TE Bvwg Erkenntnis 2019/1/28 W154 2014384-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 28.01.2019
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Entscheidungsdatum

28.01.2019

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §11
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs3
AsylG 2005 §8 Abs3a
AsylG 2005 §8 Abs4
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.2
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
StGB §83 Abs1
VwGVG §24 Abs1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W154 2014384-1/54E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. KRACHER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX alias XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.11.2014, Zl. 821860001/1599571/BMI-BFA_STM_RD, nach Durchführung mündlicher Verhandlungen am 07.03.2016, am 09.05.2016 und am 10.12.2018 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird gemäß §§ 8, 10, 55 und 57 AsylG 2005, § 9 BFA-VG sowie §§ 52 und 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte am 23.12.2012 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Er wurde am selben Tag niederschriftlich im Rahmen einer Erstbefragung einvernommen. Dabei führte er aus, dass es seiner Familie schlecht gegangen sei und sie kein Geld gehabt hätten. Er habe in Afghanistan nicht zur Schule gehen können.

Mit Bescheid vom 28.02.2013, Zahl 12 18.600 EAST Ost, wies das (zum damaligen Zeitpunkt zuständige) Bundesasylamt den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück und stellte fest, dass für die Prüfung des Antrages auf internationalen Schutz gemäß Art. 16 Abs.1 lit. c der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates Ungarn zuständig sei (Spruchpunkt I.). Zudem wurde der Beschwerdeführer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 AsylG aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Ungarn ausgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Ungarn gemäß § 10 Abs. 4 AsylG als zulässig erachtet (Spruchpunkt II.). Dagegen erhob der Beschwerdeführer Beschwerde an den zum damaligen Zeitpunkt zuständigen Asylgerichtshof.

Mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 28.08.2013, Zl. S3 433.587-1/2013/6E, wurde der Beschwerde gemäß § 41 Abs. 3 dritter Satz AsylG 2005 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

In der Einvernahme vom 03.07.2014 vor dem (nunmehr zuständigen) Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, aus wirtschaftlichen Gründen Afghanistan verlassen zu haben. Bei einer Rückkehr fürchte er, dass ihm aufgrund der schlechten Sicherheitslage etwas passieren könnte.

Mit dem gegenständlichen, angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, abgewiesen (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer unter Spruchpunkt II. der Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG iVm § 2 Abs. 1 Z 13 in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan nicht zuerkannt. Gemäß §§ 57 und 55 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen, wobei gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde innerhalb des Spruchpunktes III. ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die fristgerecht eingebrachte Beschwerde.

Am 07.03.2016 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Sachverständigen für Afghanistan eine öffentliche mündliche Verhandlung durchgeführt, an der das Bundesamt als weitere Partei des Verfahrens entschuldigt nicht teilnahm.

Der Beschwerdeführer gab im Wesentlichen an, der Ethnie der Hazara anzugehören und aus einem näher bezeichneten Dorf im Distrikt Shekali in der Prowinz Parwan zu stammen. Im Alter von ungefähr 4 Jahren sei er zusammen mit seinem Vater nach Kabul gekommen, wo er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2012 gelebt habe. Innerhalb Kabuls seien er und seine Familie mehrmals umgezogen. Seine Familie, bestehend aus Mutter, Vater, einer Schwester und fünf Brüdern, lebe nach wie vor in Kabul. Sein Vater und seine Brüder würden für die Familie sorgen, jedoch gäbe es kaum Arbeit in Kabul. Sein Vater sei Holzverkäufer und seine Brüder Tagelöhner, wobei seine Brüder nicht jeden Tag Arbeit fänden. Er selbst sei aufgrund von Arbeits- und Mittellosigkeit aus Afghanistan geflüchtet, dazu kämen noch religiöse Probleme und die Schwierigkeiten der Hazara.

In der fortgesetzten Verhandlung vom 09.05.2016 wurde dem Beschwerdeführer das Gutachten des dem Verfahren beigezogenen Ländersachverständigen vorgetragen. In dem Gutachten führte der Sachverständige wie folgt aus:

"Der Beschwerdeführer (in Folge: BF) heißt nach den gesammelten Informationen [...], sein Vater [...] und sein Großvater väterlicherseits [...] Seinen Nachnamen, [...] müsste der BF in Europa bestimmt haben, da die befragten Personen in den Wohnorten seiner Familie nicht gehört haben, dass der BF einen Nachnamen vor seiner Reise aus Afghanistan gehabt hätte. Auch sein Vater hat keinen Nachnamen.

Die Familie des BF stammt ursprünglich aus dem Dorf [...] im Distrikt Shekh Ali. Aber sie ist wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten, welche der BF auch vor dem BFA als einer seiner Fluchtgründe angegeben hatte, ca. im Jahre 1375 nach Kabul übersiedelt und sie hat zuerst [...] in Char Qala-e Wazir Abad gewohnt und später ist sie in das Viertel Sari Choqorak auch in Char Qala-e Wazir Abad übersiedelt. Der Vater des BF wohnt weiterhin in Kabul und arbeitet als Holzverkäufer. Sein Bruder [...] hat einen kleinen Lebensmittelladen. Sein Bruder [...] ist auch wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten in den Iran übersiedelt und sein Bruder [...] ist noch ein Kind, ca. 12. Jahre alt. Es konnte ein Onkel mütterlicherseits des BF von meinen Mitarbeitern in Erfahrung gebracht werden und er heißt [...]. Dieser Onkel lebt in Sheikh Ali, in der Ursprungheimat des BF.

