TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/14 L524 2201920-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.09.2018
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Entscheidungsdatum

14.09.2018

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art.133 Abs4
EMRK Art.3
EMRK Art.8
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L524 2201920-1/8E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Veronika SANGLHUBER, LL.B. über die Beschwerde von XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, Wattgasse 48, 1170 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 28.06.2017, Zl. 1093041007-151667499/BMI-BFA_STM_AST_01, zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 57, § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer, ein irakischer Staatsangehöriger, stellte nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.11.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Bei der am selben Tag erfolgten Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes brachte er vor, dass er Araber und Moslem sei. Er stamme aus Bagdad, habe dort sechs Jahre die Grundschule und drei Jahre die Mittelschule besucht und sei zuletzt als Verkäufer tätig gewesen. Er habe den Irak legal am 07.10.2015 verlassen. Für die Reise nach Österreich habe er US-Dollar 1.900,- bezahlt.

Hinsichtlich seines Fluchtgrundes gab er an: "Ich wurde im Irak mit dem Töten bedroht. Ich arbeitete dort in einem Alkoholgeschäft. Der Besitzer wurde von einer terroristischen Miliz schriftlich bedroht.

Auf einer schriftlichen Bedrohung stand u a: "Wenn ihr weiter Alkohol verkauft werden wir Euch töten". Dann hat der Besitzer das Geschäft eine Woche geschlossen. Nachdem das Geschäft wieder geöffnet wurde, wurde dieses dann am 4. Tag von der Terrormiliz gesprengt. Daraufhin habe ich Angst um mein Leben gehabt. Ich habe große Problem im Irak, weil ich Sunnit bin und weil ich Alkohol verkaufe. Das sind alle meine Fluchtgründe."

2. Bei der Einvernahme vor dem BFA am 30.05.2018 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, er sei Araber, sunnitischer Moslem und geschieden. Er habe keine Kinder. Er stamme aus Bagdad, habe dort von 2003 bis 2010 die Schule besucht und dann fünf Monate in einer Autowerkstatt gearbeitet. Bis 2015 habe er nicht gearbeitet und im Juni 2015 in einem Alkoholgeschäft zu arbeiten begonnen. In Bagdad würden noch seine geschiedenen Eltern, zwei Brüder, eine Schwester, neun Onkel und vier Tanten leben. Sein Vater lebe mit seiner zweiten Frau und einem Bruder des Beschwerdeführers in einem Haus. Seine Mutter lebe mit dem zweiten Bruder bei den Großeltern des Beschwerdeführers. In Österreich habe er viele Freunde und er habe einen Deutschkurs (Niveau A1) besucht. Er nehme an Fußballspielen als Schiedsrichter teil.

Zu seinem Fluchtgrund gab der Beschwerdeführer an (Fehler im Original):

"Wenn ich nun aufgefordert werde meine Flucht- und Asylgründe zu schildern, gebe ich an:

VP: Am 26.06.2015 habe ich mit der Arbeit in dem Alkoholgeschäft angefangen. Bis September 2015 hatte ich keine Sorgen. Danach bekam ich Drohungen. Als erstes wurde ein Brief am 7.,8.,9. September 2015 mit einer beigelegten Patrone in das Geschäft geworfen und dieser Brief beinhaltete alle Namen der dort beschäftigten inklusive meinem Namen (XXXX) und eine Frist bis zu 24.09.2015 das Geschäft zu schließen. XXXX, der Besitzer des Geschäftes XXXX erstattete bei der Polizei in Al KARRADEH Anzeige. Die Polizei sagte, dass wir uns keine Sorgen machen sollen. 2-3 Tage hat die Polizei Streife dort durchgeschickt. Am 18.09.2015 kamen ca. 6 Personen zu Geschäft und fragten, warum wir noch nicht geschlossen haben. Es kam zu einer Schlägerei.

Ich und XXXX wurden verletzt. Dann kam die Polizei und die 6 Personen ergriffen die Flucht. Ich habe einem die Nase gebrochen.

LA: Haben Sie sich nachher medizinisch behandeln lassen?

VP: Ja ich wurde im Krankenhaus AL Yarmuk behandelt.

LA: Können Sie dazu eine Betätigung vorlegen?

VP: Nein.

LA: Erzählen Sie weiter.

VP: Ich hab mich nicht getraut zu meiner Familie zu gehen. Ich ging zu einem Freund. Ich ging auch zu einem anderen Freund und übernachtete auch in einem Hotel bzw. auch in einer Moschee. Ich habe mir einen Reisepass ausstellen lassen. Ich habe versucht in der Türkei sesshaft zu werden, habe mich auch beim UNHCR registriert, jedoch habe dort keine Zukunft gesehen.

LA: Wie lange waren Sie in der Türkei aufhältig?

VP: Ca. 15 Tage

LA: Warum sind Sie nicht dort geblieben?

VP: Ich hatte kein Geld und bekam auch keine Unterstützung.

LA: Wie sind Sie dann weiter nach Europa gereist?

VP: Ich hatte schon Geld, aber wollte nicht weiter dort bleiben.

LA: Warum sind diese Männer vor Ablauf der Frist beim Geschäft aufgetaucht?

VP: Wir wurden nur daran erinnert, das Geschäft zu schließen.

LA: Sind Sie den Männern nach dem 18.09.2015 noch einmal begegnet?

VP: Ich habe diese Männer nicht mehr getroffen, aber auf dem Video habe ich 2 dieser Männer erkannt.

LA: Gab es nachdem Sie Ihr Heimatland verließen, noch irgendwelche diesbezüglichen Vorfälle?

VP: Während ich noch in der Türkei war, hörte ich, dass ein anderes Geschäft auch attackiert wurde.

LA: Gab es sonst noch irgendeinen Vorfall?

VP: Mich hat immer meine Mutter interessiert, sonst war nichts.

LA: Hatte Ihre Mutter Probleme mit solchen Leuten?

VP: Meine Mutter wurde von diesen Leuten 2 Mal in der letzten Woche im Oktober 2015 aufgesucht und Sie wurde von diesen Leuten beschimpft. Danach ging meine Mutter zu Ihren Eltern. Ob diese Leute auch meinen Vater besuchten, kann ich nicht sagen. Ich habe keinen Kontakt zu ihm.

LA: Hätten Sie die Möglichkeit gehabt in einen anderen Bezirk Bagdads zu gehen, wo nur Sunniten leben?

VP: Sie hätten mich gefunden.

LA: Wie war es ihnen dann möglich einen Reisepass zu beantragen?

VP: Ich habe jemanden 200.- USD bezahlt um meinen Reisepass zu beantragen. Für die Abgabe meiner Fingerabdrücke musste ich jedoch persönlich erscheinen.

LA: Hätten Sie sich an die Polizei wenden können?

VP: Die Polizei können nichts machen.

LA: Beschreiben Sie mir den Tag Ihrer Abreise und den Reiseweg innerhalb Iraks?

VP: Ich nahm ein Taxi zum Flughafen Bagdad. Dort wurde ich 3 Stunden festgehalten um mein Daten zu überprüfen. Danach konnte ich ausreisen. Ich flog dann mit einer späteren Maschine. Diesen Flug musste ich nicht extra bezahlen, da die Beamten dort für die Verzögerung verantwortlich.

LA: Wo haben Sie das Flugticket gekauft?

