Entscheidungsdatum
27.09.2018Norm
AsylG 2005 §5Spruch
W168 2205999-1/5E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Dr. MACALKA über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Nigeria, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 04.09.2018, Zl. 1194432709 / 180551966 - EAST Ost beschlossen:
A)
Der Beschwerde wird gemäß § 21 Abs. 3 BFA - VG idF BGBl. I Nr. 24/2016 stattgegeben und der bekämpfte Bescheid wird behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
BEGRÜNDUNG:
I. Verfahrensgang:
Die Beschwerdeführerin (BF) stellte nach unberechtigter Einreise in das Bundesgebiet am 12.06.2018 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz ein und gab hierzu die oben angeführten Personalien an.
Eine EURODAC- Abfrage ergab das Vorliegen einer fremdenrechtlichen Registrierung der BF in Italien mit Datum 28.05.2018.
Bei der Erstbefragung gab die BF zu den Gründen des Verlassens Italiens befragt an, dass sie in Italien keine Probleme gehabt hätte und auch keinen Asylantrag gestellt hätte. Sie wolle nicht nach Italien zurück, da sie mit ihrem Ehemann, der sich in Österreich aufhalten würde, leben wolle.
Aufgrund des vorliegenden Eurodac - Treffers von IT richtete das BFA ein auf Art. 13 Abs. 1 Dublin III VO gestütztes Ersuchen an Italien. Italien stimmte daraufhin der Aufnahme der BF gem. durch Verschweigung gem. Art. 22 Abs. 7 Dublin III VO zu.
Bei der am 03.09.2018 durchgeführten Einvernahme vor dem BFA führte die BF aus, dass sie seit 2012 mit ihrem Mann sowohl standesamtlich als auch traditionell verheiratet wäre. Gegenwärtig würden sie nicht zusammenwohnen. Die BF wäre jedoch nach Österreich gekommen, um mit ihrem Mann gemeinsam zu leben. Der namentlich genannte angegebene Ehemann hätte bereits in Österreich um Asyl angesucht und würde gegenwärtig in Lienz wohnen. Sie wolle mit ihm zusammenleben. Sie hätte nicht gewusst, dass sie diese Heiratsurkunden im gegenständlichen Verfahren in Vorlage bringen hätte sollen. Sie würde Zeit benötigen, diese vorzulegen. Man hätte ihr dies zuvor nicht mitgeteilt, bzw. wäre ihr die Notwendigkeit der Vorlage nicht bewusst gewesen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 04.09.2018 wurde I. der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 5 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Italien gemäß Art. 13 Abs. 1 iVM Art 22 Abs. 7 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Prüfung des Antrages zuständig sei, sowie II. gemäß § 61 Abs. 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF die Außerlandesbringung der Beschwerdeführerin angeordnet und festgestellt, dass demzufolge gem. § 61 Abs. 2 FPG deren Abschiebung nach IT zulässig sei.
Insbesondere wurde festgestellt, dass sich der Ehemann der Beschwerdeführerin in Österreich als Asylwerber aufhalten würde. Mit diesem würde kein gemeinsamer Haushalt bestehen, bzw. wäre kein Abhängigkeitsverhältnis zu diesem festgestellt worden. Sonstige Verwandte würden sich nicht im Bundesgebiet aufhalten. Beweiswürdigend wurde im Wesentlichen die Zuständigkeit IT betreffend ausgeführt, dass die BF aus IT kommend illegal nach Österreich weitergereist wäre. IT hätte der Aufnahme der BF zugestimmt. Es könne nicht festgestellt werden, dass die BF in Italien systematischen Misshandlungen, bzw. Verfolgung ausgesetzt wäre oder eine solche dort zu erwarten hätte. Die angeführten Feststellungen zum Privat und Familienleben wären aufgrund der Angaben der BF erfolgt. Es wäre nicht dargelegt worden, dass gewichtige Interessen am Verbleib in Österreich vorlägen.
Die Beschwerdeführerin bekämpfte die Entscheidung des Bundesamtes mit einer fristgerecht eingebrachten Beschwerde. In dieser wurde zunächst zusammenfassend ausgeführt, dass das Asylverfahren in IT unter systemischen Mängeln leiden würde. Die tatsächliche Praxis in Italien weiche von der Theorie ab. Über die derzeitigen Gegebenheiten in IT würde sich in den Länderfeststellungen nichts finden. Auch hätte die BF angegeben, dass sich der namentlich genannte Ehemann der BF in Österreich befinden würde. Die Erstbehörde unterläge der falschen Rechtsansicht wenn sie meine, dass im gegenständlichen Verfahren kein Familienleben im Bundesgebiet vorliegen würde, bzw. eine Überstellung der BF nach IT keine Verletzung von Bestimmungen des Art. 8 EMRK bedeuten würde.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin betreffend des seitens der BF angeführten Aufenthaltes namentlich angeführten Ehemannes ist nicht bzw. nicht entsprechend eingegangen worden. Diesbezüglich wurden seitens des BFA keine ausreichend begründeten Abklärungen vorgenommen worden, bzw. wurden keine Feststellungen betreffend des Vorliegens oder Nichtvorliegens einer Ehe, bzw. der Zulässigkeit einer Ausweisung vorgenommen worden und keine hierzu entsprechende Beweiswürdigung vorgenommen.
Die Beweiswürdigung hat insbesondere nicht nachvollziehbar dargelegt warum trotz des Aufenthaltes des angegebenen Ehemannes in Österreich die Ausweisung der BF nach Italien zulässig ist.
