abs. 1 Z 23 AsylG 2005) aufgehoben wurde oder dieser dem Fremden nicht zukommt;

5. ob gegen den Fremden zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz eine durchsetzbare aufenthaltsbeendende Maßnahme bestand, insbesondere, wenn er sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Schubhaft befand oder aufgrund § 34 Abs. 3 Z 1 bis 3 BFA-VG angehalten wurde;

6. ob aufgrund des Ergebnisses der Befragung, der Durchsuchung oder der erkennungsdienstlichen Behandlung anzunehmen ist, dass ein anderer Mitgliedstaat nach der Dublin-Verordnung zuständig ist, insbesondere sofern

a. der Fremde bereits mehrere Anträge auf internationalen Schutz in den Mitgliedstaaten gestellt hat oder der Fremde falsche Angaben hierüber gemacht hat,

b. der Fremde versucht hat, in einen dritten Mitgliedstaat weiterzureisen, oder

c. es aufgrund der Ergebnisse der Befragung, der Durchsuchung, der erkennungsdienstlichen Behandlung oder des bisherigen Verhaltens des Fremden wahrscheinlich ist, dass der Fremde die Weiterreise in einen dritten Mitgliedstaat beabsichtigt;

7. ob der Fremde seiner Verpflichtung aus dem gelinderen Mittel nicht nachkommt;

8. ob Auflagen, Mitwirkungspflichten, Gebietsbeschränkungen, Meldeverpflichtungen oder Anordnungen der Unterkunftnahme gemäß §§ 52a, 56, 57 oder 71 FPG, § 38b SPG, § 13 Abs. 2 BFA-VG oder §§ 15a oder 15b AsylG 2005 verletzt wurden, insbesondere bei Vorliegen einer aktuell oder zum Zeitpunkt der Stellung eines Antrags auf internationalen Schutzes durchsetzbaren aufenthaltsbeendenden Maßnahme;

9. der Grad der sozialen Verankerung in Österreich, insbesondere das Bestehen familiärer Beziehungen, das Ausüben einer legalen Erwerbstätigkeit beziehungsweise das Vorhandensein ausreichender Existenzmittel sowie die Existenz eines gesicherten Wohnsitzes.

(4) Die Schubhaft ist schriftlich mit Bescheid anzuordnen; dieser ist gemäß § 57 AVG zu erlassen, es sei denn, der Fremde befände sich bei Einleitung des Verfahrens zu seiner Erlassung aus anderem Grund nicht bloß kurzfristig in Haft. Nicht vollstreckte Schubhaftbescheide gemäß § 57 AVG gelten 14 Tage nach ihrer Erlassung als widerrufen.

(5) Wird eine aufenthaltsbeendende Maßnahme (Z 1 oder 2) durchsetzbar und erscheint die Überwachung der Ausreise des Fremden notwendig, so gilt die zur Sicherung des Verfahrens angeordnete Schubhaft ab diesem Zeitpunkt als zur Sicherung der Abschiebung verhängt.

(6) Stellt ein Fremder während einer Anhaltung in Schubhaft einen Antrag auf internationalen Schutz, so kann diese aufrechterhalten werden, wenn Gründe zur Annahme bestehen, dass der Antrag zur Verzögerung der Vollstreckung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme gestellt wurde. Das Vorliegen der Voraussetzungen ist mit Aktenvermerk festzuhalten; dieser ist dem Fremden zur Kenntnis zu bringen. § 11 Abs. 8 und § 12 Abs. 1 BFA-VG gelten sinngemäß."

1.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die belangte Behörde hat nach einer knapp gehaltenen Einvernahme am 05.03.2019 einen Mandatsbescheid erlassen. Der Bescheid ist mit "Mandatsbescheid" bezeichnet und stützt sich im Spruch auf § 57 Abs. 1 AVG.