Der BF ist vor vier Jahren aus Afghanistan ausgereist und den Grund für seine Ausreise bildete hauptsächlich die schlechte Wirtschaftslage der Familie. Der Vater des BF und sein Bruder können gerade die restlichen Familienmitglieder mit ihrem geringen Einkommen ernähren und sie konnten den BF und seinen Bruder [...] nicht länger finanziell unterstützen. Das Kapital des Vaters des BF und seines Bruders [...] macht ca. USD 1000.- aus. Das ist eine Summe, die eine arme Familie als Kapital in Kabul besitzen kann, welches nicht für alle Familienmitglieder ausreicht. Die Familie des BF wohnt in einem kleinen Miethaus. Die Familie des BF ist als Pendler zu bezeichnen, die nach Kabul gekommen ist, um Arbeit zu suchen. Solche Familien werden bald Kabul verlassen und wieder in ihre Ursprungsheimat zurückkehren, wenn sie in Kabul arbeitslos werden.

Die Angaben des BF, dass die Sicherheitslage in Afghanistan im Allgemeinen schlecht sei, stimmen mit der Wirklichkeit Afghanistan überein. Aber in Kabul unterscheidet sich die Lage zu anderen Provinzen. Während meines Aufenthaltes in Kabul habe ich betreffend die Sicherheitslage in dieser Stadt Nachforschungen angestellt und feststellen können, dass sich die Sicherheitslage in Kabul im Gegensatz zum Vorjahr wesentlich geändert hat. Es finden im Gegensatz zum Vorjahr wenige Anschläge der Taliban statt und die Sicherheitsorgane sind an allen Ecken der Stadt Kabul präsent. Vor allem Bezirke wie Char Qala Wazir Abad, wo die Hazaras wohnen, gehören zu den sicheren Vierteln der Stadt Kabul. Die Außenbezirke der Stadt Kabul, wie Mosai, Paghman, Puli-Charkhi, Tarakhel bleiben weiterhin unsichere Bezirke, weil dort mehrheitlich Paschtunen wohnen. In diesen Gemeinschaften haben die Taliban Zugang und Versteckmöglichkeit.

Es kommt immer noch vor, dass die Taliban in der Stadt Kabul Selbstmordanschläge verüben und Raketen abwerfen, aber die Zahl der Anschläge und Raketenabwurfe in der Stadt Kabul ist stark zurückgegangen, weil die Regierung mit der Unterstützung der Nato die Stadt Kabul in mehrere Sicherheitszonen unterteilt und die Sicherheitsmaßnahmen enorm erhöht hat.

Die Hazaras haben an der staatlichen Macht einen überdurchschnittlichen Anteil. Sie stellen den Stellvertretenden Präsidenten, den Stellvertretenden "Ministerpräsidenten". Den Stellvertretenden des Amtes für Staatssicherheit, den Stellvertretenden Armee-Chef, der mit einer schnellen Eingreiftruppe befugt ist, an allen Ecken Afghanistans Angriffe gegen die Taliban zu starten. Damit möchte ich darauf hinweisen, dass die Hazaras sich nicht mehr in Afghanistan wie früher in der Opferrolle befinden, sondern sie sind ein Teil des politischen Systems und sie verfügen über die staatliche Macht, die sie dazu befähigt, die Angriffe und Diskriminierungen von außen nicht mehr zu dulden.

Die Informationen aus Kabul und aus anderen Teilen Afghanistan beruhen auf meinen eigenen Wahrnehmungen während meiner Reise in Afghanistan von 21. 03. bis 02. 04. 2016. Die Feststellung von mir über die Sicherheitslage in Kabul ist temporär und ich kann nicht eine endgültige Prognose abgeben, wie es die Sicherheitslage in dieser Stadt in den nächsten Monaten ausschauen wird. Allerding möchte ich angeben, dass die Taliban zwar vereinzelt in der Stadt Kabul Anschläge verüben können, aber sie werden auch in der nahen Zukunft nicht imstande und auch nicht gewillt sein, einzelnen Zivilisten absichtlich Zielscheibe ihrer Anschläge machen."

Der Beschwerdeführer nahm das Gutachten des Sachverständigen zustimmend zur Kenntnis und zog in Folge die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides zurück. Bezüglich der Spruchpunkte II. und III. wurde die Beschwerde aufrechterhalten.

Ergänzend führte der Beschwerdeführer aus, acht Jahre lang die Grundschule besucht zu haben und über keine Berufsausbildung zu verfügen.

Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 17.06.2016, GZ W154 2014384-1/18E, wurde das Beschwerdeverfahren hinsichtlich des Spruchpunktes I. des bekämpften Bescheides gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG mit Beschluss eingestellt (Spruchpunkt I.) und dem Beschwerdeführer in Erledigung der Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und III. gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt (Spruchpunkt II.). Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte bis zum 17.6.2017 erteilt (Spruchpunkt III.).

Begründend stellte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen fest, dass der Beschwerdeführer afghanischer Staatsangehöriger sei und bis zu seiner Ausreise mit seiner Familie in Kabul gelebt habe. Er verfüge über eine geringe Schulausbildung und über keine Berufserfahrung, sei jugendlichen Alters und habe Kontakt zu seiner in Kabul lebenden Familie. Sein Vater und sein Bruder könnten mit ihrem geringen Einkommen die restliche Familie nur notdürftig ernähren und den Beschwerdeführer im Falle einer Rückkehr nicht finanziell unterstützen. Zudem sei die Versorgungslage in seiner Heimatregion schlecht. Wegen seiner wirtschaftlichen Lage und der allgemein schlechten Sicherheitslage habe der Beschwerdeführer auch keine Möglichkeit, sich an einem anderen Ort in Afghanistan niederzulassen. Beweiswürdigend wurde dazu ausgeführt, dass sich die Feststellungen zur Rückkehrprognose aus dem mündlich erstatteten Sachverständigengutachten ergäben.