Die Beurteilung der Zuständigkeit Italiens bzw. die Zulässigkeit der Überstellung der BF in den angenommen zuständigen Mitgliedstaat ist durch das BVwG aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes nicht möglich, bzw. sind diesbezüglich ergänzende Abklärungen seitens des BFA vorzunehmen.
2. Beweiswürdigung
Die festgestellten Tatsachen ergeben sich aus dem vorliegenden Verwaltungsakt.
3. Rechtliche Beurteilung
Zu A) Stattgebung der Beschwerde:
§ 21 Abs. 3 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG) idF BGBl. I Nr. 24/2016 lautet:
"§ 21 (3) Ist der Beschwerde gegen die Entscheidung des Bundesamtes im Zulassungsverfahren stattzugeben, ist das Verfahren zugelassen. Der Beschwerde gegen die Entscheidung im Zulassungsverfahren ist auch stattzugeben, wenn der vorliegende Sachverhalt so mangelhaft ist, dass die Durchführung oder Wiederholung einer mündlichen Verhandlung unvermeidlich erscheint."
Auf gegenständliches Verfahren bezogen ist folgendes festzuhalten:
Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass sich der Ehemann der BF in Österreich aufhalten würde. Gleichzeitig wurde auch festgestellt, dass mit diesem kein gemeinsamer Haushalt, bzw. kein Abhängigkeitsverhältnis bestehen würde.
Beweiswürdigend wurde ausgeführt, dass sich die Angaben betreffend des Privat und Familienlebens der BFA aus deren Angaben ergeben würden. Weitere Ausführungen die die Annahme des Nichtbestehens eines schützenwerten Familienlebens stützen könnten, bzw. die Annahmen betreffend des Bestehens, bzw. oder auch Nichtbestehens der angeführten Ehe oder des Familienlebens nachvollziehbar begründen könnten wurden jedoch nicht vorgenommen, bzw. sind dem vorliegenden Verwaltungsakt keinerlei Erörterungen die eine allfällig auch erforderliche Berücksichtigung des Art 8 EMRK, bzw. des Art. 10 Dublin III VO im vorliegenden Verfahren dokumentieren könnten zu entnehmen.
Die Beschwerde hat somit in casu zu Recht eine mangelhafte Berücksichtigung der vorgebrachten Familienverhältnisse im gegenständlichen Verfahren moniert.
Die BF hat im Verfahren durchgehend angegeben, dass sich der Ehemann in Österreich aufhalten würde. Zwar ergeben sich bereits aus den Einvernahmeprotokollen des angegebenen Ehemanns erhebliche Zweifel vom Vorliegen der Ehe, bzw. hat die BF selbst keine diese Angaben bestätigenden Unterlagen in Vorlage bringen können. Die Beschwerdeführerin hat jedoch im Zuge der Befragung vor dem BFA angegeben, dass sie Zeit benötigen würde, diese in Vorlage zu bringen. Dass der BF eine angemessene Frist zu der Vorlage dieser gewährt worden wäre, bzw. die BF betreffend der Vorlage dieser aktenkundig aufgefordert worden wäre, ist dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.
Auf ein Vorbringen betreffend des Vorliegens eines gem. Art 2 lit g Dublin III VO allfällig relevanten Familienverhältnisses ist in einem Dublin Verfahren jedenfalls näher einzugehen. Das im gegenständlichen Verfahren diesbezüglich seitens der BF erstattete Vorbringen wird somit entsprechend ausführlich mit der BF zu erörtern sein, ihr wird Gelegenheit einzuräumen sein diesbezüglich entsprechend umfassende Ausführungen zu erstatten und allfällig vorhandene Bescheinigungsmittel zur Bescheinigung ihrer Ehe in angemessener Zeit in Vorlage zu bringen. Das Ergebnis der diesbezüglichen Ermittlungen wird in valide Feststellungen und eine entsprechend nachvollziehbare Beweiswürdigung einzufließen haben.
Die Beurteilung der angenommenen Zuständigkeit Italiens bzw. die Zulässigkeit der Überstellung in den angenommen zuständigen Mitgliedstaat ist daher durch das BVwG aufgrund des vorliegenden Akteninhaltes gegenwärtig noch nicht möglich.
Erst unter Zugrundelegung der diesbezüglich vorgenommenen Abklärungen und Informationen, bzw. der allenfalls erforderlichen Berücksichtigung des Art 2 lit. g iVm. Art. 10 Dublin III VO, kann somit in casu die Frage der Zuständigkeit Italiens oder Österreichs beurteilt werden, bzw. kann erst auf diesen ergänzenden Abklärungen aufbauend eine abschließende rechtliche Beurteilung des konkreten Einzelfalles durch das BVwG im Beschwerdefall vorgenommen werden.
Wie dargelegt wurde im gegenständlichen Fall der entscheidungsrelevante Sachverhalt nicht ausreichend ermittelt, weshalb gem. §21 Abs. 3 BFA-VG 2. Satz zwingend vorzugehen war.
Eine mündliche Verhandlung konnte gemäß § 21 Abs. 6a BFA-VG unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Im vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Das Bundesverwaltungsgericht konnte sich bei allen erheblichen Rechtsfragen auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen.
Schlagworte
Behebung der Entscheidung, Ermittlungspflicht, Kassation, mangelndeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2018:W168.2205999.1.01Zuletzt aktualisiert am
26.02.2019