TE Bvwg Erkenntnis 2019/2/7 W125 2207092-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.02.2019
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Entscheidungsdatum

07.02.2019

Norm

AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W125 2207088-1/4E

W125 2207093-1/3E

W125 2207089-1/3E

W125 2207090-1/4E

W125 2207085-1/3E

W125 2207092-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Christian FILZWIESER als Einzelrichter über die Beschwerden von 1.) XXXX ,

geb. XXXX , 2.) XXXX , geb. XXXX , 3.) XXXX , geb. XXXX , 4.) XXXX ,

geb. XXXX , 5.) XXXX , geb. XXXX , 6.) XXXX , geb. XXXX , alle Staatsangehörigkeit Russische Föderation und vertreten durch die ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.7.2018, 1.) Zahl XXXX, 2.) Zahl XXXX , 3.) Zahl XXXX , 4.) Zahl XXXX , 5.) Zahl XXXX , 6.) Zahl XXXX zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird gemäß § 28 Abs 1 und 2 VwGVG iVm § 9 Abs 1 Z 1

2. Fall AsylG 2005 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin sind verheiratet und Eltern beziehungsweise die Zweitbeschwerdeführerin auch gesetzliche Vertreterin der minderjährigen Dritt- bis Sechstbeschwerdeführer. Die Beschwerdeführer sind Staatsangehörige der Russischen Föderation und gehören der tschetschenischen Volksgruppe sowie dem islamischen Glauben an.

1. Vorverfahren über die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten

1.1. Am 12.6.2011 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und den Drittbeschwerdeführer sowie in der Folge auch am 12.7.2011 für die am XXXX im Bundesgebiet geborene Viertbeschwerdeführerin Anträge auf internationalen Schutz. Für den Drittbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin wurden dabei keine eigenen Fluchtgründe geltend gemacht.

1.2. Am 13.6.2011 erfolgte die Erstbefragung des Erstbeschwerdeführers, in welcher dieser angab, Probleme mit den tschetschenischen Behörden gehabt zu haben. Er hätte einen Bekannten mit dem Taxi über die tschetschenische Grenze transportiert und wäre in der Folge beschuldigt worden, mit einer terroristischen Organisation zusammenzuarbeiten; es wären vermummte Menschen zu ihm nach Hause gekommen und hätten ihn nach XXXX gebracht. Seine Frau sei derzeit schwanger, mit dem ungeborenen Kind stimme etwas nicht.

1.3. Am 12.7.2011 fand im Zulassungsverfahren eine Einvernahme des Erstbeschwerdeführers zu einer Ausweisung nach Polen vor Organen des seinerzeitigen Bundesasylamtes statt. In dieser legte der Erstbeschwerdeführer dar, dass seine Tochter (die Viertbeschwerdeführerin) an der Wirbelsäule operiert worden sei, die eine leichte Krümmung aufweise. In ihrem Kopf habe sich Wasser gebildet, eine für den 11.7.2011 geplante Operation hätte aufgrund eines Fiebers auf den heutigen Tag (der Einvernahme, 12.7.2011) verschoben werden müssen. Derzeit befinde sich die Viertbeschwerdeführerin im AKH XXXX .

1.4. Am 13.6.2011 fand die Erstbefragung der Zweitbeschwerdeführerin statt, in welcher diese angab, wegen der Probleme ihres Mannes geflüchtet zu sein; weder sie selbst noch der Drittbeschwerdeführer hätten eigene Fluchtgründe.

1.5. Am 5.10.2011 erfolgte die Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin im Zulassungsverfahren zu einer Ausweisung nach Polen vor Organen des seinerzeitigen Bundesasylamtes. In dieser führte die Zweitbeschwerdeführerin aus, dass der Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin stabil sei; sie hätte nach vorangegangener Kopfoperation eine Narbe am Kopf und auch am Rücken; vom Kopf werde wöchentlich ein Ultraschallbild gemacht. Die Viertbeschwerdeführerin würde nach Heilung der Narbe am Rücken ein Korsett bekommen; ihre Rippen stünden im Brustbereich auf der rechten Seite weg. Es sei der Zweitbeschwerdeführerin mitgeteilt worden, dass die Viertbeschwerdeführerin wenige Reflexe zeige und nie selbständig auf das WC gehen können würde. Sie sei der Meinung, dass die Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Ausweisung nach Polen sterben würde.

1.6. Die Verfahren der Erst- bis Viertbeschwerdeführer wurden in der Folge zugelassen.

Am 26.1.2012 fand die Einvernahme des Erstbeschwerdeführers vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl statt.

Zum Fluchtvorbringen führte der Erstbeschwerdeführer dabei im Wesentlichen aus, Probleme mit einem Nachbarn gehabt zu haben, den er im Zuge seiner Tätigkeit als Taxilenker über die tschetschenische Grenze befördert habe; später habe sich herausgestellt, dass dieser Nachbar zu den Widerstandskämpfern gehört und Probleme mit den Behörden gehabt hätte. Der Erstbeschwerdeführer sei zu seinem Nachbarn befragt, von der Polizei mitgenommen und festgehalten worden. Er sei auch geschlagen worden; seine Frau sei, als sie im siebten Monat schwanger gewesen sei, gegen die Wand geschleudert worden und glaube der Erstbeschwerdeführer, dass ihre gemeinsame Tochter (die Viertbeschwerdeführerin) deshalb behindert sei. Die Viertbeschwerdeführerin sei zweimal operiert worden und befinde sich in Therapie, es komme eine Krankenschwester zu ihnen nach Hause. Es sei unklar, ob die Viertbeschwerdeführerin jemals würde gehen können.

Die Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin erfolgte ebenfalls am 26.1.2012. In dieser brachte die Zweitbeschwerdeführerin zusammengefasst vor, während der Verschleppung ihres Mannes zu Boden gestoßen worden zu sein; damals sei sie im siebten Monat schwanger gewesen. Nach dem Vorfall wäre festgestellt worden, dass das Kind behindert sei.