VP: Ein Freund hat mir 3 Tage vorher das Flugticket besorgt.

LA: Warum haben Sie hier in Österreich um Asyl angesucht und nicht in den anderen EU-Ländern, die Sie passiert haben?

VP: Ich habe mir Österreich ausgesucht, weil man in den anderen Ländern der EU, welche ich durchreiste, nicht respektiert wird.

LA: Haben Sie alle Fluchtgründe genannt?

VP: Ja."

3. Mit Bescheid des BFA vom 28.06.2017, Zl. 1093041007-151667499/BMI-BFA_STM_AST_01, wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005, BGBl. I Nr. 100/2005, idgF, abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt VI.).

In der Begründung wurden zunächst die Angaben des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund in der Erstbefragung sowie die Niederschrift der Einvernahme vor dem BFA wörtlich wiedergegeben. Weiters wurden die vom Beschwerdeführer vorgelegten Dokumente angeführt (Reisepass und Staatsbürgerschaftsnachweis des Beschwerdeführers, irakische Scheidungsurkunde, ÖSD-Karte A1, diverse Empfehlungsschreiben).

Das BFA stellte fest, dass die Identität des Beschwerdeführers feststehe, er irakischer Staatsangehöriger, Araber und sunnitischer Moslem sei. Er sei jung, gesund und arbeitsfähig. Er sei legal aus seinem Heimatland ausgereist und illegal in Österreich eingereist. Er befinde sich in der Grundversorgung und sei strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer habe seit acht Monaten eine Freundin in Österreich, mit der er auch zusammengelebt habe. Seit zwei bis drei Monaten lebe er bei einem Freund. Er sei nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation. Er spreche Deutsch auf dem Niveau A1. Er verfüge über keine besonderen sozialen Kontakte in Österreich.

Nicht festgestellt werden könne, dass dem Beschwerdeführer im Irak mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eine an asylrelevante Merkmale knüpfende aktuelle Verfolgung maßgeblicher Intensität oder eine sonstige Verfolgung maßgeblicher Intensität drohe. Es könne nicht festgestellt werden, dass ihm eine individuelle Verfolgung im Heimatland drohe.

Danach traf das BFA Feststellungen zur Lage im Irak.

Zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates führte das BFA beweiswürdigend aus (Fehler im Original):

"Gerade im Asylverfahren ist Ihr Vorbringen oft das einzige Beweismittel welches von der Partei der Behörde zur Verfügung gestellt wird. Die niederschriftlichen Angaben der Partei stellen daher im überwiegenden Teil der Verfahren die wesentliche Entscheidungsgrundlage dar. Im Asylverfahren liegt oft ein geradezu sachtypischer Beweisnotstand vor, weshalb das Vorbringen auch auf Ihre Glaubhaftigkeit und Ihre Person selbst auf die Glaubwürdigkeit zu prüfen ist.

Bei der Beurteilung dieses Vorbringens muss jedenfalls auch mit berücksichtigt werden, dass Sie ein gravierendes Interesse am positiven Ausgang Ihres Asylverfahrens haben, was natürlich auch zu verzerrter Darstellung tatsächlicher Geschehnisse oder zu gänzlich falschen Vorbringen führen kann.

Zu Ihrem Vorbringen ist auszuführen, dass es im Asylverfahren nicht ausreicht, dass Sie Behauptungen aufstellen, sondern müssen diese glaubhaft machen. Dazu muss Ihr Vorbringen in gewissem Maß substantiiert und nachvollziehbar sein, die Handlungsabläufe den allgemeinen Lebenserfahrungen entsprechen und auch Sie persönlich glaubwürdig auftreten.

Ihre Aussagen entsprechen aber diesen Anforderungen nicht.

Vorweg ist anzuführen, dass die im Verfahren aufgenommenen Niederschriften mit den von Ihnen getätigten Aussagen iSd § 15 AVG vollen Beweis über den Verlauf und Gegenstand der Amtshandlung bilden und mit diesem Inhalt als zentrales Beweismittel der Beweiswürdigung unterzogen werden können. Gerade im Asylverfahren kommt der persönlichen Aussage des Antragstellers besondere Bedeutung zu, handelt es sich doch im Wesentlichen behauptetermaßen um persönliche Erlebnisse über die berichtet wird, die sich vielfach insbesondere auf Grund der faktischen und rechtlichen Ermittlungsschranken der Asylinstanzen weitgehend einer Überprüfbarkeit entziehen.

Zusammengefasst ist festzustellen, dass Sie im Zuge Ihrer Einvernahmen Ihr Vorbringen nicht gleichlautend schilderten und dadurch das als fluchtkausal dargelegte Vorbringen als nicht glaubhaft zu werten ist.

Bei der Erstbefragung (EB) am 01.11.2015, also dem eigentlichen fluchtkausalen Ereignis zeitlich am nächsten liegend und daher der allgemeinen Lebenserfahrung nach idR am besten in Erinnerung, gaben Sie an, dass Sie im Irak mit dem Töten bedroht wurden, weil Sie in einem Alkoholgeschäft arbeiteten. Der Besitzer des Ladens soll schriftlich von einer terroristischen Miliz bedroht worden sein, wonach dieser den Laden eine Woche geschlossen hatte. Nachdem der Laden wieder geöffnet wurde, wurde dieser dann am 4. Tag von der Terrormiliz gesprengt. Daraufhin bekamen Sie Angst um Ihr Leben.

Auf die Frage, was Sie bei einer Rückkehr in Ihre Heimat zu befürchten hätten, gaben Sie an, dass Sie Angst hätten dort getötet zu werden. Sie gaben weiter an, das nachdem Sie in die Türkei geflüchtet waren, die Terrormiliz Ihr Elternhaus aufsuchte und Sie gesucht haben sollen. Die Miliz sollen wegen Ihrer Abwesenheit Ihren Vater geschlagen und alle Möbel zerstört haben.

Vorweg wird hier insbesondere festgehalten, dass Sie das Protokoll der Erstbefragung (EB) unterschrieben haben und Sie dessen Richtigkeit mit Ihrer Unterschrift bestätigt haben.

Bei der Einvernahme (EV) vor der Behörde am 30.05.2018 brachten Sie zwar im Kern den gleichen Fluchtgrund vor, jedoch unterschieden sich die Detailangaben Ihres Vorbringens eklatant.

So machten Sie bei der EV keine Angaben darüber, dass das Alkoholgeschäft nach der angeblichen schriftlichen Bedrohung geschlossen wurde. Auch wurde laut Ihren Angaben in der EB das Geschäft gesprengt, bei der EV gaben Sie jedoch an, dass Sie nur gehört hätten, dass das Geschäft gesprengt wurde.

Weiters behaupteten Sie bei der EV, dass vor Ablauf der gewährten Frist, das Geschäft zu schließen, es zu einer Auseinandersetzung zwischen den schiitischen Milizen und dem Geschäftspersonal, diesem auch Sie angehörten, kam. Bei dieser Auseinandersetzung soll es zu Verletzungen auf beiden Seiten gekommen sein, in dieser auch Sie selbst verletzt worden sind. Betrachtet man Ihr gesamtes Vorbringen vor der Behörde, dann war dies, laut Ihren Angaben, die einzige persönliche Bedrohung Ihrerseits und es ist aus Sicht der Behörde nicht glaubhaft und nachvollziehbar, warum gerade die einzige persönliche Gefährdung Ihres Lebens, bei der EB keinen Niederschlag gefunden hat.

Gerade persönlich erlebte extreme Gefahrensituationen, die dermaßen einschneidend sind, prägen sich in das Gedächtnis ein und sind eines der ersten Dinge, die insbesondere beim Fluchtgrund in der EB durch den Antragsteller vorgebracht werden.

Auch das von Ihnen bei der EV vorgezeigte Video, in diesem zu sehen ist, dass in einen Verkaufsladen hineingeschossen wird, kann aus Sicht der Behörde nicht belegen, um welchen Laden es sich auf dem Video handelt bzw. ist auch nicht zu erkennen, auf welches Ziel überhaupt geschossen wird.

Der größte Widerspruch ergab sich jedoch bezüglich den Auswirkungen Ihrer Bedrohung gegenüber Ihrer Familienmitglieder. So gaben Sie bei der EB an, dass nach dem Sie in die Türkei geflüchtet waren, die Terrormiliz Ihr Elternhaus aufsuchte und Ihren Vater geschlagen und alle Möbel zerstört hätten. Bei der EV behaupteten Sie jedoch, dass Ihre Mutter 2-mal von den schiitischen Milizen in der letzten Woche im Oktober 2015 aufgesucht und von diesen beschimpft wurde. Danach soll Ihre Mutter zu Ihren Großeltern gezogen sein. Bezüglich Ihres Vaters gaben Sie an, dass Sie nicht wüssten, ob die Milizen ihn aufgesucht hätten, da Sie keinen Kontakt zum ihm haben würden. Aus Sicht der Behörde wird Ihnen bezüglich dieser Angaben kein Glauben geschenkt. Es ist nicht nachvollziehbar, dass es Ihnen nicht möglich ist, Angaben über Ihre die behauptete Bedrohung gegen Ihre Eltern gleichlautend wiederzugeben. Folglich geht die Behörde davon aus, dass es weder eine Bedrohung gegen Ihre Mutter noch gegen Ihren Vater gegeben hat. Offensichtlich entsprachen die diesbezügliche Angaben bereits bei der EB nicht der Wahrheit, sodass es ihnen gar nicht möglich erschien, gleichlautende Angaben zu einem späteren Zeitpunkt wiederzugeben.

Aus Sicht der Behörde ist es völlig unverständlich dass es Ihnen nicht möglich war Ihre angebliche Bedrohung gleichlautend in einer späteren Befragung wiederzugeben. Insbesondere deshalb, da es sich dabei eigentlich um das fluchtauslösende Ereignis aus Ihrem Heimatland und somit um das Kernstück Ihres Vorbringens handeln sollte. Wenn auch die Angaben in der Erstbefragung, die sich gemäß § 19 Abs. 1 AsylG 2005 nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen haben, nicht überbewertet werden sollten (vgl. idS auch VfGH 27.06.2012, U 98/12), so ist im vorliegenden Fall dennoch unübersehbar, dass Sie in wesentlichen Aspekten unterschiedliche Angaben machten.

Es entspricht auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine mit Vernunft begabte Person, die behauptet, aus Furcht vor Verfolgung aus ihrem Herkunftsstaat geflüchtet zu sein, über wesentliche Ereignisse im Zusammenhang mit ihrer Flucht, die sich ins Bewusstsein dieser Person einprägen, konkrete, widerspruchsfreie und nachvollziehbare Angaben machen kann.

Wenn Ihre - schlussendlichen - Ausführungen vor der ho. Behörde den Tatsachen entsprechen würden bzw. wenn der behauptete Sachverhalt tatsächlich eingetreten wäre, müsste wohl davon auszugehen sein, dass Sie den besagten und für Ihre Ausreise bzw. für die Asylantragstellung ausschlaggebenden Vorfall - in weiterer Folge auch eine potentielle Gefährdung Ihrer Person - auch schon im Wesentlichen bei der EB vorgebracht bzw. ins Treffen geführt hätten (führen hätten müssen). In diesem Zusammenhang ist insbesondere auch festzuhalten, dass Sie anlässlich der Erstbefragung dezidiert auf die Wichtigkeit und die Wertigkeit Ihrer Angaben hingewiesen und Ihnen auch die Folgen/Konsequenzen etwaiger unvollständiger bzw. unwahrer Angaben vor Augen geführt wurden.

Gesamt betrachtet und unter Zugrundelegung Ihrer Widersprüche, war Ihnen die Glaubwürdigkeit abzusprechen. Aus Sicht der Behörde kann Ihnen bezüglich Ihrer Arbeit in einem Alkoholgeschäft zwar Glauben geschenkt werden, jedoch ist es Ihnen nicht gelungen daraus eine mögliche Asylrelevanz glaubhaft zu machen.

Selbst bei Wahrheitsunterstellung einer Bedrohung durch die schiitischen Milizen, wäre nach Schließung dieses Alkoholgeschäftes, ein Verfolgungsinteresse seitens der schiitischen Milizen mehr als unwahrscheinlich einzustufen.

Zudem haben Sie Ihr Heimatland legal verlassen, sodass eine staatlich Verfolgung auszuschließen ist. Würde, wie Sie es bei der EV behaupteten, die Irakische Regierung lediglich von den schiitischen Milizen geführt werden, wäre, bei einer tatsächlichen Verfolgung Ihrer Person, eine Ausstellung eines Reisepasses und eine legale Ausreise über den internationalen Flughafen in Bagdad, welcher sehr strenger Sicherheitsvorkehrungen und Kontrollen unterliegt, nahezu unmöglich.

Insbesondere kann von keiner individuelle Gefährdung Ihrer Person in Ihrem Heimatland ausgegangen werden, da Sie selbst am 14.06.2017 einer freiwillige Heimreise in den Irak zustimmten. Aus Sicht der Behörde würde keine tatsächlich verfolgte Person, sich überhaupt mit den Gedanken einer freiwilligen Heimreise auseinandersetzten bzw. einer solchen auch zustimmen.

Sonst sind im gesamten Verfahren keinerlei weitere Anhaltspunkte hervorgekommen, die auf eine mögliche Asylrelevanz der behaupteten Furcht vor Verfolgung im Herkunftsstaat hindeuten würden.

Gesamt betrachtet konnten Sie eine konkret gegen Ihre Person gerichtete Verfolgungsgefahr auf Grund der Rasse, Religion, Nationalität, politischen Gesinnung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nicht geltend machen."

In rechtlicher Hinsicht wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer eine wohlbegründete Furcht vor Verfolgung nicht glaubhaft gemacht habe. Es deute nichts darauf hin, dass die Rückverbringung des Beschwerdeführers in seinen Herkunftsstaat für ihn eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts mit sich bringen würde. Nach Abwägung aller Interessen ergebe sich, dass der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, insbesondere des Fremdenwesens, besondere Bedeutung zukomme. Ein möglicher Eingriff in die durch Art. 8 EMRK geschützten Rechte sei jedenfalls als gerechtfertigt und notwendig anzusehen.

4. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer fristgerecht Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge der Verletzung von Verfahrensvorschriften.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist irakischer Staatsangehöriger, Araber und sunnitischer Moslem. Der Beschwerdeführer ist geschieden und hat keine Kinder. Er stammt aus Bagdad, hat dort von 2003 bis 2010 die Schule besucht und danach fünf Monate in einer Autowerkstatt gearbeitet.

In Bagdad leben noch seine geschiedenen Eltern, zwei Brüder, eine Schwester, neun Onkel und vier Tanten. Sein Vater lebt mit seiner zweiten Frau und einem Bruder des Beschwerdeführers in einem Haus. Seine Mutter lebt mit dem zweiten Bruder bei den Großeltern des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer verließ am 07.10.2015 den Irak. Er reiste illegal in das österreichische Bundesgebiet ein, wo er am 01.11.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.

Der vom Beschwerdeführer vorgebrachte Fluchtgrund, dass er wegen seiner Tätigkeit in einem Alkoholgeschäft bedroht worden sei, ist nicht glaubhaft. Es kann nicht festgestellt werden, dass der Beschwerdeführer vor seiner Ausreise einer konkreten, individuell gegen ihn gerichtete Verfolgung aus den von ihm genannten Gründen ausgesetzt war oder er im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer solchen ausgesetzt wäre.

Der Beschwerdeführer hat in Österreich viele Freunde und auch eine Freundin. Er hat einen Deutschkurs (Niveau A1) besucht. Er nimmt an Fußballspielen als Schiedsrichter teil. Der Beschwerdeführer ist in Österreich strafrechtlich unbescholten. Der Beschwerdeführer bezog Leistungen aus der Grundversorgung und war nicht berufstätig.

Zur Lage im Irak werden folgende Feststellungen getroffen:

KI vom 18.5.2018: Parlamentswahlen

Am 12.5.2018 wurden im Irak Parlamentswahlen abgehalten. Die Wahlbeteiligung lag bei 44,5 Prozent - die niedrigste Beteiligung seit dem Sturz Saddam Husseins 2003 (Die Presse 13.5.2018). Als Sieger geht das Wahlbündnis Sa'irun des schiitischen Geistlichen Muqtada al-Sadrs hervor, das nicht mehr vom ersten Platz zu verdrängen ist (Spiegel Online 17.5.2018). Auf zweitem Platz liegt, nach ersten Ergebnissen, das Fatah Bündnis des Milizenführers Hadi al-Ameri, der eng mit den iranischen Revolutionsgarden verbunden ist (Die Presse 13.5.2018). Die Nasr Allianz des amtierenden Ministerpräsidenten Haider al-Abadi kommt im Zwischenergebnis nur auf den dritten Platz (NZZ 15.5.2018).

Obwohl die Wahlkommission die Resultate der Wahl zunächst schon am 14.5.2018 veröffentlichen wollte, liegt bis dato kein offizielles Endergebnis vor (Spiegel Online 17.5.2018). Anschuldigungen von Wahlbetrug in der zwischen Kurden und irakischer Zentralregierung umstrittenen Stadt Kirkuk verzögern die Veröffentlichung der Endergebnisse (The Washington Post 17.5.2018). Laut Wahlkommission belagerten Bewaffnete am Mittwoch, den 16.5.2018, etliche Wahllokale in der Stadt und hielten Mitarbeiter der Wahlkommission in Geiselhaft (Reuters 16.5.2018). Der Gouverneur von Kirkuk sowie der Leiter der Exekutivorgane, Generalmajor Maan al-Saadi, bestritten dies und erklärten, dass die Lage stabil sei und es sich um friedliche und unbewaffnete Proteste um die Wahllokale herum handle (The Washington Post 17.5.2018; Reuters 16.5.2018).

Quellen:

? Neue Züricher Zeitung (15.5.2018): Der Überraschungssieger in der Parlamentswahl öffnet neue Horizonte für den Irak, https://www.nzz.ch/international/irak-ueberraschender-wahlsieg-bei-parlamentswahl-oeffnet-horizonte-ld.1386066, Zugriff 18.5.2018

? Die Presse (13.5.2018): Irak-Wahl: Niedrigste Beteiligung seit Sturz Saddam Husseins,

https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5425941/IrakWahl_Niedrigste-Beteiligung-seit-Sturz-Saddam-Husseins, Zugriff 18.5.2018

? Reuters (16.5.2018): Iraqi election commission says Kirkuk voting stations under siege, staff inside, https://www.reuters.com/article/us-iraq-election-kirkuk/iraqi-election-commission-says-kirkuk-voting-stations-under-siege-staff-inside-idUSKCN1IH1YA, Zugriff 18.5.2018

? Der Spiegel Online (17.5.2018): Die Wandlung des "Mullah Atari", http://www.spiegel.de/politik/ausland/irak-wahl-muqtada-al-sadrs-wandlung-von-hardliner-zum-versoehner-a-1207894.html, Zugriff 18.5.2018

? The Washington Post (17.5.2018): During wait for Iraqi election results, political blocs scramble for influence, https://www.washingtonpost.com/world/during-wait-for-iraqi-election-results-foreign-states-scramble-for-influence/2018/05/17/a1d111d0-59da-11e8-9889-07bcc1327f4b_story.html?noredirect=on&utm_term=.beca16f25693, Zugriff 18.5.2018

KI vom 23.11.2017: Weitere Entwicklungen im Anschluss an das Kurdenreferendum, weitere Rückeroberungen von IS-Gebiet und Update Sicherheitslage mit Fokus auf Bagdad.

Am 29.10.2017 erklärte Mas'ud Barzani seinen Rücktritt als Präsident der kurdischen Region. Er lehnte in einem Brief an das kurdische Parlament eine Verlängerung seines Mandats über den 1.11.17 hinaus ab (IFK 6.11.2017). Barzani bleibt Vorsitzender der KDP (Kurdistan Democratic Party) und somit weiterhin ein wichtiger politischer Akteur. Die weiter andauernde Lähmung des kurdischen Regionalparlamentes versetzt die beiden Parteien KDP und PUK (Patriotische Union Kurdistans) weiterhin in die Lage, politische Entscheidungen ohne die Einbeziehung der Partei Goran oder anderer Parteien zu treffen (CR 14.11.2017).

Nach der Offensive der irakischen Armee und der PMF (Popular Mobilization Forces) in die von den Kurden kontrollierten Gebiete, besteht derzeit ein Waffenstillstand, es herrscht jedoch weiterhin Unsicherheit, nicht nur bezüglich der weiteren Vorgehensweise der irakischen Regierung, sondern auch die wirtschaftliche Situation Kurdistans betreffend. Unterdessen gibt es neue Beweise dafür, dass im Zuge der Offensive in den vorwiegend kurdischen Gebieten Plünderungen, Brandstiftungen, Häuserzerstörungen und willkürliche Angriffe offenbar insbesondere von Seiten der PMF (auch von Seiten turkmenischer PMF-Milizen) stattfanden. Tausende haben dabei ihre Häuser, ihre Geschäfte und ihre sonstigen Besitztümer verloren. (AI 24.10.2017; Bas 14.11.2017; HRW 20.10.2017).

Laut den Vereinten Nationen (VN) kam es im Zuge der Offensive der irakischen Regierung zur Vertreibung von zehntausenden Menschen aus den sogenannten "umstrittenen Gebieten". 180.000 Menschen sind (mit Stand 18.11.2017) nach wie vor vertrieben, 172.000 sind zurückgekehrt. Die meisten dieser Vertriebenen sind Kurden, aber auch Mitglieder anderer Minderheiten, einschließlich sunnitischer Araber und Turkmenen. Die meisten Vertriebenen lebten in den Städten Kirkuk, Daquq (Provinz Kirkuk), sowie Tuz Khurmatu (Rudaw 18.11.2017). Aus Furcht vor Repressalien kehren sie derzeit nicht in ihre Heimatgebiete zurück (Reuters 9.11.2017).

Am Abend des 12.11.2017 fand in der Grenzregion zwischen Iran und Irak ein Erdbeben der Stärke 7,3 statt. Im Irak war dabei die an der Grenze zum Iran befindliche Stadt Halabja (im Autonomen Kurdengebiet) am stärksten betroffen. Acht Menschen starben im Irak, mehr als 500 wurden verletzt und hunderte Familien wurden obdachlos. Zumindest drei Gesundheitszentren wurden beschädigt. Verglichen mit dem Iran war der Irak deutlich geringer von dem Erdbeben betroffen (UNFPA 19.11.2017).

Im Zuge der Rückeroberungen von IS-Gebieten (IS: sogenannter Islamischer Staat) werden weiterhin Massengräber gefunden. Zuletzt wurde in der Nähe der Militärbasis al-Bakara etwa drei Kilometer vor der Stadt Hawija ein Grab mit mindestens 400 Toten (mutmaßlichen IS-Opfern) entdeckt (MOI 3.11.2017; Standard 11.11.2017). Umgekehrt treten weitere Berichte von Racheakten von Seiten der Befreier zutage, laut Nahostexpertin Gudrun Harrer scheint der Zyklus der Gewalt mit dem Sieg über den IS nicht unterbrochen (Harrer 24.11.2017). Mehr als 3,1 Millionen Iraker (die überwältigende Mehrheit Sunniten) sind weiterhin Vertriebene. Weitere 2,3 Millionen sind in ihre Heimatgebiete zurückgekehrt. Für den Wiederaufbau ihrer Städte erhielten die Sunniten nicht viel Hilfe von der Zentralregierung, die sich mehr auf die Bekämpfung/Zurückdrängung des IS und zuletzt der Kurden konzentrieren (NYTimes 26.10.2017).

Ab dem 3.11.2017 mit Stand 17.11.2017 wurden die drei letzten irakischen Städte, die sich noch unter der Kontrolle des IS befanden, Al-Qaim, Ana und Rawa (alle drei im Westen des Landes) von den irakischen Streitkräften zurückerobert. Laut der US-geführten Koalition zur Bekämpfung des IS hat dieser nun 95 Prozent jener irakischen und syrischen Territorien verloren, welches er im Jahr 2014 als Kalifat ausgerufen hatte (Telegraph 17.11.2017; IFK 6.11.2017). Das Wüstengebiet nördlich der drei Städte bleibt vorerst weiterhin IS-Terrain. Die Gebiete rund um Kirkuk und Hawija gehören zu jenen Gebieten, bei denen das Halten des Terrains eine große Herausforderung darstellt. (MEE 16.11.2017; Reuters 5.11.2017; BI 13.11.2017). Es stellt sich auch die Frage, wo sich jene IS-Kämpfer aufhalten, die, nicht getötet wurden oder die nicht in Gefängnissen sitzen (Alleine in Mossul gab es vor der Rückeroberung 40.000 IS-Kämpfer). Viele sind in die Wüste geflohen oder in der Zivilbevölkerung untergetaucht. Es gab es auch umstrittene Arrangements, die den Abzug von IS-Kämpfern und ihren Familien erlaubten. Der IS ist somit nicht verschwunden, nur sein Territorium [mit Einschränkungen s.u.] (Harrer 24.11.2017).

Die folgende Grafik zeigt die massiven Gebietsverluste des IS seit Jänner 2015 (Stand 30.10.2017). Der Wüstenbereich nördlich von Al-Qaim wird je nach Quelle als Wüstengebiet oder als IS-Gebiet eingezeichnet (s. untere Karte) eingezeichnet.

Seit der IS Offensive im Jahr 2014 ist die Zahl der Opfer im Irak nach wie vor nicht auf den Wert der Zeit zwischen 2008 - 2014 zurückgegangen, in der im Anschluss an den konfessionellen Bürgerkrieg 2006-2007 eine Phase relativer Stabilität einsetzte (MRG 10.2017; vgl. IBC 23.11.2017). Von dem Höchstwert von 4.000 zivilen Todesopfern im Juni 2014 ist die Zahl 2016 [nach den Zahlen von Iraq Body Count] auf 1.500 Opfer pro Monat gesunken; dieser sinkende Trend setzt sich im Jahr 2017 fort (MRG 10.2017). Nach den von Joel Wing dokumentierten Vorfällen, wurden in den Monaten August, September und Oktober 2017 im Irak 2.988 Zivilisten getötet (MOI 9.-11.2017). Zu diesen Zahlen gelten die im Länderinformationsblatt Irak in Abschnitt 3.1 erwähnten Einschränkungen und Anmerkungen - kriminelle Gewalt wurde in dieser Statistik nur zum Teil berücksichtigt, Stammesgewalt gar nicht .

Beispielhaft wird im Folgenden eine Grafik angeführt, in der die von einer Sicherheitsfirma dokumentierten Vorfälle, die in Kalenderwoche 45 des Jahres 2017 stattgefunden haben, eingezeichnet sind. Die Grafik stellt jedoch nach Angaben der Quelle nicht das gesamte Ausmaß der Gewalt und der Vorfälle dar. Mehrere Vorfälle, bzw. umfangreiche und länger andauernde Gefechte werden jeweils als ein Vorfall zusammengefasst dargestellt. Darüber hinaus bleiben viele Vorfälle auf Grund von Einschränkungen durch die Regierung und Einschränkungen der Kommunikation undokumentiert:

Im Folgenden findet sich ein von derselben Quelle erstellter Überblick über die Entwicklung der Zahl der Vorfälle von Kalenderwoche 26 - 44 des Jahres 2017:

Im kürzlich veröffentlichten Global Peace Index (GPI)-Bericht wurde der Irak als das "dritt-unfriedlichste" Land der Welt eingestuft. Laut GPI-Bericht bleibt trotz der Zurückdrängung des IS die Stabilität und Sicherheit der Staaten Syrien und Irak weiterhin bedroht (K24 8.8.2017; vgl. Iraqinews 15.11.2017).

Bagdad:

Obwohl der IS Bagdad [kontrollgebietsmäßig] nie erreicht hat, verzeichnete die Hauptstadt laut Angaben der UN jeweils entweder die höchste oder die zweithöchste - nach der Provinz Ninewa - Anzahl an zivilen Todesopfern. Um ein Beispiel zu nennen: UNAMI berichtet, dass im Februar 2017 120 Zivilisten getötet und 300 verletzt wurden. In demselben Monat im Jahr 2016 war Bagdad der am stärksten betroffene Bezirk, UNAMI berichtete von 277 Todesopfern und 838 Verletzten. (Update: Für den Monat Oktober 2017 berichtet UNAMI 177 zivile Opfer (38 Tote, 139 Verletzte). Wichtig ist, anzumerken, dass diese Zahlen ausschließlich verifizierte Opfer inkludieren und als das absolute Minimum gesehen werden müssen [Anm.: Es gelten die in Abschnitt 3.1 des LIB Irak getätigten Aussagen und Anmerkungen]. Zum Beispiel beinhalten sie auch nicht jene Opfer, die in manchen Teilen der Stadt regelmäßig tot aufgefunden und geborgen werden (MRG 10.2017; UNAMI 1.11.2017). Nach wie vor kommt es in Bagdad täglich zu sicherheitsrelevanten Vorfällen mit zivilen Opfern (Wing 9.-11.2017; vgl. IBC 28.2.2017). Laut Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes ist in Bagdad weiterhin mit schweren Anschlägen insbesondere auf irakische Sicherheitsinstitutionen und deren Angehörige, auf Ministerien, Hotels, öffentliche Plätze und religiöse Einrichtungen zu rechnen (AA 23.11.2017). Für die fragile Sicherheitssituation in der Hauptstadt gibt es zahlreiche Gründe. Abgesehen davon, dass es ein attraktives Ziel für Anschläge ist, beherbergten und beherbergen die Gebiete rund um Bagdad historisch entstandene Terrorzellen, u.a. von Al-Qaeda und dem IS. Dies ist insbesondere in der Nachbarprovinz Anbar im Westen, sowie im Bezirk Jurf al-Sakhar in der Provinz Babil der Fall. Dazu kommen die äußeren Bezirke Bagdads, dem sogenannten "Bagdad-Belt", der aus spärlich besiedelten ländlichen Gegenden besteht, in denen sich bewaffnete Gruppen leicht verstecken können.

Die Acht-Millionenmetropole Bagdad hat eine höhere Kriminalitätsrate als jede andere Stadt des Landes. Hauptverantwortlich dafür ist der schwache staatliche Sicherheitsapparat sowie die schwache Exekutive. Seit dem Krieg gegen den IS verblieb in Bagdad aufgrund von Militäreinsätzen in anderen Teilen des Landes phasenweise nur eine geringe Zahl an Sicherheitspersonal. Da große Teile der Armee im Sommer 2014 abtrünnig wurden, sind zum Wiederaufbau der Armee mehrere Jahre nötig. Gleichzeitig erschienen bewaffnete Gruppen, vor allem Milizen mit Verbindungen zu den 'Popular Mobilization Forces' (PMF), auf der Bildfläche, mit divergierenden Einflüssen auf die Stabilität der Stadt. Der Zusammenbruch der Armee führte zusätzlich zu einem verstärkten Zugang und zu einer größeren Verfügbarkeit von Waffen und Munition. Dazu kommt die Korruption, die in allen Einrichtungen des Sicherheitsapparates und der Exekutive herrscht. Trotz dieser Probleme gibt es aktuell eine Verbesserung der Situation, die sich auch auf die Meinung der Bewohner über den irakischen Gesetzesvollstreckungsapparat auswirkt. Obwohl konfessionell bedingte Gewalt in Bagdad existiert, ist die Stadt nicht in gleichem Ausmaß in die Spirale der konfessionellen Gewalt des Bürgerkriegs der Jahre 2006-2007 geraten. Stattdessen kommt es zu einem Anstieg der Banden-bedingten Gewalt (Bandenkriege), die meist finanziell motiviert sind, in Kombination mit Rivalitäten zwischen Sicherheitskräften/-akteuren (MRG 10.2017).

Terrorattacken:

Terrorattacken werden meist mit verschiedenen Arten von IEDs (Improvised Explosive Devices) ausgeführt, inklusive am Körper getragene ('body-born' oder BBIEDs, in Fahrzeugen transportierte ('vehicle-borne' oder S/VBIEDs) und unter Fahrzeugen befestigte Sprengfallen ('under-vehicle-borne' oder UVBTs). Dabei handelt es sich um typische Taktiken des IS. Sie zielen dabei auf große Menschenansammlungen wie z.B. auf Märkten, in Einkaufszentren und Moscheen ab, wo der Kollateralschaden maximiert werden kann. Auch wenn diese Attacken alle Teile der Stadt treffen können, sind [ethno-religiös] gemischte Gebiete besonders gefährdet. Auch werden Kontrollpunkte regelmäßig angegriffen mit dem Ziel Sicherheitskräfte zu schwächen. Wegen des hohen Verkehrsaufkommens werden an den Kontrollpunkten selten sorgfältige Fahrzeugdurchsuchungen durchgeführt, weshalb das Problem schwer einzudämmen ist (MRG 10.2017).

Es sollte auch erwähnt werden, dass UVBTs besonders häufig verwendet werden, um Individuen zu attackieren. Diese Attentate können durch persönliche oder stammesbezogene Auseinandersetzungen motiviert sein, in spezifischen Fällen sind sie politisch motiviert.

Kidnappings und Entführungen:

Kidnappings und Entführungen kommen überall in Bagdad vor, unterscheiden sich aber in Häufigkeit und Art der Opfer. Man kann generell zwischen finanziell motivierten Entführungen und denen, die politisch oder persönlich motiviert sind, unterscheiden. Während erstere von kriminellen Gangs begangen werden, werden die politisch oder persönlich motivierten von bewaffneten Gruppen oder Individuen ausgeführt. Geschätzte 65-75 Prozent können als kriminelle Akte kategorisiert werden, während zwischen einem Viertel und einem Drittel als politisch oder als Folge von persönlichen Auseinandersetzungen gesehen werden können. Die zentralen und relativ wohlhabenden Bezirke Karkh und Rusafa zeigen die höchsten Zahlen an Kidnappings und sind für etwa die Hälfte der dokumentierten Fälle des gesamten Gouvernements verantwortlich (MRG 10.2017).

Obwohl die offiziellen Daten nicht veröffentlicht wurden zeigt eine Aufzeichnung des Innenministeriums, dass in den ersten neun Monaten des Jahres 2016 in Bagdad zumindest 700 Kidnappings stattgefunden haben (MRG 10.2017).

Allerdings können sich diese in vielen Fällen überschneiden. Es wurde zum Beispiel berichtet, dass schiitische Milizen Kidnappings und Erpressungen als einkommensgenerierende Aktivitäten einsetzen. Während es sich dabei um einen kriminellen Akt handelt, kann zusätzlich auch ein politisches oder religiöses Motiv dahinter stehen. Milizen haben z.B. Mitglieder anderer Gruppen entführt und verschleppt. Opfer der von den Gruppen durchgeführten Kidnappings sind tendentiell eher Sunniten als Schiiten. Es ist auch häufig, dass Milizen Kidnappings in Gegenden, die nicht unter ihrer eigenen Kontrolle stehen, ausführen, etwa um ihre Reputation in den von ihnen kontrollierten Gebieten nicht aufs Spiel zu setzen (MRG 10.2017).

Da es zu Protesten in der Bevölkerung kam, und zu Forderungen an den Staat, Maßnahmen zu ergreifen, wurde in den letzten zwei Jahren das Thema Kidnappings in der Öffentlichkeit diskutiert. Immer wieder kam es zu Wellen von Entführungen, die gegen bestimmte Professionen und Gruppen der Gesellschaft gerichtet waren. Anfang 2017 tauchten Berichte auf, dass Sicherheitskräfte eine kriminelle Gruppe zu identifizieren suchten, die auf die Entführung von Kindern in der Gegend um Bagdad al-Jadida spezialisiert war. Im August 2017 veröffentlichte Niqash einen Artikel über eine vor Kurzem vorgefallene Serie an Kidnappings, die gegen Ärzte und medizinisches Personal gerichtet waren. Diese wurden von kriminellen Banden durchgeführt, aber auch von Stämmen, die Wiedergutmachung für Verwandte forderten, die nicht behandelt werden konnten oder die im Spital verstorben waren. Im Mai 2017 wurde eine Gruppe von Studenten und Anti-Korruptions-Aktivisten gekidnappt, angeblich von einer Miliz. Dennoch war einer der meist diskutierten Fällen die Entführung von Afrah Shawqi, einem Journalisten, der nur wenige Tage davor einen Artikel im Al-Sharq al-Awsat über die Straffreiheit von schiitischen Milizen im Irak veröffentlicht hatte. In beiden Fällen wurden die Opfer freigelassen, nachdem großer öffentlicher Druck auf den Premierminister selbst, sowie auf das Innenministerium ausgeübt worden war. Regierungsbeamte und andere politische Führungskräfte wurden ebenso ins Visier genommen wie z.B. bei jenem Fall eines hohen Beamten des Justizministeriums, der im September 2015 gekidnappt wurde, oder jenem Fall eines sunnitischen Stammesführers, dessen Entführung und Ermordung Anlass zu einer Kampagne von Amnesty International wurde (MRG 10.2017).

All diese Fälle haben Regierung und Sicherheitsdienste gezwungen, sich aktiver diesem Problem zu widmen. In vergangenen Jahren, sowie auch in den Jahren 2006-2007, war die Exekutive beinahe gänzlich außerstande, mit dieser Art der Gewalt umzugehen. Heute spricht Premierminister Abadi, der sich manchmal persönlich in Fälle involviert, lautstark über die Bedenken der Bevölkerung, und unternimmt Schritte, um die Kapazitäten der Gesetzesvollstreckung auszuweiten. Dennoch werden Milizen in erfolgreichen Fällen - wenn es Sicherheitskräften gelingt, Banden zur Anklage bringen - selten erwähnt. Es ist praktisch unmöglich einzuschätzen, wie oft die von den Sicherheitskräften Verhaftungen Mitglieder von Milizen einschließen, da Fälle von Kidnappings mit Lösegeldforderungen einfach als kriminelle Akte kategorisiert werden. Dies kann nur durch anekdotische Hinweise und durch Zeugenaussagen belegt werden. Allerdings besteht das Problem, dass die Opfer oft selber nicht wissen woher die Bedrohung kommt oder wer der Empfänger des geforderten Lösegeldes ist (MRG 10.2017).

Schießereien mit Handfeuerwaffen:

Was die Verwendung von Handfeuerwaffen betrifft, können generelle Muster zwischen dem zentralen Gebiet und der Peripherie der Provinz Bagdad unterschieden werden. Morde und Anschläge auf Zivilisten sind innerhalb der Stadt Bagdad weiter verbreitet, die Bezirke Karkh, Rusafa und Adhamiya sind diesbezüglich überrepräsentiert. Diese Anschläge richten sich z.B. gegen Geschäftsbesitzer, Anwälte sowie Angestellte der Regierung. Schießereien kommen auch in Verbindung mit Raubüberfällen vor. Zusätzlich stehen viele Tötungen in Verbindung mit Kidnappings, bei denen das Lösegeld nicht gezahlt wurde.

Im Gegensatz dazu sind Vorfälle mit Handfeuerwaffen im 'Bagdad Belt' üblicherweise gegen Sicherheitsdienste wie die Iraqi Security Forces (ISF) und Mitglieder von sunnitischen und schiitischen Milizen gerichtet, und finden meistens bei Kontrollpunkten statt. Dies kann man in Abu Ghraib, Mahmudiya und Tarmiya beobachten. Diese Gebiete verzeichnen auch eine große Anzahl an Schießereien in Verbindung mit stammesbezogenen Auseinandersetzungen (MRG 10.2017).

Konfessionalismus und Diskriminierung:

Konfessionalismus und Diskriminierung sind weiterhin ein weit verbreitetes Phänomen in Bagdad, wenn sie auch nicht dasselbe Ausmaß an Gewalt erreicht haben, der während des konfessionellen Krieges in den Jahren 2006-2007 dokumentiert wurde. Dies anzumerken, ist von wichtig, weil von vielen angenommen wurde, dass durch das Ausbreiten des IS ab 2014 frühere Muster an Gewalt nach Bagdad zurückkehren würde. Das hat er auch, allerdings in einem geringeren Ausmaß. Wie diverse Menschenrechtsberichte gezeigt haben, fachen Terrorattacken des IS in Bagdad viele Arten an Vergeltungsmaßnahmen gegen sunnitische Zivilisten an, die vorwiegend von schiitischen Milizen begangen werden. Diese beinhalten Kidnappings, Ermordungen sowie ungesetzlichen Freiheitsentzug. Dennoch ist der offensichtlichere Konfessionalismus - bei dem sunnitische Bewohner Kontrollpunkte nicht passieren konnten ohne namentlich aufgerufen zu werden und manchmal schikaniert oder festgenommen wurden - heute relativ selten. Dies trifft allerdings nicht auf sunnitische Internvertriebene (IDPs) zu, die in der Provinz Bagdad regelmäßig diskriminiert werden. Nachdem der IS in großen Teilen von Anbar und Salah al-Din die Macht ergriffen hatte, flohen Tausende nach Bagdad. In vielen Fällen war es ihnen von vorne herein nie gestattet, in die Provinz einzureisen. Die, die es dennoch geschafft haben, berichten von extrem eingeschränkter Reisefreiheit (da Personalausweise aufzeigen in welchem Gouvernement sie ausgestellt wurden), von Schwierigkeiten, als Gebietsfremde des Gouvernements an wesentliche Dokumente zu gelangen, sowie von Schikanen aufgrund des Pauschalverdachts der IS-Zugehörigkeit. Für Internvertriebene besteht, aufgrund fehlender Netzwerke für persönliche Unterstützung, auch ein größeres Risiko, entführt zu werden.

Eine weitere Seite des Konfessionalismus sind Verhaftungen, oft willkürlich, welche meist in Verbindung mit einer Anklage wegen Terrorismus nach Artikel 4 vollzogen werden und beinahe ohne Ausnahme Sunniten betreffen. Diese Festnahmen sind nach Terroranschlägen häufig, wenn Sicherheitsdienste Durchsuchungsaktionen durchführen, um Mitglieder oder Unterstützer des IS ausfindig zu machen (MRG 10.2017).

Kleinere Gemeinschaften, inklusive Minderheiten und solche, die sich ineiner Minderheitssituation wiederfinden, stehen unter signifikantem Risiko. Die Anzahl an Christen in Bagdad nimmt unter dieser Bedrohungssituation weiterhin ab, wenn auch kleine christliche Gemeinden in gemischten Bezirken bestehen bleiben; so auch in Karkh und in Karrada und Palästina. Faili-Kurden (schiitische Kurden), einschließlich jener, die in Sadirya und im südlichen Teil Bagdads leben, haben unter Bombenangriffen gelitten und berichten von erhöhten Spannungen, die in Zusammenhang mit dem kurdischen Unabhängigkeitsreferendum stehen. Palästinenser, die vorwiegend in al-Baladiyat leben, sind diesen gezielten Attacken ebenso ausgesetzt und bleiben weiterhin besonders gefährdet (MRG 10.2017).

