TE Bvwg Beschluss 2018/12/27 L526 2199740-2

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Veröffentlicht am 27.12.2018
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Entscheidungsdatum

27.12.2018

Norm

AsylG 2005 §3
AVG §18 Abs3
AVG §18 Abs4
B-VG Art.133 Abs4
VwGVG §24 Abs2 Z1
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §31 Abs1

Spruch

L526 2199740-2/3E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin gegen die Beschwerde von XXXX, Staatsangehörigkeit Türkei, vertreten durch Herrn Dr. Rudolf Mayer, Universitätsstraße 8/2, 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich vom 17.11.2018, Zl. XXXX, beschlossen:

A) Die Beschwerde wird mangels Vorliegen eines Bescheides als

unzulässig zurückgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, verfügte zumindest ab 13.07.2011 und bis 21.04.2018 über einen Aufenthaltstitel für Österreich. Danach wurde dem Beschwerdeführer kein weiterer Aufenthaltstitel erteilt.

Am 14.02.2018 stellte der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz "BF" genannt) einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes gab der Beschwerdeführer an, dass er Kurde, sunnitischer Moslem und ledig sei. In der Türkei lebe sein Vater. Seine Schwester lebe in Österreich. Der Beschwerdeführer lebe seit 2008 bei seinem Großvater in XXXX. Dieser habe ihn und die Schwester des Beschwerdeführers legal nach Österreich geholt, weil sein Vater ihn nach dem Tod der Mutter des Beschwerdeführers nicht mehr hätte haben und in ein Heim hätte abschieben wollen. Nachdem nun seine Aufenthaltsbewilligung nicht mehr verlängert werde, müsse er um Asyl ansuchen. Dies deshalb, da er als Kurde in der Türkei große Probleme hätte. Es sei auch Krieg und es wäre für ihn sehr schlecht, wenn er in die Türkei müsste. Er lebe seit zehn Jahren in Österreich, es sei wie sein Land und er wolle Österreich nicht verlassen. Er habe in der Türkei auch keine Familie mehr. Dies seien alle Gründe, weshalb er einen Asylantrag stelle. Weitere Gründe habe er nicht.

2. Bei der Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in weiterer Folge auch kurz "bB" genannt) am 18.04.2018 gab der Beschwerdeführer im Wesentlichen an, dass er bei der Erstbefragung wahrheitsgemäße Angaben gemacht habe und nichts hinzufügen wolle. Der Beschwerdeführer sei mütterlicherseits Türke und väterlicherseits Kurde. Seine Mutter sei verstorben, als er ca. ein Jahr alt gewesen sei. Über die näheren Umstände ihres Todes wisse er nichts. Er sei ledig, habe keine Kinder und sei sunnitischer Moslem. In der Türkei würden eine Tante, eine Oma, zwei Cousins und sein Vater lebe. Ein Onkel lebe in XXXX. Der Beschwerdeführer habe in der Türkei mit seinen Großeltern väterlicherseits, seinem Vater und Onkeln gelebt. Mit seinen Cousins in der Türkei stehe er in ständigem Kontakt. In Wien würden Onkeln und Tanten sowie Cousins mütterlicherseits, Großeltern sowie seine Schwester leben. In Österreich habe er jeweils wenige Monate als Kaminschleifer, KFZ-Mechaniker, Friseur und Maler gearbeitet. Seine Schwester, sein Onkel und sein Großvater hätten ihn finanziell unterstützt. Zu den Gründen für seine Asylantragstellung gab der Beschwerdeführer an, dass er einen Asylantrag gestellt habe, weil er in Österreich bleiben wolle. Das sei sein Land. Er habe mehr als die Hälfte seines Lebens hier verbracht. Ob seine Familie in der Türkei politisch oder religiös bedroht oder verfolgt worden sei, wisse er nicht. Er glaube auch nicht, dass seine Familie in der Türkei Probleme mit der Polizei gehabt hätte. Auf die Frage, ob er noch weitere Fluchtgründe habe, erklärte der Beschwerdeführer, dass er keine Familie in der Türkei habe. Er wisse nicht, was er dort machen solle. Er glaube nicht, dass er in der Türkei gesucht werde.

3. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.05.2018,XXXX wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Türkei nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 und § 55 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 1 Z 2, 4 und 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.). Gemäß § 55 Abs. 1a FPG bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1, 4 FPG werde ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VIII.). Gemäß § 13 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG habe er sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet ab dem 18.04.2018 verloren (Spruchpunkt IX.).

