Entscheidungsdatum
13.09.2018Norm
AsylG 2005 §35Spruch
W168 2179880-1/4E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. Bernhard MACALKA nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 31.10.2017, Zl. Islamabad-OB/KONS/0808/2016, aufgrund des Vorlageantrags der XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, über die Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft Islamabad vom 23.05.2017, zu Recht erkannt:
A.)
Die Beschwerde wird gemäß § 35 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin, eine afghanische Staatsangehörige, stellte am 03.03.2016 persönlich bei der Österreichischen Botschaft Islamabad (im Folgenden: "ÖB Islamabad ") unter Anschluss diverser Unterlagen einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG. Begründend führte sie aus, ihr Ehemann, XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, sei seit 2012 in Österreich aufhältig und habe am 21.11.2014 in Österreich Asyl erhalten. Mit diesem wolle sie nun gemeinsam im Bundesgebiet leben.
1.2. Mit Stellungnahme vom 27.02.2017 wurde vom BFA ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin eine Heiratsurkunde von 1999 vorgelegt habe, auf welcher andere Familiennamen angeführt seien als in den Pässen der Eheleute. Die Beschwerdeführerin gebe an, bei der Hochzeit 14 oder 15 Jahre alt gewesen zu sein, die Person auf der vorgelegten Urkunde sei zum Zeitpunkt der Trauung bereits 17. Ein angeblicher Zeuge sei zu Zeitpunkt der Eheschließung erst 12 Jahre alt gewesen. Schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren würden nicht vorliegen, da keine glaubhaften Dokumente zum Beweis einer tatsächlich im Herkunftsstaat bestandenen Ehe vorgelegt worden seien. Aufgrund der angeführten Widersprüche und mangels vorgelegter relevanter und unbedenklicher Beweismittel sei keineswegs vom Nachweis im Sinn eines vollen Beweises des Familienverhältnisses auszugehen.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 23.05.2017 verweigerte die ÖB Islamabad - nach negativer Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl - die Erteilung des Einreisetitels gem. §26 FPG; iVm §35 AsylG mit der Begründung, dass die Stattgebung des Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten nicht wahrscheinlich sei. Eine ausführliche Begründung sei der beiliegenden Mitteilung und Stellungnahme des BFA datiert vom 27.02.2017 entnehmen.
Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin am 15.06.2017 zugestellt.
1.4. Gegen den Bescheid richtet sich die am 17.07.2017 eingebrachte Beschwerde, in welcher ausgeführt wurde, dass die Eheschließung der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson im Jahre 1999 in Afghanistan stattgefunden habe. Die Eheleute hätten nach religiösem Ritus geheiratet und diese Ehe sei im Nachhinein gerichtlich bewilligt worden, was in einem Heiratsdokument, welches der Beschwerde angeschlossen sei, bestätigt werde. Die Personen, welche als Zeugen bei der Verehelichung anwesend gewesen seien, seien laut Aussage der Bezugsperson alle volljährig gewesen. Hierbei müsse es sich bezüglich des angeführten Zeugen, welcher angeblich bei der Heirat erst zwölf Jahre alt gewesen sei, um einen Irrtum handeln. Die Durchführung der Eheschließung stimme im gegenständlichen Fall stimme mit den Vorschriften für eine gültige Ehe in Afghanistan überein. Die Nichtigkeit der Ehe komme grundsätzlich nur bei schweren Verstößen gegen die Vorschriften zustande (etwa fehlende Einwilligung der Ehegatten). Bei sonstigen Verstößen gegen Formvorschriften gelte die Ehe zwar als fehlerhaft, der Mangel werde aber durch die Vollziehung der Ehe saniert. Es handle sich im vorliegenden Fall somit im eine nach afghanischem Recht rechtsgültige Ehe. Die traditionell geschlossene Ehe sei vorerst nicht staatlich registriert. Dies sei in Afghanistan durchaus üblich und ändere nichts an der Gültigkeit der Ehe. Die Ehe sei im vorliegenden Fall lediglich registriert worden, um die seitens der ÖB geforderte Heiratsurkunde vorweisen zu können. Auch dies stimme mit der tatsächlichen Praxis in Afghanistan überein und sei durchaus nachvollziehbar. Die Ehe sei somit dem afghanischem Recht und Praxis in Afghanistan gemäß geschlossen und im Nachhinein registriert worden. Bei den auf der Heiratsurkunde angegebenen Namen handle es sich sowohl bei Ehemann als auch Ehefrau um einerseits die Vornamen der beiden Personen, welche auch korrekt in den Reisepässen angegeben worden seien, andererseits um die Vornamen der Väter bzw. Großväter der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson. Der Familienname " XXXX " sei jener des Ehemannes, Herrn XXXX , welcher im Zuge der Hochzeit auch von der Beschwerdeführerin als Familienname angenommen worden sei. Aus diesen Gründen lasse sich die unterschiedliche Namensführung auf der vorgelegten Heiratsurkunde und den Reisepässen schlüssig erklären. Sowohl das Bundesamt als die ÖB Islamabad hätten als Ablehnungsgrund angeführt, dass sich massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunde ergeben hätten. Es lasse sich hierbei weder nachvollziehen, wie die Behörden die Echtheit des Dokumentes überprüft hätten noch welche Anhaltspunkte herangezogen worden seien, um Zweifel an der Echtheit der Heiratsurkunde heranzuziehen. Weiters sei hierbei festzuhalten, dass der Aufforderung zur Stellungnahme weder ein Bericht eines Dokumentenberaters noch dessen Ergebnis vorgelegt worden seien. Dies stelle eine schwerwiegende Verletzung des Rechts auf Parteiengehör dar. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts müsse die Prognoseentscheidung des Bundesamtes ausreichend begründet sein, um den Beschwerdeführern die Möglichkeit zu geben, dazu Stellung zu nehmen. Dies stelle einen fundamentalen Grundsatz des Verwaltungsverfahrens dar. Die Prognoseentscheidung des Bundesamtes müsse ausreichend begründet sein, um in geeigneter Weise zum Vorwurf, dass Zweifel bezüglich der Echtheit der Heiratsurkunde bestehen würden, Stellung nehmen zu können. Überdies sei der Judikatur des BVwG zu entnehmen, dass sofern die vorgelegten Unterlagen an sich fraglich seien, zur Beurteilung andere Nachweise heranzuziehen seien, etwa eine Befragung beider Eheleute, welche nicht erfolgt sei. Die Beschwerdeführerin habe vor der ÖB angegeben, bei der Heirat vierzehn oder fünfzehn Jahre alt gewesen zu sein. Aufgrund des auf der Heiratsurkunde angegebenen Geburtsdatums könne man jedoch schließen, dass die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Verehelichung siebzehn Jahre alt gewesen sei. Dies bestätige sich auch durch die Angabe desselben Geburtsdatums auf dem Identitätsausweis und dem Reisepass der Beschwerdeführerin. Dies Dokumente seien der Beschwerde angeschlossen. Die widersprüchliche Altersangabe der Beschwerdeführerin lasse sich auch mit ihrem Analphabetismus und der wie im ACCORD-Bericht dokumentierten unterschiedlichen Handhabung der Zeitangaben in Afghanistan begründen. Zusammenfassend könne gesagt werden, dass die Familieneigenschaft der Beschwerdeführerin gemäß § 35 AsylG jedenfalls bewiesen worden sei. Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die Bezugsperson hätten im gesamten Verfahren ihre Familienmitglieder angegeben. Die Heirat sei unzweifelhaft im Herkunftsstaat erfolgt es habe lange Zeit vor der Flucht der Bezugsperson ein gemeinsames Familienleben im Herkunftsstaat bestanden, dass nun in Österreich fortgesetzt werden solle.
1.5. Mit Beschwerdevorentscheidung vom 31.10.2017 wies die ÖB Islamabad die Beschwerde gemäß § 14 Abs. 1 VwGVG ab.
Begründend wurde ausgeführt, dass entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin, dass die in den Dokumenten angeführten unterschiedlichen Namen von ihr schlüssig erklärt worden seien, sich sogar in der Beschwerde sowohl Vor-als auch Familiennamen von anderen vorgelegten Dokumenten unterscheiden würden. Aufgrund dieser Widersprüche könne die belangte Behörde nicht von derselben Identität von Beschwerdeführerin und der Bezugsperson ausgegangen werden. Deshalb wäre für die Beschwerdeführerin auch mit einer dokumententechnischen Überprüfung nichts zu gewinnen. Somit sei eine Familienangehörigkeit im Sinne des § 35 AsylG nicht nachgewiesen. Ausufernde Interpretationen wie im gegenständlichen Beschwerdefall würde jede Identitätskontrolle ad absurdum führen. Selbst bei Außerachtlassung der Indizien wäre eine Familienzugehörigkeit zu verneinen. Die angebliche Bezugsperson habe am 13.03.2012 in Österreich einen Asylantrag gestellt, die gerichtliche Registrierung der behaupteten Ehe mit der Beschwerdeführerin vor dem "Surpreme Court" sei am 30.12.2015 erfolgt, also nachweislich nach der Ankunft der angeblichen Bezugsperson in Österreich. Das Vorliegen einer staatlich anerkannten Ehe vor der Ausreise der angeblichen Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin habe somit jedenfalls nicht vor Ausreise der angeblichen Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin bestanden bzw. habe durch die Vorlage des Heiratsnachweises nicht erbracht werden können. Den in der Beschwerde erhobenen Verfahrensrügen fehle es somit an der Wesentlichkeit und sei ergänzend auch auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes zu verweisen, wonach eine in Abwesenheit des/der Ehegatten registrierte Ehe allein darauf aufbauend in Österreich keinen Rechtsbestand habe.
1.6. Am 13.11.2017 langte bei der ÖB Islamabad ein Vorlageantrag gemäß § 15 VwGVG ein. Begründend wurde auf die Beschwerde vom 17.07.2017 verwiesen. Die gemäß § 11 a Abs. 1 FPG erforderlichen Unterlagen seien gemeinsam mit der Beschwerde vorgelegt bzw. nach Ergehen eines Verbesserungsauftrages durch die ÖB Islamabad vom 31.07.2017, am 17.08.2017 an die ÖB Islamabad gesendet.
