TE Bvwg Erkenntnis 2018/9/19 W222 2155609-1

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Veröffentlicht am 19.09.2018
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Entscheidungsdatum

19.09.2018

Norm

AVG §78
B-VG Art.133 Abs4
FPG §60 Abs1

Spruch

W222 2155609-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. OBREGON als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Indien, vertreten durch Mag. Andreas Lepschi, Rechtsanwalt in 1090 Wien, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2017, Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I. Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer stellte am 19.11.2007 einen Antrag auf internationalen Schutz. Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 06.06.2008, Zl. XXXX , wurde dieser Antrag gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF abgewiesen (Spruchpunkt I.), dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Indien nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.) und gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG wurde er aus dem österreichischen Bundesgebiet nach Indien ausgewiesen (Spruchpunkt III.). Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.01.2011, Zl. C12 400.409-1/2008/12E, gemäß §§ 3, 8 und 10 Asylgesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

Die Bundespolizeidirektion Wien ordnete mit Bescheid vom 14.11.2011, Zl. XXXX , gegen den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 1 FPG idgF iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zur Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 iVm 53 FPG und der Abschiebung gemäß § 46 FPG an. Am gleichen Tag verhängte die Bundespolizeidirektion Wien über den Beschwerdeführer mit Straferkenntnis, Zl. XXXX , wegen § 70 iVm § 120 Abs. 1a FPG eine Geldstrafe in Höhe von 1.500 Euro und für den Fall deren Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von acht Tagen.

Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.11.2011, Zl. XXXX , wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG idgF eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 FPG idgF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot für den gesamten Schengen-Raum erlassen.

Am 29.02.2012 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen.

Mit Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, Zl. XXXX , vom 02.04.2013 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 24.08.2012 auf Erteilung des Aufenthaltstitels "Rot-Weiß-Rot-Karte plus" gemäß § 41a Abs. 10 NAG abgewiesen. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministeriums für Inneres vom 24.06.2013, Zl. XXXX , gemäß § 66 Abs. 4 AVG wegen Unzulässigkeit zurückgewiesen.

Nachdem der Beschwerdeführer am 24.04.2015 die Ehe mit einer ungarischen Staatsbürgerin geschlossen hatte, beantragte er am 18.08.2015 die Ausstellung der Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes beim Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35.

Mit Schriftsätzen vom 23.11.2016 und vom 05.12.2016 wurde die Aufhebung der Rückkehrentscheidung in Verbindung mit dem Einreiseverbot beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl beantragt, zumal der Beschwerdeführer mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die aufrecht beschäftigt sei und über eine Anmeldebescheinigung verfüge, verheiratet und daher begünstigter Drittstaatsangehöriger sei.

Am 20.03.2017 wurde der Beschwerdeführer festgenommen und am 22.03.2017 auf dem Luftweg nach Dehli abgeschoben.

In einer Stellungnahme des rechtsfreundlichen Vertreters vom 23.03.2017 wurde geltend gemacht, dass der Beschwerdeführer begünstigter Drittstaatsangehöriger sei und daher das Einreiseverbot (Aufenthaltsverbot) keineswegs aufrechterhalten werden könne.

Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2017 wurde der Antrag auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG idgF zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von 6,50 Euro gemäß § 78 AVG idgF aufgetragen. Begründend wurde ausgeführt, dass der Beschwerdeführer ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht als Angehöriger einer EU-Bürgerin nicht in Anspruch nehmen könne, weil gegen ihn ein aufrechtes Einreiseverbot bestehe. Da für die Aufhebung des Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG eine fristgerechte Ausreise Voraussetzung sei, der Beschwerdeführer abgeschoben worden sei und seiner Ausreiseverpflichtung nicht nachgekommen sei, könne der Antrag nur zurückgewiesen werden. Die Bundesverwaltungsabgabe sei zu entrichten, zumal die Erlassung des gegenständlichen Bescheids im Privatinteresse des Beschwerdeführers gelegen sei.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer im Wege seiner rechtsfreundlichen Vertretung fristgerecht Beschwerde, worin moniert wurde, dass für den Beschwerdeführer als begünstigten Drittstaatsangehörigen die Bestimmungen der §§ 67, 69 FPG zur Beurteilung der Frage der Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes zur Anwendung kommen würden. Die belangte Behörde habe nicht begründet, worin die aktuelle Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit des Beschwerdeführers bestehen solle. Alle Gründe, die zur Erlassung des Einreiseverbotes geführt hätten, seien weggefallen, zumal der unbescholtene Beschwerdeführer fünf Jahre durchgehend in Österreich aufhältig und erwerbstätig gewesen sei.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Nachdem über seinen Antrag auf internationalen Schutz mit Erkenntnis des Asylgerichtshofes vom 05.01.2011 zur Gänze negativ entschieden worden war, reiste er im April 2011 nach Italien, kehrte im November 2011 nach Österreich zurück und hielt sich bis zu seiner Abschiebung am 22.03.2017 durchgehend im österreichischen Bundesgebiet auf.

