TE OGH 2019/2/26 8Ob114/18z

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Veröffentlicht am 26.02.2019
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden, die Hofrätinnen Dr. Tarmann-Prentner und Mag. Korn, den Hofrat Dr. Stefula und die Hofrätin Mag. Wessely-Kristöfel als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** R*****, 2. E***** R*****, beide vertreten durch Dr. Gerhard Hackenberger, Mag. Jürgen Greilberger, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei E***** K*****, vertreten durch Mag. Michael Medwed, Mag. Johann Sparowitz, Rechtsanwälte in Graz, wegen Feststellung, Beseitigung und Unterlassung (Interesse 7.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 5. April 2018, GZ 5 R 1/18f-44, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Graz-Ost vom 23. Mai 2017, GZ 207 C 1413/14v-39, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien binnen 14 Tagen die mit 688,92 EUR (darin 114 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger und die Beklagte sind Liegenschaftsnachbarn. Zugunsten der klägerischen Liegenschaft ist auf den Grundstücken der Beklagten Nr 719/5 und 719/6 die Dienstbarkeit des Gehens und Fahrens bücherlich einverleibt. Die beiden Grundstücke stellen sich in der Natur als Weg dar, der entlang der östlichen Grenze des Grundstücks der Kläger verläuft und am Grundstück der Beklagten endet. Grundlage des Servitutsrechts ist eine Vereinbarung aus dem Jahre 1978, in der festgehalten ist, dass das Recht auf den „gesamten Grundstücksflächen“ bestehe. Zweck der Einräumung war es, eine direkte Zufahrt vom Weg zum Wohnhaus der Rechtsvorgänger der Kläger sowie zu deren Garage zu ermöglichen.

Die Kläger und auch ihre Rechtsvorgänger benützten regelmäßig eine Zufahrt, die vom Grundstück 719/5 und der südlichsten Spitze des Grundstücks 719/5 nach links über das südliche Nachbargrundstück zu ihrer Liegenschaft führt. Eine zweite Zufahrtsmöglichkeit, die über beide Servitutsgrundstücke führt und dann nach links direkt zum Einfahrtsbereich der Garage führt, wurde in der Vergangenheit selten, aber doch regelmäßig benutzt. Diese Einfahrt bestand in einer rund 3 m breiten, mit einem abnehmbaren Gitter geschlossenen Lücke in der das Grundstück zum Servitutsweg hin abschließenden Thujenhecke. Zwischen den sporadischen Durchfahrten war das Gitter mit wildem Wein überwachsen, der bei Bedarf weggeschnitten wurde. Dieser nördliche Teil des Servitutswegs, der auf dem Grundstück 719/6 liegt, wurde von den Eigentümern der herrschenden Liegenschaft überdies fallweise zum Schneiden der Hecke benutzt, zuletzt mindestens einmal pro Jahr.

Fest steht ferner, dass der Servitutsweg nie durch Ablagerungen oder parkende Fahrzeuge derart blockiert war, dass er für die Berechtigten unbenützbar gewesen wäre.

Im Jahre 2014 entfernten die Kläger die auf ihrem eigenen Grundstück gelegene Thujenhecke. Die Beklagte pflanzte daraufhin parallel zur alten, aber auf dem Servitutsgrundstück, eine durchgehende neue Thujenhecke und errichtete Eisensteher, ferner legte sie im Bereich der Durchfahrtslücke der Kläger Betonplatten und stellte dort Mülltonnen auf.

Die Kläger begehrten die Feststellung, dass ihnen auf den gesamten Grundstücksflächen der Grundstücke 719/5 und 719/6 die Dienstbarkeit zustehe, ferner die Verpflichtung der Beklagten, die von ihr im Bereich der Heckendurchfahrt aufgestellten Mülltonnen, Eisenstangen sowie gepflanzten Thujen zu entfernen, weiters künftige Störungen der Ausübung der Dienstbarkeit zu unterlassen.