1.7. Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 14.12.2017, am 18.12.2017 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangt, wurde dem Bundesverwaltungsgericht der Vorlageantrag samt Verwaltungsakt übermittelt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin stellte am 03.03.2016 bei der Österreichischen Botschaft Islamabad einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 Abs. 1 Asylgesetz 2005.
Als Bezugsperson wurde XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, genannt, welcher der Ehemann der Beschwerdeführerin sei.
Dem angegebenen Ehemann der nunmehrigen Beschwerdeführerin wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 21.11.2014 zu Zahl W109 1430726-1/13E, der Status des Asylberechtigten zuerkannt.
Der Beweis des Vorliegens einer Ehe, bzw. eines rechtlich relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht erbracht werden.
Das Bestehen eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise konnte im gegenständlichen Verfahren nicht glaubhaft gemacht werden.
2. Beweiswürdigung:
Die festgestellten Tatsachen betreffend des Verfahrensganges ergeben sich zweifelsfrei aus dem Akt der Österreichischen Botschaft Islamabad und wurden von der Beschwerdeführerin nicht bestritten.
Die Feststellung hinsichtlich des Nichterbringens eines Beweises betreffend das Vorliegen eines rechtlichen relevanten Verwandtschaftsverhältnisses der Beschwerdeführerin mit der Bezugsperson vor dessen Ausreise aus Afghanistan gründet sich auf die Tatsache, dass der vorgelegte Heiratsnachweis aus dem Zivilregister und damit die staatliche Anerkennung und Registrierung jedenfalls erst mit 30.12.2015, also nachweislich erst über drei Jahre nach der Ankunft der Bezugsperson in Österreich im März 2012, erfolgt ist. Die Nachregistrierung der Ehe selbst wurde in Abwesenheit der Bezugsperson durch eine Vertretung vorgenommen. Das Vorliegen einer staatlich anerkannten Ehe der Bezugsperson mit der Antragstellerin hat somit jedenfalls nicht vor der Ausreise der Bezugsperson bestanden, bzw. konnte durch die Vorlage des Heiratsnachweises aus dem Zivilregister mit Datum 30.12.2015 der Nachweis des Bestehens einer Ehe vor der Ausreise der Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin nicht erbracht werden. Die beschwerdeführende Partei hat in Visaverfahren den vollen Beweis hinsichtlich sämtlicher verfahrensrelevanter Tatsachen zu liefern, bzw. hat der Beschwerdeführer im gegenständlichen Verfahren den vollen Beweis hinsichtlich des Bestehens eines Verwandtschaftsverhältnisses vor der Ausreise der Bezugsperson zu führen. Dies ist der Beschwerdeführerin durch die in Vorlage gebrachten Beweismittel nicht gelungen. Auch ist darauf hinzuweisen, dass bereits betreffend der angegebenen Ehe nach muslimischen Ritus divergierende Angaben erstattet worden sind. So gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, im Zeitpunkt der Eheschließung 14 oder 15 Jahre alt gewesen zu sein, wohingegen der vorgelegten und in Abwesenheit der Bezugsperson -nachbeurkundeten- Heiratsurkunde zu entnehmen ist, dass die Beschwerdeführerin im Zeitpunkt ihrer Eheschließung bereits 17 Jahre alt gewesen sei. Auch aufgrund dieser divergierenden Angaben zum Zeitpunkt der Schließung der Ehe ist der Beschwerdeführerin nicht der Beweis des Bestehens einer Ehe, bzw. eines Familienlebens gelungen, bzw. konnten insgesamt unzweifelhafte Unterlagen die angegebene Eheschließung betreffend nicht in Vorlage gebracht werden.
Auch ist festzuhalten, dass im Verfahren divergierende Angaben betreffend der Familienverhältnisse angegeben worden sind, die durch sämtliche weiteren Ausführungen nicht aufzuklären waren. Wird seitens der Bezugsperson im Rahmen seiner Einvernahmen im Asylverfahren angegeben, dass er verheiratet sei und zwei Kinder habe, so ist der vorgelegten, ausschließlich nachbeurkundenden, Heiratsurkunde zu entnehmen, dass die genannten Eheleute keine gemeinsamen Kinder haben. Diese Ausführungen widersprechen wiederum den Angaben der Beschwerdeführerin im Zuge ihrer Einvernahme vor der Botschaft, bei der sie zu Protokoll gegeben hat, dass sie und die genannte Bezugsperson eine Tochter hätten, die bereits verheiratet sei. Auch unterscheiden sich die in der nachbeurkundenden Heiratsurkunde angeführten Namen von den sonst in dem Verfahren zur Vorlage gebrachten Dokumenten sowohl hinsichtlich des Vor- als auch des Nachnamens. Dieserart jedenfalls wesentliche Divergenz konnte durch die Beschwerdeführerin im fortgesetzten Verfahren insgesamt schlüssig und nachvollziehbar nicht aufgeklärt werden. Sonstige valide Dokumente die das Vorliegen einer muslimischen Ehe bescheinigen könnten konnten insgesamt nicht in Vorlage gebracht werden.
Ferner wurden im gegenständlichen Verfahren auch keine nachvollziehbar glaubwürdigen Ausführungen erstattet wonach im gegenständlichen Verfahren vom Vorliegen eines besonders zu berücksichtigungswürdigen Familienlebens auszugehen wäre. Auch diesbezüglich hat der Antragsteller entsprechend nachvollziehbare Ausführungen substantiiert zu erstatten und ein diesbezügliches Vorbringen entsprechend substantiiert darzulegen. Der Beschwerdeführerin wurde im erstinstanzlichen Verfahren nachweislich die Möglichkeit eingeräumt hierzu ein entsprechendes Vorbringen zu erstatten und ihr die Gelegenheit eingeräumt die Ablehnungsgründe durch ein unter Beweis zu stellendes Vorbringen zu zerstreuen. Hiervon hat die Beschwerdeführerin innerhalb offener Frist jedoch keinen Gebrach gemacht. Auch hat die gewillkürt vertretene Beschwerdeführerin im fortgesetzten Beschwerdeverfahren keinerlei diesbezüglich substantiierten und nachvollziehbaren Ausführungen erstattet. Aufgrund der Allgemeinheit und Unbestimmtheit sämtlicher diesbezüglicher Angaben konnte das Vorliegen eines berücksichtigungswürdigen Familienlebens nachweislich glaubhaft nicht dargelegt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Abweisung der Beschwerde
Das Asylgesetz 2005 (AsylG 2005) ist im vorliegenden Fall in der Fassung nach dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 70/2015 anzuwenden. Die maßgeblichen Bestimmungen lauten:
Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden
§ 35 (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen.
(2) Befindet sich der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, im Ausland, ist diesem über Antrag nach der ersten Verlängerung der befristeten Aufenthaltsberechtigung des Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten bereits zuerkannt wurde, die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.
(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 und Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.
(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn
1. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9) und
2. das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht.
Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.
(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits im Herkunftsstaat bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits im Herkunftsstaat bestanden hat."
§ 11, § 11a und § 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idF BGBl. I Nr. 70/2015 lauten:
"Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.
(2) Partei in Verfahren vor der Vertretungsbehörde ist ausschließlich der Antragssteller.
(3) Die Ausfertigung bedarf der Bezeichnung der Behörde, des Datums der Entscheidung und der Unterschrift des Genehmigenden; an die Stelle der Unterschrift kann das Siegel der Republik Österreich gesetzt werden, sofern die Identität des Genehmigenden im Akt nachvollziehbar ist. Die Zustellung hat durch Übergabe in der Vertretungsbehörde oder, soweit die internationale Übung dies zulässt, auf postalischem oder elektronischem Wege zu erfolgen; ist dies nicht möglich, so ist die Zustellung durch Kundmachung an der Amtstafel der Vertretungsbehörde vorzunehmen.
[....]
(5) Für die Berechnung von Beginn, Lauf und Ende von Fristen (§ 33 AVG) gelten die Wochenend- und Feiertagsregelungen im Empfangsstaat.
[....]
Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten
§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.
(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.
(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.
(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.
[....]
Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005
§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen."
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 6 und 17) des Bundesgesetzes vom 15. Juni 1978 über das internationale Privatrecht (IPR-Gesetz) idgF lauten wie folgt:
Form der Eheschließung:
§ 16. (1) Die Form einer Eheschließung im Inland ist nach den inländischen Formvorschriften zu beurteilen.
(2) Die Form einer Eheschließung im Ausland ist nach dem Personalstatus jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Vorbehaltsklausel (ordre public)
§ 6. Eine Bestimmung des fremden Rechtes ist nicht anzuwenden, wenn ihre Anwendung zu einem Ergebnis führen würde, das mit den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung unvereinbar ist. An ihrer Stelle ist erforderlichenfalls die entsprechende Bestimmung des österreichischen Rechtes anzuwenden.
Die maßgeblichen Bestimmungen (§§ 17 und 21) des Ehegesetzes idgF lauten wie folgt:
§ 17 Form der Eheschließung
(1) Die Ehe wird dadurch geschlossen, dass die Verlobten vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
(2) Die Erklärungen können nicht unter einer Bedingung oder einer Zeitbestimmung abgegeben werden.
§ 21 Mangel der Form
(1) Eine Ehe ist nichtig, wenn die Eheschließung nicht in der durch
§ 17 vorgeschriebenen Form stattgefunden hat.
(2) Die Ehe ist jedoch als von Anfang an gültig anzusehen, wenn die Ehegatten nach der Eheschließung fünf Jahre oder, falls einer von ihnen vorher verstorben ist, bis zu dessen Tode, jedoch mindestens drei Jahre, als Ehegatten miteinander gelebt haben, es sei denn, dass bei Ablauf der fünf Jahre oder zur Zeit des Todes des einen Ehegatten die Nichtigkeitsklage erhoben ist.
Gemäß § 9 Abs. 1 erster Satz internationales Privatrecht, BGBl. Nr. 304/1978 (IPRG), ist das Personalstatut einer natürlichen Person das Recht des Staates, dem die Person angehört. § 9 Abs. 3 IPRG regelt, dass das Personalstatut einer Person, die Flüchtling im Sinn der für Österreich geltenden internationalen Übereinkommen ist oder deren Beziehungen zu ihrem Heimatstaat aus vergleichbar schwerwiegenden Gründen abgebrochen sind, das Recht des Staates ist, in dem sie ihren Wohnsitz, mangels eines solchen ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat; eine Verweisung dieses Rechtes auf das Recht des Heimatstaates (§ 5 IPRG) ist unbeachtlich. Gemäß § 12 IPRG sind die Rechts- und Handlungsfähigkeit einer Person nach deren Personalstatut zu beurteilen. Gemäß § 16 Abs. 2 IPRG ist die Form einer Eheschließung im Ausland nach dem Personalstatut jedes der Verlobten zu beurteilen; es genügt jedoch die Einhaltung der Formvorschriften des Ortes der Eheschließung.