In Erledigung der dagegen erhobenen außerordentlichen Amtsrevision hob der Verwaltungsgerichtshof am 23.03.2017 unter der Zahl Ra 2016 20/0188-10 das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes im Umfang seiner Anfechtung (Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes auf. Dies begründete er damit, das angefochtene Erkenntnis gleiche darin, dass das Bundesverwaltungsgericht mit seinen Feststellungen zwar die Möglichkeit einer schwierigen Lebenssituation für den Beschwerdeführer im Fall seiner Rückführung in den Herkunftsstaat in wirtschaftlicher Hinsicht aufgezeigt, damit jedoch die reale Gefahr existenzbedrohender Verhältnisse und somit einer Verletzung des Art. 3 EMRK in Bezug auf seinen Herkunftsstaat nicht dargetan habe, dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 8. September 2018, Ra 2016/20/0063, weshalb gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses verwiesen werde. Schon daher sei auch das gegenständlich angefochtene Erkenntnis hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten und der daran anknüpfenden Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 18.01.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt. Gemäß § 13 Abs. 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 15.03.2018 wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 (1) Z 1 1. Fall, 27 (1) Z 1 2. Fall, 27

(2) SMG als junger Erwachsener zu einer Freiheitsstrafe von 3 Monaten bedingt, Probezeit 3 Jahre rechtskräftig verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz vom 16.10.2018, GZ 21 Hv 34/18m, wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 Abs. 2a 1. DF SMG, § 27 Abs. 2a 2. DF SMG, § 27 Abs. 1 2. DF teils Abs. 2 SMG und § 27 Abs. 2a SMG zu einer Freiheitsstrafe im Strafausmaß von 3 Monaten (teilbedingt) und 9 Monaten bedingt rechtskräftig verurteilt.

Am 10.12.2018 hielt das Bundesverwaltungsgericht unter Beiziehung eines Dolmetschers für die Sprache Dari eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, an der das Bundesamt als Verfahrenspartei entschuldigt nicht teilnahm.

Dabei gab der Beschwerdeführer zunächst an, dass er gesund sei und keine chronischen Krankheiten und Leiden vorlägen. Derzeit befinde er sich wegen eines Suchtgiftdeliktes in Strafhaft. Es handle sich um die zweite Verurteilung, im Gefängnis sei er jedoch zum ersten Mal. Bei der ersten Verurteilung habe es sich auch um ein Suchtgiftdelikt gehandelt, er sei kontrolliert worden, habe aber nur den Eigenbedarf bei sich gehabt. Beim zweiten Mal habe er Suchtgift verkauft. Er hätte das Geld gebraucht, um zu einer Frau in die Steiermark zu fahren, die er auf einer Internetplattform kennengelernt habe. Bei ihr hätte er ca. 3 bis 4 Stunden täglich arbeiten und auch leben wollen. Die Arbeit wäre auf einem Pferdehof gewesen, als Arbeitsbeginn habe man den 01.10.2018 vereinbart, jedoch sei der Beschwerdeführer am 26.09.2018 von der Polizei festgenommen und anschließend verurteilt worden und in Haft gesessen. Seine (potentielle) Arbeitgeberin habe er nur einmal getroffen. Dazu wurde ein Schriftsatz von ihr vorgelegt. Insgesamt habe der Beschwerdeführer eine Haftstrafe von drei Monaten bekommen. Nach der Haft wolle er bei dieser Frau arbeiten. Weiters plane er, eine Lehre zu beginnen und in der Altenpflege tätig zu sein.

Seine Eltern hielten sich in Kabul auf und er habe seit ca. einem Jahr keinen Kontakt zu ihnen. Grund für den Kontaktabbruch sei, dass der Beschwerdeführer Stress gehabt hätte. Immer, wenn er seine angerufen habe, hätten sie Geld von ihm verlangt, das er jedoch nicht gehabt habe. Vor einem Jahr habe er den Aufenthaltsort seiner Familie gekannt, jetzt wisse er ihn nicht mehr genau. Seine Geschwister befänden sich bei seinen Eltern in Kabul, er habe jedoch auch zu ihnen keinen Kontakt. Sein Vater sei als Holzverkäufer tätig gewesen, seine beiden Brüder als Hilfsarbeiter. Zudem habe der Beschwerdeführer noch eine Schwester, zu der er auch keine Beziehung hätte. Nachgefragt, wo sich seiner Meinung nach seine Eltern gegenwärtig aufhielten, erklärte der Beschwerdeführer, vielleicht dort, wo sie früher gelebt hätten.

In der Zeit von Juni 2016, als ihm subsidiärer Schutz zuerkannt worden sei, bis zu seiner Festnahme im September 2018 habe der Beschwerdeführer nur zwei Monate lang einen Deutschkurs besucht, ansonsten nichts getan und auch nicht gearbeitet. Er hätte versucht, Arbeit zu finden, dies sei ihm aber nicht gelungen. Seitens der erkennenden Richterin wurde angemerkt, dass der Beschwerdeführer über sehr gute Deutschkenntnisse verfügt. Weiters erklärte er, er habe € 220 monatlich von der Caritas erhalten, € 100 davon hätte er Miete zahlen müssen und der Deutschkurs habe € 60 für zwei Monate gekostet.