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde. Darin wurde im Wesentlichen ausgeführt, die bB habe ein mangelhaftes Ermittlungsverfahren geführt, die Beweiswürdigung sei mangelhaft und auch die rechtliche Beurteilung sei unrichtig.

5. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.7.2018, Zl. XXXX wurde die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I., II., III., VI. und IX. mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass Spruchpunkt III. zu lauten hat: "Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG nicht erteilt." Der Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung wird gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG als unzulässig zurückgewiesen.

Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.7.2018, Zl. XXXX, wurden die Spruchpunkte IV, V., VII und VIII des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.5.2018, Zl. XXXX gemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen.

6. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2018, Zl. XXXX, wurde nach Durchführung einer Einvernahme des BF diesem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt II.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in die Türkei gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 FPG wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.). Einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt V.).

7. Gegen den Bescheid wurde fristgerecht Beschwerde erhoben. Darin wird im Wesentlichen die Unterlassung der Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes bzw. unrichtige rechtliche Beurteilung, fehlende Feststellungen hinsichtlich der Gefährlichkeitsprognose, unrichtige Beweiswürdigung und mangelnde Begründung gerügt. Ferner wird gerügt, dass die Ergebnisse der Beweisaufnahme in Form eines Anrufes beim Richter im Strafverfahren verwertet worden sei, ohne dass diese dem Parteiengehör unterzogen worden wären. Dadurch sei die Entscheidung der bB mit einer Verletzung nach Art. 6 EMRK und auch einem Begründungsmangel behaftet.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die als Bescheid bezeichnete Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 17.11.2018, Zl. XXXX trägt keine Unterschrift jenes Organwalters, der die Erledigung genehmigt hat. Die Erledigung enthält an Stelle der Unterschrift auch kein Verfahren zum Nachweis der Identität des Genehmigenden und der Authentizität des Inhalts der Erledigung. Im Verwaltungsakt befindet sich auch keine Durchschrift oder Kopie der an den BF zugestellten Ausfertigung der Erledigung.

Aus diesem Grunde war daher wie im Spruch zu entscheiden und ist auch festzuhalten, dass im gegenständlichen Fall jedenfalls auch grobe Ermittlungsmängel vorliegen.

2. Beweiswürdigung:

Die Feststellungen zum maßgeblichen Sachverhalt ergeben sich aus dem Verwaltungsakt. Der Sachverhalt ist aktenkundig, unstrittig und deshalb erwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1 Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter.

Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gem. § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I 2013/33 i.d.F. BGBl. I 2013/122, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Die Frage der eigenen Zuständigkeit hat das Bundesverwaltungsgericht von Amts wegen wahrzunehmen (vgl. § 6 Abs. 1 AVG iVm § 17 VwGVG).

Zu A)

II.3.2. Gemäß § 18 Abs. 3 AVG sind schriftliche Erledigungen vom Genehmigungsberechtigten mit seiner Unterschrift zu genehmigen; wurde die Erledigung elektronisch erstellt, kann an die Stelle dieser Unterschrift ein Verfahren zum Nachweis der Identität (§ 2 Z 1 E-GovG) des Genehmigenden und der Authentizität (§ 2 Z 5 E-GovG) der Erledigung treten.

Gemäß § 18 Abs. 4 AVG hat jede schriftliche Ausfertigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum der Genehmigung und den Namen des Genehmigenden zu enthalten. Ausfertigungen in Form von elektronischen Dokumenten müssen mit einer Amtssignatur (§ 19 E-GovG) versehen sein; Ausfertigungen in Form von Ausdrucken von mit einer Amtssignatur versehenen elektronischen Dokumenten oder von Kopien solcher Ausdrucke brauchen keine weiteren Voraussetzungen zu erfüllen. Sonstige Ausfertigungen haben die Unterschrift des Genehmigenden zu enthalten; an die Stelle dieser Unterschrift kann die Beglaubigung der Kanzlei treten, dass die Ausfertigung mit der Erledigung übereinstimmt und die Erledigung gemäß Abs. 3 genehmigt worden ist. Das Nähere über die Beglaubigung wird durch Verordnung geregelt.

