TE Vwgh Erkenntnis 1999/7/23 99/20/0362

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Veröffentlicht am 23.07.1999
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §8;
FrG 1997 §57 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Baur und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Grubner, über die Beschwerde des JA in H, geboren am 6. Juni 1974, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 3. März 1999, Zl. 201.355/8-V/13/99, betreffend Asylgewährung und Feststellung gemäß § 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus dem Inhalt der Beschwerde, des angefochtenen Bescheides und der im Zusammenhang mit der Prüfung des Verfahrenshilfeantrages des Beschwerdeführers aus dem Verwaltungsakt hergestellten Kopien ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger von Sierra Leone, reiste am 24. Dezember 1997 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 29. Dezember 1997 Asyl. Bei seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt stützte er seinen Antrag auf familiäre Auseinandersetzungen, wobei er die Frage, ob er jemals Probleme mit den Behörden seines Heimatlandes gehabt habe, verneinte und u.a. Folgendes angab:

"Würde es meinen Onkel und seine drei Kinder nicht geben,

würde ich noch immer in Sierra Leone sein.

...

Ich fürchte mich nicht vom Bürgerkrieg, aber mein Onkel und

seine Söhne wollen mich sicher erschießen."

Das Bundesasylamt wies den Asylantrag des Beschwerdeführers mit Bescheid vom 5. Jänner 1998 gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone sei zulässig. Diese Entscheidung stützte sich u.a. darauf, dass die Flucht des Beschwerdeführers allein in familiären Schwierigkeiten ihren Grund habe, eine Bedrohung des Beschwerdeführers durch seinen Onkel nicht seinem Heimatstaat zurechenbar sei und der Beschwerdeführer nach seinen eigenen Angaben nicht von den Auswirkungen des Bürgerkrieges in Sierra Leone betroffen gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer - unter Wahrung der damals bloß zweitägigen Berufungsfrist - eine sieben Seite umfassende Berufung, in der er die verfassungswidrige Kürze der Berufungsfrist kritisierte und dem erstinstanzlichen Bescheid hinsichtlich der Abweisung des Asylantrages entgegenhielt, das Bundesasylamt habe die Rechtserheblichkeit von Bürgerkriegsgefahren verkannt. Zur Frage des Abschiebungsschutzes wurde - abgesehen vom Hinweis, der Beschwerdeführer sei Flüchtling - ohne nähere Begründung ausgeführt, ihm drohe im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland unmenschliche Behandlung oder Strafe, Folter oder extralegale Hinrichtung. Auf die erstinstanzlichen Angaben des Beschwerdeführers, mit denen sich das Bundesasylamt auseinander gesetzt hatte, wurde in der Berufung nicht eingegangen.

Mit Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 15. Jänner 1998 wurde der Berufung keine Folge gegeben. Dieser den Beschwerdeführer betreffende Berufungsbescheid wurde vom Verfassungsgerichtshof - nachdem dieser mit Erkenntnis vom 11. Dezember 1998, G 210/98, die Wortfolge "als offensichtlich unbegründet abgewiesen oder" in § 32 Abs. 1 erster Satz AsylG aufgehoben hatte - mit Erkenntnis vom 16. Dezember 1998, B 121/98, aufgehoben. In der vorliegenden Beschwerde wird dazu vorgebracht, diese Entscheidung sei dem damaligen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers Ende Februar 1999 zugestellt worden.

In Spruchpunkt I des angefochtenen, ohne weiteres Verfahren erlassenen und dem Beschwerdeführer am 8. März 1999 zugestellten Ersatzbescheides vom 3. März 1999 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Bescheid des Bundesasylamtes vom 5. Jänner 1998 gemäß § 6 Z 2 AsylG ab. In Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stellte sie fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone sei zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 7 AsylG hat die Behörde Asylwerbern auf Antrag mit Bescheid Asyl zu gewähren, wenn glaubhaft ist, dass ihnen im Herkunftsstaat Verfolgung (Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv) droht und keiner der in Art. 1 Abschnitt C oder F FlKonv genannten Endigungs- oder Ausschlussgründe vorliegt.

Nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.

Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist u.a. der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen des Asylwerbers offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 FlKonv genannten Gründe zurückzuführen ist (§ 6 Z 2 AsylG).

Wird ein Bescheid, mit dem der Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgewiesen wurde, von der Berufungsbehörde bestätigt, so hat sie ihrerseits jedenfalls eine Feststellung gemäß § 8 zu treffen (§ 32 Abs. 2 letzter Satz AsylG).

Gemäß § 8 AsylG hat die Behörde dann, wenn ein Asylantrag abgewiesen wird, von Amts wegen bescheidmäßig festzustellen, ob die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers in den Herkunftsstaat zulässig ist (§ 57 FrG).

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Fremder in einen Staat ist unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass sie Gefahr liefen, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden (§ 57 Abs. 1 FrG).

Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder - unter bestimmten weiteren Voraussetzungen - Abschiebung Fremder in einen Staat ist weiters dann unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dort ihr Leben oder ihre Freiheit aus Gründen ihrer Rasse, ihrer Religion, ihrer Nationalität, ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder ihrer politischen Ansichten bedroht wäre (§ 57 Abs. 2 und 4 FrG).

Im vorliegenden Fall ist dem Beschwerdeführer zuzugestehen, dass die Vorgangsweise der belangten Behörde - nahezu unverzügliche Entscheidung über die innerhalb der zu kurzen Berufungsfrist erhobene Berufung, Absehen von einer mündlichen Verhandlung - in verfahrensrechtlicher Hinsicht nicht unproblematisch ist. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Rechtsfragen, die sich in diesem Zusammenhang stellen würden, kann im vorliegenden Fall aber unterbleiben, weil auch bei Mitberücksichtigung des Beschwerdevorbringens nicht erkennbar ist, dass bei längerem Zuwarten, bei ausdrücklicher Aufforderung zur allfälligen Ergänzung der Berufung oder bei Durchführung einer mündlichen Verhandlung ein anderes Verfahrensergebnis möglich gewesen wäre:

Zu Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde ausgeführt, die belangte Behörde hätte bei Berücksichtigung der "notorischen (in eventu aufgrund von Ermittlungsfehlern nicht ermittelten) Situation in Sierra Leone" nicht davon ausgehen können, die vom Beschwerdeführer behauptete Todesgefahr habe "nicht eben wenigstens teilweise in einer (gemeint: einem der) in der Konvention genannten Gründe ihre Ursache". Diese Behauptung entbehrt nicht nur jeder inhaltlichen Bezugnahme auf die unberücksichtigt gebliebenen Sachverhaltselemente und deren möglichen Zusammenhang mit der vom Beschwerdeführer im erstinstanzlichen Verfahren behaupteten Bedrohung, sondern sie lässt nicht einmal erkennen, von welchen der in der FlKonv genannten und asylrechtlich allein relevanten Verfolgungsgründe der Beschwerdeführer "wenigstens teilweise" betroffen sein soll. Darüber hinaus wird nur geltend gemacht, ihm sei keine Möglichkeit eingeräumt worden, seine Berufung zu ergänzen, was mit Ausführungen darüber verbunden ist, er habe sich im Zeitpunkt der erstinstanzlichen Einvernahme "in einem psychisch sehr schlechten Zustand" befunden, sei "persönlich sehr verwirrt" gewesen und aufgrund seiner schlechten Englischkenntnisse auch kaum zu Wesentlichem befragt worden. Welches tatsächliche, über die Inhalte der erstinstanzlichen Niederschrift hinausgehende oder ihnen sogar widersprechende Bedrohungsbild sich andernfalls ergeben hätte, wird aber nicht dargelegt.

Damit gelingt es der Beschwerde jedenfalls nicht aufzuzeigen, dass der Beschwerdeführer durch allfällige Verfahrensfehler der belangten Behörde in seinem Recht auf Asyl verletzt worden sein könnte.

Zu Punkt II des angefochtenen Bescheides wird in der Beschwerde ausgeführt, bei Einräumung einer Gelegenheit zur Ergänzung seines Vorbringens hätte der Beschwerdeführer

"ausführen können, dass er durch seine problematische familiäre Situation in Sierra Leone derzeit überhaupt keine Möglichkeit hätte, in irgend einem Teil des Staatsgebietes Fuss zu fassen und sein rein physisches Überleben sichern zu können. Die Strukturen, soweit sie aufgrund des derzeit noch immer verheerend wütenden Bürgerkrieges in Sierra Leone noch funktionieren, sind rein familiärer und volksgruppenbezogener (tribal) Natur und wäre dem Beschwerdeführer ein menschenwürdiges Dasein, nachdem ihm seine Familie die Zugehörigkeit abgesprochen und ihn aus seinem Dorf vertrieben hat, völlig unmöglich. Es wäre sehr wohl die Annahme gerechtfertigt, dass der Beschwerdeführer im Falle seiner Rückkehr nach Sierra Leone unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne von Art. 3 EMRK ausgesetzt wäre."

Mit diesen Ausführungen wird nicht geltend gemacht, der Beschwerdeführer könne im Falle der Abschiebung in sein Heimatland nicht der Gefahr entgehen, von seinem Onkel oder dessen Söhnen erschossen zu werden. Behauptet wird im Wesentlichen, ohne Anschluss an seine Familie sei dem 1974 geborenen Beschwerdeführer in seinem Heimatland kein menschenwürdiges Dasein möglich. Diese hinsichtlich der geltend gemachten Volksgruppenbezogenheit der noch funktionierenden Strukturen im Heimatland des Beschwerdeführers überhaupt nicht nachvollziehbare und im Übrigen - über die wiedergegebenen Ausführungen hinaus - nicht näher konkretisierte, aber offenbar auf das Fehlen einer sozialen Unterstützung im Falle einer Rückkehr abstellende Behauptung ist nicht geeignet, die Möglichkeit stichhaltiger Gründe für die Annahme der Gefahr einer unmenschlichen Behandlung im Sinne des § 57 Abs. 1 FrG aufzuzeigen. Nichts anderes gilt auch für die abschließende, aber in keiner Weise näher begründete Rechtsbehauptung gegenteiligen Inhalts.

Auch hinsichtlich des Abschiebungsschutzes nimmt die Beschwerde daher nicht auf konkrete Sachverhalte Bezug, deren zusätzliche Berücksichtigung bei Vermeidung allfälliger Verfahrensfehler der belangten Behörde zu einem anderen Verfahrensergebnis geführt hätte.

Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von der beschwerdeführenden Partei behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 23. Juli 1999

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999200362.X00

Im RIS seit

19.04.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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