TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/23 99/20/0167

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.07.1999
beobachten
merken

Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §4 Abs1;
AsylG 1997 §4 Abs2;
AsylG 1997 §4 Abs3;
FlKonv Art33;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur, Dr. Nowakowski, Dr. Hinterwirth und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde der CA in Linz, geboren am 16. Juli 1971, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz und Dr. Wolfgang Fromherz, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 17. Februar 1999, Zl. 207.278/0-XI/33/99, betreffend Zurückweisung eines Asylantrages gemäß § 4 AsylG 1997 (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund (Bundeskanzleramt) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 15.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Ghana, reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle am 5. Oktober 1998 von Tschechien kommend in das Bundesgebiet ein. Am selben Tag beantragte sie Asyl.

Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. Dezember 1998 gemäß § 4 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurück, weil die Beschwerdeführerin in Tschechien Schutz vor Verfolgung finden könne. Das Bundesasylamt ging dabei von nachstehend angeführten, der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme am 25. November 1998 vorgehaltenen und von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid übernommenen Sachverhaltsannahmen aus:

"Die entsprechenden gesetzlichen Grundlagen des Asyl- und Flüchtlingsverfahrens finden ihre Regelung im Gesetz Nr. 498/90 und Nr. 317/93; novelliert durch das Gesetz Nr. 150/96 (in Anpassung an die GFK ist der Flüchtlingsstatus nunmehr zeitlich unbefristet). Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist das Flüchtlingsgesetz Nr. 498 vom 16. November 1990 in seiner Novellierung durch das Gesetz Nr. 317 vom 8. Dezember 1993 bzw. Nr. 150 vom 26. April 1996, sowie das Fremdengesetz Nr. 123 vom 4. März 1992, in Kraft. Die einschlägigen Fragen des Flüchtlingsrechts erfahren dadurch eine einheitliche und umfassende Regelung. In diesem Flüchtlingsgesetz ist keine Frist, die eine Asylantragstellung zeitlich einschränkt, vorgesehen. Demzufolge steht Ihnen nach Ihrer Wiedereinreise nach Tschechien im genannten Staat ein Asylverfahren offen. Des Weiteren sind Asylwerber während des Verfahrens in Tschechien zum Aufenthalt berechtigt (vgl. § 8 Flüchtlingsgesetz). Schließlich sieht das vorzitierte Gesetz auch Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vor, falls dort eine Bedrohung im Sinne des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG 1997 gegeben wäre (vgl. insbesondere § 17 Flüchtlingsgesetz).

Nach § 5 des Flüchtlingsgesetzes leg. cit. hat ein Asylsuchender beim Grenzübertritt bei der Fremden- und Grenzpolizei Flüchtlingsstatus zu beantragen und sich unverzüglich in das ihm zugewiesene Flüchtlingsaufnahmezentrum zu begeben. Nach Ankunft im Zentrum muss er binnen 24 Stunden, unter Verwendung des vorgesehenen Formblattes, einen Asylantrag stellen. Laut Angaben der tschechischen Behörden wird einem Asylsuchenden der Zugang zum Asylverfahren in der Praxis nicht verwehrt, wenn er sich nach seiner Absichtserklärung nicht 'unverzüglich' im Zentrum einfindet und innerhalb von 24 Stunden den Asylantrag stellt (vgl. auch Unabhängigen Bundesasylsenat vom 6.2.1998, Zl.: 201.671/0-V/15/98 und vom 10.6.1998, Zl. 202.689/2-II/04/98); auch UNHCR sind keine Fälle bekannt geworden, in denen die Nichteinhaltung der im § 5 genannten rechtlichen Voraussetzungen zur Verweigerung des Zugangs zum Verfahren geführt hätte. Dies gilt auch für Asylanträge rückübernommener Personen.

Demzufolge steht einem Asylwerber nach seiner Wiedereinreise in die Tschechische Republik jederzeit ein Asylverfahren offen. Sowohl nach Ansicht des UNHCR als auch des deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge und der des Bundesasylamtes ist die Tschechische Republik sohin als sicherer Drittstaat im Sinne des § 4 Asylgesetz 1997 zu qualifizieren.

Des Weiteren existiert zwischen Österreich und der Tschechischen Republik ein intaktes Schubabkommen.