Im Anwendungsbereich des § 18 AVG idF BGBl. I Nr. 5/2008 muss jede Urschrift einer Erledigung einem bestimmten Menschen (Organwalter) zurechenbar bleiben (vgl. VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0043; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009, jeweils unter Hinweis auf Hengstschläger/Leeb, AVG I², § 18 Rz 8). Gemäß § 18 Abs. 3 AVG muss jede schriftliche Erledigung durch die Unterschrift - bzw. bei elektronisch erstellten Erledigungen durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität - genehmigt und einem bestimmten Organwalter zurechenbar sei. Andernfalls kommt eine Erledigung selbst dann nicht zustande, wenn ihre Ausfertigung allen Anforderungen des § 18 Abs. 4 AVG genügt (vgl. VwGH 14.10.2013, 2013/12/0079).

Unabhängig von der Frage, welchen Voraussetzungen die schriftliche Ausfertigung einer Erledigung zu genügen hat, muss die Erledigung selbst von jenem Organwalter, der die Behördenfunktion inne hat oder von einem approbationsbefugten Organwalter genehmigt worden sein (VwGH 28.06.2011, 2010/17/0176, 29.11.2011, 2010/10/0252). Fehlt es an einer solchen Genehmigung, liegt kein Bescheid vor (vgl. VwGH 11.11.2014, Ra 2014/08/0018; 31.10.2014, Ra 2014/08/0015; 15.10.2014, Ra 2014/08/0009).

Einer Erledigung fehlt die Bescheidqualität, wenn die Urschrift - bzw. der betreffende "Referatsbogen" - nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist (VwGH 15.10.2003, 2003/08/0062). Davon kann nur abgesehen werden, wenn die den Parteien zugestellten Ausfertigungen die Originalunterschrift des Genehmigenden tragen und eine nicht unterschriebene Durchschrift im Akt verbleibt (VwGH 16.10.2014, Ra 2014/06/0022 unter Hinweis auf VwGH 20.06.1991, 91/19/0085).

Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein schriftlicher Bescheid erst mit der Zustellung an eine Partei als erlassen anzusehen; nur ein erlassener Bescheid kann Rechtswirkungen erzeugen (VwGH 20.12.2005, Zl. 2005/04/0063). Ist der Bescheid jedoch nicht rechtswirksam erlassen, so ist entsprechend der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ein dagegen erhobenes Rechtsmittel als unzulässig zurückzuweisen (VwGH 02.10.1997, Zl. 97/07/0082). Der Rechtsmittelinstanz ist es in diesen Fällen verwehrt, meritorisch über das Rechtsmittel abzusprechen.

II.3.2. Der im Spruch näher als Bescheid bezeichneten Erledigung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl mangelt es an Bescheidqualität, da die Urschrift nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen ist, diese auch nicht durch ein Verfahren zum Nachweis der Identität des Organwalters genehmigt wurde und sich im Verwaltungsakt auch keine Durchschrift oder Kopie der an den BF zugestellten Ausfertigung befindet.

Ergänzend dazu sei bemerkt, dass auch die Verfahrensanordnung vom 19.11.2018, mit welcher dem BF ein Rechtsberater amtswegig zur Verfügung gestellt werden sollte, nicht unterzeichnet ist.

Wird ein Bescheid nicht ordnungsgemäß erlassen, dann wird er als Rechtsnorm nicht existent und ist daher auch nicht anfechtbar (Hengstschläger/Leeb, Kommentar zum AVG, 2. Teilband, RZ 8 zu § 62, S 781).

Die Beschwerde des BF richtet sich somit gegen einen Nichtbescheid, weshalb diese zurückzuweisen war.

II.3.3. Zusätzlich wird auf Folgendes hingewiesen:

II.3.4.1. Mit Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.7.2018 wurden die Spruchpunkte IV, V., VII und VIII des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 14.5.2018, XXXXgemäß § 28 Abs. 3 2. Satz VwGVG aufgehoben und zur Erlassung eines neuen Bescheides zurückverwiesen. Festgehalten wurde darin, dass es im Hinblick auf die Rückkehrentscheidung an tauglichen Feststellungen zum Privat- und Familienleben des BF fehlt. So fehle es an konkreten Feststellungen zur Beziehung zur Schwester und den Großeltern; die bB habe ein Vorbringen, dass der BF von den zuvor Genannten unterstützt worden sei, übergangen und das Gegenteil festgestellt.

Ferner sei ein Ausbildungsvertrag des BF außer Acht gelassen und nicht in die vorzunehmende Interessensabwägung einbezogen worden.