Der Beschwerdeführer gehöre zur Volksgruppe der Hazara, sei schiitischer Moslem und stamme aus einem näher bezeichneten Dorf im Distrikt Sheikh Ali in der Provinz Parwan. Im Alter von zwei Jahren sei er mit seiner Familie nach Kabul gekommen, wo er dann 13 Jahre lang - bis zu seiner Ausreise - gelebt habe. In Afghanistan habe er acht Grundschule besucht und keine Berufserfahrung. Seine Familie besitze im Heimatdistrikt ein kleines Grundstück, das jedoch zerstört worden sei. Nun lebe keiner mehr dort, die Familie wohne in Kabul zur Miete. Freunde habe der Beschwerdeführer dort keine. Außer seiner Kernfamilie gebe es noch einen Onkel und eine Tante, die in Sheikh Ali leben würden.

Bei einer Rückkehr wisse der Beschwerdeführer nicht, wohin er gehen solle. Er würde gerne dableiben und eine Lehre machen. Da er Hazara sei, würden sie ihn köpfen, wenn er zurückkehre. In der Heimat habe sein Vater gesagt, dass der Beschwerdeführer spätestens um 16:00 oder 17:00 Uhr zu Hause sein müsse. Man werde draußen angegriffen und müsse alles hergeben. "Die" hätten Pistolen und Messer.

In Österreich habe der Beschwerdeführer acht Monate einen Deutschkurs und ein Jahr lang den polytechnischen Lehrgang besucht. Zeugnisse habe er, befinde sich aber derzeit in Haft. Da er minderjährig gewesen sei, hätten seine Betreuer diese Unterlagen. Bis zu seiner Verurteilung habe er ca. 4 bis 6 Monate lang um € 100 monatlich bei einem Freund in Graz gelebt. Auch davor habe er privat in Graz gewohnt. Den Lebensunterhalt habe er von der Grundversorgung bestritten. Familienangehörige habe er keine im Bundesgebiet. Befreundet sei er hier mit zwei Österreichern und einem Albaner. Diese seien Jugendliche wie er und würden eine Lehre machen. Kennengelernt habe er sie in der polytechnischen Schule. Treffen würde er sie einmal wöchentlich, am Wochenende. Der Beschwerdeführer sei nicht Mitglied in einem Verein und verrichte keine ehrenamtlichen Tätigkeiten. Er sei zwar grundsätzlich ein hilfsbereiter Mensch, habe konkret aber noch niemandem geholfen. Sein Bewährungshelfer habe gemeint, er würde sich um eine Tätigkeit kümmern. Es habe sich aber keine Arbeit gefunden und der Beschwerdeführer sei abermals straffällig geworden. Bezüglich seiner Lehre gebe es noch keine konkreten Pläne, vielleicht in Wien oder Graz. Bei der Suche würde ihn seine künftige Arbeitgeberin unterstützen.

Nachgefragt, welche konkreten Umstände den Beschwerdeführer an einer Rückkehr nach Afghanistan hindern würden, erklärte er, nicht zu wissen, wo sich seine Familie befinde, ob in Kabul oder außerhalb. Er könne dort keine Lehre machen. Er habe Schulden, weil er $ 10.000 von seinem Onkel mütterlicherseits genommen habe. Dieser lebe in Parwan. Überall gebe es Selbstmordattentäter. Der Beschwerdeführer schaue nicht anders aus, als die anderen Hazara, aber diese seien genauso betroffen wie er. Wenn die anderen Volksgruppen Hazara erwischen würden, würden sie sie töten. Als Hazara könne man nicht einmal Kabul verlassen. Wenn ihn die Taliban erwischen würden, würden sie ihn Köpfen, weil er Hazara sei. Zudem könne er in Kabul keine Arbeitsstelle finden. Die Hazara würden dort traditionelle afghanische Kleidung tragen und nicht westliche wie er. In den letzten fünf Jahren habe er sich sehr an das Leben hier gewöhnt, bereue natürlich was passiert sei und er werde nicht mehr wegen Suchtgiftverkauf in Haft kommen. Das Suchtgift habe er einen Polizisten in Zivil verkauft. Er sei selbst auch ein bisschen abhängig, wolle aber aufhören. Einen Arzt habe er jedoch noch nicht konsultiert. Nach seiner Haftentlassung wolle er bei seiner künftigen Arbeitgeberin wohnen.

In Kabul hätte er keine Möglichkeit, eine Arbeitsstelle zu finden, man müsse mindestens Gymnasium oder Uni haben. In Mazar-e Sharif habe der Beschwerdeführer niemanden.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung wurde dem Beschwerdeführer das aktuelle Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vorgelegt und die Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt.

Am 10.01.2019 langten beim Bundesverwaltungsgericht ein Bericht der Bewährungshilfe, eine Deutschkursbestätigung aus dem Jahr 2012 (A 1 Alphabetisierung), eine Therapiebestätigung sowie eine Schulbesuchsbestätigung der polytechnischen Schule aus dem Schuljahr 2013 /14 ein.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der mittlerweile volljährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, gehört zur Volksgruppe der Hazara und bekennt sich zum schiitischen Glauben.

Er stammt ursprünglich aus dem Distrikt Sheikh Ali in der Provinz Parwan und übersiedelte im Kleinkindalter mit seiner Familie nach Kabul, wo er bis zu seiner Ausreise lebte.

In der Heimat besuchte der Beschwerdeführer acht Jahre lang die Schule. Er verfügt über keine Berufserfahrung. Sein Vater ist Holzverkäufer, zwei seiner Brüder Hilfsarbeiter.

Die Familie besitzt im Heimatdistrikt ein kleines Grundstück. In Parwan leben noch eine Tante sowie ein Onkel mütterlicherseits.

Der Beschwerdeführer ist ledig, jung, gesund und arbeitsfähig.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit Ende 2012 im Bundesgebiet.