Im vorliegenden Fall ist also die Gültigkeit der behaupteten Ehe nach afghanischem Recht zu beurteilen.
Die maßgeblichen Bestimmungen des afghanischen Zivilgesetzbuches (Madani Qanun) vom 05.01.1977, Amtsblatt der Republik Afghanistan Band 19 (1977) Nr. 353, lauten in der unverändert in Geltung stehenden Stammfassung folgendermaßen:
"Art. 61
(1) Der Eheschließungsvertrag wird in einer öffentlichen Heiratsurkunde von der zuständigen Behörde in drei Kopien ausgefertigt und registriert; das Original wird bei der zuständigen Behörde verwahrt, und jeder der Vertragsparteien wird eine Kopie übergeben. Der Eheschließungsvertrag wird nach der Registrierung der in Art. 46 dieses Gesetzes vorgesehenen zuständigen Personenstandsbehörde mitgeteilt.
(2) Wenn die Registrierung des Eheschließungsvertrages in dieser Weise nicht möglich ist, findet sie in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise statt.
...
Art. 66
Der Eheschließungsvertrag wird in einer einzigen Zusammenkunft durch ausdrückliches Angebot und ausdrückliche Annahme, welche Unverzüglichkeit und Dauerhaftigkeit, aber keine Zeitbegrenzung beinhalten, geschlossen.
...
Art. 77
Für die Ordnungsgemäßheit und Gültigkeit der Eheschließung sind folgende Voraussetzungen erforderlich:
1. Ordnungsgemäße Abgabe von Angebot und Annahme durch die Vertragsparteien oder durch ihre Vormünder bzw. Vertreter,
2. die Anwesenheit zweier geschäftsfähiger Zeugen,
3. das Nichtvorhandensein von dauerhaften oder zeitweiligen Ehehindernissen zwischen den Eheschließenden."
Nach Art. 61 Abs. 2 afghanisches Zivilgesetzbuch ist also für die Gültigkeit des Eheschließungsvertrages seine Registrierung vorgeschrieben, und zwar zumindest "in der für die Registrierung öffentlicher Urkunden vorgesehenen Weise". Ohne den Nachweis durch eine öffentliche Urkunde ist die Ehe nach staatlichem afghanischem Recht ungültig (vgl. Bergman/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht, Loseblattsammlung, Afghanistan, 1990, S. 16).
In der Praxis registriert allerdings die große Mehrheit der afghanischen Bevölkerung die Eheschließung nicht bei den staatlichen Behörden, weil die Form der Ehe nach islamischem Recht (Scharia-Familienrecht) für alltägliche Angelegenheiten ausreichend ist, sodass in Afghanistan eine gültige Ehe nach staatlichem Recht die Ausnahme darstellt (vgl. Rights & Democracy, A Woman's Place:
Perspectives on Afghanistan's Evolving Legal Framework, 2010, S. 27-36; Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht, Family Structures and Family Law in Afghanistan - A Report of the Fact-Finding Mission to Afghanistan January - March 2005, S. 19-20).
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Erteilung eines Einreisetitels nach § 35 AsylG 2005 an die Mitteilung des Bundesasylamtes (nunmehr: des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl) über die Prognose einer Asylgewährung bzw. Gewährung subsidiären Schutzes gebunden, und zwar auch an eine negative Mitteilung. Diesbezüglich kommt ihr keine eigene Prüfungskompetenz zu (vgl. das im Beschwerdefall im ersten Rechtsgang ergangene Erkenntnis VwGH 16.12.2014, Ro 2014/22/0034 unter Hinweis auf VwGH 17.10.2013, 2013/21/0152; VwGH 19.06.2008, 2007/21/0423).
Nach dieser Rechtsprechung ist zur Frage des Prüfungsumfangs der österreichischen Vertretungsbehörde bei der Entscheidung über den Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels im Sinne des § 35 Abs. 1 letzter Satz AsylG 2005 auf die Gesetzesmaterialien zur Stammfassung der Vorgängerbestimmung (§ 16 AsylG 1997) zurückzugreifen. Danach sollten die bei den österreichischen Berufsvertretungsbehörden im Ausland gestellten Asylanträge an die Durchführung eines Vorverfahrens gebunden sein. Bei diesem speziellen Sichtvermerksantrag sollte nämlich ein relativ formalisiertes Ermittlungsverfahren betreffend eine mögliche Asylgewährung stattfinden, in welches das Bundesasylamt einzubinden sei. Treffe das Bundesasylamt die Prognose, dass eine Asylgewährung wahrscheinlich sei, habe die Berufsvertretungsbehörde ohne Weiteres einen entsprechend befristeten Sichtvermerk zur Einreise zu erteilen, worauf das eigentliche Asylverfahren stattzufinden habe. Dieser Mechanismus solle auf der Ebene eines Sichtvermerksverfahrens dazu dienen, die im Hinblick auf eine potentielle Schutzbedürftigkeit heiklen Fälle aus der Vielzahl der Asylanträge im Ausland herauszufiltern, ohne zugleich - im Hinblick auf das relativ formalisierte Verfahren vor der österreichischen Vertretungsbehörde - durch eine negative Asylentscheidung res iudicata zu bewirken und den Asylwerber für immer von einem ordentlichen Asylverfahren auszuschließen. Werde ein Sichtvermerk nicht erteilt, sei der betreffende Asylantrag als gegenstandslos abzulegen (RV 686 BlgNR 20.GP 23).
