TE Vwgh Erkenntnis 1999/9/1 99/16/0154

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Veröffentlicht am 01.09.1999
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E1E;
E3L E09301000;
E3L E09302000;
L34009 Abgabenordnung Wien;
L37019 Getränkeabgabe Speiseeissteuer Wien;
001 Verwaltungsrecht allgemein;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11992E092 EGV Art92 Abs1;
11992E095 EGV Art95;
11992E177 EGV Art177;
11997E234 EG Art234;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art33 Abs1;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs2;
31992L0012 Verbrauchsteuer-RL Art3 Abs3;
31992L0108 System-RL ;
BAO §281;
B-VG Art140 Abs7;
EURallg;
GetränkesteuerG Wr 1992 §1;
GetränkesteuerG Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §1 idF ABl Wr 1992/044;
GetränkesteuerV Wr 1992 §2;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1992/044;
GetränkesteuerV Wr 1992 §3 idF ABl Wr 1994/050;
GetränkesteuerVNov Wr 1992;
GetränkesteuerVNov Wr 1994;
LAO Wr 1962 §216;
VwGG §38a;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers DDDr. Jahn, über die Beschwerde der H OHG in L, vertreten durch Dr. Paul Georg Appiano und Dr. Bernhard Kramer, Rechtsanwälte in Wien I, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission Wien vom 26. März 1999, Zl MD-VfR-K 2/99, betreffend Aussetzung der Entscheidung über eine Berufung in einer Getränkesteuerangelegenheit, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Stadt Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 4. März 1998 beantragte die Beschwerdeführerin, die Getränkesteuer für 1995 bis 1997 mit einer Abgabenschuld von S 0,-- festzusetzen, da auf Grund der "EU-Widrigkeit" die Einhebung der Getränkesteuer zu Unrecht erfolgt sei. Gleichzeitig wurde die Rückzahlung der Getränkesteuer für 1995 bis 1997 beantragt.

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 3. Dezember 1998 wurde daraufhin Getränkesteuer für die Jahre 1995 bis 1997 in jeweils bestimmter Höhe vorgeschrieben. Gleichzeitig wurde der Rückzahlungsantrag abgewiesen.

Gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1998 wurde mit Schriftsatz vom 16. Dezember 1998 Berufung erhoben und darin neuerlich die "EU-Widrigkeit" der Einhebung von Getränkesteuer geltend gemacht. Die Eingabe schloss mit der Wendung "Mit der Bitte um eine antragsgemäße Rechtsmittelerledigung, gegebenenfalls Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des EuGH bzw des VwGH".

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 29. Dezember 1998 wurde die Entscheidung über die Berufung vom 16. Dezember 1998 ausgesetzt. In der Begründung des Bescheides wurde auf ein beim Verwaltungsgerichtshof anhängiges Verfahren verwiesen. Interessen der Partei, die der Aussetzung entgegenstünden, seien nicht erkennbar.

Mit Eingabe vom 9. Jänner 1999 wurde gegen den letztgenannten Bescheid Berufung erhoben und beantragt, die Aussetzung aufzuheben und in der Sache selbst zu entscheiden. Wörtlich wurde in der Eingabe ausgeführt:

"Zur Begründung erlauben wir uns anzuführen, dass die Entwicklung in dieser unklaren Rechtssituation uns

veranlasst, dieser Aussetzung entgegenzuwirken, um nicht Nachteile dadurch zu erleiden."

Weiters wurde in der Eingabe ausgeführt, auch nach Ansicht der EU-Kommission widerspreche die Getränkebesteuerung der

6. Mehrwertsteuerrichtlinie und der Verbrauchsteuerrichtlinie.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Aussetzungsbescheid zurückgewiesen. Weiters wurde in Erledigung des Fortsetzungsantrages ausgesprochen, dass die Entscheidung über die Berufung gegen den Bescheid vom 3. Dezember 1998 ausgesetzt werde.

In der Beschwerde gegen den Aussetzungsbescheid werden dessen inhaltliche Rechtswidrigkeit sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht verletzt, einen der Anfechtung vor den Höchstgerichten zugänglichen Berufungsbescheid zu erwirken.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Ist wegen einer gleichen oder ähnlichen Rechtsfrage eine Berufung anhängig oder schwebt vor einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde ein Verfahren, dessen Ausgang von wesentlicher Bedeutung für die Entscheidung über die Berufung ist, so kann die Entscheidung über diese gemäß § 216 WAO idgF unter Mitteilung der hiefür maßgeblichen Gründe ausgesetzt werden, sofern nicht überwiegende Interessen der Partei entgegenstehen.

Überwiegende Parteiinteressen, die einer Aussetzung entgegenstehen, sind nur solche, die sich im Einzelfall aus einem besonders gelagerten Sachverhalt ergeben. So sind keine der Aussetzung entgegenstehenden Interessen zB das Interesse an einer raschen Erledigung oder an einer Entscheidung ohne unnötigen Aufschub sowie die lange, mit Rechtsunsicherheit verbundene Wartezeit (vgl Ritz, BAO2, 668 f, und die dort angeführte hg Rechtsprechung). Überwiegende Interessen können sich jedoch insbesondere aus dem drohenden Verlust der "Ergreiferprämie" beim Verfassungsgerichtshof ergeben, wenn die Aussetzung die Partei hindert, Anlassfall iSd Art 140 Abs 7 B-VG zu werden (in diesem Sinne zuletzt das hg Erkenntnis vom 31. März 1999, Zlen 99/16/0052, 0053).

Im Beschwerdefall wurde in der Abgabenberufung die Aussetzung des Berufungsverfahren ausdrücklich beantragt. Erst in der von der belangten Behörde als Fortsetzungsantrag iSd § 216 Abs 3 WAO gewerteten Eingabe vom 9. Jänner 1999 wurden Einwendungen gegen eine Aussetzung erhoben, wobei zur Begründung auf die "unklare Rechtssituation" verwiesen wurde. Mit diesem lapidaren Hinweis hat aber die Beschwerdeführerin keinen Sachverhalt dargelegt, auf Grund dessen vom Vorliegen überwiegender, einer Aussetzung entgegenstehender Interessen auszugehen war. Der Umstand allein, dass in der Berufung gegen den Abgabenbescheid die Verdrängung der Bestimmungen über die Erhebung der Getränkesteuer durch das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union releviert worden ist, konnte die Darlegung von überwiegenden Interessen der Partei an der Fortsetzung des Verfahrens nicht ersetzen.

Bei dem (erst) in der Beschwerdeschrift enthaltenen, ausführlichen Vorbringen, wonach solche überwiegende Interessen der Partei im Hinblick auf die Ungewissheit des Ausganges des vor dem Europäischen Gerichtshof anhängigen Verfahrens und der Wirkungen des zu erwartenden Urteiles dieses Gerichtshofes sowie einer Verfassungswidrigkeit einer danach sich ergebenden "steuerlichen Schlechterstellung" der alkoholfreien Getränke bestünden, handelt es sich um ein neues Vorbringen, auf das im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht weiter einzugehen war.

Aus den angeführten Gründen war die Beschwerde somit gemäß § 42 Abs 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr 416/1994.

Wien, am 1. September 1999

Schlagworte

Auslegung unbestimmter Begriffe VwRallg3/4 Überwiegende Parteiinteressen Gemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1 Gemeinschaftsrecht kein innerstaatlicher Anwendungsbereich EURallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1999:1999160154.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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