1.7. Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.3.2012 wurden die Anträge der Erst- bis Viertbeschwerdeführer hinsichtlich des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihnen gemäß § 8 Abs 1 AslyG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Das Fluchtvorbringen des Erstbeschwerdeführers wurde seitens des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl für unglaubhaft befunden, weil es widersprüchlich gewesen und es zu einer Steigerung gekommen sei sowie letztlich kein asylrelevanter Sachverhalt dargelegt worden wäre; auch das Vorbringen der Zweitbeschwerdeführerin, wonach die Fehlbildungen der Viertbeschwerdeführerin auf Misshandlungen während der Schwangerschaft zurückzuführen seien, wurde in Bezug auf die Ursache der Fehlbildungen als nicht glaubhaft erkannt. Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten an die Erstbis Viertbeschwerdeführer erfolgte, weil die Viertbeschwerdeführerin an einem multiplen Fehlbildungssyndrom leide und eine Rückkehr in den Herkunftsstaat im Hinblick auf die persönliche Situation des Erstbeschwerdeführers, mangels Reisefähigkeit sowie der zur Zeit für solche Fälle nicht ausreichenden medizinischen Versorgungslage in Tschetschenien nicht zumutbar sei und die reale Gefahr bestehe, dass die Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werde. Zu Grunde gelegt wurden den Bescheiden Länderfeststellungen zur Russischen Föderation, insbesondere zur medizinischen Versorgungslage, welchen zu entnehmen ist, dass die medizinische Versorgung in Tschetschenien stark unter dem landesweiten Durchschnitt liegt, die Inanspruchnahme komplexerer medizinischer Behandlungen aber jedenfalls in größeren Städten wie Moskau oder St. Petersburg möglich ist.

1.8. Der Fünftbeschwerdeführer beziehungsweise. die Sechstbeschwerdeführerin wurden am XXXX beziehungsweise XXXX im Bundesgebiet geboren. Dem Fünftbeschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 14.1.2015 und der Sechstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 4.11.2016 gemäß § 8 Abs 1 iVm § 34 Abs 3 AsylG 2005 ebenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt, nachdem für sie jeweils am 11.11.2014 (Fünftbeschwerdeführer) und 22.6.2016 (Sechstbeschwerdeführerin) Anträge auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt worden waren; eigene Fluchtgründe wurden für den Fünftbeschwerdeführer und die Sechstbeschwerdeführerin jeweils nicht geltend gemacht.

2. Gegenständliches Verfahren über die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten

2.1. Am 20.3.2018 fand eine Befragung des Erstbeschwerdeführers vor Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl statt. Dem Erstbeschwerdeführer wurde vorgehalten, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit am 30.11.2017 übermittelten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres in Kenntnis gesetzt worden sei, dass der Erstbeschwerdeführer gemeinsam mit dem Fünftbeschwerdeführer von 28.6.2017 bis 22.7.2017 in Moskau gewesen wäre. Der Erstbeschwerdeführer wurde befragt, wie er zu seinem gültigen russischen Reisepass gekommen sei und was der Zweck seiner Reise in die Russische Föderation gewesen wäre.

Dazu erklärte der Erstbeschwerdeführer, den Reisepass bei der russischen Botschaft in XXXX erhalten zu haben. Im März 2017 habe er eine Nacht im Krankenhaus verbracht, nachdem er sich sehr schlecht gefühlt und einen hohen Blutdruck gehabt hätte. Er sei danach wiederholt ohnmächtig geworden und mehrmals ins Krankenhaus gebracht worden, wobei die Ärzte für seinen Zustand keine Erklärung gehabt hätten. Schließlich sei er nach Tschetschenien gereist, um sich dort behandeln zu lassen; er habe jedoch keine Behandlung gefunden, die ihm geholfen hätte. Daher sei er nach Österreich zurückgekehrt, in XXXX befinde er sich derzeit in Behandlung.

Zum Gesundheitszustand seiner Tochter (der Viertbeschwerdeführerin) befragt führte der Erstbeschwerdeführer aus, dass es dieser noch schlechter gehe, sie sei etwa zehnmal operiert worden; es sei entdeckt worden, dass sie auch noch an Epilepsie und Zuckerkrankheit leide. Der Viertbeschwerdeführerin - die ebenfalls nach Tschetschenien gereist war, siehe gleich unter I.2.2. - sei es in Tschetschenien noch schlechter gegangen, die Ärzte dort hätten sich gewundert, wie ein Kind mit dieser Krankheit überhaupt leben könne.

Es wurde dem Erstbeschwerdeführer aufgetragen, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl binnen vierzehn Tagen sämtliche aktuellen medizinischen Befunde der Viertbeschwerdeführerin vorzulegen.

2.2. Die Zweitbeschwerdeführerin wurde am 20.3.2018 ebenfalls vor Organen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl zur Einreise in die Russische Föderation in Begleitung des Drittbeschwerdeführers, der Viertbeschwerdeführerin sowie der Sechstbeschwerdeführerin und dem dortigen Aufenthalt von 28.6.2017 bis 7.8.2017 sowie von 26.11.2017 bis 24.12.2017 befragt, nachdem es ebenso mit am 30.11.2017 übermittelten Schreiben des Bundesministeriums für Inneres von diesem Umstand in Kenntnis gesetzt worden war.

Dazu gab die Zweitbeschwerdeführerin an, ihren russischen Reisepass bei der russischen Botschaft in XXXX bekommen zu haben. Sie habe in der Russischen Föderation ihre schwerkranke Mutter sehen wollen; sie vermute, dass ihre Mutter Krebs habe.

Zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin erläuterte die Zweitbeschwerdeführerin, dass diese im Rollstuhl sitze und ein Korsett trage. Sie bekomme seitliche Schienen, damit sie aufrecht stehen könne. Sie befände sich in verschiedenen Therapien und sei mehrmals operiert worden; soweit die Zweitbeschwerdeführerin dies verständen hätte, würden die Nieren der Viertbeschwerdeführerin nicht so gut funktionieren. Sie habe ein Loch im Bauch, aus dem Harn entweichen könne; im Mai gebe es eine Kontrolle und wenn diese erfolgreich wäre, würde eine Operation gemacht werden, damit der Harn normal abgesondert werden könne. Seit Juni 2017 habe die Viertbeschwerdeführerin immer wieder epileptische Anfälle und es sei festgestellt worden, dass sie zu 99% an Epilepsie leide.