Vom 03.02. bis 03.08.2012 nahm der Beschwerdeführer an einem UMF-Deutschkurs A1 Alphabetisierung teil. Im Schuljahr 2013/14 besuchte er als außerordentlicher Schüler eine Polytechnische Schule.

Der Beschwerdeführer verfügt über sehr gute Deutschkenntnisse. Er hat Aussicht auf eine Arbeitsstelle im Ausmaß von vier Stunden täglich mit freier Kost und Logis. Zudem hat er - auch zwei inländische - Freunde, mit denen er sich am Wochenende trifft.

Festgestellt wird, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine familiären Anknüpfungspunkte hat. Er erwirtschaftete hier noch nie ein legales Einkommen und ist von der Grundversorgung abhängig.

Der Beschwerdeführer war weder ehrenamtlich tätig noch ist er Mitglied in Vereinen.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz-West vom 18.01.2018 (RK 23.01.2018) wurde der Beschwerdeführer wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs. 1 StGB verurteilt. Gemäß § 13 Abs. 1 JGG wurde der Ausspruch der Strafe für eine Probezeit von drei Jahren vorbehalten.

Mit Urteil des Bezirksgerichtes Graz West vom 15.03.2018 (RK 20.03.2018) wurde der Beschwerdeführer gemäß §§ 27 Abs. 1 Z 1 1. Fall, 27 Abs. 1 Z 1 2. Fall, 27 Abs. 2 Suchtmittelgesetz zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bedingt verurteilt.

Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 16.10.2018 wurde der Beschwerdeführer wegen § 27 Abs. 2a 1. DF SMG; § 27 Abs. 2a 2.DF SMG; § 27 Abs. 1 Z 1 2.DF teils Abs. 2 SMG; § 27 Abs. 2a SMG zu 3 Monaten Freiheitsstrafe teilbedingt und 9 Monaten bedingt verurteilt.

Zurzeit befindet er sich in gerichtlich angeordneter Bewährungshilfe. Er besuchte einmal ein Informationsgespräch bezüglich ambulanter Therapie.

Die Wohnraum- und Versorgungslage ist in Herat und Mazar-e Sharif sehr angespannt. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Ansiedelung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif kann der Beschwerdeführer jedoch grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse, wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft, befriedigen, ohne in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Er kann selbst für sein Auskommen und Fortkommen sorgen.

Es ist dem Beschwerdeführer möglich, nach anfänglichen Schwierigkeiten nach einer Ansiedlung in der Stadt Herat oder Mazar-e Sharif Fuß zu fassen und dort ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können.

Zur Situation im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers:

Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation zu

Afghanistan vom 29.6.2018, Stand 19.10.2018:

KI vom 19.10.2018, Aktualisierung: Sicherheitslage in Afghanistan - Q3.2018 (relevant für Abschnitt 3 / Sicherheitslage)

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Die Sicherheitslage in Afghanistan bleibt volatil (UNGASC 10.9.2018). Am 19.8.2018 kündigte der afghanische Präsident Ashraf Ghani einen dreimonatigen Waffenstillstand mit den Taliban vom 20.8.2018 bis 19.11.2018 an, der von diesen jedoch nicht angenommen wurde (UNGASC 10.9.2018; vgl. Tolonews 19.8.2018, TG 19.8.2018, AJ 19.8.2018). Die Vereinten Nationen (UN) registrierten im Berichtszeitraum (15.5.2018 - 15.8.2018) 5.800 sicherheitsrelevante Vorfälle, was einen Rückgang von 10% gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres bedeutet. Bewaffnete Zusammenstöße gingen um 14% zurück, machten aber weiterhin den Großteil der sicherheitsrelevanten Vorfälle (61%) aus. Selbstmordanschläge nahmen um 38% zu, Luftangriffe durch die afghanische Luftwaffe (AAF) sowie internationale Kräfte stiegen um 46%. Die am stärksten betroffenen Regionen waren der Süden, der Osten und der Süd-Osten, wo insgesamt 67% der Vorfälle stattfanden. Es gibt weiterhin Bedenken bezüglich sich verschlechternder Sicherheitsbedingungen im Norden des Landes:

Eine große Zahl von Kampfhandlungen am Boden wurde in den Provinzen Balkh, Faryab und Jawzjan registriert, und Vorfälle entlang der Ring Road beeinträchtigten die Bewegungsfreiheit zwischen den Hauptstädten der drei Provinzen (UNGASC 10.9.2018).

Zum ersten Mal seit 2016 wurden wieder Provinzhauptädte von den Taliban angegriffen: Farah- Stadt im Mai, Ghazni-Stadt im August und Sar-e Pul im September (UNGASC 10.9.2018; vgl. Kapitel 1., KI 11.9.2018, SIGAR 30.7.2018, UNGASC 6.6.2018). Bei den Angriffen kam es zu heftigen Kämpfen, aber die afghanischen Sicherheitskräfte konnten u.a. durch Unterstützung der internationalen Kräfte die Oberhand gewinnen (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018, GT 12.9.2018). Auch verübten die Taliban Angriffe in den Provinzen Baghlan, Logar und Zabul (UNGASC 10.9.2018). Im Laufe verschiedener Kampfoperationen wurden sowohl Taliban- als auch ISKP-Kämpfer (ISKP, Islamic State Khorasan Province, Anm.) getötet (SIGAR 30.7.2018).

Sowohl die Aufständischen als auch die afghanischen Sicherheitskräfte verzeichneten hohe Verluste, wobei die Zahl der Opfer auf Seite der ANDSF im August und September 2018 deutlich gestiegen ist (Tolonews 23.9.2018; vgl. NYT 21.9.2018, ANSA 13.8.2018, CBS 14.8.2018).