Der Beschwerdeführer wurde zwar vor Bescheiderlassung zur Verhängung der Schubhaft einvernommen, ein Ermittlungsverfahren ist dem angefochtenen Bescheid jedoch nicht zu entnehmen. Die Angaben des Beschwerdeführers wurden weder überprüft, noch fanden sie überhaupt Eingang in den Bescheid. Es wurde zwar festgestellt, dass die Mutter, der Bruder und die Ehefrau des Beschwerdeführers in Österreich lebten, gleichzeitig wurde aber im Widerspruch dazu festgestellt, dass der Beschwerdeführer weder über ausreichende familiäre noch private Bindungen verfüge, er in Österreich nicht ausreichend sozial verankert sei und kein schützenswertes Privatleben bestehe. Dass der Beschwerdeführer, wie von ihm behauptete, eine Beziehung zu einer in Österreich aufenthaltsberechtigten serbischen Staatsangehörigen führe, wurde von der Behörde nicht überprüft und infolge dessen auch nicht festgestellt. Die mehrfachen familiären und privaten Bindungen wurden in weiterer Folge auch nicht in die rechtliche Beurteilung und Abwägung der Verhältnismäßigkeit der Schubhaft miteinbezogen. Vielmehr wurde in der rechtlichen Beurteilung erneut angeführt, dass der Beschwerdeführer kein schützenswertes Privatleben angegeben habe und über keine ausreichenden familiären und privaten Beziehungen im Bundesgebiet verfüge. Aufgrund des mangelhaften Ermittlungsverfahrens erwiest sich daher auch die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheids als mangelhaft.

Dass es der Behörde nicht möglich gewesen wäre, ein ordnungsgemäßes Ermittlungsverfahren zu führen, lässt sich dem Verwaltungsakt nicht entnehmen und wurde von der Behörde auch nicht vorgebracht.

Der gegenständliche Schubhaftbescheid erweist sich damit allein schon deshalb als rechtswidrig.

Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG stattzugeben und der gegenständliche Schubhaftbescheid für rechtswidrig zu erklären.

1.3. Zur Rechtswidrigkeit der Anhaltung in Schubhaft:

Im gegenständlichen Fall wurde mit dem angefochtenen Bescheid über den BF die Schubhaft angeordnet und diese auch in Vollzug gesetzt.

Da sich der angefochtene Schubhaftbescheid - wie bereits dargelegt - als rechtswidrig erwiesen ha, erweist sich auch die Anhaltung in Schubhaft als rechtswidrig.

Der Beschwerde war daher gemäß § 7 Abs. 1 Z 3 BFA-VG stattzugeben und die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig zu erklären.

2. Zu Spruchpunkt II. und III.:

2.1. Der VwGH hat im Erkenntnis vom 23.04.2015, Zl. Ro 2014/21/0077, ausgeführt, dass die Beschwerde an das BVwG, soweit damit die dem (gemeint: rechtswidrigen) Schubhaftbescheid nachfolgende Anhaltung bekämpft wird, eine Beschwerde gegen die behauptete Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt darstellt, weshalb auch § 35 VwGVG zur Anwendung kommt, und zwar zumindest insoweit, als er einem Beschwerdeführer vor dem Verwaltungsgericht im Falle des Obsiegens in einem Beschwerdeverfahren wegen behaupteter Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt Kostenersatz einräumt.

§ 35 VwGVG lautet:

"(1) Die im Verfahren über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG) obsiegende Partei hat Anspruch auf Ersatz ihrer Aufwendungen durch die unterlegene Partei.

(2) Wenn die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig erklärt wird, dann ist der Beschwerdeführer die obsiegende und die Behörde die unterlegene Partei.

(3) Wenn die Beschwerde zurückgewiesen oder abgewiesen wird oder vom Beschwerdeführer vor der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht zurückgezogen wird, dann ist die Behörde die obsiegende und der Beschwerdeführer die unterlegene Partei.