Schon diese Ausführungen lassen erkennen, dass die österreichische Vertretungsbehörde im Ausland in Bezug auf die Visumserteilung an die Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Prognose einer Schutzgewährung gebunden ist. Das Gesetz stellt nur klar, dass es bei einer positiven Mitteilung über die voraussichtliche Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten keiner weiteren Voraussetzungen für die Visumserteilung bedarf, somit die Erteilungsvoraussetzungen und Versagungsgründe des FPG diesfalls unbeachtet zu bleiben haben. Daraus kann nicht abgeleitet werden, dass die Vertretungsbehörde im Falle einer negativen Mitteilung des Bundesamtes noch einmal eine eigene Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Asylgewährung vorzunehmen hätte und zu einem gegenteiligen Ergebnis als die zur Entscheidung über Asylanträge sachlich zuständige Behörde kommen könnte. Für diese Auffassung gibt das Gesetz keine ausreichenden Anhaltspunkte. Es würde auch dem Zweck der Erteilung dieses Einreisetitels zuwiderlaufen, dem Familienangehörigen einer schutzberechtigten Ankerperson im Hinblick auf die voraussichtliche Gewährung von Asyl bzw. subsidiären Schutz die Einreise zu ermöglichen, wenn das zur Beurteilung des Schutzantrages zuständige Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Stattgebung unter diesem Titel nicht für wahrscheinlich erachtet.
Soweit es innerhalb des mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz - FNG, BGBl. I Nr. 87/2012 geschaffenen geschlossenen Rechtsschutzsystems allerdings dem Bundesverwaltungsgericht nunmehr offen steht, auch die Einschätzung des Bundeamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Wahrscheinlichkeit der Gewährung internationalen Schutzes an den Antragsteller auf ihre Richtigkeit zu überprüfen (VwGH 01.03.2016, Ro 2015/18/0002), so führt diese Überprüfung im Beschwerdefall zu keinem anderen Ergebnis, weil die Prognose des Bundesamtes nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichtes zutreffend ist:
Im vorliegenden Fall wurde ein Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels gemäß § 35 Abs. 1 AsylG 2005 gestellt und als Bezugsperson der in Österreich Asylberechtigte XXXX , als Ehemann der Beschwerdeführerin genannt.
Nach dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sei sie mit ihrem Mann bereits vor seiner Flucht eine islamische Ehe eingegangen. Erst am 30.12.2015 sei ohne persönliche Anwesenheit der Bezugsperson eine nachträgliche Registrierung der Ehe erfolgt. Hierzu ist festzuhalten, dass die Bezugsperson in ihrem Asylverfahren angegeben hat, dass sie verheiratet sei und einen Sohn und eine Tochter habe. In der nachbeurkundeten Heiratsurkunde wird jedoch angeführt, dass die Bezugsperson und die Beschwerdeführerin keine Kinder hätten. Die Beschwerdeführerin erklärt vor der Botschaft jedoch, dass sie und die Bezugsperson eine 16-jährige Tochter hätten. Auch steht die Angabe der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Alters im Zeitpunkt der Eheschließung, sie gibt an mit 14 oder 15 Jahre geheiratet zu haben, in gravierendem Widerspruch zur vorgelegten Heiratsurkunde die ein Alter von 17 Jahren ausweist.
Somit werden im Verfahren nachvollziehbar nicht nur verfahrenswesentlich divergierende Angaben hinsichtlich des Alters im Zeitpunkt der Eheschließung erstattet, sondern auch bezüglich der Anzahl der angeblichen Kinder. Zudem ist festzuhalten, dass die in der nachbeurkundeten Heiratsurkunde aufscheinenden Namen in gravierendem Widerspruch zu den Namen in den übrigen im Verfahren vorgelegten Identitätsdokumenten stehen.
Der Antrag auf internationalen Schutz der Bezugsperson in Österreich erfolgte im März 2012, also bereits drei Jahre vor Ausstellung der in Abwesenheit nachbeurkundeten Heiratsurkunde am 30.12.2015. Auch wurde dem angegebenen Ehemann der Beschwerdeführerin bereits am 21.11.2014, also mehr als ein Jahr vor dem Datum der Nachbeurkundung der Ehe am 30.12.2015, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt.
Der Nachweis betreffend einer bereits vor der Ausreise der Bezugsperson erfolgten Eheschließung der Beschwerdeführerin mit diesem konnte seitens der Beschwerdeführerin somit insgesamt nicht erbracht werden.