Sicherheitskräfte in der Provinz Bagdad:

Irakische Sicherheitskräfte (ISF):

Die ISF werden in Bagdad vom 'Baghdad Operations Command' (BOC) repräsentiert, Geheimdienste und irakische Polizeieinheiten, die im Bagdad Gouvernement agieren, sind dem Verteidigungsministerium unterstellt. Der BOC besteht aus mehreren Brigaden, die der 6., 11. und 17. Abteilung der irakischen Armee angehören, sowie aus spezialisierten Militär- und Polizei-Einheiten, inklusive Bereitschaftspolizei und Schutzeinheiten für Diplomaten. Die irakische Armee ist gemeinsam mit staatlichen und lokalen Polizeieinheiten für die Sicherheit verantwortlich. Zusätzlich zu regulären Sicherheitsfunktionen, sind die ISF gemeinsam mit Einheiten, die in Verbindung zum Innenministerium stehen, für die Überprüfung von Internvertriebenen und Rückkehrern und damit in Zusammenhang stehende Regulierungen zuständig (MRG 10.2017).

Polizeikräfte werden oft als Erweiterung der Badr-Partei gesehen. Darüber hinaus wird das Polizeikorps, abgesehen von Teilen der Staatspolizei, als schwer korrupt erachtet. In wenigen Ausnahmen sind Offiziere der Staatspolizei ehemalige Offiziere der Armee und werden als weniger korrupt und konfessionalistisch gesehen. Die meisten sind allerdings durch politische Einflussnahme und Vereinbarungen verschiedener Parteien an ihre Position gelangt (MRG 10.2017).

Im Allgemeinen vertraut die Bevölkerung eher der Armee als der Polizei. Die Mehrheit der Bewohner Bagdads, die in einer Umfrage einer NGO befragt wurden, ob sie in einer Notsituation die Polizei kontaktieren würden, sagten sie würden erst versuchen, das Problem selbst zu beheben. Knapp unter 50 Prozent meinten, sie würden der Polizei unter keinen Umständen Bericht erstatten. Im Vergleich dazu:

über 70 Prozent derer, die in Gebieten leben, in denen die Armee für die Sicherheit verantwortlich ist, gaben an, sie würden, wenn nötig, ihre lokalen Sicherheitskräfte kontaktieren. In derselben Umfrage wurden Bewohner gefragt, ob sie jemals Bestechungsgeld gezahlt hätten, um Unterstützung von offiziellen Sicherheitskräften zu erhalten, was 30 Prozent der Befragten bejahten. Zuletzt wurden Bewohner gefragt ob sich die Sicherheits-Situation in Bagdad verbessern oder verschlechtern würde, worauf beinahe 70 Prozent antworteten, das sie sich verbessere (MRG 10.2017).

Islamischer Staat (IS):

Der IS konnte Mitte 2014 Gebiete im Provinz Bagdad nicht unter seine Kontrolle bringen. Allerdings hat sich IS-Aktivität mehrmals vom angrenzenden Provinz Anbar in den westlichen Bezirk Abu Ghraib ausgeweitet. Teile des 'Bagdad-Belt' sind historisch gesehen Unterstützungsgebiete des IS, welche IS-Attacken in zentraler gelegenen Gebieten Bagdads ermöglichen (MRG 10.2017).

In der Provinz Bagdad beschränken sich die Aktivitäten des IS vor allem auf "unkonventionelle Attacken" gegen Zivilisten und hochrangige Opfer - in erster Linie durch die Verwendung von IEDs (MRG 10.2017).

Popular Mobilization Forces (PMF):

Während die PMF generell auf Schlachtfeldern quer durch das Land eingesetzt wurden, bewahren einige eine signifikante Präsenz in Bagdad. Die älteren und größeren [überwiegend schiitischen] Milizen sind jene, die vorwiegend als aktive Gruppen einen Teil der Sicherheitskräfte der Stadt repräsentieren. [...] Sunnitische Milizen kommen in der Stadt Bagdad nicht vor, aber sehr wohl in manchen Teilen des 'Bagdad-Belt', besonders in den Bezirken, die an Anbar und das Gouvernement Salah al-Din grenzen, inklusive Taji, Tarmiya und Abu Ghraib. Auf lokaler Ebene agieren PMF-Einheiten parallel und oft im Konflikt mit den ISF. Bewaffnete Konflikte zwischen ISF und PMUs, wenn auch selten, wurden im Gouvernement Bagdad beobachtet. Während die PMF weitläufig von der schiitischen Bevölkerung unterstützt werden, wurden sie beschuldigt, Menschenrechtsverletzungen gegen sunnitische Zivilisten in Gebieten begangen zu haben, die vom IS zurückerobert wurden, - wie von diversen Organisationen wie z.B. Human Rights Watch, Amnesty International und Minority Rights Group dokumentiert wurde. Berichterstattung dieser Art tendiert dazu, sich auf die Gouvernements zu konzentrieren, in denen in den letzten zwei Jahren Militäreinsätze stattgefunden haben - wie in etwa in Anbar, Ninewa und Salah al-Din - sowie auf Gebiete, in denen außer Frage steht, dass Milizen ungestraft agierten. Aufgrund dessen werden Menschenrechtsverletzungen innerhalb des Gouvernements Bagdad nicht so eingehend verfolgt (MRG 10.2017). Im Folgenden werden einige Beispiele der wichtigsten PMF-Milizen aufgezählt, die in Bagdad operieren: Badr-Organisation, Asaib Ahl al-Haq, Saraya al-Salam, Saraya al-Khorasani, Kataib Hizbullah (MRG 10.2017).

Quellen:

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AA-Auswärtiges Amt (23.11.2017): Irak: Reisewarnungen, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/irak-node/iraksicherheit/202738#content_1, Zugriff 23.11.2017

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AI- Amnesty International (24.10.2017): Titel?

https://www.amnesty.org/en/latest/news/2017/10/iraq-fresh-evidence-that-tens-of-thousands-forced-to-flee-tuz-khurmatu-amid-indiscriminate-attacks-lootings-and-arson/, Zugriff 22.11.2017

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Bas - Basnews (14.11.2017): Over 1,500 Civilian Properties Damaged by Hashd al-Shaabi in Tuz KhurmatuFeatured, http://www.basnews.com/index.php/en/news/kurdistan/392677, Zugriff 22.11.2017

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BBC (3.11.2017): Islamic State and the crisis in Iraq and Syria in maps, http://www.bbc.com/news/world-middle-east-27838034, Zugriff 22.11.2017

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BI - Business Insider (13.11.2017): Two suicide attacks in Iraq's Kirkuk kill at least five,

http://www.businessinsider.de/us-marines-isis-iraq-2017-11?r=US&IR=T, Zugriff 22.11.2017

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CR - Control Risks (14.11.2017): Iraq Weekly, per Email am 16.11.2017

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Der Standard (11.11.2017): Massengräber mit mindestens 400 Opfern des IS im Irak entdeckt

http://derstandard.at/2000067646336/Massengraeber-mit-mindestens-400-Opfern-des-IS-im-Irak-entdeckt, Zugriff 22.11.2017

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Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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