Der Zweitbeschwerdeführerin wurde aufgetragen, binnen vierzehn Tagen sämtliche aktuellen medizinischen Befunde der Viertbeschwerdeführerin sowie die verordnete Therapie, die verordneten Medikamente und Bestätigungen über erfolgte und laufende medizinische Behandlungen vorzulegen.

2.3. Mit verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheiden vom 17.7.2018 wurde den Erst- bis Sechstbeschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.), die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.3.2016 erteilte befristeten Aufenthaltsberechtigungen als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer Rückkehrentscheidungen gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig sei (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde ausgeprochen, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

Begründend legte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl dar, dass die Beschwerdeführer gemeinsam in die Russische Föderation ausgereist seien und daher davon ausgegangen werde, dass sie sich freiwillig dem Schutz ihres Herkunftsstaates unterstellt hätten. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl komme zu dem Schluss, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation Behandlungsmöglichkeiten offen stünden; dies deshalb, weil der Erstbeschwerdeführer im Rahmen seiner Einvernahme mitgeteilt habe, dass er sich in Tschetschenien behandeln lassen habe wollen und dies auch gemacht hätte. Aufgrund dieser Tatsache seien die Beschwerdeführer nicht mehr auf subsidiären Schutz angewiesen. Die Beschwerdeführer hätten sich durch die Beantragung von Reisepässen und dem Aufenthalt in der Russischen Föderation dem Schutz ihres Herkunftsstaates unterstellt.

Laut dem Länderinformationsblatt zur Russischen Föderation seien PTBS, Gastroenteritis, Hiatushernie und periphere Polyneuropathie ebenso wie die Erkrankung der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation behandelbar. Es sei daher nicht davon auszugehen, dass im Fall einer Rückkehr in die Russische Föderation die Beschwerdeführer in eine Notlage entsprechend Art 2, 3 EMRK gelangen würden.

Die näher bezeichneten Krankheiten der Viertbeschwerdeführerin seien laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation unter Heranziehung von IOM vom 29.6.2018 in den Regionen Krasnodarksiy, Moskau und St. Petersburg behandelbar; dort seien auch spezialisierte Pflegeeinrichtungen vorhanden.

In der rechtlichen Beurteilung hielt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl fest, dass gemäß § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten von Amts wegen abzuerkennen sei, wenn die Voraussetzungen für die Zuerkennung nicht mehr vorlägen; dies sei gegenständlich der Fall, weil die Beschwerdeführer in ihrem Herkunftsstaat gewesen und dort keiner Verfolgung, Bedrohung oder Gewalt ausgesetzt gewesen wären.

2.4. Gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.7.2018 erhoben die Beschwerdeführer am 17.8.2018 Beschwerden durch ihren Rechtsvertreter.

In diesen wurde wesentlich ausgeführt, dass für die Beschwerdeführer, insbesondere für den Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin, entgegen der Ansicht des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl weiterhin eine Bedrohung iSd § 8 AsylG 2005 im Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat vorliege. Die vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl vermeintlich festgestellten Sachverhaltsänderungen seien nicht geeignet, eine andere Beurteilung der Schutzfähigkeit und damit die Durchbrechung der Rechtskraft zu rechtfertigen. Es werde nicht bestritten, dass in der Vergangenheit unter bestimmten Umständen eine Reisefähigkeit der Viertbeschwerdeführerin gegeben gewesen sei; das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe aber seine diesbezügliche Ermittlungspflicht verletzt: Es wäre nicht erörtert worden, unter welchen Umständen es der Viertbeschwerdeführerin möglich gewesen sei, gemeinsam mit ihrer Mutter, der Zweitbeschwerdeführerin, in ihren Herkunftsstaat zu verreisen; zudem verkenne das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, dass die Reisebewegung im Jahr 2017 stattgefunden habe und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl angehalten gewesen wäre, die Sachlage und Reisefähigkeit im Zeitpunkt der Bescheiderlassung zu beurteilen. Es habe kein medizinisches Gutachten betreffend die Reisefähigkeit in concreto sowie hinsichtlich des allgemeinen gesundheitlichen Zustandes der Viertbeschwerdeführerin eingeholt.

Weiters könne von einer wesentlichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung des gesundheitlichen Zustandes der Viertbeschwerdeführerin nicht gesprochen werden; im Gegenteil verschlechtere sich ihr Zustand seit 2012 kontinuierlich.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl habe festgestellt, dass "Spina bifida, Chiari II Malformation, Haydrozephalus mit VP-Shunt, Strabismus, Epilepsie, neurogene Blase mit CIC-Vestictostomy und neurogene Skoliose" in der Russischen Föderation unter anderem in den Regionen Krasnodarksiy, Moskau und St. Petersburg behandelbar wären; außer Acht gelassen würden dabei aber die Wirbelkörperfehlbildungen der Brustwirbelsäule sowie die Querschnittslähmung ohne Gehfähigkeit.

Die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten sei auf Basis der Feststellung erfolgt, dass in Tschetschenien keine ausreichende medizinische Versorgunglage vorzufinden wäre; basierend auf der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl seiner Entscheidung zugrunde gelegten Anfragebeantwortung (die den Beschwerdeführern nicht zugänglich sei) wäre eine Behandlung der oben genannten Krankheiten auch weiterhin in Tschetschenien nicht möglich. Die medizinische Versorgungslage in Tschetschenien habe sich im Vergleich zu 2012 nicht derart geändert, dass von einer unionsrechtskonformen Veränderung ausgegangen werden könne.

Es sei nicht festgestellt worden, ob der Viertbeschwerdeführerin tatsächlich Zugang zu den benötigten Medikamenten sowie Behandlung möglich wäre.

Zur Unterschutzstellung wird ausgeführt, dass eine dem Aberkennungstatbestand des § 7 Abs 1 Z 2 AsylG 2005 betreffend Asyl korrespondierende Tatbestandsvoraussetzung bezüglich der Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht existiere; die argumentierte Unterschutzstellung im Zusammenhang mit § 9 AsylG 2005 sei daher rechtlich unrichtig.