Trotzdem gab es bei der Kontrolle des Territoriums durch Regierung oder Taliban keine signifikante Veränderung (UNGASC 10.9.2018; vgl. UNGASC 6.6.2018). Die Regierung kontrollierte - laut Angaben der Resolute Support (RS) Mission - mit Stand 15.5.2018 56,3% der Distrikte, was einen leichten Rückgang gegenüber dem Vergleichszeitraum 2017 (57%) bedeutet. 30% der Distrikte waren umkämpft und 14% befanden sich unter Einfluss oder Kontrolle von Aufständischen. Ca. 67% der Bevölkerung lebten in Gebieten, die sich unter Regierungskontrolle oder -einfluss befanden, 12% in Gegenden unter Einfluss bzw. Kontrolle der Aufständischen und 23% lebten in umkämpften Gebieten (SIGAR 30.7.2018).

Der Islamische Staat - Provinz Khorasan (ISKP) ist weiterhin in den Provinzen Nangarhar, Kunar und Jawzjan aktiv (USGASC 6.6.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018). Auch war die terroristische Gruppierung im August und im September für öffentlichkeitswirksame Angriffe auf die schiitische Glaubensgemeinschaft in Kabul und Paktia verantwortlich (UNGASC 10.9.2018; vgl. KI vom 11.9.2018, KI vom 22.8.2018). Anfang August besiegten die Taliban den in den Distrikten Qush Tepa und Darzab (Provinz Jawzjan) aktiven "selbsternannten" ISKP (dessen Verbindung mit dem ISKP in Nangarhar nicht bewiesen sein soll) und wurden zur dominanten Macht in diesen beiden Distrikten (AAN 4.8.2018; vgl. UNGASC 10.9.2018).

Zivile Opfer

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) 5.122 zivile Opfer (1.692 Tote und 3.430 Verletzte), ein Rückgang von 3% gegenüber dem Vorjahreswert. 45% der zivilen Opfer wurden durch IED [Improvisierte Spreng- oder Brandvorrichtung/Sprengfallen, aber auch Selbstmordanschläge, Anm.] regierungsfeindlicher Gruppierungen verursacht. Zusammenstöße am Boden, gezielte Tötungen, Luftangriffe und explosive Kampfmittelrückstände waren weitere Ursachen für zivile Opfer. Zivilisten in den Provinzen Kabul, Nangarhar, Faryab, Helmand und Kandahar waren am stärksten betroffen. Wobei die Zahl der durch Zusammenstöße am Boden verursachten zivilen Opfer um 18% und die Zahl der gezielten Tötungen deutlich zurückging. Jedoch ist die Opferzahl bei komplexen und Selbstmordangriffen durch regierungsfeindliche Gruppierungen gestiegen (um 22% verglichen mit 2017), wobei 52% der Opfer dem ISKP, 40% den Taliban und der Rest anderen regierungsfeindlichen Gruppierungen zuzuschreiben ist (UNAMA 15.7.2018).

Regierungsfeindliche Gruppierungen waren im UNAMA-Berichtszeitraum (1.1.2018 - 30.6.2018) für 3.413 (1.127 Tote und 2.286 Verletzte) zivile Opfer verantwortlich (67%): 42% der Opfer wurden den Taliban, 18% dem IS und 7% undefinierten regierungsfeindlichen Gruppierungen zugeschrieben. Im Vergleich mit dem ersten Halbjahr 2017 stieg die Anzahl ziviler Opfer von gezielten Angriffen auf Zivilisten um 28%, was hauptsächlich auf Angriffe auf die öffentliche Verwaltung und Vorfälle mit Bezug auf die Wahlen zurückzuführen ist (UNAMA 15.7.2018).

Ungefähr 1.047 (20%) der verzeichneten zivilen Opfer wurden regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben: 17% wurden von den afghanischen Sicherheitskräften, 2% durch die internationalen Streitkräfte und 1% von regierungsfreundlichen bewaffneten Gruppierungen verursacht. Gegenüber 2017 sank die den regierungstreuen Gruppen zugerechnete Zahl ziviler Opfer von Zusammenstößen am Boden um 21%. Gleichzeitig kam es jedoch zu einem Anstieg der Opfer von Luftangriffen um 52% (Kunduz, Kapisa und Maidan Wardak) (UNAMA 15.7.2018; vgl. UNAMA 25.9.2018a, UNAMA 25.9.2018b).

Auch wurden von UNAMA zivile Opfer durch Fahndungsaktionen, hauptsächlich durch die Spezialkräfte des National Directorate of Security (NDS) und regierungsfreundliche bewaffnete Gruppierungen wie die Khost Protection Force (KPF) verzeichnet (UNAMA 15.7.2018).

Dennoch unternahm die afghanische Regierung weiterhin Anstrengungen zur Reduzierung der Zahl ziviler Opfer, was hauptsächlich während Bodenoperationen einen diesbezüglichen Rückgang zur Folge hatte. Die Regierung verfolgt eine "nationale Politik für zivile Schadensminimierung und - prävention" und das Protokol V der "Konvention über bestimmte konventionelle Waffen in Bezug auf explosive Kriegsmunitionsrückstände", welche am 9.2.2018 in Kraft getreten ist. Bei Bodenoperationen regierungfeindlicher Gruppierungen (hauptsächlich Taliban) wurde ein Rückgang der zivilen Opfer um 23% im Vergleich zu 2017 verzeichnet. So sank etwa die Zahl der zivilen Opfer der hauptsächlich von den Taliban eingesetzten Druckplatten-IEDs um 43% (UNAMA 15.7.2018).