Mit in Rechtskraft erwachsenem Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.11.2011 wurde gegen den Beschwerdeführer gemäß § 52 Abs. 1 FPG idgF eine Rückkehrentscheidung und gemäß § 53 Abs. 1 FPG idgF ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Seiner Ausreiseverpflichtung kam er nicht nach.

Am 24.04.2015 schloss der Beschwerdeführer mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die über eine Anmeldebescheinigung für den Zweck "Arbeitnehmerin" gemäß § 51 Abs. 1 Z 1 NAG verfügt, die Ehe.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2017 wurde der Antrag vom 23.11.2016 auf Aufhebung des gegen den Beschwerdeführer erlassenen Einreiseverbotes gemäß § 60 Abs. 1 FPG idgF zurückgewiesen (Spruchpunkt I.) und die Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben in der Höhe von 6,50 Euro gemäß § 78 AVG idgF aufgetragen.

2. Beweiswürdigung:

Die Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers ergibt sich aus seinen eigenen Angaben und dem sichergestellten indischen Reisepass. Die Feststellungen zum Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich erschließen sich einerseits aus seinen Angaben anlässlich der Befragungen am 14.11.2011 vor der Bundespolizeidirektion Wien und am 16.11.2016 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl andererseits aus einem Auszug aus dem zentralen Melderegister und dem Abschiebebericht vom 22.03.2017.

Die Feststellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und der vorliegenden Gerichtsakte des Bundesverwaltungsgerichtes. Da der Beschwerdeführer seit Erlassung der Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot durchgehend im Zentralen Melderegister gemeldet war und er erst durch die Abschiebung am 22.03.2017 außer Landes gebracht wurde, ist er seiner Ausreiseverpflichtung sohin nicht nachgekommen.

Die Feststellungen zur Eheschließung und zur Ehegattin des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben und wurden durch die Vorlage einer Heiratsurkunde, einer Anmeldebescheinigung und eines Verdienstnachweises belegt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung - BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes - AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 - DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist.

Zu A)

Zu Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides:

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt zu der durch das VwGVG neu geschaffenen Rechtslage ausgesprochen (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 18. Dezember 2014, Ra 2014/07/0002 bis 0003, vom 26. Februar 2015, Ra 2014/22/0152 bis 0153, und vom 23. Juni 2015, Ra 2015/22/0040; vgl. weiters die Beschlüsse vom 16. September 2015, Ra 2015/22/0082 bis 0083, und vom 12. Oktober 2015, Ra 2015/22/0115), dass - wenn die Behörde in erster Instanz den Antrag zurückgewiesen hat - das Verwaltungsgericht lediglich befugt ist, darüber zu entscheiden, ob die von der Behörde ausgesprochene Zurückweisung als rechtmäßig anzusehen ist, dies allein bildet den Gegenstand des Beschwerdeverfahrens (vgl. VwGH 17.10.2016, Ra 2016/22/0059).

Gemäß § 125 Abs. 25 FPG bleiben vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 87/2012 erlassene Einreiseverbote bis zum festgesetzten Zeitpunkt weiterhin gültig und können nach Ablauf des 31. Dezember 2013 gemäß § 60 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2013 aufgehoben, verkürzt oder für gegenstandslos erklärt werden.

Der mit "Verkürzung, Gegenstandslosigkeit und Aufhebung" betitelte § 60 FPG in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 68/2013 lautet:

"§ 60. (1) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 2 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen oder aufheben, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(2) Das Bundesamt kann ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 1 bis 4 auf Antrag des Drittstaatsangehörigen unter Berücksichtigung der für die Erlassung der seinerzeitigen Rückkehrentscheidung oder des seinerzeitigen Einreiseverbotes maßgeblichen Umstände verkürzen, wenn der Drittstaatsangehörige das Gebiet der Mitgliedstaaten fristgerecht verlassen hat und seither einen Zeitraum von mehr als die Hälfte des seinerzeitigen Einreiseverbotes im Ausland verbracht hat. Die fristgerechte Ausreise hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen.