Der Bescheid verweise auf einen Bericht (AJF-S12), über dessen Inhalt der Aktenlage nichts zu entnehmen war und von welchem auch nicht bekannt sei, worum es sich dabei überhaupt handle.

Der Bescheid leide deshalb unter erheblichen Ermittlungsmängeln.

Im Hinblick auf die für eine Rückkehrentscheidung und ein Einreiseverbot vorzunehmende Gefährdungsprognose wurde die bB dahingehend belehrt, dass das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und eine Beurteilung auf Grund konkreter Feststellungen dahingehend vorzunehmen sei, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt sei. Dabei sei nicht bloß auf die Tatsache der Verurteilung, sondern auf die Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Die bB habe dies unterlassen und auch nur die letzte Verurteilung des BF angeführt.

Der BF wurde in der Folge einer fünfundsiebzig minütigen Einvernahme durch die bB unterzogen, in welchem er zu seiner Anstellung, seinen Verwandten im Bundesgebiet, seinem Freizeitverhalten und seinem Freundeskreis sowie zu einer gegen den BF erhobenen Anklage befragt wurde. In Bezug auf die genannte Anklage wurde eine Verständigung des Landesgerichtes für Strafsachen Wien zum Akt genommen. Ferner wurde ein Schreiben des Landes Wien betreffend die Erteilung eines Aufenthaltstitels zum Akt genommen.

Mit den gesetzten Ermittlungsschritten werden die im oben genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes aufgezeigten Ermittlungsmängel jedenfalls nicht behoben. Ferner leidet der in Beschwerde gezogene Bescheid auch an gravierenden Begründungsmängeln.

In seiner Entscheidung vom 26.06.2014 zu Zl. 2014/03/0063 formulierte der VwGH die maßgeblichen Kriterien für die Anwendung des § 28 Abs. 3 VwGVG, wo er u.a. ausführte:

"Der Verfassungsgesetzgeber hat sich bei Erlassung der Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012, BGBl I Nr 51/2012, davon leiten lassen, dass die Verwaltungsgerichte - auch zur Vermeidung von "Kassationskaskaden" - grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden haben, weshalb ein prinzipieller Vorrang einer meritorischen Entscheidungspflicht der Verwaltungsgerichte anzunehmen ist. Ausgehend davon wurde, wie aus den Gesetzesmaterialien zum Verwaltungsgerichtsbarkeits-Ausführungsgesetz 2013, BGBl I Nr 33/2013 (vgl RV 2009 BlgNR XXII. GP, Seite 7) ersichtlich, die Regelung des § 28 VwGVG 2014 getroffen. Daraus ergibt sich, dass durch die Verwaltungsgerichtsbarkeits-Novelle 2012 nicht nur die Errichtung einer Verwaltungsgerichtsbarkeit erster Instanz erfolgte, sondern damit auch ein prinzipieller Vorrang der meritorischen Entscheidungspflicht durch die Verwaltungsgerichte festgelegt wurde.

Angesichts des in § 28 VwGVG 2014 insgesamt verankerten Systems stellt die nach § 28 Abs 3 zweiter Satz VwGVG 2014 bestehende Zurückverweisungsmöglichkeit eine Ausnahme von der grundsätzlichen meritorischen Entscheidungszuständigkeit der Verwaltungsgerichte dar. Nach dem damit gebotenen Verständnis steht diese Möglichkeit bezüglich ihrer Voraussetzungen nicht auf derselben Stufe wie die im ersten Satz des § 28 Abs 3 VwGVG 2014 verankerte grundsätzliche meritorische Entscheidungskompetenz der Verwaltungsgerichte. Vielmehr verlangt das im § 28 VwGVG 2014 insgesamt normierte System, in dem insbesondere die normative Zielsetzung der Verfahrensbeschleunigung bzw der Berücksichtigung einer angemessenen Verfahrensdauer ihren Ausdruck findet, dass von der Möglichkeit der Zurückverweisung nur bei krassen bzw besonders gravierenden Ermittlungslücken Gebrauch gemacht wird. Eine Zurückverweisung der Sache an die Verwaltungsbehörde zur Durchführung notwendiger Ermittlungen wird daher insbesondere dann in Betracht kommen, wenn die Verwaltungsbehörde jegliche erforderliche Ermittlungstätigkeit unterlassen hat, wenn sie zur Ermittlung des maßgebenden Sachverhalts (vgl § 37 AVG) lediglich völlig ungeeignete Ermittlungsschritte gesetzt oder bloß ansatzweise ermittelt hat. Gleiches gilt, wenn konkrete Anhaltspunkte annehmen lassen, dass die Verwaltungsbehörde (etwa schwierige) Ermittlungen unterließ, damit diese dann durch das Verwaltungsgericht vorgenommen werden."