Quellen:

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AAN - Afghanistan Analysts Network (4.8.2018): Qari Hekmat's Islan Overrun: Taleban defeat 'ISKP' in Jawzjan, https://www.afghanistan-analysts.org/qari-hekmats-islandoverrun-taleban-defeat-iskp-in-jawzjan/, Zugriff 31.8.2018

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ANSA - Agenzia Nationale Stampa Associata (13.8.2018):

Afghanistan: a Ghazni 120 morti, http://www.ansa.it/sito/notizie/mondo/asia/2018/08/13/afghanistan-a-ghazni-120- morti_695579f5-407b-4e4f-8814-afcd60397435.html, Zugriff 31.8.2018

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018a): kartografische Darstellung der

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BFA Staatendokumentation (15.10.2018b): grafische Darstellung der sicherheitsrelevanten Vorfälle Q2 und Q3, liegt im Archiv der Staatendokumentation vor

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UNAMA - UN Assistance Mission in Afghanistan (15.7.2018): Midyear Update on the Protection of Civilians in Armed Conflict: 1 January to 30 June 2018,

https://unama.unmissions.org/sites/default/files/unama_poc_midyear_update_2018_15_july

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UNGASC - General Assembly Security Council (10.9.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_12_sept.pdf

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UNGASC - General Assembly Security Council (6.6.2018): The situation in Afghanistan and its implications for international peace and security, Report of the Secretary General https://unama.unmissions.org/sites/default/files/sg_report_on_afghanistan_6_june.pdf, Zugriff 31.8.2018

Sicherheitslage

Wegen einer Serie von öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffen in städtischen Zentren, die von regierungsfeindlichen Elementen ausgeführt wurden, erklärten die Vereinten Nationen (UN) im Februar 2018 die Sicherheitslage für sehr instabil (UNGASC 27.2.2018).

Für das Jahr 2017 registrierte die Nichtregierungsorganisation INSO (International NGO Safety Organisation) landesweit 29.824 sicherheitsrelevante Vorfälle. Im Jahresvergleich wurden von INSO 2016 landesweit 28.838 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert und für das Jahr 2015

25.288. Zu sicherheitsrelevanten Vorfällen zählt INSO Drohungen, Überfälle, direkter Beschuss, Entführungen, Vorfälle mit IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und andere Arten von Vorfällen (INSO o.D.).

Für das Jahr 2017 registrierte die UN insgesamt 23.744 sicherheitsrelevante Vorfälle in Afghanistan (UNGASC 27.2.2018); für das gesamte Jahr 2016 waren es 23.712 (UNGASC 9.3.2017). Landesweit wurden für das Jahr 2015 insgesamt 22.634 sicherheitsrelevanter Vorfälle registriert (UNGASC 15.3.2016).

Im Jahr 2017 waren auch weiterhin bewaffnete Zusammenstöße Hauptursache (63%) aller registrierten sicherheitsrelevanten Vorfälle, gefolgt von IEDs (Sprengfallen/ Unkonventionelle Spreng- oder Brandvorrichtung - USBV) und Luftangriffen. Für das gesamte Jahr 2017 wurden 14.998 bewaffnete Zusammenstöße registriert (2016: 14.977 bewaffnete Zusammenstöße) (USDOD 12.2017). Im August 2017 stuften die Vereinten Nationen (UN) Afghanistan, das bisher als "Post-Konflikt-Land" galt, wieder als "Konfliktland" ein; dies bedeute nicht, dass kein Fortschritt stattgefunden habe, jedoch bedrohe der aktuelle Konflikt die Nachhaltigkeit der erreichten Leistungen (UNGASC 10.8.2017).

Die Zahl der Luftangriffe hat sich im Vergleich zum Jahr 2016 um 67% erhöht, die gezielter Tötungen um 6%. Ferner hat sich die Zahl der Selbstmordattentate um 50% erhöht.Östlichen Regionen hatten die höchste Anzahl an Vorfällen zu verzeichnen, gefolgt von südlichen Regionen. Diese beiden Regionen zusammen waren von 55% aller sicherheitsrelevanten Vorfälle betroffen (UNGASC 27.2.2018). Für den Berichtszeitraum 15.12.2017 - 15.2.2018 kann im Vergleich zum selben Berichtszeitraum des Jahres 2016, ein Rückgang (-6%) an sicherheitsrelevanten Vorfällen verzeichnet werden (UNGASC 27.2.2018)

Afghanistan ist nach wie vor mit einem aus dem Ausland unterstützten und widerstandsfähigen Aufstand konfrontiert. Nichtsdestotrotz haben die afghanischen Sicherheitskräfte ihre Entschlossenheit und wachsenden Fähigkeiten im Kampf gegen den von den Taliban geführten Aufstand gezeigt. So behält die afghanische Regierung auch weiterhin Kontrolle über Kabul, größere Bevölkerungszentren, die wichtigsten Verkehrsrouten und den Großteil der Distriktzentren (USDOD 12.2017). Zwar umkämpften die Taliban Distriktzentren, sie konnten aber keine Provinzhauptstädte (bis auf Farah-Stadt; vgl. AAN 6.6.2018) bedrohen - ein signifikanter Meilenstein für die ANDSF (USDOD 12.2017; vgl. UNGASC 27.2.2018); diesen Meilenstein schrieben afghanische und internationale Sicherheitsbeamte den intensiven Luftangriffen durch die afghanische Nationalarmee und der Luftwaffe sowie verstärkter Nachtrazzien durch afghanische Spezialeinheiten zu (UNGASC 27.2.2018).