(3) Die Rückkehrentscheidung wird gegenstandslos, wenn einem Drittstaatsangehörigen

1. der Status des Asylberechtigten zuerkannt wird;

2. ein Aufenthaltstitel gemäß §§ 55 bis 57 AsylG 2005 erteilt wird.

(Anm.: Abs. 4 und 5 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 87/2012)"

Im vorliegenden Fall wurde gegen den Beschwerdeführer mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15.11.2011 eine Rückkehrentscheidung sowie ein rechtskräftiges, auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 1 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 erlassen, das angesichts der Höchstdauer von fünf Jahren offensichtlich auf § 53 Abs. 2 FPG idF BGBl. I Nr. 38/2011 gestützt wurde. Daher prüfte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Aufhebung des Einreiseverbotes zu Recht auf der Grundlage des zitierten § 60 Abs. 1 FPG.

Der Beschwerdeführer beantragte die Aufhebung des über ihn verhängten Einreiseverbotes gestützt auf die Behauptung, dass er angesichts der Eheschließung mit einer ungarischen Staatsangehörigen, die aufrecht beschäftigt sei und über eine Anmeldebescheinigung verfüge, ein begünstigter Drittstaatsangehöriger sei.

Insofern in der Beschwerde die Ansicht vertreten wird, dass die Bestimmungen der §§ 67, 69 FPG in casu maßgeblich seien, wird auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, verwiesen, worin klargestellt wurde, dass angesichts des unterschiedlichen normativen Gehalts und der Anknüpfung an unterschiedliche Voraussetzungen von Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot einerseits und Aufenthaltsverbot andererseits diese Maßnahmen nicht "austauschbar" sind und eine Transformation eines bestehenden Einreiseverbotes in ein Aufenthaltsverbot nicht in Betracht komme. Daher scheidet die Anwendung der §§ 67, 69 FPG in casu aus.

Der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes lag eine dem vorliegenden Fall ähnlich gelagerte Konstellation zugrunde, nämlich der Antrag auf Aufhebung eines Einreiseverbots, weil dem Revisionswerber angesichts der Eheschließung mit einer slowakischen Staatsangehörigen, die in Wien lebe und dort unselbstständig erwerbstätig sei, die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger zukomme. Der Verwaltungsgerichtshof kam zum Schluss, dass eine Aufhebung des ursprünglich verhängten Einreiseverbotes nicht auf Basis des § 60 Abs. 1 FPG erfolgen kann, weil diese Vorschrift auf eine Voraussetzung abstellt (fristgerechtes Verlassen des Gebietes der Mitgliedstaaten), welche der Erlangung einer unionsrechtlich begünstigten Rechtsstellung nicht gerecht wird, und daher § 60 Abs. 1 FPG nicht "passt". Dazu wurde in den Rz 14 bis 17 der zitierten Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes erwogen:

"14 Geht man davon aus, dass ein Drittstaatsangehöriger ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erwirbt - etwa, wie vom Revisionswerber behauptet, durch Erlangung der Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger -, so steht dies der weiteren Existenz einer Rückkehrentscheidung, die an die Unrechtmäßigkeit des Aufenthalts anknüpft, entgegen (vgl. in diesem Sinn das Erkenntnis VwGH 15.3.2016, Ra 2015/21/0174). Der Eintritt eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts begründet nämlich eine rechtliche Position, mit der eine Rückkehrentscheidung nicht länger kompatibel ist. Diese und die mit ihr im Zusammenhang stehenden Aussprüche müssen daher gegebenenfalls ex lege erlöschen, was der im § 60 Abs. 3 FPG normierten Gegenstandslosigkeit einer Rückkehrentscheidung gleichkommt. Auch der Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts muss daher - gleich den im Gesetz ausdrücklich genannten Fällen der Erlangung eines rechtmäßigen Aufenthalts - eine derartige Gegenstandslosigkeit herbeiführen.