Angeregt wird zudem, das Verfahren zu unterbrechen und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes zur Zahl C-7200/17 abzuwarten; am 14.12.2017 habe der Verwaltungsgerichtshof den Beschluss Ra 2016/20/0038 gefasst und im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens folgende Frage an den EuGH gestellt:

"Stehen die unionsrechtlichen Bestimmungen, insbesondere Art. 19 Abs. 3 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Statusrichtlinie) einer nationalen Bestimmung eines Mitgliedstaates betreffend die Möglichkeit der Aberkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten entgegen, wonach auf Aberkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten erkannt werden kann, ohne dass sich die für die Zuerkennung relevanten Tatsachenumstände selbst geändert haben, sondern nur der diesbezügliche Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren hat und dabei weder eine falsche Darstellung noch das Verschweigen von Tatsachen seitens des Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus ausschlaggebend waren?"

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stütze seinen Aberkennungsbescheid auf eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation datiert mit 29.6.2018; es handle sich dabei um ein neues Ermittlungsergebnis, wobei der Kenntnisstand der Behörde eine Änderung erfahren habe und dabei weder eine falsche Darstellung noch ein Verschweigen seitens der Beschwerdeführer ausschlaggebend waren - es werde daher angeregt, das Verfahren zu unterbrechen und die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes abzuwarten.

2.5. Mit Schreiben vom 2.10.2018, eingelangt am 5.10.2018, erfolgte die Beschwerdevorlage an das Bundesverwaltungsgericht und wurden die vorliegenden Rechtssachen in Anwendung der geltenden Geschäftsverteilung der Gerichtsabteilung W125 zugewiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zum Verfahrensgang

1.1.1. Am 12.6.2011 stellten der Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin für sich und den Drittbeschwerdeführer sowie in der Folge auch am 12.7.2011 für die am XXXX im Bundesgebiet geborene Viertbeschwerdeführerin Anträge auf internationalen Schutz; am 11.11.2014 wurde für den Fünftbeschwerdeführer und am 22.6.2016 für die Sechstbeschwerdeführerin jeweils ein Antrag auf internationalen Schutz im Familienverfahren gestellt.

Mit Bescheiden des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.3.2012 wurden die Anträge der Erst- bis Viertbeschwerdeführer hinsichtlich des Status der Asylberechtigten gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen und ihnen gemäß § 8 Abs 1 AslyG 2005 der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt; dem Fünftbeschwerdeführer wurde mit Bescheid vom 14.1.2015 und der Sechstbeschwerdeführerin mit Bescheid vom 4.11.2016 gemäß § 8 Abs 1 iVm § 34 Abs 3 AsylG 2005 ebenfalls der Status der subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Begründet wurde die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten zusammengefasst mit dem Gesundheitszustand sowie der persönlichen Situation der Viertbeschwerdeführerin samt mangelnder Reisefähigkeit in Verbindung mit der nicht ausreichenden medizinischen Versorgungslage in Tschetschenien; zu Grunde gelegt wurden den Bescheiden Länderfeststellungen welchen zu entnehmen ist, dass die medizinische Versorgung in Tschetschenien stark unter dem landesweiten Durchschnitt liegt, die Inanspruchnahme komplexerer medizinischer Behandlungen aber jedenfalls in größeren Städten wie Moskau oder St. Petersburg möglich ist. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat sei nicht zumutbar sei und bestehe die reale Gefahr, dass die Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werde.

Diese Bescheide sind rechtskräftig.

1.1.2. Mit Bescheiden vom 17.7.2018 wurde den Erst- bis Sechstbeschwerdeführern der Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 AsylG 2005 aberkannt (Spruchpunkt I.), die mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 11.3.2016 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigte gemäß § 9 Abs 4 AsylG 2005 entzogen (Spruchpunkt II.), ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.) und gemäß § 10 Abs 1 Z 4 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 3 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung der Beschwerdeführer gemäß § 46 FPG in die Russische Föderation zulässig ist (Spruchpunkt V.). In Spruchpunkt VI. wurde ausgeprochen, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise vierzehn Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt.

Die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die Beschwerdeführer sich durch Reise in die Russische Föderation freiwillig dem Schutz ihres Herkunftsstaates unterstellt hätten und das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zum Schluss komme, dass dem Erstbeschwerdeführer und der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation Behandlungsmöglichkeiten offen stünden. Die näher bezeichneten Krankheiten der Viertbeschwerdeführerin seien laut einer Anfragebeantwortung der Staatendokumentation unter Heranziehung von IOM vom 29.6.2018 in den Regionen Krasnodarksiy, Moskau und St. Petersburg behandelbar; dort seien auch spezialisierte Pflegeeinrichtungen vorhanden. Die Beschwerdeführer seien in ihrem Herkunftsstaat gewesen und wären dort keiner Verfolgung, Bedrohung oder Gewalt ausgesetzt gewesen.

1.2. Zur Beantragung von Reisepässen und den in die Russische Föderation unternommenen Reisen der Beschwerdeführer

Die Beschwerdeführer beantragten im Jahr 2016 Reisepässe bei der russischen Botschaft in XXXX , welche die Reispässe auch ausstellte.

Der Erstbeschwerdeführer und der Fünftbeschwerdeführer hielten sich von 28.6.2017 bis 22.7.2017 in Moskau und Tschetschenien auf, die Zweitbeschwerdeführerin, der Drittbeschwerdeführer, die Viertbeschwerdeführerin und die Sechstbeschwerdeführerin waren von 28.6.2017 bis 7.8.2017 sowie von 26.11.2017 bis 24.12.2017 in Moskau und Tschetschenien aufhältig.

1.3. Zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin und zur Situation der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation

Festgestellt wird, dass sich der Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat.

Ebenso wenig hat sich die medizinische Versorgungslage betreffend spezialisierte Behandlungen im Herkunftsstaat gegenüber dem Vergleichszeitpunkt (Zuerkennung subsidiären Schutzes mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 5.3.2012) wesentlich verändert.