Die von den Aufständischen ausgeübten öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe in städtischen Zentren beeinträchtigten die öffentliche Moral und drohten das Vertrauen in die Regierung zu untergraben. Trotz dieser Gewaltserie in städtischen Regionen war im Winter landesweit ein Rückgang an Talibanangriffen zu verzeichnen (UNGASC 27.2.2018). Historisch gesehen gehen die Angriffe der Taliban im Winter jedoch immer zurück, wenngleich sie ihre Angriffe im Herbst und Winter nicht gänzlich einstellen. Mit Einzug des Frühlings beschleunigen die Aufständischen ihr Operationstempo wieder. Der Rückgang der Vorfälle im letzten Quartal 2017 war also im Einklang mit vorangegangenen Schemata (LIGM 15.2.2018).

Anschläge bzw. Angriffe und Anschläge auf hochrangige Ziele

Die Taliban und weitere aufständische Gruppierungen wie der Islamische Staat (IS) verübten auch weiterhin "high-profile"-Angriffe, speziell im Bereich der Hauptstadt, mit dem Ziel, eine Medienwirksamkeit zu erlangen und damit ein Gefühl der Unsicherheit hervorzurufen und so die Legitimität der afghanischen Regierung zu untergraben (USDOD 12.2017; vgl. SBS 28.2.2018, NZZ 21.3.2018, UNGASC 27.2.2018). Möglicherweise sehen Aufständische Angriffe auf die Hauptstadt als einen effektiven Weg, um das Vertrauen der Bevölkerung in die Regierung zu untergraben, anstatt zu versuchen, Territorium in ländlichen Gebieten zu erobern und zu halten (BBC 21.3.2018).

Die Anzahl der öffentlichkeitswirksamen (high-profile) Angriffe hatte sich von 1.6. - 20.11.2017 im Gegensatz zum Vergleichszeitraum des Vorjahres erhöht (USDOD 12.2017). In den ersten Monaten des Jahres 2018 wurden verstärkt Angriffe bzw. Anschläge durch die Taliban und den IS in verschiedenen Teilen Kabuls ausgeführt (AJ 24.2.2018; vgl. Slate 22.4.2018). Als Antwort auf die zunehmenden Angriffe wurden Luftangriffe und Sicherheitsoperationen verstärkt, wodurch Aufständische in einigen Gegenden zurückgedrängt wurden (BBC 21.3.2018); auch wurden in der Hauptstadt verstärkt Spezialoperationen durchgeführt, wie auch die Bemühungen der US-Amerikaner, Terroristen zu identifizieren und zu lokalisieren (WSJ 21.3.2018).

Landesweit haben Aufständische, inklusive der Taliban und des IS, in den Monaten vor Jänner 2018 ihre Angriffe auf afghanische Truppen und Polizisten intensiviert (TG 29.1.2018; vgl. BBC 29.1.2018); auch hat die Gewalt Aufständischer gegenüber Mitarbeiter/innen von Hilfsorganisationen in den letzten Jahren zugenommen (The Guardian 24.1.2018). Die Taliban verstärken ihre Operationen, um ausländische Kräfte zu vertreiben; der IS hingegen versucht, seinen relativ kleinen Einflussbereich zu erweitern. Die Hauptstadt Kabul ist in diesem Falle für beide Gruppierungen interessant (AP 30.1.2018).

Angriffe auf afghanische Sicherheitskräfte und Zusammenstöße zwischen diesen und den Taliban finden weiterhin statt (AJ 22.5.2018; AD 20.5.2018).

Registriert wurde auch eine Steigerung öffentlichkeitswirksamer gewalttätiger Vorfälle (UNGASC 27.2.2018), von denen zur Veranschaulichung hier auszugsweise einige Beispiele wiedergegeben werden sollen (Anmerkung der Staatendokumentation: Die folgende Liste enthält öffentlichkeitswirksame (high-profile) Vorfälle sowie Angriffe bzw. Anschläge auf hochrangige Ziele und erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit).

• Selbstmordanschlag vor dem Ministerium für ländliche Rehabilitation und Entwicklung (MRRD) in Kabul: Am 11.6.2018 wurden bei einem Selbstmordanschlag vor dem Eingangstor des MRRD zwölf Menschen getötet und 30 weitere verletzt. Quellen zufolge waren Frauen, Kinder und Mitarbeiter des Ministeriums unter den Opfern (AJ 11.6.2018). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (Reuters 11.6.2018; Gandhara 11.6.2018).

• Angriff auf das afghanische Innenministerium (MoI) in Kabul: Am 30.5.2018 griffen bewaffnete Männer den Sitz des MoI in Kabul an, nachdem vor dem Eingangstor des Gebäudes ein mit Sprengstoff geladenes Fahrzeug explodiert war. Bei dem Vorfall kam ein Polizist ums Leben. Die Angreifer konnten nach einem zweistündigen Gefecht von den Sicherheitskräften getötet werden. Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zum Angriff (CNN 30.5.2018; vgl. Gandhara 30.5.2018)

• Angriff auf Polizeistützpunkte in Ghazni: Bei Taliban-Anschlägen auf verschiedene Polizeistützpunkte in der afghanischen Provinz Ghazni am 21.5.2018 kamen mindestens 14 Polizisten ums Leben (AJ 22.5.2018).

• Angriff auf Regierungsbüro in Jalalabad: Nach einem Angriff auf die Finanzbehörde der Provinz Nangarhar in Jalalabad kamen am 13.5.2018 mindestens zehn Personen, darunter auch Zivilisten, ums Leben und 40

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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