(4) Als Aufwendungen gemäß Abs. 1 gelten:

1. die Kommissionsgebühren sowie die Barauslagen, für die der Beschwerdeführer aufzukommen hat,

2. die Fahrtkosten, die mit der Wahrnehmung seiner Parteirechte in Verhandlungen vor dem Verwaltungsgericht verbunden waren, sowie

3. die durch Verordnung des Bundeskanzlers festzusetzenden Pauschalbeträge für den Schriftsatz-, den Verhandlungs- und den Vorlageaufwand.

(5) Die Höhe des Schriftsatz- und des Verhandlungsaufwands hat den durchschnittlichen Kosten der Vertretung bzw. der Einbringung des Schriftsatzes durch einen Rechtsanwalt zu entsprechen. Für den Ersatz der den Behörden erwachsenden Kosten ist ein Pauschalbetrag festzusetzen, der dem durchschnittlichen Vorlage-, Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand der Behörden entspricht.

(6) Die §§ 52 bis 54 VwGG sind auf den Anspruch auf Aufwandersatz gemäß Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.

(7) Aufwandersatz ist auf Antrag der Partei zu leisten. Der Antrag kann bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung gestellt werden."

Die Höhe der im Verfahren vor den Verwaltungsgerichten über Beschwerden wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 2 B-VG und Beschwerden wegen Rechtswidrigkeit eines Verhaltens einer Behörde in Vollziehung der Gesetze gemäß Art. 130 Abs. 2 Z 1 B-VG als Aufwandersatz zu leistenden Pauschalbeträge wird in § 1 der VwG-Aufwandersatzverordnung (VwG-AufwErsV), BGBl. II Nr. 517/2013, wie folgt festgesetzt:

"1. Ersatz des Schriftsatzaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 737,60 Euro

2. Ersatz des Verhandlungsaufwands des Beschwerdeführers als obsiegende Partei 922,00 Euro

3. Ersatz des Vorlageaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 57,40 Euro

4. Ersatz des Schriftsatzaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 368,80 Euro

5. Ersatz des Verhandlungsaufwands der belangten Behörde als obsiegende Partei 461,00 Euro

6. Ersatz des Aufwands, der für den Beschwerdeführer mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 553,20 Euro

7. Ersatz des Aufwands, der für die belangte Behörde mit dem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens verbunden war (Schriftsatzaufwand) 276,60 Euro."

2.2. Im gegenständlichen Verfahren wurde sowohl gegen den im Spruch genannten Bescheid, mit dem die Schubhaft angeordnet wurde, als auch gegen die Anhaltung in Schubhaft Beschwerde erhoben.

Da die Anhaltung in Schubhaft für rechtswidrig erklärt wurde, ist gemäß § 35 Abs. 2 VwGVG die beschwerdeführende Partei die obsiegende und die belangte Behörde die unterlegene Partei.

In der Beschwerde wurde von der beschwerdeführenden Partei beantragt, ihr Kostenersatz im Umfang der anzuwendenden Pauschalersatzverordnung (Schriftsatz- und Verhandlungsaufwand) zuzuerkennen.

Da im gegenständlichen Verfahren die Durchführung einer mündlichen Verhandlung unterbleiben konnte, war der von der belangten Behörde als unterlege Partei zu leistende Aufwandersatz auf den Ersatz des Schriftsatzaufwandes der beschwerdeführenden Partei in Höhe von 737,60 Euro zu beschränken.

Ein Kostenersatz für die Behörde besteht nach dem Gesetz in diesem Fall nicht.

3. Entfall einer mündlichen Verhandlung:

Da der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.

Zu Spruchpunkt B. - Revision

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.

Wie bereits ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf Spruchpunkt I. nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.

Schlagworte

Ermittlungsverfahren, Kostenersatz, Schubhaft, Schubhaftbeschwerde,
Voraussetzungen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2019:W171.2215673.1.00

Zuletzt aktualisiert am

13.05.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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