Die Argumentation der Botschaft Islamabad und des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach auch die Angaben der Beschwerdeführerin hinsichtlich ihres Alters im Zeitpunkt der Eheschließung im Abgleich mit den Ausführungen in der vorgelegten nachbeurkundeten Heiratsurkunde widersprüchlich seien, bzw. aus der vorgelegten Heiratsurkunde die tatsächliche Identität der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson aufgrund mangelnder Übereinstimmung mit den übrigen im Verfahren vorgelegten Dokumenten nicht hervorgeht und auch deshalb die Ehe somit jedenfalls nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden habe, ist zutreffend. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat ausgehend von der zum Nachweis der Eheschließung vorgelegten Urkunde die Familieneigenschaft des Paares somit zu Recht verneint.
Dem Beschwerdeeinwand, wonach das Parteiengehör aufgrund der mangelnden Einvernahme der Beschwerdeführerin sowie der Bezugsperson verletzt worden sei und Zweifel an der Echtheit der Dokumente durch einen Bericht eines Dokumentenberaters hätten beseitigt werden können, ist entgegenzuhalten, dass unterschiedliche Identitätsbezeichnungen in vorgelegten Urkunden jedenfalls keine sanierungsfähigen Mängel darstellen und auch nach Durchführung einer Einvernahme nicht hätten ausgeräumt werden können.
Auch die Ausführung in der Beschwerde, wonach die die staatliche Registrierung einer traditionellen Ehe keine "neuerliche" Eheschließung, sondern lediglich die administrative Erfassung der traditionellen Ehe durch den Staat bedeute, kann dieserart Feststellung nicht widerlegen und die aufgezeigten vorliegenden gravierenden Widersprüche nicht beseitigen.
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geht in seiner bisherigen Rechtsprechung vom traditionellen Bild der Ehe zwischen zwei Personen verschiedenen Geschlechts aus (vgl. EGMR 24.01.1986. Rees, Serie A 106, Z 49 f.; EGMR 27.09.1990, Cossey, Serie A 184, Z 43; EGMR 11.07.2002 [GK], Christine Goodwin, RJD 2002-VI, Z 98). Es entspricht damit dem Ehebegriff aller europäischen Rechtsordnungen, in denen übereinstimmend unter "Ehe" eine auf Dauer angelegte, unter Beachtung bestimmter staatlicher Formvorschriften geschlossene Bindung eines Mannes und einer Frau verstanden wird. Die Regelung der Ausübung der Eheschließungsfreiheit muss durch Gesetz erfolgen. Anerkannte Ehehindernisse sind beispielsweise Blutsverwandtschaft, Geschäftsfähigkeit und auch die fehlende freie Zustimmung.
Eine Ehe wird dadurch geschlossen, dass beide Verlobte vor dem Standesbeamten persönlich und bei gleichzeitiger Anwesenheit erklären, aus freiem Wille die Ehe miteinander eingehen zu wollen.
Es ist daher im gegenständlichen Verfahren davon auszugehen, dass die von der Beschwerdeführerin angegebene, in Abwesenheit ihres Ehegatten in Afghanistan registrierte Ehe alleine darauf aufbauend in Österreich keinen Rechtsbestand hat. Vor der Ausreise der Bezugsperson bzw. vor Registrierung der Heirat hat diese Ehe auch nicht bereits im Herkunftsstaat bestanden hat und damit alleine aufgrund dieser nachträglichen Registrierung auch keine rechtlich relevante Ehe vor der Ausreise der Bezugsperson im Heimatstaat bestanden.
Dass nachweislich ein zu berücksichtigendes Familienleben im Sinne einer Wirtschafts-, Lebens- oder Geschlechtsgemeinschaft der Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin stattgefunden habe, wurde substantiell begründet nicht dargelegt und konnte insgesamt nicht belegt werden. Das Vorliegen eines solchen vor der Ausreise der Bezugsperson mit der Beschwerdeführerin kann aus sämtlichen Ausführungen der beschwerdeführenden Partei nicht abgeleitet werden. Wie bereits oben ausgeführt wurde der Beschwerdeführerin nachweislich die Möglichkeit eingeräumt auch diesbezüglich ergänzende Ausführungen zu erstatten. Es ist somit nicht der Behörde anzulasten, dass die Beschwerdeführerin im erstinstanzlichen Verfahren hiervon keinen Gebrauch gemacht hat. Auch im fortgesetzten Verfahren hat die Beschwerdeführerin das Vorliegen eines solchen substantiiert nicht dargelegt. Es konnte somit insgesamt glaubwürdig nicht dargelegt und nicht nachgewiesen werden, dass bereits vor der Ausreise der Bezugsperson ein gemeinsames Familienleben mit der Beschwerdeführerin bestanden hat.
Im gegenständlichen Verfahren wurden somit substantiierte Ausführungen, wonach zwischen der Beschwerdeführerin und der Bezugsperson ein schützenswertes Familienleben vor dessen Ausreise jemals bestanden hat, glaubwürdig und nachvollziehbar nicht dargelegt, bzw. wurden diesbezüglich allfällig bestehende valide Bescheinigungsmittel nicht in Vorlage gebracht. Das Vorliegen eines iSd. Art. 8 EMRK somit schützenswerten Familienlebens ist somit aus sämtlichen Vorbringen der Beschwerdeführerin im gegenständlichen Verfahren, als auch aus dem sonstigen Akteninhalt selbst nicht ableitbar und kann somit auch durch das Bundesverwaltungsgericht nicht als in diesem Sinne schützenswert erkannt werden.