Für Personen, die nicht vorschriftsgemäß 'beim Grenzübertritt' Asyl beantragen, gilt § 20 des Gesetzes Nr. 498/90 in seiner abgeänderten Fassung, welcher besagt, dass Ausländer, die aus 'objektiven Gründen' beim Grenzübertritt nicht in der Lage waren ihre Absicht, Asyl zu beantragen, kundzutun, oder Personen, die 'surplace'-Flüchtlinge wurden, Zugang zum Asylverfahren haben. In der Praxis äußern laut Auskunft der tschechischen Behörden nur sehr wenige Personen schon beim Grenzübertritt ihre Absicht, um Asyl anzusuchen. Die meisten Asylsuchenden tun dies erst bei der Fremden- und Grenzpolizei auf tschechischem Hoheitsgebiet oder in einem Flüchtlingszentrum. Die Behörden lassen diese Personen in der Regel zum Asylverfahren zu, ohne unbedingt zu überprüfen, ob den Bestimmungen des § 20 Flüchtlingsgesetz Genüge getan wurde. Asylsuchende, die in die Tschechische Republik - meist auf der Basis von Rücknahmeabkommen - zurückgeschickt werden, dürfen in aller Regel wieder in die Tschechische Republik einreisen. Diese Abkommen sehen keine formale Benachrichtigung der tschechischen Behörden vor, dass eine zurückgeschobene Person zuvor in einem anderen Land Asyl beantragt hat und dass ihr Asylantrag nicht auf seine Stichhaltigkeit geprüft worden ist. Gemäß dem derzeit gültigen tschechischen Flüchtlingsgesetz und, soweit UNHCR über die geübte Praxis informiert ist, bedeutet selbst ein 'Aufenthaltsverbot'-Stempel nicht den Ausschluss vom tschechischen Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft. Außerdem ist in den §§ 5 und 10 des Gesetzes Nr. 498/90 vorgesehen, dass Asylanträge auch dann entgegengenommen werden, wenn derartige Anträge bereits früher andernorts auf die Berechtigung geprüft worden sind."

Da die Beschwerdeführerin nicht behaupte, dass sie in Tschechien einer unmittelbaren Gefahr ausgesetzt wäre, und eine "die Regelvermutung des § 4 Abs. 3 AsylG erschütternde Feststellung" nicht zu treffen sei, könne die Beschwerdeführerin in Tschechien Schutz vor Verfolgung finden.

In der dagegen erhobenen Berufung wendete sich die Beschwerdeführerin nicht gegen die Feststellungen über die flüchtlingsrelevante Rechtslage in Tschechien, sondern beanstandete, dass die Behörde sich nicht in ausreichendem Ausmaße vom Vollzug der gesetzlichen Normen vergewissert habe. Als Ausländerin würde sie auf praktische Hindernisse treffen, wenn sie ihre Absicht erklären wollte, den Flüchtlingsstatus zu beantragen. Zumeist beschränke sich die Verständigung mit zurückgenommenen Fremden auf Tschechisch, Deutsch und Russisch, gelegentlich Englisch und Französisch. Die Tschechischen Behörden würden es als die Pflicht des Asylsuchenden betrachten, sein Ersuchen klar und deutlich mitzuteilen und würden daher keine Hilfestellung leisten. Laut UNHCR bestehe die Sorge, ob alle Schutzbedürftigen tatsächlich über die Art und Weise informiert würden, wie in der tschechischen Republik Asyl zu beantragen sei bzw. über die Vorschrift, dass der Antrag schon an der Grenze gestellt werden müsse. UNHCR seien Fälle bekannt, in denen Personen, die ein Schutzbedürfnis erkennen ließen und vielleicht nicht ausdrücklich Asyl in der tschechischen Republik beantragten, keine Information über das tschechische Verfahren zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft bzw. keinen Zugang zum Verfahren erhalten hätten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG i.V.m. § 4 Abs. 1 AsylG als unbegründet ab. Nach Darstellung des erstinstanzlichen Verfahrens, des Berufungsvorbringens und nach Wiedergabe der oben angeführten, von ihr übernommenen Sachverhaltsfeststellungen der Behörde erster Instanz führte die belangte Behörde zusammengefasst aus: In Tschechien bestehe gesetzlich ein Asylverfahren nach den Grundsätzen der Genfer Flüchtlingskonvention (FlKonv). Ausgehend vom Flüchtlingsbegriff des Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv sei eine Refoulement-Prüfung gemäß Art. 33 FlKonv innerstaatlich gegeben. Die Genfer Konvention sei (nach den getroffenen Feststellungen) in der Tschechischen Republik im August 1993 in Kraft getreten und gemäß Abschnitt 10 der Tschechischen Verfassung direkt anwendbar; sie habe Vorrang vor nationalem Recht.