Die Beklagte wandte ein, die Berechtigten hätten die eingeräumte Dienstbarkeit hinsichtlich des Grundstücks 719/6 nie benötigt und mehr als dreißig Jahre hindurch nicht ausgeübt. Das Recht sei durch Nichtgebrauch erloschen, in eventu sei Freiheitsersitzung eingetreten. Die Benützung der hinteren Einfahrt stelle eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit dar, weil bei ihrer Einräumung im Jahre 1978 in diesem Bereich noch gar kein Weg angelegt und auch die Garage der Kläger noch nicht errichtet gewesen sei. Die Servitut beziehe sich nur auf die kürzeste Zufahrt.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Bei dem strittigen Wegerecht handle es sich um eine ungemessene Dienstbarkeit, die auf der gesamten Grundstücksfläche eingeräumt sei und deren Umfang sich nach dem jeweiligen Bedarf der Liegenschaft richte. Eine unzulässige Erweiterung sei nicht erfolgt, weil der ursprüngliche Zweck gewahrt geblieben sei und keine unzumutbare Mehrbelastung des dienenden Grundstücks dadurch eingetreten sei. Die Dienstbarkeit sei auch weder durch Nichtausübung erloschen, noch habe sich die Beklagte einer Ausübung in der für eine Freiheitsersitzung erforderlichen Intensität und Dauer widersetzt.

Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen und bestätigte auf deren Grundlage auch das rechtliche Ergebnis. Über Antrag der Beklagten erklärte es gemäß § 508 ZPO die ordentliche Revision mit der Begründung für zulässig. Es sei nicht auszuschließen, dass wegen der erst nach Abschluss des Dienstbarkeitsvertrags erfolgten Errichtung des verlängerten Wegs und der Garage doch eine unzulässige Servitutsausweitung vorliegen könnte.

Rechtliche Beurteilung

Die von den Klägern beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO unzulässig.

Die Auslegung des Umfangs der Dienstbarkeit ist eine Frage des Einzelfalls, die – von Fällen einer aus Gründen der Rechtssicherheit aufzugreifenden Fehlbeurteilung abgesehen – nicht revisibel ist (RIS-Justiz RS0011720 [T7]; RS0044088).

Bei ungemessenen Dienstbarkeiten ist nicht das Bedürfnis des herrschenden Gutes im Zeitpunkt der Entstehung der Dienstbarkeit, sondern dessen jeweiliges Bedürfnis innerhalb der Schranken aufgrund des ursprünglichen Bestands und der ursprünglichen (RIS-Justiz RS0097856 [T8], RS0011691 [T13], RS0016368 [T1 und T13], RS0011720 [T15]) oder der vorhersehbaren Bewirtschaftungsart (1 Ob 144/07v = RIS-Justiz RS0016368 [T11] = RS0016364 [T4]) maßgebend.

Mit dieser Rechtsprechung steht die Entscheidung des Berufungsgerichts im Einklang. Eine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinaus bedeutende Rechtsfrage zeigt die Revision nicht auf. Es ist dem Berufungsgericht auch keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung unterlaufen.

Nach dem oben wiedergegebenen Sachverhalt und dem Inhalt der im Verfahren unbestritten vorgelegten Urkunden, insbesondere des Teilungsplans aus dem Jahre 1977 (Beilage ./11), war bereits zu diesem Zeitpunkt die Anordnung der Grundstücksteile im Sinne der später errichteten Kleinsiedlung vorgesehen, die Errichtung bzw Verlängerung des Wegs über die für andere Zwecke ungeeignet schmalen Grundstücke 719/5 und 719/6 zur Aufschließung und die Errichtung von weiteren Gebäuden jedenfalls absehbar. Die Rechtsansicht, die Ausübung der Servitut durch die Berechtigten habe sich im Rahmen des ursprünglich vereinbarten Zwecks gehalten, ist keineswegs unvertretbar.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41 und 50 ZPO. Die Kläger haben in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

Textnummer

E124528

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2019:0080OB00114.18Z.0226.000

Im RIS seit

10.04.2019

Zuletzt aktualisiert am

10.04.2019
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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