Da die belangte Behörde über den betreffenden Einreiseantrag somit ein insgesamt mängelfreies Ermittlungsverfahren durchgeführt hat, kam sie aufgrund der zutreffenden Mitteilung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, dass die Zuerkennung des eines Antrages auf internationalen Schutz oder des Status des subsidiär Schutzberechtigten an die Beschwerdeführerin in Bezug auf den sich in Österreich befindlichen angeblichen Ehemann nicht wahrscheinlich sei, zu Recht zu dem Ergebnis, dass die Voraussetzungen des § 35 Abs. 1 AsylG 2005 nicht vorliegen.
Die Regelung des Art. 8 EMRK schreibt keineswegs vor, dass in allen Fällen der Familienzusammenführung jedenfalls der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten zu gewähren wäre. Vielmehr wird im Regelfall ein Aufenthaltstitel nach den fremdenrechtlichen Bestimmungen in Betracht kommen. Die Verfahren nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) stellen in Österreich den gesetzlich vorgesehenen Weg für einwanderungswillige Drittstaatsangehörige dar, um einen Aufenthaltstitel zu erlangen (so kann etwa subsidiär Schutzberechtigten nach fünf Jahren unter bestimmten Voraussetzungen gemäß § 45 Abs. 12 NAG ein Aufenthaltstitel "Daueraufenthalt - EU" gewährt werden, danach kann eine Familienzusammenführung nach § 46 NAG erfolgen).
Gegen die Entscheidung der zuständigen Einwanderungsbehörde stehen letztlich auch noch Rechtsbehelfe an ein Verwaltungsgericht sowie an den Verfassungsgerichtshof und den Verwaltungsgerichtshof offen. In einem Verfahren nach den Bestimmungen des NAG sind aber auch die öffentlichen Interessen, insbesondere am wirtschaftlichen Wohl des Landes, entsprechend in die Prüfung einzubeziehen (z. B. Einkünfte, Integrationsvereinbarung, Quotenplatz), wird doch das Grundrecht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art. 8 EMRK nicht absolut verbürgt, sondern nur unter Gesetzesvorbehalt. In diesem Zusammenhang sei auch erwähnt, dass der EuGH in seinem jüngsten Urteil vom 21.04.2016, in der Rechtssache C 558/14, betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV ausgesprochen hat, dass Art. 7 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2003/86/EG des Rates vom 22. September 2003 betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dahin auszulegen sei, "dass er es den zuständigen Behörden eines Mitgliedstaats erlaubt, die Ablehnung eines Antrags auf Familienzusammenführung auf eine Prognose darüber zu stützen, ob es wahrscheinlich ist, dass die festen, regelmäßigen und ausreichenden Einkünfte, über die der Zusammenführende verfügen muss, um ohne Inanspruchnahme der Sozialhilfeleistungen des betreffenden Mitgliedstaats seinen eigenen Lebensunterhalt und den seiner Familienangehörigen zu decken, während des Jahres nach dem Zeitpunkt der Einreichung des Antrags weiterhin vorhanden sein werden, und dabei dieser Prognose die Entwicklung der Einkünfte des Zusammenführenden während der sechs Monate vor der Antragstellung zugrunde zu legen.". Diese Auslegung lässt jedenfalls erkennen, dass Aspekten des wirtschaftlichen Wohls eines Landes im Zusammenhang mit dem Familiennachzug im Rahmen der öffentlichen Interessen offenkundig ein hoher Stellenwert zukommen darf.
Die Vertretungsbehörden im Ausland wenden nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes weder unmittelbar noch mittelbar das AVG an. Das Verfahren richtet sich vielmehr nur nach dem Visakodex und den besonderen Verfahrensvorschriften des Fremdenpolizeigesetzes (nunmehr §§ 11 und 11a FPG; vgl. zur Rechtslage vor dem 01.01.2014 VwGH 13.12.2012, 2012/21/0070; 24.10.2007, 2007/21/0216). Dies gilt unverändert auch nach der mit 01.01.2014 in Kraft getretenen aktuellen Rechtslage, weil vom Gesetzgeber diesbezüglich eine Änderung nicht beabsichtigt war (Gruber, Die Frage der Anwendung des AVG für Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten im Hinblick auf die Novellierung des EGVG durch BGBl. I 33/2013, FABL 3/2013, 17 ff).
Auf die bestehende Möglichkeit der Stellung eines neuen Antrages gem. §35 AsylG unter Vorlage einen solchen Antrag substantiell stützender valider Bescheinigungsmittel und Ausführungen ist hinzuweisen.
Im Hinblick darauf, dass es im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens auch keine Möglichkeit der Erteilung eines humanitären Einreisetitels gibt, war spruchgemäß zu entscheiden.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Denn das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen wiedergegeben.
Schlagworte
Ehe, Einreisetitel, Familienangehöriger, GlaubwürdigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W168.2179880.1.00Zuletzt aktualisiert am
27.02.2019