II.3.4.2. Die bB war im gegenständlichen Fall gehalten, konkrete Feststellungen zur Beziehung zur Schwester und den Großeltern zu treffen. Anlässlich der Einvernahme am 13.11.2018 wurde der BF jedoch lediglich befragt, ob er noch andere Verwandte im Bundesgebiet habe und erschöpft sich die zu Protokoll genommene Aussage zu seinen familiären Verhältnissen in Österreich in vier Sätzen. Die vom BF in Bezug auf die Beziehung zu seinen Verwandten getroffenen Aussagen (er habe ein Mal pro Woche Kontakt zur Schwester, seine Beziehung zu den Großeltern sei früher schlecht gewesen, habe sich jetzt verbessert; der Großvater möchte auch eine Wohnung für ihn anmieten) wurden zum Teil übergangen, zum Teil wurden von der bB Feststellungen getroffen, die diesen Aussagen zuwiderlaufen (das Verhältnis zum Großvater sei durch die Straffälligkeit massiv gestört; der BF habe sich mit seiner Familie zerstritten) und lässt sich der Bescheidbegründung auch nicht entnehmen, wie die bB zu diesen Feststellungen gelangt (siehe Ausführungen zu Spruchpunkt II., AS 654 f).

Ferner wird dem BF ein Vorbringen, welches er nicht getätigt hat, unterstellt (so stellt die bB fest, dass der BF zu seinem Privatleben nichts habe vorbringen können, als dass er "verbissen" Sport, vor allem Thai-Boxen, treibe; dem Einvernahmeprotokoll (AS 555) jedoch lässt sich lediglich entnehmen, dass der BF Thaiboxen trainiere; er wolle mit der Straße aber nichts zu tun haben; in seiner Freizeit treibe er fast ausschließlich Sport, wie Schwimmen und Fußballspielen; er möchte gesund leben) und legt ihm ihre Interpretation seiner Aussage dann auch zur Last (AS 654), indem sie - sofern sie ihm vorwirft, er trainiere Kampfsport, obwohl er in der Vergangenheit regelmäßig Probleme mit Aggression hatte - implizit unterstellt, der BF schüre mit seinem Freizeitverhalten seine Aggressionen und gehe von ihm aufgrund seiner "Kampfsportausbildung" auch eine wesentlich höhere Gefahr aus. Die Schlussfolgerungen der bB erweisen sich nicht nur deshalb als unzulässig, als sie ihren Feststellungen ihre eigene Interpretation der Aussagen des BF (dass dieser "verbissen" Sport treibe, kann aus seinen Aussagen nicht abgeleitet werden) zugrunde legt, sondern maßt sie sich auch eine Einschätzung über die Auswirkung der betriebenen Sportart auf das Verhalten des BF an (ob die vom BF betriebenen Sportarten aggressionsfördernd oder aggressionsabbauend auf diesen wirken, kann wohl nur durch ein entsprechendes medizinisches oder psychologisches Gutachten geklärt werden).

Nicht nachvollziehbar sind auch die weiteren zu Spruchpunkt II getätigten Schlussfolgerungen der bB im Hinblick auf die oben erwähnte Anklageerhebung wegen § 107b (1,3) Z 2 2. Fall. Diesbezüglich stellt die bB fest, dass der BF in diesem Fall nicht belangt worden sei, dies jedoch nicht aufgrund seiner Unschuld, sondern weil Verwandte die Anzeige zurückgezogen bzw. sich der Aussage entschlagen hätten. In Klammer findet sich ein Vermerk, der auf eine entsprechende Auskunft des zuständigen Richters hinweist. Der gesamten Aktenlage lässt sich kein Hinweis - etwa in Form eines Aktenvermerkes - auf ein derartiges Gespräch entnehmen und übersah die bB auch, dass Ergebnisse der Beweisaufnahme dem Parteiengehör zu unterziehen sind.

Der Wortlaut der bB lässt darauf schließen, dass dem BF diese Tat - über die dieser Tat zugrundeliegenden Umstände gibt der Akteninhalt im Übrigen auch keinen Aufschluss - auch zur Last gelegt wird und übersieht die bB dabei, dass mit einer Einstellung des Strafverfahrens aus den von ihr genannten Gründen eben nicht über Schuld oder Unschuld des Angeklagten entschieden wird.