15 Wird die Rückkehrentscheidung gegenstandslos, so erfasst das auch, wie gerade erwähnt, die damit im Zusammenhang stehenden Aussprüche. Das gilt auch für das an die Rückkehrentscheidung anknüpfende Einreiseverbot (siehe in diesem Sinn das Erkenntnis VwGH 16.12.2015, Ro 2015/21/0037, VwSlg. 19268 A, Punkt 5.2. der Entscheidungsgründe), zumal es nach der insoweit umgesetzten Richtlinie 2008/115/EG keine von der Rückkehrentscheidung losgelösten Einreiseverbote gibt (so zuletzt die Generalanwältin Sharpston in ihren Schlussanträgen vom 26. Oktober 2017, Rs. C-82/16, Rn. 66). In diesem Kontext ist allerdings klarzustellen, dass ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht bedingungslos zusteht bzw. - wie im vorliegenden Fall im Hinblick auf die Eheschließung mit einer slowakischen Staatsangehörigen behauptet - nicht ohne Weiteres erlangt wird. So besteht ein derartiges Aufenthaltsrecht insbesondere dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit vorliegt (siehe § 55 Abs. 3 NAG), was im Sinn des Art. 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs. 4 Z 18 FPG) dann der Fall ist, wenn das persönliche Verhalten des Fremden eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Gegebenenfalls darf der betreffende EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigte Drittstaatsangehörige gemäß § 41a Abs. 1 Z 5 FPG zurückgewiesen oder, wenn er sich schon im Bundesgebiet befindet, mit einer Ausweisung nach § 66 FPG oder einem Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG belegt werden.

16 Wurde ursprünglich ein Einreiseverbot verhängt, so mag es nach Maßgabe des Falles naheliegend sein, dass eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit im eben angesprochenen Sinn - weiterhin - vorliegt. Gegebenenfalls hat der betreffende Fremde ungeachtet dessen, dass er EWR-Bürger, Schweizer Bürger oder begünstigter Drittstaatsangehöriger geworden ist, kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erlangt. Rückkehrentscheidung und damit verbundenes Einreiseverbot blieben dann insoweit unangetastet, sie würden also nicht gegenstandslos werden. Sie könnten aber auch nicht einer Aufhebung unterfallen, vielmehr wären sie nunmehr durch eine Ausweisung nach § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG zu ersetzen."

Dieser Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend, war im vorliegenden Fall der Antrag auf Aufhebung des Einreiseverbotes, der wie in der vom Verwaltungsgerichtshof am 14.11.2017 entschiedenen Rechtssache zu Ra 2017/21/0151 auf die Behauptung gestützt wurde, es sei die Rechtsstellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger erlangt worden, von vornherein nicht zielführend. Wie vom Verwaltungsgerichtshof klargestellt wurde, sind in solchen Fällen entweder die Rückkehrentscheidung samt Einreiseverbot in Anbetracht des erlangten unionsrechtlichen Aufenthaltsrechtes ohnehin schon gegenstandslos geworden oder es hat, wenn ein solches Aufenthaltsrecht nicht vorliegt - mittels Bescheid - eine Ausweisung oder ein Aufenthaltsverbot an deren Stelle zu treten. Die Klärung der Frage, von welchen dieser beiden Alternativen auszugehen ist, hat im Verfahren zur beantragten Ausstellung einer Dokumentation des unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts zu erfolgen (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151, Rz 17).

Da der Wortlaut des § 60 Abs. 1 FPG die Behebung des verhängten Einreiseverbotes im vorliegenden Fall nicht zulässt, erweist sich die Zurückweisung des gegenständlichen Antrages des Beschwerdeführers seitens der belangten Behörde als rechtmäßig. Demzufolge war die gegenständliche Beschwerde im Ergebnis als unbegründet abzuweisen.

Zu Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides:

§ 78 AVG lautet:

"§ 78. (1) Den Parteien können in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung (unmittelbare oder mittelbare Bundesverwaltung, übertragener Wirkungsbereich der Gemeinden in Bundesangelegenheiten) für die Verleihung von Berechtigungen oder sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen der Behörden Bundesverwaltungsabgaben auferlegt werden, sofern die Freiheit von derlei Abgaben nicht ausdrücklich durch Gesetz festgesetzt ist. Wenn ein im Verwaltungsverfahren als Partei auftretender Rechtsträger zur Vollziehung der Gesetze berufen ist, so unterliegt er insoweit der Verpflichtung zur Entrichtung von Bundesverwaltungsabgaben nicht, als die Amtshandlung eine unmittelbare Voraussetzung der dem Rechtsträger obliegenden Vollziehung der Gesetze bildet. Die Gebietskörperschaften unterliegen ferner der Verpflichtung zur Entrichtung einer Bundesverwaltungsabgabe nicht, wenn diese der als Partei einschreitenden Gebietskörperschaft zufließen würde.