Gemäß § 4 Abs. 1 AsylG sei ein Asylantrag als unzulässig zurückzuweisen, wenn der oder die Fremde Schutz vor Verfolgung finden könne. Ein solcher Schutz bestehe gemäß § 4 Abs. 2 leg. cit. für Fremde, wenn ihnen in einem Staat, in dem sie nicht gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind, ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der FlKonv offen stehe, sie während dieses Verfahrens in diesem Staat zum Aufenthalt berechtigt sind und wenn sie dort Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat - auch im Wege über andere Staaten - haben, sofern sie in diesem gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sind. Diese Voraussetzungen seien gemäß § 4 Abs. 3 AsylG in einem Staat regelmäßig dann gegeben, wenn er die Genfer Flüchtlingskonvention ratifiziert und gesetzlich ein Asylverfahren eingerichtet habe, das die Grundsätze dieser Konvention umsetze, sowie die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. 210/1958, und das Protokoll Nr. 11 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten über die Umgestaltung des durch die Konvention eingeführten Kontrollmechanismus samt Anhang, BGBl. III Nr. 30/1998, ratifiziert habe. Laut hg. Erkenntnis vom 11. November 1998, Zl. 98/01/0284, hätten die Asylbehörden zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat - das könne nur ein solcher sein, in den der Fremde freiwillig einreisen oder notfalls zwangsweise, etwa aufgrund eines Schubabkommens, verbracht werden könne - zu ermitteln, und zwar bezogen auf die individuelle Situation des konkreten Asylwerbers. Ergebe die Prüfung, dass die Rechtslage des in Aussicht genommenen Zielstaates diesem Asylwerber Schutz im Sinne des § 4 Abs. 2 AsylG biete (womit im Regelfall ein Asylverfahren entsprechend den Grundsätzen der FlKonv gewährleistet sei) und lägen die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 leg. cit. vor, so gelte grundsätzlich die Annahme, dass diese Rechtslage auch umgesetzt werde, sodass es insoweit keiner weiteren Ermittlungen bedürfe. Dies gelte jedoch nur unter der weiteren Voraussetzung, dass aufgrund einschlägigen Amtswissens bzw. aufgrund substanziierter Behauptungen des Asylwerbers die Effektivität der ausländischen Rechtslage (auch für den betreffenden Asylwerber) nicht in Frage gestellt werde (unter Verweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Juli 1998, Zl. 98/20/0175). Es obliege dann den Asylbehörden, entsprechende Ermittlungen zur faktischen Situation im Drittstaat einzuleiten, aufgrund derer schließlich die Prognoseentscheidung nach § 4 Abs. 1 AsylG zu treffen sei.