Die Viertbeschwerdeführerin wäre daher von den Umständen, die seinerzeit zur rechtskräftigen Gewährung subsidiären Schutzes durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 5.3.2012 geführt haben, nicht weniger intensiv betroffen. Eine Rückkehr in den Herkunftsstaat ist der Viertbeschwerdeführerin insofern (unter Beachtung der rechtskräftigen Vorentscheidung der Behörde) nach wie vor nicht zumutbar und besteht somit weiterhin die reale Gefahr, dass die Viertbeschwerdeführerin im Fall einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt würde.

Eine entscheidungswesentliche Änderung des maßgeblichen Sachverhalts ist demnach weder im Hinblick auf die individuelle Situation der Viertbeschwerdeführerin noch in Bezug auf die medizinische Versorgungslage betreffend spezialisierte Behandlungen in der Russischen Föderation eingetreten.

Die Beschwerdeführer sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zu den Feststellungen zum Verfahrensgang

Die Feststellungen zu den Asylverfahren der Beschwerdeführer, ihren subsidiären Schutz-Aberkennungsverfahren sowie der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergeben sich aus den unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalten der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und der Gerichtsakten des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Zu den Feststellungen zur Beantragung von Reisepässen und den in die Russische Föderation unternommenen Reisen der Beschwerdeführer

Die Feststellungen zur Beantragung und Ausstellung von Reisepässen der Russischen Föderation ergeben sich aus den eigenen Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der Befragung vor einem Organ des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl am 20.3.2018 sowie aus den im Akt einliegenden Reisepässen.

Die Feststellungen zu den in die Russische Föderation unternommenen Reisen der Beschwerdeführer sind wiederum den Angaben des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin in der Befragung am 20.3.2018 sowie einer im Akt einliegenden Sachverhaltsdarstellung des Bundesministeriums für Inneres (AS 195ff des Verwaltungsaktes der Zweitbeschwerdeführerin - von der Akteneinsicht ausgenommen) zu entnehmen.

2.3. Zu den Feststellungen zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin und zur Situation der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation

2.3.1. Die Feststellungen hinsichtlich des Gesundheitszustandes der Viertbeschwerdeführerin ergeben sich insbesondere aus den im Verfahren vorgelegten Befunden und medizinischen Schreiben betreffend die Viertbeschwerdeführerin.

Folgende Befunde und medizinische Schreiben wurden im Verfahren vorgelegt:

* Schreiben der PVA Landesstelle XXXX vom 3.8.2018 über eine Wiederbegutachtung, die ergeben hat, dass weiterhin Pflegebedürftigkeit in unverändertem Ausmaß (Stufe 4) vorliegt und die Leistung in unveränderter Höhe ausgezahlt wird (AS 349 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin)

* Patientenbrief des XXXX vom 24.7.2018 (AS 335ff des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin):

Stationärer Aufenthalt und Behandlung vom 22.7.2018 bis 24.7.2018 nach Einlieferung mit der Rettung nach einem generalisierten tonisch-klonischen Krampfanfalls

* Auszug aus dem eJournal des AKH XXXX vom 22.3.2018 (AS 127 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin):

Ambulanzbesuch Allgemeine neuropädiatrische Ambulanz; erstellt von XXXX . Patientin steht in regelmäßiger Betreuung der XXXX .

Diagnosen:

-

Spina Bifida (Niveau Th8)

-

Chiari II Malformation

-

Wirbelkörperfehlbildungen der Brustwirbelsäule

-

Ventrikulo-peritonealer Shunt

-

Neurogene Skoliose

-

Querschnittlähmung ohne Gehfähigkeit

-

Neurogene Blasenentleerungsstörung (Vesicostoma)

Aufgrund des Schweregrades und der Komplexität der angeborenen Fehlbildung ist eine lebenslange multiprofessionelle Betreuung an einem pädiatrischen Zentrum unbedingt nötig. Dazu zählt die regelmäßige urologische, neurologische, neurochirurgische, orthopädische und kinderchirurgische Betreuung.

* Bericht der XXXX vom 22.2.2018 über die ärztliche Untersuchung zur Therapieplanung (AS 129f des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin)

* Ambulanter Patientenbrief des AKH XXXX vom 12.2.2018 (AS 131ff des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin)

* Schreiben der PVA Landesstelle XXXX vom Jänner 2016 über die Leistungshöhe des Pflegegeldes zum 1.1.2016 (AS 135 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin)

* Bescheid der PVA Landesstelle XXXX vom 1.7.2014 über die Anerkennung des Anspruches auf Pflegegeld vom 1.4.2013 bis 31.3.2016 in der Höhe der Stufe 4 (AS 345ff des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin)

2.3.2. Die Feststellung, dass sich der Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ist den vorgelegten Befunden und medizinischen Schreiben sowie einem Vergleich der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den jeweiligen Bescheiden (Zu- beziehungsweise Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten betreffend die Viertbeschwerdeführerin - im Folgenden Zuerkennungsbescheid beziehungsweise Aberkennungsbescheid) zu Grunde gelegten Feststellungen zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin zu entnehmen.

Im Zuerkennungsbescheid findet sich folgende Feststellung zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin (Seite 8 Zuerkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 224 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin): "Festgestellt werden konnte, dass Sie an einem komplexen Missbildungssyndrom mit Meningomyelocele, Arnold-Chiari-Malformation, Hydrochephalus, angeborener Skoliose mit Wirbelkörper- und Rippenfehlbildung sowie Querschnittslähmung leiden und derzeit einer ständigen Betreuung und Therapie bedürfen.

Im Aberkennungsbescheid wird zum Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin disloziert festgestellt (Seite 78 Aberkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 294 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin): "Sie leiden unter Myelomeningocele TH 8 (MMC; Q05.19; Hydrozephalus mit VP_Shunt (Q03), neurogene Blase mit CIC-Vesicostoma, Epilepsie G40.9, Straismus, Skoliose bei WK und Rippenfehlbildungen. Schwere Bewegungsstörung/Diparese G82.1. Laut Anfragebeantwortung der Staatendokumentation unter Heranziehung von IOM vom 29.06.2018 ist Spina bifida, Chiari II Malformation, Haydrozephalus mit VP-Shunt, Strabismus, Epilepsie, neurogene Blase mit CIC-Vesictostomy und neurogene Skoliose in der Russischen Föderation u.a. in der Region Krasnodarksiy, Moskau, St. Petersburg behandelbar."

Dem Auszug aus dem eJournal des AKH XXXX vom 22.3.2018 (AS 127 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin) sind folgende Diagnosen zu entnehmen:

-

Spina Bifida (Niveau Th8)

-

Chiari II Malformation

-

Wirbelkörperfehlbildungen der Brustwirbelsäule

-

Ventrikulo-peritonealer Shunt

-

Neurogene Skoliose

-

Querschnittlähmung ohne Gehfähigkeit

-

Neurogene Blasenentleerungsstörung (Vesicostoma)

Weiters wird dort ausgeführt, dass aufgrund des Schweregrades und der Komplexität der angeborenen Fehlbildung eine lebenslange multiprofessionelle Betreuung an einem pädiatrischen Zentrum unbedingt nötig sei; dazu würden die regelmäßige urologische, neurologische, neurochirurgische, orthopädische und kinderchirurgische Betreuung zählen.

Zudem wurde mit Schreiben der PVA Landesstelle XXXX vom 3.8.2018 festgehalten, dass eine Wiederbegutachtung ergeben habe, dass weiterhin Pflegebedürftigkeit in unverändertem Ausmaß (Stufe 4) vorliege und die Leistung in unveränderter Höhe ausgezahlt werde.

Dass sich der Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin gebessert hätte, geht aus obigen Ausführungen und den gleichbleibenden Diagnosen keinesfalls hervor; sie leidet nach wie vor an dem angeborenen Missbildungssyndrom und befindet sich - wie auch zum Zeitpunkt der Erlassung des Zuerkennungsbescheides - unverändert in ständiger Betreuung und Therapie. Eine Besserung des Gesundheitszustandes der Viertbeschwerdeführerin ist demnach zu verneinen, geschweige denn würde eine Wesentlichkeit und Nachhaltigkeit der Besserung vorliegen.

2.3.3. Dass sich die medizinische Versorgungslage in der Russischen Föderation betreffend spezialisierte Behandlungen nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat, ergibt sich aus einem Vergleich der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den jeweiligen Bescheiden (Zuerkennungsbescheid beziehungsweise Aberkennungsbescheid, insbesondere der Bescheide betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Viertbeschwerdeführerin) zu Grunde gelegten Länderberichte:

Im Zuerkennungsbescheid finden sich zur medizinischen Versorgung folgende Feststellungen (Seite 40 Zuerkennungsbescheid des Erstbeschwerdeführers, auf den im Zuerkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin verwiesen wird = AS 159 des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers): "Trotz dieser bedeutenden Fortschritte zeigt der regionale und landesweite Vergleich, dass Tschetschenien lediglich mit den anderen nordkaukasischen Republiken gleichauf ist, sich im Bereich dieser Kennzahlen aber stark unter dem landesweiten Durchschnitt bewegt. Die medizinische Grundversorgung - hierzu gehören u. a. Nothilfe, Dienste der Polykliniken und Kinderimpfungen - sind wieder auf dem Vorkriegsniveau. Bei fachlichen, hochtechnologischen Behandlungen und hochqualifizierter medizinischer Versorgung gibt es einen deutlichen Mangel an moderner Ausrüstung und hochqualifiziertem Personal."

Zur medizinischen Versorgungslage in Tschetschenien wird im Aberkennungsbescheid demgegenüber festgestellt (Seiten 68f Aberkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 284f des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin): "Zur aktuellen Lage der medizinischen Versorgung liegen unterschiedliche Einschätzungen vor. Nach Angaben des IKRK soll die Situation der Krankenhäuser für die medizinische Grundversorgung inzwischen das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht haben. Problematisch bleibt laut IKRK die Personallage im Gesundheitswesen, da viele Ärzte und medizinische Fachkräfte Tschetschenien während der beiden Kriege verlassen haben (AA 5.1.2016)."

Dieser Gegenüberstellung ist zu entnehmen, dass sich zwar die medizinische Grundversorgung in Tschetschenien verbessert und seit Erlassung des Zuerkennungsbescheides das durchschnittliche Niveau in der Russischen Föderation erreicht hat; dass eine solche Verbesserung auch bei spezialisierter medizinischer Versorgung eingetreten wäre, ist jedoch den im Aberkennungsbescheid getroffenen Feststellungen nicht zu entnehmen. Im Aberkennungsbescheid wird auf die Möglichkeit verwiesen, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (Seite 69 Aberkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 285 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin): "Aufgrund der Bewegungsfreiheit im Land ist es - wie für alle Bürger der Russischen Föderation - auch für Tschetschenen möglich, bei Krankheiten, die in Tschetschenien [oder anderen Teilrepubliken] nicht behandelbar sind, zur Behandlung in andere Teile der Russischen Föderation zu reisen (vorübergehende Registrierung) (vgl. dazu Kapitel 21. Bewegungsfreiheit/Meldewesen). Krebsbehandlung wurde zum größten Teil außerhalb der Republik Tschetschenien gemacht, jedoch wurde kürzlich ein onkologisches Krankenhaus fertiggestellt mit dem man bald Chemotherapie, Strahlentherapie und Operationen durchführen möchte. Im letzten Jahr wurden insgesamt ca. 3.000 Patienten zu unterschiedlichen Behandlungen in Krankenhäuser in andere Republiken geschickt (DIS 1.2015)."

Daraus sowie aus der vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingeholten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.6.2018, auf die jenes sich bei Erlassung des Aberkennungsbescheides vornehmlich stützte (und die auf Behandlungsmöglichkeiten in Krasnodarksiy, Moskau und St. Petersburg verweist, siehe Seite 78 Aberkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 294f des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin), ergibt sich, dass der Viertbeschwerdeführerin eine Behandlung ihrer Krankheiten in Tschetschenien unverändert nicht möglich ist. Die Viertbeschwerdeführerin bedarf einer multiprofessionellen lebenslangen Betreuung an einem pädiatrischen Zentrum (siehe Auszug aus dem eJournal des AKH XXXX vom 22.3.2018 erstellt von XXXX , AS 127 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin), zu der sie in Tschetschenien keinen Zugang hat.

Aus einem Vergleich der Zuerkennungsbescheide und der Aberkennungsbescheide insbesondere des Erstbeschwerdeführers und der Viertbeschwerdeführerin ist daher zu folgern, dass sich die medizinische Versorgungslage in der Russischen Föderation betreffend spezialisierte Behandlungen nicht wesentlich und nachhaltig gebessert hat.

2.3.4. Durch den Verweis auf Behandlungsmöglichkeiten außerhalb Tschetscheniens vermag das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl keine Änderung der Gründe, die ursprünglich zur Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten geführt haben, aufzuzeigen. Im Zuerkennungsbescheid wurde die Möglichkeit der Behandlung in anderen Regionen der Russischen Föderation nicht explizit (im Sinne einer innerstaatlichen Fluchtalternative) geprüft; aus den dem Zuerkennungsbescheid zu Grunde liegenden Feststellungen ist jedoch zu entnehmen, dass bereits zum damaligen Entscheidungszeitpunkt anspruchsvollere Behandlungen in der Russischen Föderation möglich waren (Seite 42 Zuerkennungsbescheid des Erstbeschwerdeführers = AS 163 des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers): "Die medizinische Versorgung in Russland ist auf einfachem Niveau, aber erscheint strukturell grundsätzlich ausreichend. Zumindest in den Großstädten, wie Moskau und St. Petersburg, sind auch das Wissen und die technischen Möglichkeiten für anspruchsvollere Behandlungen vorhanden."

Auf Behandlungsmöglichkeiten in Moskau und St. Petersburg verweist auch der Aberkennungsbescheid (neben Krasnodarksiy) im Zuge der Auseinandersetzung mit der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 29.6.2018. Aus den Länderfeststellungen im Zuerkennungsbescheid ist ersichtlich, dass zum damaligen Zeitpunkt professionelle medizinische Behandlungen außerhalb Tschetscheniens grundsätzlich zugänglich gewesen wären (allenfalls wäre auch damals die Stellung einer Anfrage an die Staatendokumentation hinsichtlich konkreter Behandlungsmöglichkeiten der Krankheiten der Viertbeschwerdeführerin in Betracht gekommen) - das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hielt jedoch auch angesichts dieser bekannten Umstände eine Rückkehr der Viertbeschwerdeführerin in die Russische Föderation für ausgeschlossen (Seite 15 Zuerkennungsbescheid der Viertbeschwerdeführerin = AS 35 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin): "In Ihrem Fall ging die Behörde davon aus, dass Ihnen aufgrund der vorliegenden Erkrankung eines multiplen Fehlbildungssyndroms, zum derzeitigen Zeitpunkt eine Rückkehr in Ihr Herkunftsstaat, im Hinblick auf Ihre persönliche Situation, sowie mangels Reisefähigkeit und der zur Zeit für solche Fälle nicht ausreichenden medizinischen Versorgung in Tschetschenien, nicht zumutbar ist, somit die reelle Gefahr besteht, dass Sie im Fall einer Rückkehr einer unmenschlichen Behandlung ausgesetzt werden."

Im Hinblick auf die persönliche Situation der Viertbeschwerdeführerin und die Gegebenheiten in der Russischen Föderation wurde die Möglichkeit einer Rückkehr in den Herkunftsstaat verneint, woraus zu schließen ist, dass das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl damals eine innerstaatliche Relokationsalternative für als nicht gegeben erachtete. Dass sich die persönliche Situation der Viertbeschwerdeführerin entscheidend zum Besseren gewandelt hätte, kann schon angesichts der unverändert schweren Krankheit und des Betreuungsbedarfs nicht erkannt werden und wurde von der Behörde auch nicht dargelegt; der Umstand, dass Reisebewegungen in den Herkunftsstaat im Familienverband möglich sind, vermag dies aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes nicht entscheidend zu relativieren.

Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nimmt demnach bei unverändertem Gesundheitszustand der Viertbeschwerdeführerin eine abweichende Beweiswürdigung der im Wesentlichen gleich gebliebenen Länderfeststellungen zur medizinischen Versorgungslage betreffend spezialisierte Behandlungen in der Russischen Föderation (einschließlich Tschetschenien) vor und verweist die Viertbeschwerdeführerin auf Behandlungsmöglichkeiten außerhalb Tschetscheniens, die es aber auch schon im Vorbescheid bejaht und eben auch aufgrund der persönlichen Situation der Viertbeschwerdeführerin trotzdem subsidiären Schutz zuerkannt hatte.

2.3.5. Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit ergibt sich aus der Einsichtnahme in das Strafregister.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zur Behebung der angefochtenen Bescheide

3.1.1. Im gegenständliche Fall ist vorauszuschicken, dass sich die belangte Behörde im Spruch des angefochtenen Bescheides auf den Aberkennungstatbestand nach § 9 Abs 1 AsylG 2005 bezog, ohne dies näher zu konkretisieren. Aus der Begründung des angefochtenen Bescheides ergibt sich, dass es sich um die Anwendung des zweiten Falles des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 handelt (vgl zu den Feststellungen zu den Gründen für die Aberkennung den Bescheid der Viertbeschwerdeführerin Seite 10 = AS 226 des Verwaltungsaktes der Viertbeschwerdeführerin: "Es wurde aufgrund einer Staatendokumentationsanfrage und nach dem Länderinformationsblatt bestätigt, dass Ihre Behandlung, Versorgung und Betreuung in der Russischen Föderation jedenfalls nunmehr gegeben und gewährleistet ist.").

Im zweiten Fall des § 9 Abs 1 Z 1 AsylG 2005, in dem die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen, wird auf eine Änderung der Umstände abgestellt, die so wesentlich und nicht nur vorübergehend ist, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hatte, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden.

Soweit das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl in den nunmehr angefochtenen Bescheiden vom 17.7.2018 die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Abs 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 damit begründet, dass die medizinische Versorgung der Viertbeschwerdeführerin in der Russischen Föderation gewährleistet ist, ist festzuhalten, dass - wie beweiswürdigend ausführlich dargelegt - vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl weder eine Änderung des Gesundheitszustandes der Viertbeschwerdeführerin noch ihrer persönlichen Situation oder der medizinischen Versorgungslage im Herkunftsstaat betreffend spezialisierte Behandlungen aufgezeigt worden ist noch derartige Änderungen sonst hervorgekommen sind. Vielmehr nahm das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl auf Grundlage eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts eine andere Beweiswürdigung vor beziehungsweise zog aus den gleichen Feststellungen andere (rechtliche) Schlüsse als in ihren Bescheiden vom 5.3.2012.

3.1.2. Gemäß Art 16 der Status-RL hat ein Drittstaatsangehöriger oder ein Staatenloser keinen Anspruch auf subsidiären Schutz mehr, wenn die Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht mehr bestehen oder sich in einem Maße verändert haben, dass ein solcher Schutz nicht mehr erforderlich ist (Abs 1). Bei Anwendung des Absatzes 1 berücksichtigen die Mitgliedstaaten, ob sich die Umstände so wesentlich und nicht nur vorübergehend verändert haben, dass die Person, die Anspruch auf subsidiären Schutz hat, tatsächlich nicht länger Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden (Abs 2).

In Anlehnung an Art 16 der Status-RL bedürfte es hier (§ 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005) zudem einer grundlegenden und dauerhaften Änderung der Verhältnisse im Herkunftsland des Fremden. So ist es keineswegs ausreichend, lediglich festzustellen, dass sich seit der ursprünglichen Antragstellung in Österreich die Gegebenheiten im Herkunftsstaat wesentlich gebessert haben und darauf basierend gegenwärtig keine reale Gefahr für den bislang subsidiär Schutzberechtigten besteht, im Falle seiner Abschiebung in dieses Land, Opfer einer Verletzung von Art 2 EMRK, Art 3 EMRK oder des 6. beziehungsweise. 13. ZPEMRK zu werden, respektive als Zivilperson ernsthaft am Leben oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes bedroht zu sein. Um die Voraussetzungen der Aberkennung des Status des subsidiären Schutzes gemäß § 9 Abs 1 Z 1 zweiter Fall AsylG 2005 objektiv zu erfüllen, muss eine entsprechende Nachhaltigkeit der positiven Veränderungen im Herkunftsland des Fremden gewährleistet sein. Dies erfordert im Regelfall eine längere Beobachtungsphase, anhand deren Verlaufs und den daraus zu ziehenden Schlussfolgerungen sich das nachhaltige Ende der bisherigen Bedrohungssituation entsprechend verifizieren lässt (Schrefler-König/Gruber, Asylrecht, § 9 AsylG 2005, Anm 11).

§ 9 Abs 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 und Art 16 Status-RL sind darüber hinaus verfassungsmäßig in der Weise zu interpretieren, dass dem Grundprinzip "Rechtskraft" der Rechtsordnung entsprechend nur bei wesentlichen Änderungen der Sachlage (hier: Umstände in der Person des Beschwerdeführers oder der Situation im Herkunftsland) eine Durchbrechung der Rechtskraft der Entscheidung zulässig ist (Grundsatz ne bis in idem).

Wesentlich ist nach Hengstschläger/Leeb, AVG § 68 (Stand 1.3.2018, rdb.manzat, RZ 26) eine Änderung des Sachverhalts nur dann, wenn sie für sich allein oder in Verbindung mit anderen Tatsachen den Schluss zulässt, dass nunmehr bei Bedachtnahme auf die damals als maßgebend erachteten Erwägungen eine andere Beurteilung jener Umstände, die der angefochtenen Entscheidung zugrunde lagen, nicht von vornherein als ausgeschlossen gelten kann und daher die Erlassung eines inhaltlich anders lautenden Bescheides zumindest möglich ist (vgl VwGH 25.10.2018, Ra 2018/07/0353, RS 4).

§ 9 AsylG 2005 erscheint insofern als eine spezielle Norm zu § 68

AVG.

Das Prinzip der Rechtssicherheit ist besonders deutlich bei der Rechtskraft richterlicher und behördlicher Entscheidungen verwirklicht: Rechtskräftige Entscheidungen gelten auch dann, wenn sie inhaltlich rechtswidrig sein sollten. Sie können, von wenigen, eng gefassten Ausnahmen abgesehen, nicht mehr angefochten werden. Der Verfassungsgerichtshof trägt auch mit der Judikatur zum Vertrauensgrundsatz diesem Prinzip Rechnung, vgl unter anderem G478/2015, B525/06 mwN.

3.1.3. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat in den angefochtenen Bescheiden entgegen richtlinienkonformer Interpretation der Bestimmung des § 9 Abs 1 Z 1 2. Fall AsylG 2005 (vgl Art 16 Abs 2 Status-RL) eine grundlegende und dauerhafte Änderung jener Umstände, die zur Zuerkennung des subsidiären Schutzes geführt haben, nicht dargetan:

Im Vergleich zu den dem Zuerkennungsbescheid zu Grunde gelegten Länderfeststellungen (Seiten 40ff des Zuerkennungsbescheides des Erstbeschwerdeführers = AS 195ff des Verwaltungsaktes des Erstbeschwerdeführers) ist eine dauerhafte und nachhaltige Änderung (Verbesserung) der medizinischen Versorgungslage im Herkunftsstaat betreffend spezialisierte Behandlungen weder aus den in den angefochtenen Bescheiden angeführten Länderberichten noch anhand der dort zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation erkennbar. Auch eine grundlegende Änderung des Gesundheitszustandes beziehungsweise der persönlichen Umstände der Viertbeschwerdeführerin hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl nicht dargetan.

Vielmehr hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aberkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten erkennbar mit einer von den rechtskräftigen Zuerkennungsbescheiden abweichenden Beweiswürdigung begründet. Eine andere rechtliche Beurteilung beziehungsweise Beweiswürdigung eines im Wesentlichen unveränderten Sachverhalts vermag jedoch die Aberkennung eines zuvor rechtskräftig zuerkannten subsidiären Schut

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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