(2) Für das Ausmaß der Bundesverwaltungsabgaben sind, abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen, durch Verordnung der Bundesregierung zu erlassende Tarife maßgebend, in denen die Abgaben mit festen Ansätzen, die nach objektiven Merkmalen abgestuft sein können, bis zum Höchstbetrag von 1 090 Euro im einzelnen Fall festzusetzen sind.

(3) Das Ausmaß der Verwaltungsabgaben in den Angelegenheiten der Landes- und Gemeindeverwaltung richtet sich nach den auf Grund des Finanz-Verfassungsgesetzes und des Finanzausgleichsgesetzes bestehenden landesgesetzlichen Vorschriften.

(4) Die Bundesverwaltungsabgaben sind von der Behörde einzuheben und fließen der Gebietskörperschaft zu, die deren Aufwand zu tragen hat.

(5) Die Art der Einhebung ist für die Bundesbehörden durch Verordnung der Bundesregierung, für die Behörden der Länder und Gemeinden durch Verordnung der Landesregierung zu regeln."

Gemäß § 1 Abs. 1 Bundesverwaltungsabgabenverordnung 1983 (BVwAbgV) haben die Parteien für jede Verleihung einer Berechtigung oder für sonstige wesentlich in ihrem Privatinteresse liegende Amtshandlungen, die von Behörden im Sinne des Art. VI Abs. 1 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen oder infolge Säumnis einer solchen Behörde vom Verwaltungsgerichtshof vorgenommen wurden, in den Angelegenheiten der Bundesverwaltung - abgesehen von den durch Gesetz besonders geregelten Fällen - die gemäß dem Abschnitt II festgesetzten Verwaltungsabgaben zu entrichten. Gemäß Tarif A Z 2 BVwAbgV sind für sonstige Bescheide oder Amtshandlungen, die wesentlich im Privatinteresse der Partei liegen, soweit nicht eine andere Tarifpost Anwendung findet, Euro 6,50 zu entrichten.

In Ermangelung eines amtswegigen Behebungs- bzw. Verkürzungstatbestandes im Hinblick auf das seinerzeit gegen den Beschwerdeführer ausgesprochene Einreiseverbot ist sohin vom Vorliegen eines verfahrensgegenständlichen wesentlichen privaten Interesses des Beschwerdeführers auszugehen, weshalb die Voraussetzung für die Auslösung einer Gebührenschuld in Höhe von 6,50 Euro gemäß § 78 AVG iVm § 1 Abs. 1 iVm. Tarif A Z 2 BVwAbgV vorliegt.

Sohin war die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

Zum Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.

In casu ergibt sich der Sachverhalt eindeutig aus der Aktenlage und in der Beschwerde wurden keine neuen relevanten Sachverhaltselemente vorgebracht, welche geeignet wären, zu einem anderen Verfahrensergebnis zu führen, vielmehr wurde im Wesentlichen das bereits vor der belangten Behörde erstattete Vorbringen wiederholt. Da der von der Verwaltungsbehörde ermittelte entscheidungswesentliche Sachverhalt noch die gesetzlich gebotene Aktualität aufweist und auch kein anderer Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu erwarten ist, wenn sich das Bundesverwaltungsgericht vom Beschwerdeführer einen persönlichen Eindruck im Rahmen einer mündlichen Verhandlung verschafft, kann die beantragte Verhandlung im konkreten Fall unterbleiben.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Die maßgebliche Rechtsprechung zu den zu lösenden Rechtsfragen wurde bei den Erwägungen zu A) wiedergegeben.

Schlagworte

Abgrenzung, Abschiebung, Aufenthaltsverbot, Aufhebungsantrag,
begünstigte Drittstaatsangehörige, Ehe, Einreiseverbot, freiwillige
Ausreise, Gegenstandslosigkeit, Rückkehrentscheidung, Unionsbürger,
Verwaltungsabgabe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2018:W222.2155609.1.00

Zuletzt aktualisiert am

08.01.2019
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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