Im konkreten Fall seien die legistischen Voraussetzungen der Drittstaatsicherheit gemäß § 4 Abs. 2 AsylG gegeben. Auch lägen die weiteren Voraussetzungen des § 4 Abs. 3 leg. cit. vor, sodass auf Tschechien die Regelvermutung des § 4 Abs. 3 AsylG zutreffe, weshalb ohne konkrete und spezifische Behauptungen der Betroffenen, dennoch einer unmittelbaren Gefahr im Drittstaat ausgesetzt zu sein, von gegebenem Schutz im Drittstaat auszugehen sein werde. Ein solches substanziiertes Vorbringen habe die Beschwerdeführerin nicht erstattet. Die Beschwerdeführerin erhalte ein Informationsblatt, in dem mitgeteilt werde, dass der Asylantrag in Österreich nicht inhaltlich geprüft, sondern die Zurückweisung nur infolge der Drittstaatsicherheit erfolgt sei. Im gegenständlichen Fall sei dieses Schreiben dem vorliegenden Bescheid in tschechischer Sprache beigefügt, weshalb eine Erklärung der Asylwerberin in Tschechien, um Asyl anzusuchen, keine Schwierigkeit darstellen könne.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wird beantragt, den bekämpften Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt, von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zur Beschwerdebehauptung, der Beschwerdeführerin sei im Verwaltungsverfahren nicht die Möglichkeit gegeben worden, zu der ausländischen Rechtslage Ausführungen zu machen bzw. die ausländische Rechtslage tatsächlich überprüfen zu können, ist auf den Inhalt der Niederschrift mit der Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 25. November 1998 zu verweisen. Danach gab die Beschwerdeführerin nach Vorhalt der im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Sachverhaltsannahmen zur tschechischen Rechtslage durch das Bundesasylamt an, dass sie den wörtlich übersetzten Vorhalt verstanden habe. Hätte sie gewusst, dass sie in Tschechien die Möglichkeit einer Asylantragstellung gehabt hätte, hätte sie einen solchen Asylantrag gestellt. Im Weiteren verzichtete die Beschwerdeführerin ausdrücklich auf eine "Stellungnahme zur tschech. Republik" und "auch auf die Einräumung einer Frist zur Stellungnahme" (gemeint: zu der ihr vorgehaltenen tschechischen Rechtslage) "sowie auf die Übersetzung der einschlägigen Gesetzesstellen". Wenn daher in den weiteren Beschwerdeausführungen behauptet wird, der Beschwerdeführerin wären die entsprechenden tschechischen Bestimmungen nicht vorgehalten worden und, hätte sie Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, so hätte sie ausführen können, dass Tschechien kein sicheres Drittland sei, so steht dieses Vorbringen in einem krassen Gegensatz zu den obigen Erklärungen der Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren. Diese Verfahrensrüge ist daher abzulehnen.

Soweit in der Beschwerde weiters gerügt wird, die belangte Behörde habe "auf Auskünfte von den tschechischen Behörden, ohne eigene Erhebungen zu pflegen," Bezug genommen und daraus abgeleitet, dass ihr im Falle der "Zurückschiebung das Asylverfahren offen stehe, obwohl hier gesetzliche Regelungen gerade das Gegenteil normieren", ist der Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, dass sie im Verwaltungsverfahren diese bereits von der Behörde erster Instanz angenommene generelle Praxis der tschechischen Behörden nicht bestritten hat. Richtig ist allerdings, dass den Akten des Verwaltungsverfahrens erster Instanz nicht entnommen werden kann, ob und welche dahingehenden Ermittlungen getätigt wurden, insbesondere nicht, auf welchem Wege von welchen "tschechischen Behörden" eine derartige generell gehandhabte Praxis mitgeteilt worden sei. Aber auch in der Beschwerde - wie schon in der Berufung im Verwaltungsverfahren - wird nicht konkret behauptet, dass eine solche Praxis der tschechischen Behörden gegenüber Asylwerbern, die die Voraussetzungen des § 5 des Tschechischen Flüchtlingsgesetzes nicht erfüllen, nicht bestehe bzw. dass die festgestellte Handhabung des § 20 des Tschechischen Flüchtlingsgesetzes in der Behördenpraxis unrichtig wäre.

Die weitere Behauptung, hätte die belangte Behörde entsprechende "Überprüfungen vorgenommen, hätte sich ergeben, dass entsprechend der tschechischen Rechtslage ein Zugang zum Asylverfahren nicht gegeben ist, da die Antragsfristen zu kurz sind", ist in dieser Form nicht nachvollziehbar. Es ist nicht ersichtlich, warum die Beschwerdeführerin, die über die verpflichtende Stellung eines Asylantrages gemäß § 5 des tschechischen Flüchtlingsgesetzes - sollte diese Bestimmung auf sie anwendbar sein - unmittelbar nach Grenzübertritt Kenntnis hat, nicht in der Lage sein sollte, ihren Wunsch nach Asyl erkennbar zum Ausdruck zu bringen, zumal - wie die belangte Behörde zutreffend aufzeigt - ihr im Falle der Ausreise in tschechischer Sprache ein Schreiben mitgegeben würde, wonach sie einen in Österreich inhaltlich nicht geprüften Asylantrag gestellt hatte. Indem die belangte Behörde festgestellt hat, dass in der Tschechischen Republik die (ratifizierte) Genfer Flüchtlingskonvention von Verfassungs wegen Vorrang vor den (sonstigen) nationalen Vorschriften habe, ist auch entgegen den diesbezüglichen Beschwerdeausführungen festgestellt, dass sich die danach vorzunehmende Refoulement-Prüfung gemäß Art. 33 FlKonv hinsichtlich des Schutzes vor Abschiebung in den Herkunftsstaat auch auf den (allenfalls in Betracht kommenden) Weg über andere Staaten zu beziehen hat, sofern der Asylwerber dort im Sinne des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht sein sollte. Die von der belangten Behörde übernommene Feststellung, dass das tschechische Asylgesetz Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat vorsehe, besagt für sich allein nicht, dass dieser Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat im Weg über andere Staaten nicht gegeben wäre, zumal ausdrücklich festgehalten wurde, dass Art. 33 FlKonv Vorrang vor einer solchen - einschränkenden - Bestimmung hätte.