Die bB tätigt auch keine weiteren Ermittlungsschritte im Hinblick auf die dem BF zur Last gelegten Verurteilungen. Wie im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes aufgezeigt, erliegt nur ein Urteil aus dem Jahr 2015 im Akt und wurden die übrigen Urteile, auf welche sich die bB bezieht, auch noch nicht beigeschafft. Zusammengefasst stellt die bB fest, dass der BF im Zeitraum von 2015 bis 2018 regelmäßig straffällig wurde. Der Bescheidbegründung lässt sich nicht entnehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände konkret die von der bB aufgestellte Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Die Anführung der aus dem Strafregister ersichtlichen Daten allein vermag die Feststellung, wonach auch in Zukunft von einem gefährlichen Verhalten des Beschwerdeführers auszugehen sei, nicht zu genügen. Auch die Anführung der Gesamthöhe der über den BF bisher verhängten Straftaten gibt diesbezüglich wenig Aufschluss.

Für die im gegenständlichen Fall vorzunehmende Prognosebeurteilung ist das gesamte Fehlverhalten einzubeziehen, wobei für die Beurteilung nicht das Vorliegen der rechtskräftigen Bestrafung oder Verurteilung, sondern das dieser zu Grunde liegende Verhalten der Fremden maßgeblich ist. Ohne Kenntnis über die näheren Tatumstände, welche über Art und Schwere der zugrundeliegenden Straftaten sowie die Persönlichkeit des Verurteilten Auskunft geben, sowie über Milderungs- und Erschwerungsgründe oder sonstige für die Strafzumessung relevante Aspekte, erweist sich die im gegenständlichen Fall erstellte Prognose der bB jedoch als nicht nachvollziehbar.

Erst entsprechende Ermittlungen und darauf aufbauende Feststellungen können zu einer nachvollziehbaren Würdigung führen.

II.3.5. Das Verfahren des BF ist aus den unter II.3.2. genannten Gründen nach wie vor beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig. Vor einer Bescheiderlassung hat die bB die im Beschluss des Bundesverwaltungsgerichtes vom 9.7.2018 aufgetragenen und bislang unterlassenen Ermittlungsschritte nachzuholen. Dazu wird die bB insbesondere die fehlenden Urteile beizuschaffen und den BF zu seinem Familienleben zu befragen sowie seine Familienmitglieder zeugenschaftlich dazu einzuvernehmen haben. Ferner wird die bB auch das Privat- und Arbeitsleben und sonstigen Fragen der Integration eingehend zu beleuchten haben. Aufbauend auf den entsprechenden Ermittlungsergebnissen wird die bB konkrete, tragfähige Feststellungen zu tätigen und den ermittelten Sachverhalt unter die von ihr anzuwendenden Rechtsnormen zu subsumieren haben. Dann wird sie über die abzusprechenden Rechtsfragen entscheiden können. Die bB wird ihre Bescheidbegründung auch mit nachvollziehbaren Ausführungen zu versehen haben. Im Zuge des fortgesetzten Verfahrens wird die bB auch zu beachten haben, dass Erkenntnisse der Beweisaufnahme dem BF zur Kenntnis zu bringen und dieser dazu zu hören ist.

Die bB wird sich auch mit dem Vorbringen in der Beschwerde als Teil des Vorbringens im Verfahren auseinanderzusetzen und gegebenenfalls entsprechende, geeignete Ermittlungen hierzu durchzuführen und diese bei der Entscheidung zu berücksichtigen haben.

II.4. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen, da die Beschwerde zurückzuweisen war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Die Zurückweisung der Beschwerde ergeht in Anlehnung an die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 18 AVG.

Schlagworte

Asylantragstellung, Asylverfahren, Begründungsmangel,
Bescheiderlassung, Bescheidqualität, Einreiseverbot,
Ermittlungsmangel, Gefährdung der Sicherheit, Gefährdungsprognose,
Genehmigung, Interessenabwägung, Nichtbescheid, öffentliche
Interessen, Privat- und Familienleben, private Interessen,
Prognoseentscheidung, Rückkehrentscheidung, Unterfertigung,
Unterschrift, Zurechenbarkeit, Zurückweisung, Zustellung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:L526.2199740.2.00

Zuletzt aktualisiert am

13.03.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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