Der Beschwerde kommt aus nachstehenden Erwägungen dennoch Berechtigung zu:

Die belangte Behörde hat zutreffend auf die hg. Judikatur hingewiesen, wonach die Asylbehörden zunächst die Rechtslage im potentiellen Drittstaat bezogen auf die individuelle Situation des konkreten Asylwerbers zu ermitteln haben. Die belangte Behörde hätte dem gemäß nachvollziehbar zu begründen gehabt, ob für die (konkrete) Beschwerdeführerin im Sinne des § 4 Abs. 2 i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG in Tschechien im Falle ihrer (neuerlichen) Einreise ein Verfahren zur Einräumung der Rechtsstellung eines Flüchtlings nach der Konvention offen steht und ob sie während eines solchen Verfahrens in Tschechien zum Aufenthalt berechtigt ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 1999, Zl. 99/20/0098; zur Frage der Aufenthaltsberechtigung in einem vergleichbaren Fall Ungarn betreffend vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. März 1999, Zl. 98/01/0313). Die Berufungsbehörde darf zwar angesichts des dem Asylwerber im Verfahren erster Instanz zur angenommenen tschechischen Rechtslage ausdrücklich eingeräumten Parteiengehörs (vgl. das hg. Erkenntnis vom 21. Jänner 1999, Zl. 98/20/0304) und mangels diesbezüglicher Bestreitung in der Berufung die dazu im Bescheid getroffenen Feststellungen zugrunde legen. Im gegenständlichen Fall blieben aber die Feststellungen der Behörde erster Instanz zur maßgeblichen tschechischen Rechtslage, insbesondere zur Anwendung der §§ 5 und 10 des tschechischen Flüchtlingsgesetzes mit Bezug auf die konkrete Situation der Beschwerdeführerin unvollständig und teilweise widersprüchlich. So hat die belangte Behörde zunächst festgestellt, das tschechische Flüchtlingsgesetz sehe für die Asylantragstellung keine Fristen vor, weshalb der Beschwerdeführerin im Falle ihrer (allenfalls zwangsweisen) Rückreise ein Asylverfahren offen stehe. Aus den weiteren Ausführungen ergeben sich dazu aber erhebliche gesetzliche Einschränkungen, die lediglich durch behördliche Praxis - teilweise entgegen dem Gesetzeswortlaut - weniger restriktiv gehandhabt würden. Allerdings nehmen diese Ausführungen nur allgemein auf einreisende Asylwerber Bezug, ohne auf den konkreten Fall der Beschwerdeführerin abzustellen und darzulegen, ob für sie ungeachtet der Umstände ihrer seinerzeitigen Ein- bzw. Durchreise nach bzw. durch Tschechien (nach ihren Angaben sei sie mit einem gefälschten Reisepass per Flugzeug nach Tschechien eingereist und habe sich dort kurzfristig, ohne Stellung eines Asylantrages, bis zum unberechtigten Grenzübertritt nach Österreich aufgehalten) ein Verfahren nach den Grundsätzen der FlKonv - wie etwa bei erstmaliger Einreise gemäß § 5 des tschechischen Flüchtlingsgesetzes bzw. bei Rückstellung im Wege des Rückübernahmeabkommens allenfalls gemäß der gehandhabten Praxis zu § 20 des Flüchtlingsgesetzes - offen steht.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 23. Juli 1999

Schlagworte

VwRallg7 Refoulement-Prüfung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200167.X00

Im RIS seit

04.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten